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NeuesLeben-45-1-2014.pdf

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Deutsche Johann Strauss Gesellschaft e.V.Mitteilungsblatt Heft <strong>45</strong> (2014 / Nr. 1)


Titelbild:Johann Strauss (Sohn): NEUES LEBEN, Polka française für das Pianoforte, op. 278Klavierausgabe – Privatbesitz Werner Abel, TitelblattJohann Strauss (Sohn) widmete Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha im Herbst 1863 die Polka „<strong>NeuesLeben</strong>“, die Strauss persönlich in einer Prachthandschrift im Wiener „Palais Coburg“ überreichte. Diese wurdedem Herzog nach Coburg übersandt. Für die Widmung bedankte sich Herzog Ernst 1864, als der Notendruck beiHaslinger erschien, mit der Verleihung der „Silbernen Verdienstmedaille für Kunst und Wissenschaft“.Um seine dritte Frau, Adele Strauss, geb. Deutsch, heiraten zu können, wurde Johann Strauss (Sohn) 1887 durchNaturalisation Bürger des Herzogtums Sachsen-Coburg und Gotha und damit Deutscher. Seine zweite Ehe wurdedurch Dekret Ernst II. getrennt. In Coburg heiratete er Adele standesamtlich und kirchlich. Auch wenn er bis zuseinem Lebensende in Wien lebte und wirkte, war und blieb er bis zu seinem Tod 1899 Coburger. Adele, der er ininniger Liebe zugetan war, starb mehr als dreißig Jahre nach ihm in Wien, ebenfalls als Coburger Bürgerin.Die „Deutsche Johann Strauss Gesellschaft“ wurde 1975 in Hamburg gegründet und hat seit 1991 ihren Sitz inCoburg.D E U T S C H E J O H A N N S T R A U S S G E S E L L S C H A F TEingetragener Verein, Amtsgericht Coburg, VR 667Gemeinnütziger Verein, Finanzamt Coburg, Steuer-Nr. 212/107/60110Bankverbindung: VR-Bank Coburg (BLZ 783 600 00), Konto-Nr. 810 894IBAN: DE40 7836 0000 0000 810894; BIC: GENODEF 1 COSInternet: www.djsg.deE-Mail: kontakt@djsg.deVorstand: 1. Vorsitzender: Dr. Ingolf Roßberg, Dresden2. Vorsitzender: Albrecht Tauer, CoburgSchatzmeister:Dr. Michael Mahlert, UlmBeisitzer und Pressereferent:Manfred Drescher, BambergBeisitzer:Jonas Geelhaar, CoburgFriedhelm Kuhlmann, HamburgRudolf Maeder, Baar (CH)Beratende Mitglieder des Vorstandes:Geschäftsstelle:Redaktion:Werner Abel, DarmstadtAlfred Dreher, HeilbronnProf. Dr. Norbert Linke, BorkenProf. Christian Pollack, WienProf. Helmut Reichenauer, WienInge Röhre, Ürzig (Mosel)Dr. Eduard Strauss, Wienc/o Albrecht Tauer, Lahmstr. 33, 96<strong>45</strong>0 COBURGTel. 09563 / 721 902 Fax 09563 / 721 904Manfred Drescher, BambergJonas Geelhaar, CoburgRudolf Maeder, Baar (CH)Dr. Ingolf Roßberg, Dresden (verantwortlich)Namentlich gekennzeichnete Beiträge sind Beiträge der jeweiligen Autoren. Sie geben deshalb nicht unbedingtdie Meinung des Herausgebers, des Vorstandes oder der Redaktion wieder. Angegebene Internetlinks wurden zuRedaktionsschluss – für dieses Heft war dies der 25. März 2014 – sorgfältig geprüft: Gleichwohl wird für diese undfür etwa auf diesen Seiten vorhandene weiterführende Links (Hyperlinks) jede Haftung abgelehnt.


„N E U E S L E B E N“MitteilungsblattHeft <strong>45</strong> (2014, Nr. 1)Herausgeber:D E U T S C H E J O H A N N S T R A U S S G E S E L L S C H A F T e.V.Druck:DCT GmbH, Nicolaus Zech Straße 64-68, 96<strong>45</strong>0 COBURGTel. 09561 – 83<strong>45</strong>0 Fax 09561 – 83<strong>45</strong><strong>45</strong>ISSN der Druckfassung: 1438 – 065XISSN der Internetfassung: 2194 – 5527


InhaltsverzeichnisZwei Themen – ein Heft 5Aus unserem Verein 6In Coburg beginnt das Jahr beschwingt 6Frühlingskonzert auf „Schloss Callenberg“ am 1. Juni 2014 8Ankauf aus dem Nachlass von Ingolf Lipski 8Dankbarkeit für die Übergabe des „Alfred-Dreher-Archivs“ bei der DJSG 9Ausschreibung Stipendium 2015 der Deutschen Johann Strauss Gesellschaft 10Unser Mitglied Norbert Tessmer ist neuer Oberbürgermeister von Coburg 11Goldenes Jubiläum der „Johann Strauss Society of Great Britain“ 1250-jähriges Bestands-Jubiläum der „Johann Strauss Society of Great Britain“ 12Offener Brief an Peter Kemp, Ehrenpräsident der „Johann Strauss Society of Great Britain“ 17Herzliche Glückwünsche zum „Goldenen Jubiläum“ 18Aus unseren befreundeten Gesellschaften 20Nachruf auf Viola Coates 20Weitere Nachrichten aus der „Johann Strauss Society of Great Britain“ 23„Tanz-Signale“ 2014 in Wien 24Nachrichten aus unserer japanischen Schwestergesellschaft 24Nachrichten von der Johann-Strauss-Gesellschaft Wien 25Fachbeiträge 26Josef Gung’l – Ein Tanzkomponist der Strauss-Zeit 26Josef Gung’l (1809 - 1889) 32„Ich habe mit meiner Capelle in 840 Städten zweier Weltteile concertirt.“: Wie Eduard Strauss I. die Welt mit derStrauss-Musik bekannt machte und was dahinter steckt. 35Wassermusik? Eduard Strauss und die „Königin der Tafelwässer“ 42Gesehen – gehört: Rezensionen 47Neujahrskonzert 2014 in Wien 47„Festliches Neujahrskonzert“ in Zürich 49Ein Galafest der Stimmen und „Standing Ovations“ in Meiningen 50Oft gehört und wieder einmal beeindruckend dargeboten 53„Wir singen alles – auch die Speisekarte“ 55Leise zieht das Glück vorüber – hält aber im Stadttheater Fürth inne 56Die traurige Operette und ein fröhliches Publikum in Meiningen 58Ein Märchen für alle Sinne von Ulm nach Fürth 61Bamberg, die Sommer Oper und „Don Giovanni“ 64„La Traviata“ verzaubert den Dechsendorfer Weiher 67Informationen, Termine, CDs, Nachrichten, letzte Meldungen... 70Johann-Strauss-Vater Gesamtaufnahme: Alle Folgen erhältlich 70Josef Gung’l – Neue CD bei cpo erschienen 72Neue CD mit Werken der Familie Strauss erschienen – Schwerpunkt: Eduard Strauss 74„Veronika, der Lenz ist da!“ und sonst? 76Strauss-Konzertfantasie 76„The Ohio Light Opera“ 77Startschuss für den Neubau der „Staatsoperette Dresden“ 78In eigener Sache… 784


