Jahresbericht 2008 - im Tobias-Haus Zürich
Jahresbericht 2008 - im Tobias-Haus Zürich
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Editorial<br />
In letzter Zeit ist mir oft ein Satz in den Sinn gekommen. Ein<br />
Satz aus einem Kinderbuch, an das sich einige vielleicht<br />
noch erinnern: Winnie the Pooh, oder auf Deutsch: Pu der<br />
Bär, von Alan Alexander Milne. In diesem Buch sagt ein kleines<br />
Tier, ich erinnere mich nicht mehr, wer es war: „Es ist<br />
sehr schwer, mutig zu sein, wenn man zu den kleinen Tieren<br />
gehört.“<br />
Leider muss ich vorweg eine Anmerkung machen. Leider,<br />
sage ich, weil dies ohne die Geschichte des 20. Jahrhunderts<br />
nicht nötig wäre. Das <strong>Tobias</strong>-<strong>Haus</strong> ist eine Institution<br />
für Menschen mit geistiger Behinderung. Ich bin selber<br />
zusammen mit einer geistig behinderten Schwester aufgewachsen<br />
und jeder Vergleich von behinderten Menschen<br />
mit Tieren liegt mir fern. Der Beginn des Nationalsozialismus<br />
liegt nun schon mehr als 70 Jahre zurück, aber ganz sicher<br />
kann man seither nie mehr sein.<br />
Aber jetzt zurück zu diesem Satz „vom Mut der kleinen<br />
Tiere“. Natürlich ist auch darin ein Vergleich, aber auf poetische<br />
Art, und dieser Satz sagt etwas, was nicht nur für<br />
Kinder gilt, sondern für Menschen überhaupt, besonders in<br />
Zeiten der Krise und des Umbruchs. Die ganze Welt redet<br />
von Krise; das <strong>Tobias</strong>-<strong>Haus</strong> ist in keiner Krise, aber mit der<br />
Planung eines zusätzlichen Wohnhauses betritt die Institution<br />
Neuland. Einerseits kostet das viel Geld; andererseits<br />
kommen neue Menschen und neue Anforderungen.<br />
Es brauchte (und braucht) Mut in einer kleinen Stiftung, wie<br />
es das <strong>Tobias</strong>-<strong>Haus</strong> ist, daran zu glauben, dass das <strong>Haus</strong><br />
<strong>Zürich</strong>bergstrasse 93 möglich ist, Mut und Kraft, zu verhandeln,<br />
Geld zu sammeln, zu rechnen, zu überzeugen, <strong>im</strong>mer<br />
wieder, auch mit Rückschlägen umzugehen. Für diesen Mut<br />
möchte ich zwei Namen nennen, an dieser Stelle auch für<br />
alle andern: Robert Boesch, Projektleiter für das neue Wohnhaus,<br />
und Cornelius Wirth, Gesamtleiter <strong>im</strong> <strong>Tobias</strong>-<strong>Haus</strong>.<br />
Sie haben, zusammen mit vielen andern, <strong>im</strong>mer wieder neu<br />
Mut geschöpft, Mut gegeben - und weitergearbeitet.<br />
Es braucht Mut, jeden Tag, auch bei den Mitarbeitenden.<br />
Sie kommen jeden Tag und versuchen, zusammen mit den<br />
ihnen anvertrauten Menschen aus kleinen Stücken etwas<br />
Ganzes zu machen, versuchen, die Fähigkeiten zu finden,<br />
um ein kleines Werk zu beginnen und <strong>im</strong>mer wieder neu an-<br />
zufangen. Sie brauchen die Kraft, um aus jedem Tag etwas<br />
zu machen, das sich lohnt, mit Anfang, Mitte und Ende:<br />
Rhythmus ist das Themas dieses <strong>Jahresbericht</strong>s.<br />
Es braucht Mut, mit Behinderung(en) zu leben. Im Kleinen<br />
wissen wir das wohl alle, können uns manches vorstellen.<br />
Wenn die Behinderung grösser ist und manchmal wie ein<br />
Berg vor dem Leben steht, versagt unsere Vorstellung. Wie<br />
sie auch versagt vor dem, was Eltern für ihre behinderten<br />
Kinder tun, neben all der Arbeit, die sie sonst – wie wir alle –<br />
auch leisten. Wir wissen nicht, wie es ist, wenn jeder kleine<br />
Schritt eine Herausforderung und eine (beinah) unüberwindliche<br />
Leistung ist.<br />
Hier, wie auch bei den Mitarbeitenden kann ich keine Namen<br />
nennen. Es sind zu viele – und ich weiss zu wenig. Wir<br />
haben beschlossen, dass jedes Mitglied des Stiftungsrats<br />
einmal <strong>im</strong> Jahr irgendwo in der Institution einen halben Tag<br />
mit dabei ist. Aber um einander wirklich zu kennen, braucht<br />
es noch mehr. Und gerade darum möchte ich, wie jedes<br />
Jahr, <strong>im</strong> Namen der Stiftung allen danken: den Menschen<br />
<strong>im</strong> <strong>Tobias</strong>-<strong>Haus</strong>, Mitarbeitenden und Betreuten, Eltern, Angehörigen<br />
und den Mitgliedern des Stiftungsrats.Wie man<br />
sieht, rechne ich uns alle zu den kleinen Tieren, vom Stiftungsrat<br />
bis zu den Bewohnerinnen und Bewohnern. Vor<br />
allem auch mich selber. (Dabei kommt es mir wieder in den<br />
Sinn: Es war ein Ferkel, das den Satz da oben sagte.)<br />
Und schliesslich will ich nicht vergessen zu erwähnen, dass<br />
es auch ein paar „grosse Tiere“ gab, in Regierung und Verwaltung,<br />
die unser Projekt und unsere Stiftung aktiv gefördert<br />
haben und fördern. Ich hoffe, auch sie nehmen mir den<br />
Vergleich mit „grossen Tieren“ nicht übel – der stammt ja<br />
aus der Umgangssprache! Ich schliesse sie in unsern Dank<br />
ein und zähle auf weitere Unterstützung!<br />
Paul Wolf (Präsident Stiftungsrat)<br />
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