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Nutzen und Risiken der Regulierung - Home - Ernst & Young ...

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<strong>Nutzen</strong> <strong>und</strong> <strong>Risiken</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Regulierung</strong><br />

6<br />

E RNST & YOUNG 2003/2004<br />

Vor dem Hintergr<strong>und</strong> ihrer breiten beruflichen Erfahrung äussern<br />

sich Prof. Dr. Giorgio Behr (Professor für Betriebswirtschaftslehre<br />

an <strong>der</strong> Universität St. Gallen), Prof. Dr. Heinrich Koller<br />

(Direktor des B<strong>und</strong>esamtes für Justiz), Thomas McGrath (Vice<br />

Prof. Heinrich Koller, eine Welle von «Unternehmensskandalen»<br />

hat die Welt innerhalb<br />

von kurzer Zeit erschüttert. Waren die Behörden<br />

nicht genügend vorbereitet?<br />

Die Frage ist, ob man sich auf solche<br />

Vorkommnisse überhaupt vorbereiten<br />

kann. Meiner Auffassung nach ist für<br />

die Beantwortung dieser Frage zu unterscheiden<br />

zwischen rechtsetzenden Behörden<br />

<strong>und</strong> rechtsanwendenden Behörden<br />

– also vor allem staatlichen Aufsichtsbehörden,<br />

aber auch selbstregulierenden<br />

Akteuren.<br />

Als Direktor einer staatlichen, primär<br />

rechtsetzenden Behörde erlaube ich mir<br />

kein Urteil über das Verhalten <strong>der</strong> Akteure<br />

in <strong>der</strong> Rechtsanwendung, da kenne<br />

ich die Fakten zu wenig. Was die Rechtsetzung<br />

anbelangt, so «hinkt» diese naturgemäss<br />

immer hinter <strong>der</strong> Entwicklung<br />

in <strong>der</strong> Praxis her. Präventive Gesetzgebung<br />

ist nur selten möglich.<br />

Dr. Peter Wuffli, Unternehmen wie die UBS<br />

haben ihren Anpassungs- <strong>und</strong> Verän<strong>der</strong>ungsprozess<br />