Zwei Themen – ein HeftLiebe Mitglieder,liebe Straussianerinnen, liebe Straussianer,liebe Freunde der „Deutschen Johann Strauss Gesellschaft“,selten gab es ein Heft, das von zwei großen Themen dominiert wird. Dassind in diesem zum einen das „Goldene Jubiläum“ unserer britischenFreunde – und das ist zum anderen der „wandernde Musikant“ (wie ersich selbst nannte) Josef Gung’l.Letzteres ist zunächst und vor allem ein Thema, um unser EhrenmitgliedAlfred Dreher in besonderer Weise zu würdigen: Seine großzügigeSchenkung seines kompletten Archivs an die „Deutsche Johann Strauss Gesellschaft“ ist ein besondererMeilenstein für uns, stehen doch damit die Ergebnisse eines überreichen Forscherlebens uns und auchkommenden Generationen zur Verfügung. Dass er herausragender Kenner nicht nur der Historie derStrauss-Familie ist, sondern sich uneingeschränkt Verdienste für die Erforschung „rund um die Sträusse“erworben hat, wusste schon Prof. Mailer zu schätzen, der ihn in seine Arbeit teilweise als Mitarbeitermit einbezog.Wir wollten diese großzügige Geschenk von ihm an uns dadurch würdigen, dass wir vor allem seineLeistungen zur Erforschung von Josef Gung’l herausstellen – und so spann sich plötzlich der Bogen überStanley Goscombe zur „Johann Strauss Society of Great Britain“. Womit deren Leistungen wiederum mitaktuellen Themen zu Eduard Strauss I. vertreten sind. Und zu allem runden zwei CD-Neuerscheinungender letzten Wochen gerade mit Weltersteinspielungen von Josef Gung’l und von Eduard Strauss inhervorragender Weise diese Themen ab: So fügte sich der Spannungsbogen zu diesem Heft.Wir danken Alfred Dreher sehr herzlich für die Überlassung seines Forschungsbestandes an die„Deutsche Johann Strauss Gesellschaft“ – und wünschen ihm das Allerbeste, was wir ihm wünschenkönnen: Vor allem aber zunächst liebevolle Pflege und eine Stabilisierung seines Gesundheitszustandes.Lieber Herr Dreher, liebe Frau Dreher: Ihr Archiv wurde uns zu guten und treuen Händen übergeben –wir werden damit verantwortungsbewusst umgehen. Es aufzubereiten und nutzbar zu machen bzw. zuerhalten, wird unsere Aufgabe von Wochen (wohl eher von Monaten) sein: Aber es ist die wohlwichtigste und umfassendste Schenkung an unsere Gesellschaft seit vielen Jahren. Herzlichen Dankdafür noch einmal!Und wir danken unseren britischen Freunden für viele Jahre guter Zusammenarbeit, für viele Impulse,die wir von ihnen erfahren konnten und wir freuen uns auf die nächsten und weitere gute Jahre derVerbindung zugunsten der Sträusse, ihres Lebens, ihrer Musik und der ihrer Zeitgenossen. Alles Gute fürsie alle: „Happy birthday to the ‚Golden Jubilee‘“.Mit einem herzlichem Dank an alle Beitragenden in diesem Heft und besten Grüßen aus Coburg an Siesowie natürlich auch aus der Stadt „An der Elbe“ (op. 477 von JSS) – und dem Wunsch für Freude beimLesen – verbleibe ich, wie immer,IhrDr. Ingolf Roßberg1. Vorsitzender5


Aus unserem VereinIn Coburg beginnt das Jahr beschwingtDas „Coburger Neujahrskonzert 2014“ mit dem Alt-Wiener Strauss-Ensemble Stuttgart, derSopranistin Gudrun Ingimars und einem Füllhorn herrlicher Melodien verzaubert Coburgvon Manfred DrescherZum 27sten mal feierten wir das Coburger Neujahrskonzert und es war wieder ein gelungenerJahresauftakt. Die ausverkaufte Halle war gut aufgelegt und geizte nicht mit wohlverdientem Applaus.Nach einer kleinen Verzögerung (einer Dame war übel geworden) war man wieder fast drei Stunden imRausch der Musik. Großen, langandauernden Beifall für das Alt-Wiener Strauss-Ensemble mit seinemagilen Dirigenten Ralph Kulling, großer Beifall für das Moderatorenpaar Dr. Eduard Strauss und seinenSohn Thomas, die im letzten Jahr eine vielbeachtete Premiere hatten und ebenso großer Beifall für dieisländische Sopranistin Gudrun Ingimars, die die Schweißperlen auf manche Stirn, vor allemMännerstirn, zauberte und die mit ihrer Stimme bezauberte. Doch eines nach dem anderen.Alle Besucher waren überzeugt, dass es in Coburg keinenJahresbeginn ohne das Neujahrskonzert geben kann und dassdies weiterhin zum festen Bestandteil der Coburger Kulturszenezählt. In diesem Jahr war neben der Musik der Sträusse (JohannStrauss Sohn, Johann Strauss Vater, Eduard Strauss und JosefStrauss) auch Richard Wagner, Rudolph Bullerjahn und FranzLehár angesagt.Wie immer fand das Neujahrskonzert unter Leitung desKulturbüros der Stadt statt. Bürgermeister und KulturreferentNorbert Tessmer, dessen Ansprache erfrischend und gegenüberdem Vorjahr noch (wohltuend) kürzer war, sandte dieNeujahrsgrüße der Stadt an alle Besucher.Dr. Eduard Strauss aus Wien, Urenkel von Eduard Strauss undUrurenkel von Johann Strauss Vater, hatte zur Unterstützung6


