Dokument 1.pdf - OPUS
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Zur ‘Westgotenarchäologie’<br />
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zusammengestellt worden, wenn er nicht damals die allgemeine Auffassung geteilt hätte, diese<br />
Reihengräberfunde der Iberischen Halbinsel seien ein spezifisch germanisches Denkmal der<br />
Völkerwanderungszeit. Heute wird man an solcher Interpretation manche Zweifel hegen“ 33 .<br />
Weiterhin erwog er: „... mit welchem Recht man diese klassischen ‚westgotischen’ Gräberfelder<br />
als Indiz eines westgotischen Ethnikums und Politikums betrachten kann, wenn sie nur in<br />
Kastilien auftreten und nicht auch in dem Gebiet, für das die historischen Quellen lange vor 552<br />
reichlich fließen, nämlich am breiten Küstensaum des Mittelmeeres am Ebrotal. Aus ihnen läßt<br />
sich nur entnehmen, daß unter dem politisch-ethnischen Begriff „Westgoten“ in erster Linie ein<br />
Politikum verstanden werden muß, welches kein ebenso einheitliches archäologisches Äquivalent<br />
besitzt“ 34 . Daher vermutete Hübener in den sog. westgotischen Gräberfeldern eine von mehreren<br />
Formen des Bestattungsbrauches, die nicht nur auf die Iberische Halbinsel beschränkt gewesen<br />
war. Er legte nahe, im spätrömischen Substrat eine Ursache für diese Entwicklung zu suchen,<br />
womit er auf die Bagaudenaufstände anspielte, die in der betreffenden Region stattgefunden<br />
hatten.<br />
Sein Schüler Gerd G. Koenig machte sich an den Versuch einer Systematik für die bis dahin<br />
bekannten Funde aus der Westgotenzeit. Seine ungedruckte Magisterarbeit ist mittlerweile so<br />
flächendeckend verbreitet, daß sich unter den Westgotenforschern wohl kaum jemand befinden<br />
dürfte, der diese Arbeit nicht kennen sollte. Das zeigen auch die Anmerkungen aus sämtlichen<br />
Studien. Koenig scheint mir nach Zeiss, Santa-Olalla, Molinero und Palol einer der besten<br />
Kenner der westgotenzeitlichen Hinterlassenschaften gewesen zu sein. Doch seine Studien waren<br />
in den Ansätzen steckengeblieben 35 , als er sich in den 80er Jahren früh aus der archäologischen<br />
Forschung zurückgezogen hat.<br />
Gleichzeitig mit der Magisterarbeit Koenigs kam die Überblicksarbeit von Edward James<br />
heraus 36 . Zuletzt plädierte Barbara Sasse für eine Anwendung bereits andernorts erfolgreicher<br />
Methoden auf hispanische Fundorte 37 .<br />
d) Kontinuität (1985-2000)<br />
Gisela Ripoll ist es zu verdanken, daß das Paradepferd Franco-zeitlicher Archäologie unter allen<br />
Spaniern wieder salonfähig wurde. Auch wenn sie verständlicherweise sehr eng an alten Theorien<br />
festhielt, präsentierte Ripoll 1985 das Gräberfeld von Carpio de Tajo 38 , das schon 1924 unter<br />
Anwesenheit des spanichen Königs Alfons XIII. von C. Mergelina ausgegraben wurde. Leider<br />
standen der Autorin nur spärliche Grabungsdokumentationen zur Verfügung, so daß weiterhin<br />
etliche Zweifel über die meisten Grabbefunde bestehen bleiben. In einem Nachtrag stellte Ripoll<br />
allerdings eine Erweiterung ihrer Arbeit vor, indem sie einen nach der Katalogerstellung<br />
aufgetauchten Gräberfeldplan in ihre Analysen integrierte 39 .<br />
33 ders., op. cit. (Anm. 32), 187.<br />
34 ebenda 211.<br />
35 Gerd G. Koenig, Zur Gliederung der Archäologie Hispaniens vom fünften bis siebten Jahrhundert u. Z.,<br />
ungedruckte Magisterarbeit, Freiburg 1977. - ders., Die Westgoten. In: H. Roth (Hrsg.), Kunst der<br />
Völkerwanderungszeit, Propyläen Kunstgeschichte, Supplement zu Bd. 4, 1979, 140-152. - ders., Archäologische<br />
Zeugnisse westgotischer Präsenz im 5. Jahrhundert, MM 21, 1980, 220-247. - ders., Wandalische Grabfunde des 5.<br />
und 6. Jhs., MM 22, 1981, 299-360. - ders., Stichwort „Duratón”, RGA 6, 1985, 284-294.<br />
36 Edward James, The Merovingian Archaeology of South-West Gaule. BAR International Series 25, 1977. - ders.,<br />
Visigothic Spain: New Approaches, 1980.<br />
37 Barbara Sasse, Zur Bedeutung der ‚Horizontalstratigraphie’ für die relative Chronologie westgotenzeitlicher<br />
Nekropolen, MM 36, 1995, 320-335.<br />
38 Ripoll 1985.<br />
39 Gisela Ripoll López, La necrópolis visigoda de Carpio de Tajo. Una nueva lectura a partir de la topocronología y<br />
los adornos personales, Butletì de la Reial Acadèmia Catalana de Bellas Arts de Sant Jordi 7-8, 1993-94, 187-250.