schon vor einiger Zeit durchgemacht.<br />

Kurieren die Behörden etwas, was<br />

<strong>der</strong> Markt bereits geheilt hat?<br />

Aus Erfahrungen lernen, seien es Fusionen<br />

<strong>und</strong> Akquisitionen o<strong>der</strong> Marktkrisen,<br />

ist seit vielen Jahren ein Markenzeichen<br />

<strong>der</strong> UBS-Kultur. Die Kreditkrise in <strong>der</strong><br />

Schweiz in den frühen <strong>und</strong> die Asienkrise<br />

in den späten 90er Jahren ermutigten<br />

uns dazu, in <strong>der</strong> Bewirtschaftung von<br />

Kredit- <strong>und</strong> Marktrisiken eine führende<br />

Stellung anzustreben. Die Unternehmensskandale<br />

<strong>und</strong> die verstärkte Überwachung<br />

seitens <strong>der</strong> Behörden zu Beginn<br />

dieses Jahrzehnts waren für die Finanzbranche<br />

– <strong>und</strong> damit auch für UBS –<br />

Anlass, auch im Management <strong>der</strong> operationellen<br />

<strong>Risiken</strong> Vorbildliches zu<br />

leisten. Statt sich über eine übermässige<br />

<strong>Regulierung</strong> zu beklagen, sollten die<br />

Unternehmen in ihrem eigenen Interesse<br />

die regulatorischen Auflagen als Chancen<br />

begreifen <strong>und</strong> so ihre Wettbewerbsfähigkeit<br />

erhöhen.<br />

Tom McGrath, welche gr<strong>und</strong>sätzliche Rolle<br />

spielen regulatorische Vorschriften bei <strong>der</strong><br />

Wie<strong>der</strong>herstellung des Anlegervertrauens?<br />

Dass vieles für die engere Integration<br />

<strong>der</strong> Kapitalmärkte in das weltweite<br />

geschäftliche Umfeld des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

spricht, ist gut dokumentiert. Dennoch<br />

bleibt die tatsächliche Integration<br />

<strong>der</strong> Kapitalmärkte aufgr<strong>und</strong> gesetzlicher,<br />

politischer <strong>und</strong> aufsichtsrechtlicher<br />

Schranken <strong>und</strong> einer uneinheitlichen<br />

Berichterstattung behin<strong>der</strong>t. Fortschritte<br />

werden bei <strong>der</strong> Annäherung <strong>der</strong> Rechnungslegungsvorschriften<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>sätze<br />

des Berufsstandes erzielt. Die zuständigen<br />

Organe sind bestrebt, diese<br />

Annäherung weiter voranzutreiben. Kapitalmarktaufsichtsbehörden<br />

<strong>und</strong> an<strong>der</strong>e<br />

Chairman für AABS [Assurance and Advisory Business Services]<br />

bei <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> Global) <strong>und</strong> Dr. Peter Wuffli (Chief Executive<br />

Officer UBS AG) über die aktuellen Trends <strong>der</strong> <strong>Regulierung</strong>.<br />

gesetzgebende Stellen müssen die Anstrengungen<br />

zur Harmonisierung <strong>der</strong><br />

regulatorischen Rahmenbedingungen<br />

allerdings weiter koordiniert voranbringen,<br />

damit wir die effektive Integration<br />

<strong>der</strong> Kapitalmärkte erleben.<br />

Prof. Giorgio Behr, eine unabhängige Überwachung<br />

<strong>der</strong> Wirtschaftsprüfungsbranche<br />

scheint ein Schlüsselelement in vielen<br />

neuen regulatorischen Projekten zu sein.<br />

War das System <strong>der</strong> Selbstregulierung<br />

ineffizient o<strong>der</strong> hat ein f<strong>und</strong>amentaler Wandel<br />

stattgef<strong>und</strong>en, <strong>der</strong> neue Lösungen erfor<strong>der</strong>lich<br />

machte?<br />

Das Problem <strong>der</strong> unabhängigen Überwachung<br />

liegt nicht in erster Linie in <strong>der</strong><br />

Frage, ob die Selbstregulierung gescheitert<br />

ist o<strong>der</strong> nicht. Die Anleger wünschen<br />

Strukturen mit wirklich unabhängigen<br />

Behörden <strong>und</strong> Personen, die für die Überwachung<br />

zuständig sind. Der Anschein<br />

einer unzureichenden Unabhängigkeit<br />

muss von Beginn an vermieden werden.