wieder seinen Sohn dabei. Mit viel Charme, zuweilen auch etwas Schmäh, aber immer fundiert und mitviel Sachwissen, schoben sich die beiden die Bälle zu und führten so durch das Programm, das auchnicht einen Moment Langeweile aufkam. So macht Moderation Spaß.Ralph Kulling, der sein Alt-Wiener Strauss-Ensemble gekonnt, mit fester, sicherer Hand, die aber auchden notwendigen Freiraum ließ zur Höchstform auflaufen ließ, hatte die isländische Sopranistin GudrunIngimars mitgebracht, und für dieses Mitbringsel konnte man ihm nur dankbar sein, denn GudrunIngimars brachte es fertig das Publikum zu verzaubern, und wenn man bei ihren Interpretationen eineStecknadel hätte fallen hören, dann weiß man, wie sie ihr Publikum gefesselt hatte.Auch in diesem Jahr verging die Zeit bis zum Konzertende wie im Flug – und die Musik riss mit und ließdie Zeit vergessen.Begonnen wurde mit der Ouvertüre zu „Cagliostro in Wien“, die mit wunderschönen Übergängenschwungvoll eröffnete. Eine Polka in G-Dur und den Züricher Vielliebchen-Walzer, beides von RichardWagner hatte man zum Ausklang des Wagner Jahres aufgenommen. Schwungvoll und lebendig wurdehier musiziert. Mit dem Csárdás der Rosalinde aus der „Fledermaus“ stellte sich dann Gudrun Ingimarsvor. Mit ihrer voluminösen, strahlenden Stimme, die sie gefühlvoll, den Saal ausfüllend einsetzte, hattesie die Herzen der Konzertbesucher im Fluge erobert. Langanhaltender Applaus für sie. Die Polka schnell„Éljen a Magyar“ von Johann Strauss Sohn zeigte, wie feurig und temperamentvoll das StuttgarterEnsemble zu spielen in der Lage ist. Erheiternd von Rudolph Bullerjahn dann die Concert-Polka „Etwasfür die Aelteste“ für Kontrabass und Orchester, wobei sich Stephan Koch-Roos als einfühlsamer,wohlklingender Solist mit dem Kontrabass profilieren konnte. Spritzig und feurig wiedergegeben, ganzim Sinne des Titels „Jugendfeuer“ dann der Galopp von Johann Strauss Vater. Ein Schmankerl dann nochvor der Pause. Gudrun Ingimars brillierte mit dem „Frühlingsstimmenwalzer“ von Johann Strauss Sohn,den sie perlend, mit hauchzarten Tönen, aber immer locker und leicht interpretierte und für einenBeifallssturm sorgte.Nach der Pause etwas gesetzter der Walzer „Ballpromesen“ von Eduard Strauss und erneut GudrunIngimars mit dem Auftrittslied der Gräfin aus „Wiener Blut“. Ihr „Grüß dich Gott, du liebes Nesterl“wurde innig, gefühlvoll und strahlend wiedergegeben, bei ihr würde man gerne Graf sein. Von Josef7


Strauss folgte dann der „Schwarzenberg-Monument-Marsch“, leidenschaftlich und fast militärisch zackigdargeboten, konnte das Orchester auch hier wieder voll überzeugen. Im Anschluss von Johann StraussSohn „Dolci Pianti“, eine Cello-Romanze. Und hier konnte sich mit gefühlvoller Bogenführung Jan Pasauszeichnen. „Hör ich Zimbal-Klänge“, Lied und Csárdás aus Franz Lehárs „Zigeunerliebe“, gab GudrunIngimars Gelegenheit ein weiteres Mal zu brillieren, mit Leidenschaft und Temperament konnte sieerneut voll überzeugen. Den Abschluss brachte „Wein, Weib und Gesang“, Walzer von Johann StrausSohn. Und hier zeigte Ralph Kulling noch einmal, was in ihm und seinen Musikern steckt, die zumAbschluss donnernden Beifall erhielten.Dann als Zugabe das „Schwips-Lied“, nach der „Annen-Polka“ von Johann Strauss Sohn und bravourösvon Gudrun Ingimars interpretiert, die dieses spritzige Stück auch mit viel schauspielerischem Könnenüber die Bühne bringt. Tobender Applaus, auch für die tolle und gekonnt dargebrachte Interpretationvon „I feel pretty“ aus Bernsteins „West Side Story“. Toll gesungen, für mich persönlich passte diesesStück aber nicht so ganz in den bisherigen Konzertrahmen, ein kleines bisschen ein Fremdkörper. Amtobenden Applaus für Gudrun Ingimars ändert dies nichts.Der obligatorische „Radetzky-Marsch“ von Johann Strauss Vater soll als Rausschmeißer fungieren, feurigund schmissig wird er dargeboten. Mit der Polka „Auf und davon“ wird der Schlusspunkt unter einwiederum exzellentes Konzert gesetzt. Eine Tradition, für die Coburg von vielen anderen Städtenbeneidet wird, ich kann nur hoffen, dass sich auch Coburg darüber im Klaren ist.Fotos: Manfred DrescherEinladung zur Jahreshauptversammlung 25. Mai 2014 in Leipzig versandtAm Sonntag, dem 25. Mai 2014, 10.00 Uhr werden wir im „penta-Hotel“ Leipzig, Großer Brockhaus 3,04103 Leipzig, die Jahreshauptversammlung 2014 durchführen. Die Einladung dazu ist Ihnen fristgerechtdieser Tage zugegangen. Der Tagungsort ist ausgeschildert. Im Rahmenprogramm ist am Vorabend einBesuchs des „Waffenschmied“ von Albert Lortzing an der „Musikalischen Komödie“ vorgesehen, sowieeine Stadtführung durch Leipzig.Frühlingskonzert auf „Schloss Callenberg“ am 1. Juni 2014„Johann-Strauss-Quintett“ unter Leitung von Jiří PreisingerDie DJSG setzt die Tradition der Frühlingskonzerte auf Schloss Callenberg im Jahr 2014 fort und lädt Siesehr herzlich zu diesem, am 1. Juni 2014, 17.00 Uhr, stattfindenden Konzert ein. Wir würden uns freuen,Sie an diesem Tag auf Schloss Callenberg begrüßen zu dürfen. Das Konzert wird durch unsere Partner –Stadt Coburg und Niederfüllbacher Stiftung – unterstützt; wir danken schon jetzt sehr herzlich dafür!Karten für diese Veranstaltung gibt es ab dem 10. Mai 2014 bei der Tourismusinformation Herrngasse inCoburg, bei der „Neuen Presse“ und dem „Coburger Tageblatt. Der Preis beträgt 18,00 €;ermäßigt 12,00 €, Schüler u. Studenten 5,00 €.Ankauf aus dem Nachlass von Ingolf LipskiAuf Beschluss des Vorstandes hat die DJSG aus dem praktisch erneut zusammengetragenen Teil-Nachlass unseres verstorbenen Ehrenmitgliedes Ingolf Lipski Bücher, Fotografien und Postkarten8


