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Historische Pragmatik und historische Varietätenlinguistik ...

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Kommunikationsprinzipien, Texttraditionen, Geschichte<br />

3. Die Historizität der Kommunikationsprinzipien<br />

3.1. Kommunikationsprinzipien <strong>und</strong> Ebenen des sprachlichen Wissens<br />

In jüngster Zeit rekurriert die <strong>historische</strong> Semantik auf Kommunikationsprinzipien<br />

als Erklärungsmuster für sprachliche Innovationen. So deutet Blank (1997,<br />

368) zahlreiche Innovationstypen als Verletzungen von Maximen, die unter Beachtung<br />

des Kooperationsprinzips durch konversationelle Implikatur geheilt werden.<br />

Eine solche Betrachtungsweise impliziert die Universalität des Kooperationsprinzips<br />

als Voraussetzung von Sprachwandel. Aus gesprächs<strong>historische</strong>r Sicht<br />

hatte bereits Fritz (1994b, 556) festgestellt, dass Kooperations- <strong>und</strong> Relevanzprinzip<br />

«zumindest in der <strong>historische</strong>n Zeit, die wir überblicken, zweifellos universell<br />

gültig» sind – ähnlich wie elementare sprachliche Handlungen, deren Genese im<br />

«geschichtlichen Dunkel» (Schlieben-Lange 1983, 140) liegt. Was Heringer 1994<br />

an möglicher interkultureller Differenz mit dem Begriff der «Ausführungsbestimmungen»<br />

erfasst, wendet in erstaunlich wortgleicher Diktion Fritz (1994b,<br />

556s.) auf die Geschichte von Kommunikationsprinzipien an. Er rechnet historisch<br />

mit «variablen Ausprägungen <strong>und</strong> mit unterschiedlichen ‹Ausführungsbestimmungen›<br />

». Bereits Schlieben-Lange (1983, 90ss.) hatte auf die Geschichtlichkeit<br />

von «Gesprächsregeln» hingewiesen.<br />

Wenn der ontologische Begriff von Sprache als einem Miteinandersprechen<br />

ohne «Vertrauen» oder «Kooperation» nicht denkbar ist, dann betrifft die Frage<br />

der Entstehung eines solchen Prinzips in der Tat nicht die Historie, sondern die<br />

Prähistorie oder Evolution. Insofern die Geltung des Kooperationsprinzips an<br />

einen Kernbestand von Konversationsmaximen geknüpft ist, werden auch diese<br />

vorgeschichtlichen Ursprungs sein. Anders sieht es jedoch bei den Realisationsformen<br />

einzelner Maximen aus. Hier liegt es eigentlich auf der Hand, dass diese<br />

nichts anderes als rhetorische Normen des Sprechens darstellen. Dabei geht es<br />

nicht mehr nur um die Operativität der Maximen, sondern auch um ihre normative<br />

Geltung. Denn dass rhetorische Normen unterschiedlich beurteilt, gepflegt<br />

<strong>und</strong> tradiert werden <strong>und</strong> damit eine Geschichte haben, dürfte niemand in Abrede<br />

stellen können. 6 Dafür gibt, auch wenn er natürlich nicht von<br />

«Konversationsmaximen» spricht, Coseriu einige Beispiele. Für die Maxime der<br />

Art <strong>und</strong> Weise (Klarheit) stellt er (1988, 77) etwa auf der universellen Ebene des<br />

elokutionellen Wissens (d. h. des Wissens, «wie man kongruent <strong>und</strong> kohärent<br />

spricht») fest:<br />

6 Göttert 1988, 200, arbeitet überzeugend den Unterschied zwischen neuzeitlicher <strong>und</strong> frühneuzeitlicher<br />

Kommunikationstheorie heraus: «Als der Gedanke der Beziehungsformung mit der Sprache als<br />

deren Medium verknüpft wurde, schlug die Thematisierung der Kommunikationsideale um in die<br />

Thematisierung der idealen Kommunikationssituation. Nicht Prinzipien des Kommunizierens wurden<br />

zum Ideal stilisiert, sondern der Dialog selbst wurde idealisiert bzw. daraufhin befragt, wieweit er eine<br />

ideale Voraussetzung für Verständigung darstellt». Die Frage nach der Möglichkeit der Historizität von<br />

Kommunikationsprinzipien muss freilich den umgekehrten Weg gehen, von der «Thematisierung der<br />

idealen Kommunikationssituation» zur «Thematisierung der Kommunikationsideale».<br />

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