Tom McGrath, welche Rolle spielt die Wirtschaftsprüfungsbranche<br />

beim Festlegen von<br />

Standards <strong>und</strong> welche Art von Entwicklungen<br />

för<strong>der</strong>t sie?<br />

In <strong>der</strong> Wirtschaftsprüfungsbranche<br />

sind fähige <strong>und</strong> erfahrene Praktiker tätig,<br />

die ein tiefes Verständnis für die anspruchsvolle<br />

Aufgabe haben, welcher die<br />

Unternehmen bei <strong>der</strong> Anwendung <strong>der</strong><br />

Rechnungslegungsvorschriften täglich<br />

gegenüber stehen. Wir müssen daher –<br />

zusammen mit den Verfassern <strong>und</strong> Benützern<br />

von Geschäftsberichten – eine wesentliche<br />

Rolle bei <strong>der</strong> Entwicklung dieser<br />

Standards spielen. In diesem Sinne<br />

übernehmen wir zusammen mit an<strong>der</strong>en<br />

Vertretern unserer Branche eine aktive<br />

Rolle bei den zuständigen Organen, wenn<br />

diese einschlägige Themen erörtern <strong>und</strong><br />

entsprechende Standards festlegen.<br />

Prof. Giorgio Behr, aufgr<strong>und</strong> ihrer faktischen<br />

Macht haben Rechnungslegungsvorschriften<br />

selbst auch eine Art regulierende Funktion.<br />

Sie haben über Rechnungslegung während<br />

einer ganzen Generation gelehrt <strong>und</strong> geforscht.<br />

Erhöht sich <strong>der</strong> Druck <strong>und</strong> bereiten<br />

Rechnungslegungsvorschriften den Unternehmungen<br />

zunehmend Kopfschmerzen?<br />

Buchführungsregeln wurden <strong>und</strong> werden<br />

festgelegt, um sowohl eine die<br />

tatsächlichen Verhältnisse vermittelnde<br />

Präsentation wirtschaftlicher/finanzieller<br />

Schlüsselzahlen als auch die Vergleichbarkeit<br />

von Berichten sicherzustellen.<br />

Das Erfor<strong>der</strong>nis <strong>der</strong> Vergleichbarkeit,<br />

nicht nur (für eine gegebene Gesellschaft)<br />

über einen längeren Zeitraum<br />

hinweg, son<strong>der</strong>n auch innerhalb einer<br />

bestimmten Branche, mag<br />

jedoch zu stark betont worden sein. Dies<br />

ist einer <strong>der</strong> Gründe, weshalb wir mit<br />

einem zunehmenden Schwall detaillierter<br />

Bestimmungen konfrontiert werden.<br />

Eine Überregulierung wird letztlich die<br />

weitere Entwicklung <strong>der</strong> Buchführung<br />

behin<strong>der</strong>n.<br />

Dr. Peter Wuffli, wie stellen Sie sicher, dass ein<br />

Unternehmen wie UBS laufende Entwicklungen<br />

im Bereich <strong>der</strong> Berichterstattung nahe<br />

verfolgt <strong>und</strong> einhält – <strong>und</strong> was for<strong>der</strong>n diese<br />

Anstrengungen?<br />

UBS hat sich zum Ziel gesetzt, eher ein<br />

Pionier als ein Mitläufer zu sein: 1998<br />

waren wir die erste grosse Finanzdienstleistungsgesellschaft,<br />

die einheitlich IAS<br />

anwandte. Ein integrierter Ansatz für die<br />

ganze Unternehmung ist notwendig. Wie<br />

immer braucht es dazu auch die Kenntnisse<br />

<strong>und</strong> den Einsatz unseres Personals.<br />

Deshalb stellen wir Spezialisten höchsten<br />

Kalibers ein, um die Buchführungswelt<br />

von morgen mit zu formen. So ist als<br />

Beispiel die Annäherung zwischen US<br />

GAAP <strong>und</strong> IFRS von oberster Bedeutung<br />

für eine Unternehmung, die sowohl im<br />

Hinblick auf ihre Investorenbasis als auch<br />

auf ihre K<strong>und</strong>schaft global so ausgeglichen<br />

ist, wie wir es sind.<br />

Und wie, Prof. Heinrich Koller, verfolgt die<br />

Schweizerische B<strong>und</strong>esverwaltung die Anstrengungen<br />

privater Organisationen <strong>und</strong><br />

an<strong>der</strong>er Regierungen, <strong>und</strong> kann sie glaubwürdig<br />