angekauft. Sie wurden zwischenzeitlich gesichtet und werden dem Archiv der DJSG in derLandesbibliothek Coburg übergeben.Dankbarkeit für die Übergabe des „Alfred-Dreher-Archivs“ bei der DJSGGroßherzige Schenkung unseres Ehrenmitgliedes an die „Deutsche Johann Strauss Gesellschaft“von Ingolf RoßbergAnfang Januar 2014 erhielt der 1. Vorsitzende die Nachricht aus Heilbronn, dass unser EhrenmitgliedAlfred Dreher sich entschlossen habe, sein Archiv der DJSG zu schenken. Bei einem ersten Besuch beiseiner Frau, Anneliese Dreher, konnten erste Details besprochen werden und am 15. und 16. Febr. 2014konnten die Mitglieder unserer Gesellschaft, Jonas Geelhaar, Astrid-Birgit Roßberg undDr. Ingolf Roßberg das Archiv sichten, erstkatalogisieren und verpacken. 43 große Umzugskartons tratenin einem Transporter zunächst den Weg nach Dresden an. Hier wird das Archiv weiter gesichtet undaufbereitet, um seinen endgültigen Platz als „Alfred-Dreher-Archiv innerhalb des Archivbestandes derDJSG“ in Coburg finden zu können.Es handelt sich – soweit es die schriftliche Sammlung betrifft – um einen der wertvollsten Archiv-Bestände, der innerhalb Deutschlands zu finden ist. In akribischer Detailarbeit hat Alfred Dreherwährend seines langen Forscherlebens (der erste – grob – vorerst festgestellte Zeiteintrag ist von 1958!)zur Historie der Sträusse und zu ihren Zeitgenossen gearbeitet: Von etwa 1820 an sind detailliertepersonenbezogene und jahresweise geordnete Mappen angelegt worden, in denen Alfred Dreherpraktisch chronologisch alle ihm erreichbaren Unterlagen (in Kopie oder in Abschrift) mitQuellenherkunft eingeordnet hat. Das, was eine Sammlung zu einem Archiv macht, nämlich diesystematische Ordnung und der konkrete Herkunftsnachweis ist geradezu vorbildlich eingehaltenworden: Wer also z. B. über die Ereignisse von 1870 forschen will, wird dort exakt und geordnet fündig.Der Wert besteht darin, dass über den Weg der Kopien das von ihm erreichbare Material zum Themavorliegt – und vor allem eines: Das macht eine Originalrecherche zwar nicht entbehrlich, verkürzt aberdie Zugriffszeit erheblich und macht es möglich, in wenigen Stunden einen umfassenden Überblick zubekommen, ohne – zunächst – eigene mühsame Quellen- und Originalrecherchen anstellen zu müssen.Dazu kommen privat gefertigte Zusammenstellungen, die nur in wenigen Kopierexemplaren existieren,aber vom Wert her eigenständig publikationswürdig wären. Alfred Dreher hat genau vermerkt, werdiese erhalten hat – und schon jetzt muss festgestellt werden, dass vieles davon als verloren odervernichtet betrachtet werden muss und nur noch in seinem Archivbestand vorhanden ist – und nur aufdiese Weise weiterhin der Strauss-Forschung zur Verfügung steht.Ergänzt wird es durch gedrucktes Material (Bücher, Sonderdrucke, Einzelzeitschriften) und durch dieKorrespondenz mit den verschiedensten Zeitungen, Musikverlagen, Archiven und Verwaltungen, dieeinerseits die Entstehungsgeschichte der Sammlung eindrucksvoll belegen, aber auch schon an sich dieweitgespannte Vernetzung aufzeigen, die Alfred Dreher aufgebaut hatte und die auch nötig war, umdieses Archiv zu erstellen. Eine umfangreiche Musiksammlung, die aus über 120 Magnettonbändern mitjeweils mehreren Stunden Laufzeit besteht, ist ebenfalls Teil des Archivs.Das konnte nur eine erste Überblicksdarstellung sein. Für diese Schenkung, können wir, kann diegesamte Strauss-Welt Alfred Dreher in jeder Hinsicht dankbar sein, ich wage zu behaupten, dass es zu„Strauss in Briefen und Dokumenten“ von Franz Mailer quasi „ein zweiter Teil“ ist und auchmöglicherweise ein Bindeglied zu dem ausgesprochen musikwissenschaftlich angelegtem „Strauss-Elementar-Verzeichnis“ des befreundeten „Wiener Institut für Strauss-Forschung“.9


Auf Grund der Gegebenheiten kann derzeit nur direkt beim 1. Vorsitzenden, Dr. Ingolf Roßberg, Einsichtgenommen werden: Trotz der gegebenen Einschränkungen besteht aber bereits jetzt die Möglichkeit fürdie Mitglieder unserer Gesellschaft, nach Voranmeldung davon Gebrauch zu machen.Lieber Alfred Dreher!Liebe Anneliese Dreher!Welch ein Schatz.Herzlichen Dank für Ihre Großzügigkeit!Dr. Ingolf RoßbergIm Namen der „Deutschen Johann Strauss Gesellschaft“ und aller Strauss-Freunde weltweitAusschreibungStipendium 2015 der Deutschen Johann Strauss GesellschaftBeschluss des Vorstandes vom 29. April 2014Der Vorstand der „Deutschen Johann Strauss Gesellschaft“ hat beschlossen, das Stipendium der DJSGfür 2015 erneut zu vergeben und dieses öffentlich auszuschreiben. Es richtet sich anNachwuchskünstler/-innen aus den Instrumentalklassen, Musikhochschulen und Musikschulen,vorzugsweise aus dem fränkischen und dem thüringischen Raum. Das Stipendium der Deutschen JohannStrauss Gesellschaft besteht aus einem Einmalbetrag in Höhe von 1.000,00 Euro.Bewerben kann sich jeder künstlerische Nachwuchs, wenn sie/er nicht älter als 25 Jahre ist, derBewerbung einen aussagekräftigen (tabellarischen) Lebenslauf sowie (mindestens) ein Gutachten derbzw. des Ausbildenden beifügt, warum die Bewerbung unterstützt werden sollte. Bedingung istaußerdem, dass mindestens ein öffentliches Konzert zugunsten der DJSG in Coburg mit einem Anteil vonmindestens 50 Prozent Musik der Strauss-Dynastie ausgestaltet wird (Preisträgerkonzert im Rahmen der„Deutschen Johann-Strauss-Tage 2015“). Des Weiteren soll die Stipendiatin bzw. der Stipendiat ingeeigneter Weise auf dieses Stipendium hinweisen (z. B. auf der eigenen Homepage).Bewerbungen sind an die Geschäftsstelle der DJSG in Coburg zu richten (Adresse siehe vordere innereUmschlagseite).Der Vorstand der DJSG trifft die Entscheidung über die Vergabe im Verlaufe des Jahres 2014 und behältsich das Recht vor, das Stipendium zu teilen oder auch auszusetzen. Ein Rechtsanspruch auf dasStipendium ist ausgeschlossen. Wiederbewerbungen sind zulässig. Bewerbungsschluss ist der30. September 2014.Neue Mitglieder 2013Als neue Mitglieder begrüßen wir in unserer Gesellschaft sehr herzlich:- Dr. Otto Horber aus Feuerthalen (CH),- Cornelia Kraft aus München,- Reto Parolari aus Winterthur (CH) und- Hartmut-D. Schirm aus VellmarWir freuen uns, dass sie zu unserer Gesellschaft hinzugestoßen sind.10


