Beitrag zum Wechselschlag des Gitarristen - Teil 1
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kleine Überlegung: Wenn ich mit zwei abwechselnd anschlagenden Fingern bei MM=132 Vierteln in<br />
Sechzehnteln anschlage, bewegt sich der einzelne Finger nur noch 4,4 mal pro Minute (132x4 sind 528<br />
Anschlagbewegungen pro Minute. Da zwei Finger abwechselnd anschlagen, schlägt der einzelne Finger folglich<br />
264 mal pro Minute an. Dies entspricht einer Bewegungsfrequenz für den einzelnen Finger von 4,4 Bewegungen<br />
pro Sekunde). Damit haben die Finger beim <strong>Wechselschlag</strong> im Vergleich <strong>zum</strong> Anschlag eines einzelnen Fingers<br />
bzw. beim gleichzeitigen Anschlag mehrerer Finger einen Leistungsverlust von etwa 30 Prozent.<br />
Diesbezügliche Untersuchungen an und mit <strong>Gitarristen</strong> zeigten ähnliche Ergebnisse. Es gibt ausgesprochene<br />
„Schnellspieler“, aber nur sehr wenige. Die meisten <strong>Gitarristen</strong> und Lehrer können im <strong>Wechselschlag</strong> ihr Tempo<br />
nicht verdoppeln, obwohl es theoretisch (von den Fingern her) möglich sein müßte. Aber es gibt nicht nur wenige<br />
Schnellspieler, es gibt auch zugleich ebenso einzelne ausgesprochene „Langsamspieler“. Darunter verstehe ich<br />
<strong>Gitarristen</strong>, die im <strong>Wechselschlag</strong> ihr Tempo gegenüber dem Einzelanschlag nur unwesentlich erhöhen können.<br />
<strong>Wechselschlag</strong> MM in Vierteln beim Sechzehntelanschlag Gitarrespieler, Lehrer<br />
Langsamspieler (MM unter 120) wenige (prozentual)<br />
Durchschnittsspieler (MM ca. 120 bis 144) überwiegende Mehrheit<br />
Schnellspieler (MM über 144) wenige und nach oben hin immer seltener<br />
Bei Diskussionen mit Kolleg(inn)en stieß ich auf sehr unterschiedliche Haltungen. Zum einen wurde mir der<br />
Vorwurf gemacht, das Schnellspielen zu sehr überzubewerten. Damit haben sie natürlich recht, denn ich sehe<br />
tatsächlich das Schnellspielen als ein natürliches und sehr notwendiges Ausdrucksmittel der Musik. Genau so wie<br />
es ein Laut- und Leisespielen gibt, muß es auch die Gegensätze schnell und langsam geben. Ich betrachte <strong>des</strong>halb<br />
die Unfähigkeit, Tonleitern und Passagen im <strong>Wechselschlag</strong> gegebenenfalls sehr schnell spielen zu können, als<br />
einen Verlust der eigenen musikalischen Ausdrucks- und Gestaltungsfähigkeit.<br />
Aber ich traf auch auf <strong>Gitarristen</strong>, die meinen Standpunkt mehr oder weniger teilten und sowohl Geduld als auch<br />
Verständnis zeigten, wertvolle Hinweise gaben, damit Mut machten, weiter daran zu arbeiten. Zu diesen<br />
<strong>Gitarristen</strong> zählen Jürgen Rost (Weimar) und Michael Koch (Mainz), Markus Gottschall (Berlin), Lothar Gärtig<br />
(Görlitz) oder auch Peter Rütthard (Pirna). Meinen ausdrücklichen Dank an dieser Stelle für diese schönen<br />
Stunden kreativer, wegweisender und hoffnungsträchtiger Gespräche.<br />
Die Kritik<br />
Seit 450 Jahren wird der <strong>Wechselschlag</strong> auf der Gitarre praktiziert. Untersuchungen, Forschungen oder auch nur<br />
analytische Betrachtungen dazu sind selbst im Ansatz nicht vorhanden. Kritiklos wird schon im Anfangsunterricht<br />
in zahlreichen Gitarreschulen der Wechelschlag eingeführt. Wie schrieb Matanya Ophee vor zwei<br />
Jahrzehnten so schön: „Wir sind dazu gekommen, den Fingerwechsel der rechten Hand sozusagen als heilige Kuh<br />
anzusehen...“ (G&L 6/82 S. 364). Die mehrbändige Heinrich-Albert-Schule („Lehrgang <strong>des</strong> künstlerischen<br />
Gitarrenspiels“, Robert Linau, Berlin - Lichterfelde, 1924) dürfte zu den bedeutensten Lehrwerken ihrer Zeit<br />
zählen. Heinrich Albert schreibt bezugnehmend auf den <strong>Wechselschlag</strong> : „Der Fingersatz ist ein Gesetz, das sich<br />
nur mit Einbuße der Sicherheit und der ruhigen Fortführung umgehen läßt. Man gewöhne sich also vom ersten<br />
Anfang daran, ausschließlich nach dem Fingersatz zu spielen.“ (I. <strong>Teil</strong>, Abt. A, S. 9) Was für ein Gesetz soll das<br />
sein? Heinrich Albert kann man jedenfalls nicht mehr fragen. Stellvertretend für viele ein Zitat aus einer recht<br />
neuen Gitarrenschule: „Wenn wir mit den Fingern anschlagen, wechseln sich zwei Finger immer ab....Nach dem<br />
Anschlag ruht sich der Finger auf der tieferen Saite kurz aus (anlegen). Nun schlägt der andere Finger an.<br />
Gleichzeitig geht der erste Finger wieder hoch, damit er sofort anschlagbereit ist. Die Finger ‘laufen’.“ (Hans<br />
Joachim Teschner aus „Fridolin“, N 2020, S.19).<br />
Diese gleichzeitig entgegengesetzte Bewegung zweier Finger wird von vielen Autoren ausdrücklich<br />
hervorgehoben. So schreibt Wolfgang Lendle: „Bewegungstechnisch ist <strong>zum</strong> <strong>Wechselschlag</strong> zu sagen, daß,<br />
sobald der eine Finger angeschlagen hat, der andere schon in Bereitschaft sein muß, um den ersten mit seinen<br />
Anschlag abzulösen, wobei nach dem Anschlag <strong>des</strong> zweiten Fingers der erste wieder in seine Ausgangsstellung<br />
zurückgeht. - Es handelt sich also um ein ausgewogenes, kontinuierliches Wechselspiel zwischen zwei Fingern.“<br />
(W. Lendle „Orientierungsmodelle für den Instrumentalunterricht, Unterstufe“, Gustav Bosse, S. 32).<br />
Halten wir es fest: Die gleichzeitige entgegengesetzte Bewegung der zwei am <strong>Wechselschlag</strong> beteiligten<br />
Finger sind von entscheidender Bedeutung für die spätere, bei ausreichender Übung folgende Geschwindigkeit.