eingreifen?<br />

Selbstverständlich verfolgen wir die<br />

nationalen <strong>und</strong> internationalen Entwicklungen<br />

im Bereich <strong>der</strong> Buchführungs<strong>und</strong><br />

Rechnungslegungsvorschriften, <strong>und</strong><br />

zwar sowohl auf staatlicher wie selbstregulieren<strong>der</strong><br />

Ebene.<br />

Wir schätzen es sehr, dass wir von den<br />

Machern <strong>der</strong> Schweizer Standards<br />

regelmässig um unsere Meinung gebeten<br />

werden. Unser primäres Anliegen<br />

besteht natürlich darin, dass diese Standards<br />

die rechtlichen Vorgaben respektieren.<br />

Wäre dem nicht so, würden wir<br />

intervenieren.<br />

Im Übrigen halten wir es jedoch nicht<br />

für unsere Aufgabe, den Machern <strong>der</strong><br />

Standards vorzuschreiben, wie Letztere<br />

auszusehen haben. Dann könnten wir<br />

diese Aufgabe ja genauso gut selbst übernehmen.<br />

Wir halten es für sinnvoll, dass<br />

diese Standards in Selbstregulierung erarbeitet<br />

werden.<br />

7


Prof. Giorgio Behr, Sie sind einerseits Unternehmer,<br />

arbeiten an<strong>der</strong>seits auch als<br />

Berater für Rechnungslegungsfragen innerhalb<br />

von internationalen Organisationen.<br />

Können Sie sicherstellen, dass die öffentlichen<br />

Behörden von Ihrer unternehmerischen<br />

Erfahrung, insbeson<strong>der</strong>e mit Blick auf<br />

die weltwirtschaftlichen Entwicklungen,<br />

profitieren?<br />

Die Meinung <strong>der</strong> Verfasser von Geschäftsberichten<br />

– also <strong>der</strong> Unternehmer<br />

<strong>und</strong> Unternehmen – wird bei uns<br />

nicht mit <strong>der</strong> notwendigen Regelmässigkeit<br />

<strong>und</strong> Intensität gehört – <strong>und</strong> vielleicht<br />

auch zu wenig prägnant vertreten.<br />

In den USA spielen Industrie <strong>und</strong><br />

Banken dagegen eine wichtige Rolle<br />

bei <strong>der</strong> Definition von Standards. Auf<br />

internationaler Ebene sollten die Anstrengungen<br />

<strong>der</strong> Unternehmen <strong>und</strong> ihrer<br />

Verbände intensiviert werden, um die<br />

Verfechter einer äusserst detaillierten,<br />

in vielen Fällen aber nutzlosen Information<br />

«zur Ordnung zu rufen».<br />

Dr. Peter Wuffli, UBS ist ein eindrucksvoller<br />

Player auf dem globalen Parkett. Wie nehmen<br />

Sie die «regulatorischen Differenzen»<br />

wahr <strong>und</strong> denken Sie, dass «regulatorische<br />

Arbitrage» ein Problem von zunehmen<strong>der</strong><br />

Bedeutung wird?<br />

Natürlich hat je<strong>der</strong> Markt seine eigene<br />

regulierende Philosophie <strong>und</strong> seine historisch<br />

gewachsenen Strukturen. In den<br />

USA sehen wir eine sehr bruchstückhafte<br />

regulierende Landschaft, während<br />

diese in Grossbritannien sehr einheitlich<br />

ist. In Japan greifen die Aufsichtsbehörden<br />

sehr direkt ein, während sie sich in<br />

<strong>der</strong> Schweiz zu einem wichtigen Teil auf<br />

externe <strong>und</strong> interne Kontrolle verlassen.<br />

8<br />

Für eine Bank mit unserer Ausrichtung<br />

auf weltweite Geschäftsstrukturen ist es<br />

eine grössere Herausfor<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> mit<br />