Unser Mitglied Norbert Tessmer ist neuer Oberbürgermeister von CoburgAmtsantritt am 1. Mai 2014Das Mitglied unserer Gesellschaft, Bügermeister Norbert Tessmer, ist von den Bürgern Coburgs am17. März 2014 – in der Direktwahl, im ersten Wahlgang – zum Oberbürgermeister der Stadt Coburggewählt worden. Der Vorstand der DJSG hat Herrn Tessmer sehr herzlich zu seinem Wahlsieg gratuliertund ihm die besten Wünsche für sein Amt, für die Stadt und natürlich auch persönlich überbracht.Der am 4. Aug. 1953 in Coburg gebürtige Norbert Tessmer wurde 1973 Beamter desBundesgrenzschutzes und durchlief im Anschluss eine Laufbahn innerhalb der Polizei, die 1999 zurErnennung zum Ersten Polizeihauptkommissar führte. Parallel dazu wurde er in der Kommunalpolitiktätig: 1984 wurde er erstmals in den Stadtrat gewählt, zum Vorsitzenden der SPD-Fraktion wurde er1994 gewählt, von 1996 bis 2014 war er als 3. bzw. 2. Bürgermeister tätig. Nachdem der amtierendeOberbürgermeister seinen Rückzug aus der Politik kundtat, bestimmte die Coburger SPD ihn zumKandidaten bei der Oberbürgermeisterwahl und Norbert Tessmer erhielt er im 1. Wahlgang ein Ergebnisvon 51,30 % der Stimmen, d. h. die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen.Dass wir natürlich – insgeheim – hoffen, mit „Johann Strauss und Coburg“ bei ihm einaufgeschlosseneres Ohr zu finden, als bei seinem Amtsvorgänger: Wer will es uns verdenken? Wissenwir doch in ihm einen heimlichen Verbündeten, der es zumindest geschafft hat, manches „tabula rasa“in Coburgs Kultur nicht noch schlimmer ausgehen zu lassen und der uns als DJSG immer mit seinenMitteln gewogen war – ich erinnere an die nicht einfache Situation 2012 zu den letzten Strauss-Tagen.Ihnen, lieber Herr Tessmer, nochmals alles erdenklich Gute seitens der DJSG!Brief an die RedaktionDie Ausgaben „Neues Leben“ Nr. 43 und 44 sind großartig gelungen. Die Sonder-Edition zu Carl WilhelmDrescher in der deutschen Transkription ist ein eminent wichtiger Beitrag zur wissenschaftlichenForschung. Hier ist insbesonders Rudolf Maeder zu danken, der eine exzellente Übersetzung mitSachverstand und stilistischer Elegance bereit gestellt hat.Die Ausgabe Nr. 44 bietet eine überbordende Fülle an lesenswerten Informationen und stellt im bestenSinne des Wortes ein brillantes Kaleidoskop einer unglaublichen Vielfalt von straussrelevanten Themendar und wird, da bin ich mir ganz sicher, mit großer Begeisterung von Lesern in ganz Europaaufgenommen werden. Neben Rudolf Maeder ist es auch Manfred Drescher, dessen glänzende undlebendige Rezensionen über musikalische Ereignisse im europäischen Raum als außerordentlichwertvoller Beitrag einzustufen sind.Helmut ReichenauerMitgliedsbeitrag 2014Unser Schatzmeister Dr. Michael Mahlert bittet die Mitglieder, die nicht am Einzugsverfahrenteilnehmen, den Beitrag für 2014 (und ggf. den noch ausstehenden Beitrag für 2013) in den nächstenTagen zu überweisen: Empfänger ist die „Deutsche Johann Strauss Gesellschaft e.V.“, Coburg, Konto810 894 bei der VR-Bank Coburg, BLZ 783 600 00. Über das SEPA-Verfahren sind die Kontodaten unsererGesellschaft: IBAN: DE40 7836 0000 0000 8108 94 sowie als BIC: GENODEF 1 COS11


Goldenes Jubiläum der„Johann Strauss Society of Great Britain“50-jähriges Bestands-Jubiläum der „Johann Strauss Society of Great Britain“Grußadresse der gesamten DJSG an unsere Schwester-Gesellschaftvon Helmut Reichenauer, Ehrenmitglied der „Deutschen Johann Strauss Gesellschaft“Als im Jahre 2000 in Coburg die Festschrift „25 Jahre Deutsche Johann Strauss Gesellschaft“ erschien,schrieb der Verfasser dieser Grußadresse, mittlerweile selbst Ehrenmitglied der DJSG, in der genanntenFestschrift unter anderem:„Wie Phönix aus der Asche – so hat sie sich einst erhoben, die wackere Gemeinde der deutschenFreunde straussischer Musik, erhoben aus dem wirtschaftlichen Trümmerfeld eines geteiltenNachkriegsdeutschlands, voll Elan und Idealismus und der brennenden Begeisterung für einewundervolle, unvergleichliche, weltumspannende Musik. (…) Ein mächtiger Motor kulturellerEntfaltung ist sie stets gewesen, die deutsche Johann Strauss Gesellschaft im letzten Viertel diesesereignisreichen 20. Jahrhunderts. Möge sie nun mutig und ideenreich ins neue Jahrtausendschreiten, sich selbst erneuernd, uns zur dauerhaften Freude.“Diese Wünsche möchten wir nun, 14 Jahre später, aus ganzem Herzen an unsere Schwester-Gesellschaftin London weitergeben, welche auf ein glorreiches, vor allem aber ungemein arbeitsreiches halbesJahrhundert exzellenter Strauss-Forschung mit Stolz zurückblicken kann.Die „Johann Strauss Society of Great Britain“ feiert in diesen Tagen und Wochen ihr 50-jährigesBestands-Jubiläum.Abb. „Vienna Music“ Ausgabe Nr. 103 vom Dezember 2013.„Vienna Music“ ist das regelmäßig erscheinende Magazin der Britischen Johann-Strauss-Gesellschaft12