enormen Kosten verb<strong>und</strong>en, mit dieser<br />

Vielfalt umzugehen. Wir würden weltweite<br />

Annäherung bei den regulierenden<br />

Philosophien <strong>und</strong> ein striktes Festhalten<br />

am Herkunftsland als Vorgaben klar bevorzugen,<br />

was die Arbitrage-Möglichkeiten<br />

im regulierenden Bereich verringern<br />

würde.<br />

Prof. Heinrich Koller, auf welchen Platz in<br />

<strong>der</strong> «regulatorischen Rangfolge» würden<br />

Sie die Schweiz beispielsweise im Vergleich<br />

mit an<strong>der</strong>en OECD-Län<strong>der</strong>n stellen?<br />

Entgegen ersten Befürchtungen am<br />

Anfang <strong>der</strong> Debatte um die Corporate<br />

Governance steht die Schweiz recht<br />

gut da. In den meisten <strong>der</strong> mittlerweile<br />

zahlreichen Studien zu diesem Thema<br />

nimmt sie einen Platz im Mittelfeld ein.<br />

Das hängt auch damit zusammen, dass<br />

<strong>der</strong> Gesetzgebungsprozess in <strong>der</strong> Schweiz<br />

ein wenig länger dauert als an<strong>der</strong>swo.<br />

Die relative Trägheit <strong>der</strong> Schweizer Gesetzgebung<br />

hat aber auch den Vorteil,<br />

dass <strong>der</strong> teilweise vorhandene Aktivismus<br />

wie<strong>der</strong> ein wenig eingedämmt wird.<br />

Gesetzgeberische Schnellschüsse werden<br />

so vermieden.<br />

Tom McGrath, die Konvergenz <strong>der</strong> Rechnungslegungsvorschriften<br />

wird oft als ein<br />

notwendiges Element für die weltweiten Kapitalmärkte<br />

angesehen. Welche Fortschritte<br />

wurden dabei erzielt?<br />

Ab Januar 2005 werden r<strong>und</strong> 90 Län<strong>der</strong><br />

die International Financial Reporting<br />

Standards übernehmen o<strong>der</strong> ihre nationalen<br />

Rechnungslegungsstandards an<br />

diese anpassen. Dies stellt einen wichtigen<br />

Fortschritt dar. Das International<br />

Accounting Standards Board (IASB) <strong>und</strong><br />

das US Financial Accounting Standards<br />

Board (FASB) haben massgeblich zum<br />

Ziel <strong>der</strong> weltweiten Konvergenz beigetragen.<br />

Das IASB <strong>und</strong> das FASB veröffentlichten<br />

im Oktober 2002 eine Absichtserklärung,<br />

welche einen wichtigen<br />

Schritt in Richtung <strong>der</strong> Formalisierung<br />

ihrer Bemühungen zur Annäherung <strong>der</strong><br />

US-Standards <strong>und</strong> internationaler Standards<br />

darstellte. Mit dieser Absichtserklärung<br />

wurde auch die Verpflichtung<br />

bei<strong>der</strong> Organisationen auf gemeinsame<br />

Projekte <strong>und</strong> die Koordination künftiger<br />

Arbeitsprogramme bekräftigt.<br />

Prof. Giorgio Behr, Sie sind als Experte für<br />

verschiedene Behörden tätig. Denken Sie,<br />

dass alles in allem die Politiker Vorschriften<br />

zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts<br />

o<strong>der</strong> nur zur vorübergehenden Befriedigung<br />

<strong>der</strong> Wählerschaft erlassen? Und welches<br />

sind, aufgr<strong>und</strong> Ihrer Erfahrung, die Massstäbe,<br />

welche die Aufsichtsbehörden beachten,<br />

wenn sie ihre Aufgaben wahrnehmen?<br />

Die Aufsichtsbehörden sollten sich mehr<br />

auf die Kapitalmarktstrukturen, auf die<br />

Kontrolle des Zugangs zu diesen Märkten<br />

<strong>und</strong> auf die Aufsicht in Bezug auf<br />

alle Marktteilnehmer (Emittenten, Banken,<br />

Analysten, Berater <strong>und</strong> Wirtschaftsprüfer)<br />

konzentrieren. Lei<strong>der</strong><br />

werden Themen von Bedeutung – wie die<br />

Schaffung einer europäischen Kapitalmarkt<br />

Aufsichtsbehörde – vernachlässigt<br />

<strong>und</strong> leichte Aufgaben (z.B. verschärfte<br />

Vorschriften für Wirtschafprüfungsgesellschaften)<br />

bevorzugt, um den Eindruck<br />

zu vermitteln, dass «wirkungsvolle<br />

Massnahmen eingeführt worden<br />

seien». Die Schweiz sollte ihrer Tradition<br />

treu bleiben <strong>und</strong> weiterhin Gesetze<br />

mit wenigen, aber verständlichen<br />

Gr<strong>und</strong>sätzen entwerfen sowie bestehende<br />

Gesetze an die mo<strong>der</strong>nen Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

anpassen, statt ständig


neue <strong>und</strong> oft wi<strong>der</strong>sprüchliche Gesetze<br />

zu erlassen. Wirkungsvolle Werkzeuge,<br />

das Anlegervertrauen in die Kapitalmärkte<br />

zu sichern, sind eine verständliche<br />

Rechnungslegung, eine strikte Überwachung<br />

von Banken, Emittenten <strong>und</strong><br />

Wirtschaftsprüfern sowie ein klares<br />

Bekenntnis zur Unabhängigkeit. Unabhängigkeit<br />

<strong>und</strong> ethisch korrektes Verhalten<br />

sollten für alle Teilnehmer an den<br />

Kapitalmärkten verbindliche Richtschnur<br />

sein, nicht nur für die Geschäftsleitungen<br />

<strong>der</strong> Emittenten o<strong>der</strong> die Wirtschaftsprüfer.<br />

Prof. Heinrich Koller, das B<strong>und</strong>esamt für<br />

Justiz betreut eine ganze Reihe von gesetzgeberischen<br />

Projekten, welche sich auf<br />

unterschiedlichen Umsetzungsstufen befinden.<br />

Gibt es ein Gesamtkonzept <strong>und</strong> können<br />

Sie überhaupt sicherstellen, dass die<br />

Wirtschaft nicht überreguliert wird?<br />

Der B<strong>und</strong>esrat hat am 23. Juni 2004 die<br />

Botschaften zur Transparenz betreffend<br />

Vergütungen an Mitglie<strong>der</strong> des Verwaltungsrats<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Geschäftsleitung sowie<br />

zur Neuordnung <strong>der</strong> Revisionspflicht<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Revisionsaufsicht verabschiedet.<br />

Als Nächstes steht eine grosse Aktienrechtsrevision<br />

an, die sich u.a. auch mit<br />

den Kernanliegen <strong>der</strong> Corporate Governance<br />

befasst. Mit den angesprochenen<br />

Rechtsetzungsprojekten verfolgen wir<br />

die Stärkung <strong>der</strong> Unternehmenskontrolle<br />

in einem weiteren Sinn.<br />

Daneben bestehen aber mit dem erst<br />

neulich in Kraft getretenen Fusionsgesetz<br />

o<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> im Parlament hängigen<br />

Revision des Rechts <strong>der</strong> GmbH Projekte,<br />

die sich nur unter dem Oberbegriff<br />

«Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> Unternehmensstrukturen»<br />