Schon seit Gründung der „Deutschen Johann Strauss Gesellschaft“ im Jahre 1975 war es uns einAnliegen, gute Kontakte zu allen Strauss-Gesellschaften der Welt herzustellen, auszubauen und zuvertiefen. Mit den führenden Strauss-Forschern Englands, insbesondere mit Herrn Peter Kemp undspäter mit Herrn John Diamond verbinden uns lange, gute und freundschaftliche Beziehungen, und soist es uns diesmal eine besondere Freude, der Britischen Johann-Strauss-Gesellschaft im Namen desVorstands und der gesamten Mitgliedschaft der DJSG die allerherzlichsten Glückwünsche zuüberbringen.Es ist sicher auch für unsere Leser von Interesse, eine kurze Rückschau zu halten über die unzähligenund verdienstvollen Aktivitäten der Britischen Johann-Strauss-Gesellschaft innerhalb der letzten fünfJahrzehnte. Einen guten Einblick gewährt dabei die 2010 erschienene Dokumentarschrift „The History ofThe Johann Strauss Society of Great Britain 1964 – 2010“, herausgegeben von Mike Dyson undJohn Diamond.Im April des Jahres 1964 hatte alles begonnen, als die Gesellschaft gegründet wurde und auch bereitsder erste „Newsletter“ erschien. Chairman wurde Len Troutbeck, und der namhafte DirigentEduard Strauss II (der Enkel des Komponisten Eduard Strauss) wurde ein Jahr später „Honorary Patron“der noch jungen englischen Forschergemeinde.Neben den regelmäßig erscheinenden Newsletters kam es 1966 zur ersten Ausgabe des Magazins„Tritsch-Tratsch“, welches bis zum Jahre 1999 immerhin 79 Ausgaben umfasste. Ab dem Jahre 2000wurde diese beliebte Postille erweitert und mit einem neuen Namen versehen: „Vienna Music“ hieß siefortan und hat bis heute immerhin 103 Ausgaben erreicht. Der parallel produzierte Newsletter hat es bisauf den heutigen Tag gar auf die stolze Summe von 275 (!) Ausgaben gebracht.Als „Honorary Patron“ Eduard Strauss II. am 6. April 1969 starb, wurde dessen Gattin, Frau ElisabethStrauss, die Ehrenpräsidentschaft verliehen.1970 stieß Peter Kemp zur Britischen Johann Strauss Gesellschaft und wurde 1972 in den Vorstandgewählt. 1977 gab John Georgiadis das erste Neujahrskonzert in der Royal Albert Hall in London. DerName dieses Dirigenten sollte für die weitere Entwicklung der englischen Strauss-Gesellschaft noch einebedeutende Rolle spielen.13


1979 wird Dr. Eduard Strauss (Sohn von Eduard Strauss II.) Ehrenpräsident der britischen Gesellschaftund löste damit seine Mutter Elisabeth ab, welche bisher das Patronat innehatte.1980 wird Peter Kemp Chairman der Gesellschaft. 1981 wird die erste Zusammenarbeit mit der BBCLondon realisiert.1983 wird die erste CD der Serie „Vienna Premiere“ im Auftrag der britischen Strauss-Gesellschaftproduziert, Dirigent ist Jack Rothstein. Bemerkenswerterweise finden sich in dieser hervorragenden CDauch bisher unveröffentlichte Werke wie z. B. „Knall und Fall“, „Leuchtkäferln“ und „Hectograph“ vonEduard Strauss.Abb. Peter Kemp: „The Strauss Family. Portrait of a Musical Dynasty” (1985, links)und die deutsche Ausgabe von 19871985 erscheint Peter Kemps umfassende Dokumentar-Biographie über die Strauss-Familie im Verlag„The Baton Press“ (The Strauss Family. Portrait of a Musical Dynasty), ein sorgfältig recherchiertesStandardwerk der Strauss-Literatur, welches 1987 auch in deutscher Sprache bei der DeutschenVerlagsanstalt (DVA) unter dem Titel „Die Familie Strauß. Geschichte einer Musikerdynastie“herausgegeben wird. Beide Ausgaben sind heute leider vergriffen.1987 bringt die Gesellschaft die zweite CD der Serie „Vienna Premiere“ heraus. Wiederum überraschtdiese Dokumentation mit einer Reihe kaum oder noch nie gehörter Werke, wie etwa jene von EduardStrauss („Saat und Ernte“, „Weyprecht-Payer-Marsch“, „Mädchenlaune“ und „Die Abonnenten“).14


Sensationell auch die noch nie gehörte Polka schnell „Schlau-Schlau“ von Johann Strauss III. (einem SohnEduards).Im Jahre 1989 kann die Britische Johann-Strauss-Gesellschaft bereits auf eine 25-jährigeErfolgsgeschichte zurückblicken. Aus diesem Anlass überträgt die BBC ein Live-Konzert und bei Chandoserscheint die CD „Johann Strauss and Family in London“, dirigiert von John Georgiadis.Erstmals bietet diese CD in hervorragender Klangqualität (London Symphony Orchestra) Einspielungenvon Werken, die zu England einen besonderen Bezug haben, wie zum Beispiel Strauss Vaters Walzer„Huldigung der Königin Victoria“ op. 103 oder dessen „Exeter-Polka“ op. 249. Als besondere Rarität istder „Krönungs-Walzer“ op. 40 von Johann Strauss III. zu werten, der bis dahin noch nie von einemOrchester auf Tonträger gebannt wurde.Abb. Londoner Straßenszene um 1830.Johann Strauss Vater gab in London 1838 anlässlich der Krönung der Königin Victoria zahlreicheKonzerte. Auch Johann Strauss Sohn und Eduard Strauss konzertierten in der Metropole des BritischenWeltreichs.Das Jahr 1992 bescherte den Strauss-Freunden aus aller Welt schließlich die dritte CD-Ausgabe der SerieVienna Premiere, welche neben vielen anderen Kostbarkeiten auch Eduards großen Walzer „Schleier15