zusammenfassen lassen.<br />

Das B<strong>und</strong>esamt für Justiz bemüht sich,<br />

in allen seinen Vorlagen eine vernünftige<br />

Balance zwischen <strong>Regulierung</strong>,<br />

Deregulierung <strong>und</strong> Selbstregulierung<br />

bzw. Bindung <strong>und</strong> Freiheit (Eigenverantwortung)<br />

zu schaffen.<br />

Ich erlaube mir zu dieser nicht immer<br />

einfachen Aufgabe zwei Bemerkungen:<br />

Zum einen ist staatliche <strong>Regulierung</strong><br />

nicht gr<strong>und</strong>sätzlich schlecht. Man muss<br />

anerkennen, dass Missstände bestehen<br />

<strong>und</strong> dass diese behoben werden müssen.<br />

Zum an<strong>der</strong>en ist es richtig, dass die<br />

Verwaltung einiges dazu beitragen kann,<br />

dass die erwähnte Balance zustande<br />

kommt. Man darf aber dabei nicht übersehen,<br />

dass die Verantwortung für die<br />

Gesetzgebung letztlich bei <strong>der</strong> Politik<br />

liegt <strong>und</strong> dass zahlreiche Rechtsetzungsprojekte<br />

«Auftragsarbeiten» des<br />

Parlaments darstellen.<br />

Dr. Peter Wuffli, die Überwachungsbehörden<br />

sagen natürlich, dass ihre Bemühungen<br />

zum <strong>Nutzen</strong> des Marktes sind. Wie profitiert<br />

UBS als ein wichtiger Marktteilnehmer von<br />

den neuen Richtlinien? Denken Sie, dass<br />

alle direkten <strong>und</strong> indirekten Kosten, welche<br />

den Steuerzahlern <strong>und</strong> den regulierten<br />

Gesellschaften entstehen, angemessen<br />

berücksichtigt werden?<br />

Einerseits erhöhten die verstärkte Disziplin<br />

<strong>und</strong> die behördliche Aufmerksamkeit<br />

die Fokussierung auf den Umgang<br />

mit operativen <strong>Risiken</strong> <strong>und</strong> machten deutlich,<br />

wie wichtig eine verantwortungsbewusste<br />

Führung unserer Geschäftstätigkeit<br />

ist. Neue Richtlinien können<br />

jedoch in zweierlei Hinsicht problematisch<br />

werden. Erstens, wenn die Form<br />

über dem Inhalt steht <strong>und</strong> alle in erster<br />

Linie danach trachten, ihr eigenes rechtliches<br />

Exposure zu schützen. Zweitens,<br />

wenn die internen Kontrollfunktionen in<br />

einem Unternehmen so viel Macht erhalten,<br />

dass das Linienmanagement die<br />

Verantwortung für die Bewirtschaftung<br />

<strong>der</strong> <strong>Risiken</strong> von sich weist. Die Finanzbranche<br />

ist attraktiv. Wir müssen<br />

sicherstellen, dass dies so bleibt <strong>und</strong><br />

dass die Unternehmenskulturen weiter<br />

gedeihen können.<br />

Tom McGrath, obwohl sich die Weltmärkte<br />

öffnen, stellen wir momentan eine stärkere<br />

<strong>Regulierung</strong> durch die Behörden fest.<br />

Besteht hier ein Konflikt?<br />

Ich denke, dass interessanterweise<br />

die Globalisierung zur Erfor<strong>der</strong>nis einer<br />

grösseren Übereinstimmung <strong>der</strong> Rechnungslegungsvorschriften<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>sätze<br />

des Berufsstandes sowie <strong>der</strong> regulatorischen<br />

Rahmenbedingungen geführt<br />

hat. Die Anleger sagen, dass sie bessere<br />

<strong>und</strong> vergleichbarere Finanzinformation<br />

benötigen, wenn sie über die eigenen<br />

Landesgrenzen hinweg in verschiedene<br />

Märkte investieren. Die Aufsichtsbehörden<br />

müssen, obwohl sie rasch <strong>und</strong><br />

sorgfältig auf die Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> jüngeren Vergangenheit eingehen,<br />

verstärkt zusammenarbeiten, um<br />

effiziente, leistungsfähige <strong>und</strong> gemeinsame<br />

regulatorische Prozesse zu gewährleisten.<br />

Je stärker an allen Fronten<br />

eine weltweite Annäherung erreicht<br />

werden kann, desto einfacher werden<br />

grenzüberschreitende Anlagen <strong>und</strong> desto<br />

effizienter wird die Integration <strong>der</strong><br />

Kapitalmärkte.<br />

9


Giorgio Behr<br />

Prof. Dr. Giorgio Behr ist seit 1990 Professor<br />

für Betriebswirtschaftslehre an<br />

<strong>der</strong> Universität St. Gallen mit beson<strong>der</strong>er<br />

Berücksichtigung von Finanzierung,<br />

Rechnungslegung <strong>und</strong> Controlling. Er hat<br />

an <strong>der</strong> Universität Zürich Rechtswissenschaften<br />

studiert <strong>und</strong> darin promoviert<br />

<strong>und</strong> habilitiert. Behr hält ausserdem das<br />

Anwaltspatent <strong>und</strong> hat an <strong>der</strong> University<br />

of Washington in Seattle die Ausbildung<br />

zum dipl. Wirtschaftsprüfer absolviert.<br />

Nach Tätigkeiten im In- <strong>und</strong> Ausland<br />

machte er sich 1984 selbständig <strong>und</strong><br />

baute die BDS Beratergruppe auf. Ab<br />

1991 restrukturierte <strong>und</strong> übernahm er<br />

die Bircher Gruppe. Giorgio Behr hält<br />

verschiedene Verwaltungsratsmandate,<br />

ist ehemaliger Präsident <strong>der</strong> Fachkommission<br />

für Rechnungslegung Swiss<br />

GAAP FER <strong>und</strong> Mitglied des Supervisory<br />

Board <strong>der</strong> European Financial Reporting<br />

Advisory Group EFRAG <strong>der</strong> EU.<br />

10<br />

E RNST & YOUNG 2003/2004<br />

Heinrich Koller Thomas P. McGrath Peter A. Wuffli<br />

Prof. Dr. Heinrich Koller ist seit 1988<br />

Direktor des B<strong>und</strong>esamtes für Justiz<br />

(EJPD) <strong>und</strong> seit 1993 Präsident des<br />

Schweizerischen Instituts für Rechtsvergleichung<br />

(SIR) in Lausanne. Er hat<br />

in St. Gallen Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialwissenschaften<br />

studiert <strong>und</strong> danach an<br />

<strong>der</strong> Universität Basel ein Studium <strong>der</strong><br />

Rechte absolviert, worin er 1981 promovierte.<br />

Von 1979 bis 1988 arbeitete<br />

Koller bei CIBA-GEIGY AG Basel in<br />

<strong>der</strong> Zentralen Funktion Recht, wo er<br />

zuletzt Direktionsmitglied war. Daneben<br />

amtete er von 1985 bis 1988 als Ersatzrichter<br />

am Appellationsgericht des Kantons<br />

Basel-Stadt. Seit 1987 lehrt er an<br />

<strong>der</strong> Universität Basel öffentliches Recht,<br />

seit 1994 als Professor.<br />

Thomas P. McGrath ist Global Vice Chairman<br />

für AABS (Assurance and Advisory<br />

Business Services) bei <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>.<br />

In dieser Funktion leitet er das Geschäft<br />

von AABS weltweit <strong>und</strong> ist Vorsitzen<strong>der</strong><br />

des Global AABS Executive Committee.<br />

McGrath hat sein Studium an <strong>der</strong> Miami<br />

University (Ohio) absolviert. Er ist CPA,<br />

CBA, <strong>und</strong> Certified Information Systems<br />

Auditor (CISA) sowie Mitglied des<br />

American and New York Institute of<br />

CPAs, <strong>der</strong> EDP Auditors Association <strong>und</strong><br />

des Bank Administration Institute. Bevor<br />

er seinen jetzigen Posten antrat, war<br />

Thomas McGrath Managing Partner von<br />

AABS für den New York Financial Services<br />

Officer sowie Global Coordinating<br />

Partner <strong>und</strong> Senior Advisory Partner<br />

einer Reihe wichtiger K<strong>und</strong>en aus dem<br />

Finanzsektor.<br />

Dr. Peter A. Wuffli ist seit 2001 Präsident<br />

<strong>der</strong> Konzernleitung <strong>und</strong> seit 2003<br />

Chief Executive Officer von UBS AG.<br />

Nach seinem Studium an <strong>der</strong> Universität<br />

St. Gallen war er für McKinsey &<br />

Company tätig <strong>und</strong> wurde dort zum<br />

Partner ernannt. 1994 stiess er als Chief<br />

Financial Officer zum Schweizerischen<br />

Bankverein. Er übte diese Position auch<br />

nach <strong>der</strong> Fusion mit <strong>der</strong> Schweizerischen<br />

Bankgesellschaft aus. 1999 übernahm<br />

er die Verantwortung für das UBS Asset<br />

Management. Peter Wuffli amtierte als<br />

Verwaltungsratspräsident <strong>und</strong> Chief<br />

Executive Officer dieser Business Group,<br />

bevor er seine jetzige Position antrat.

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