und Krone“ op. 200 enthielt. An unzähligen weiteren Einspielungen von Werken der Strauss-Dynastieund deren Zeitgenossen war die Britische Strauss-Gesellschaft ebenfalls beteiligt, so auch insbesondeream Entstehen der Gesamtaufnahmen durch das Platten-Label MARCO POLO.1994 publizierte John Diamond ein bemerkenswertes Buch über C. M. Ziehrer mit dem Titel „From Goldto Silver“. 1998 erhielt Peter Kemp für seine überragende Forschungsarbeit das „ÖsterreichischeEhrenkreuz für Wissenschaft und Kunst“.Im Jahre 2000 wurde das Magazin „Tritsch-Tratsch“ in die Zeitschrift „Vienna Music“ umgewandelt. Indieser modernisierten Gestalt wird sie bis heute produziert.2001 wird John Diamond zum Chairman der Gesellschaft ernannt. Peter Kemp wird verdientermaßen„Honorary Life President“ („Ehrenpräsident auf Lebenszeit“).Im Jahr 2004 (200. Jahrestag der Geburt von Johann Strauss Vater) organisiert die Britische Strauss-Gesellschaft erstmals den sogenannten „Oxford-Ball“ mit dem Orchester der „Oxford Philomusica“. Einegesellschaftliche Tradition, die bis zum heutigen Tag aufrecht erhalten blieb.In Kooperation mit der tschechischen Johann-Strauss-Gesellschaft wird 2005 die Operette „Jabuka“ aufTonträger gebannt. Die CD „Spirit of Vienna“ entsteht ebenfalls 2005 unter Mitwirkung des Ensembles„Die flotten Geister“. 2009 folgt eine zweite CD unter der Bezeichnung „Spirit of Vienna“. Sie enthälterstmalig eine Aufnahme der Polka „Im Flug mit Ihr!“ op. 231 von Eduard Strauss.Die Operette „Die Göttin der Vernunft“ wird 2009 in der Slowakei aufgenommen, gesponsert von derBritischen Strauss-Gesellschaft.In den Jahren 2010 – 2013 werden die Einspielungen von Werken C. M. Ziehrers systematischfortgesetzt und sind nunmehr – nicht zuletzt dank der intensiven Bemühungen John Diamonds, bereitsbei Volume 19 (!) angelangt.Das Jahr 2014, in welchem die „Johann Strauss Society of Great Britain“ ihr 50-jähriges Bestands-Jubiläum feiert, wird von zahlreichen Festlichkeiten geprägt sein. So unter anderem durch einen„Wiener Ball“, organisiert durch die „Oxford Philomusica“ am 15. Februar und ein dreitägiges Festival,das in der Zeit vom 4. - 6. April dieses Jahres stattfand.Der Vorstand sowiealle treuverbundenen Mitglieder der „Deutschen Johann Strauss Gesellschaft“entbieten der „Johann Strauss Society of Great Britain”die herzlichsten Glückwünsche zu den ersten 50 Jahren ihres Bestehens.Wir freuen uns auf weitere gedeihliche Kooperation.Mit besten Grüßen „Von Land zu Land“ (Eduard Strauss, op. 140)Im Auftrage des Vorstandes der DJSGund natürlich auch ganz persönlichIhrHelmut ReichenauerFotos: Sammlung Helmut Reichenauer16


Offener Brief an Peter Kemp,Ehrenpräsident der „Johann Strauss Society of Great Britain“Mein lieber Peter,Du wirst dich vielleicht wundern, dass ich in dieser Form an dich einen deutschen Brief schreibe. Dubehauptest zwar, des Deutschen nicht wirklich mächtig zu sein, verstehst aber sehr viel von unsererMuttersprache. Solltest du wider Erwarten doch nicht alles verstanden haben, erwarte ich – wie ich esüber die Jahre gewohnt bin – ein Mail mit rot angestrichenen Passagen! Der Anlass, aus dem ich dirheute schreibe, ist ernst, sehr ernst und feierlich, und darum kann ich mich dazu auch besser in meinereigenen Sprache äußern. Ich wende mich also an dich (und hinter mir stehen alle meine Kollegen vomVorstand und die Mitglieder der Deutschen Strauss-Gesellschaft) in dreifacher Funktion: alsVorstandsmitglied, als dein Übersetzer und als dein Freund.Als Vorstandsmitglied möchte ich euch alle herzlich beglückwünschen zu eurem 50-Jahr-Jubiläum undeuch für die nächsten 50 Jahre Glück, Geduld und Freude an der Musik wünschen. Ihr wart und seid alle,in der Vergangenheit und der Gegenwart – und sicher auch in der Zukunft – seit 1964 darum bemüht,Großbritannien und der übrigen Welt die Liebe zur Wiener Musik (wobei der Strauss-Familie eineherausragende Bedeutung zukommt) einzupflanzen, die Wiener Musik in all ihren Facetten lebendig undunvergesslich werden zu lassen, indem ihr Werke auswählt, Programme zusammenstellt, Aufnahmenmachen lasst und sponsert – was euer Präsident heute so brillant zu verwirklichen versteht –,Fachbeiträge veröffentlicht (woran dir ein großer Anteil zukommt), Bücher schreibt (Dein Strauss-Familien-Buch ist ein Standardwerk geworden und wird immer ein Renner bleiben!), Konzerte undMitgliederversammlungen und Bälle organisiert. Ihr habt in den vergangenen 50 Jahren gar mancheschweren Probleme lösen müssen und habt wie alle heutigen Strauss-Gesellschaften euch mit einigenSchwierigkeiten wie Mitgliederschwund, Geldknappheit, verändertem Geschmack usw. auseinander zusetzen, aber – „hats off to all of you“ – (pardon, ich meine: alle Achtung!), ihr habt alle Klippen umschifftund steuert jetzt aufs offene Meer hinaus in Richtung 100 Jahre Britische Johann Strauss Gesellschaft!Als einer deiner Übersetzer – eine Ehre und ein Vergnügen für mich – bin ich dir sehr dankbar dafür,dass ich deine Texte übersetzen darf, da ich dabei enorm viel gelernt habe und noch lernen werde undsie – als eine wirklich dankbare Aufgabe – einem größeren Publikum zugänglich machen kann. Ichmöchte unsere Mail-Diskussionen auf keinen Fall missen, denn erst so werden Probleme gelöst, entstehteine wirkliche Zusammenarbeit, und wenn wir auch nicht immer einer Meinung sind (müssen wir jaauch nicht!) und du ganz schöne Knacknüsse servieren kannst, haben wir uns zum Schluss doch immerzusammengerauft. In all diesen Jahren, seit ich in Rente gegangen bin, war ich immer glücklich über dasProdukt, das aus unserer Arbeit entstanden ist, und diese dankbare Aufgabe, denn es geht nichts überdie Arbeit im Alter – man kommt ja sonst nur auf dumme Gedanken! Meine Bewunderung war dirimmer sicher für all das, was du neben deinem Beruf und deiner Präsidentenfunktion alles nochgeleistet hast: „The Strauss Family“, das die Familie in die Gegenwart geholt hat und wie schon gesagtein Standardwerk geworden ist, die Begleittexte zu den CD-Aufnahmen (in Zusammenarbeit mit demgroßen Prof. Franz Mailer), die Plattenaufnahme von Johann Strauss nachgelassenem Ballett„Aschenbrödel“, die zahllosen Vorträge usw. usw. Um dich herum waren immer gute Geister am Werk,wie sie es heute auch bei John Diamond sind. Darunter war die leider kürzlich verstorbene Viola E.Coates, die wir sehr vermissen; wir wissen aber auch, dass ihre Aufgaben bei Maureen Greenhouse undneu bei Linda Hazzard in guten Händen sind.Dein Nachfolger John Diamond hat der Gesellschaft wieder eine neue Richtung vorgegeben und setztsich wie du vollumfänglich für die Belange der Gesellschaft ein, wofür wir ihm unseren kollegialen Danksagen möchten. Er hat eine erstaunliche Menge von Erst- und Frühdrucken, von Orchestermaterial,17


Büchern usw. für euer Archiv zusammengetragen und setzt sich für Ersteinspielungen und andereAufnahmen ein (wir sind sehr gespannt auf die Jubiläums-Doppel-CD!). Ohne all diese Anstrengungenund die Liebe zur Musik wird eine Gesellschaft nicht 50 Jahre alt. Wir „Deutschen“ sind noch nicht soweit, feiern wir doch im nächsten Jahr erst unser 40-Jahr-Jubiläum – aber wir bleiben dran!Als dein Freund freue ich mich natürlich mit meinen Vorstandskollegen ungeheuer über euer halbesJahrhundert. Ich empfinde es als große Genugtuung, dass dort drüben (in perfidious Albion!) jemandlebt und arbeitet, mit dem man sehr verbunden und der einem sehr vertraut ist, dessen Humor immerwieder erstaunlich und erfrischend ist, dem man viele Fragen stellen und den man ab und zu sehen kann– und mit dem einen die Liebe zur Musik fest verbindet. Wir kennen uns wohl schon seit 1987, und ichkann mich erinnern, dass ich schon damals ein Kemp-Fan war (verständlich!), als ich deine Worte inCoburg als Dolmetscher eindeutschen durfte. Viele Erinnerungen verbinden uns miteinander, und auchdie Damen Marilyn Hill-Smith und Sandie spielen dabei eine nicht unerhebliche Rolle.Der Vorstand und die Mitglieder der Deutschen Johann Strauss Gesellschaft wünschen ihrer britischenSchwestergesellschaft im Jubiläumsjahr alles, alles Gute für ihre musikalischen Unternehmungen undfreuen sich sehr auf eine weitere glückliche Zusammenarbeit im Zeichen der Wiener Musik:Happy Birthday to you,dear „Johann Strauss Society of Great Britain“!Dir Peter und deinen reizenden Damen wünsche ich viel Glück und Freude, Gesundheit und Zuversicht,wo immer du auch seist, und verbleibe mit sehr musikalischen Grüßen wie immer deinRudolfHerzliche Glückwünsche zum „Goldenen Jubiläum“an unsere Schwestergesellschaft im Vereinigten Königreichvon Ingolf RoßbergZu den herausragenden Ereignissen in diesem Jahr gehört das 50-jährige Bestehen unsererSchwestergesellschaft in Großbritannien, der „Johann Strauss Society of Great Britain“ (JSSGB). Wirgratulieren allen Mitgliedern sehr herzlich zu diesem „Goldenen Jubiläum“:Alles erdenklich Gute nach Großbritannien – und auf weitere gute „50“.Im Namen der gesamten „Deutschen Johann Strauss Gesellschaft“Mit der offiziellen Grußadresse unserer Gesellschaft an unsere britischen Freunde, um die wir einenBerufenen, unser Ehrenmitglied und Freund, Prof Helmut Reichenauer als Autor, gebeten haben, ebensoum einen „Offenen Brief an Peter Kemp“ von Rudolf Maeder, wollen wir herausragend die wohleinzigartigen Leistungen unserer britischen Schwestergesellschaft würdigen: Herzlichen Dank im Namender gesamten Strauss-Welt! Many thanks to you!Anlässlich dieses Jubiläums haben die Vorstandsmitglieder unserer Gesellschaft, Jonas Geelhaar,Friedhelm Kuhlmann, Rudolf Maeder und Dr. Ingolf Roßberg, am Rande der „Tanz-Signale“ am15. März 2014 in Wien nicht nur unsere Grüße stellvertretend an Peter Kemp, Ehrenpräsident aufLebenszeit der „Johann Strauss Society of Great Britain“, überbracht. Als offizielles Jubiläums-Geschenkder DJSG an die JSSGB konnten wir in Wien ihm drei Bücher in aller Form zu diesem Ereignis übergeben,die sich unsere Schwestergesellschaft als eine Ergänzung für ihr Archiv wünschte, und zwar:18


- Schönherr/Brixel: Karl Komzák – Vater-Sohn-Enkel, Wien 1989- Hans Weigel: Flucht vor der Größe, Styria Graz 1960 und- 300 „Wiener Comödienlieder“ (antiquarische Ausgabe)Peter Kemp hat es freundlicherweise übernommen, diese Geschenke in der Festveranstaltung, die vom4. bis 6. April 2014 stattfand, in unserem Namen an die gesamte Gesellschaft zu überreichen:John Diamond mit den „Wiener Comödienlieder“,Geschenk der „Deutschen Johann Strauss Gesellschaft“ zum 50. Jubiläum der JSSGB(Foto: Richard Stevens, JSSGB)Und so senden wir hier noch einmal:Once again: „Happy Birthday To You”!Antwort aus GroßbritannienBrief von John Diamond, 1. Chairman der JSSGB, an die „Deutsche Johann Strauss Gesellschaft“(Übersetzung: Rudolf Maeder)Lieber IngolfIm Namen unserer Gesellschaft möchte ich Ihnen herzlich danken für die herrlichen Geschenke undGrußkarten zu unserem Jubiläumsjahr, die Peter Kemp aus Wien mitbrachte und bei unsererVersammlung präsentiert hat. Wir haben immer unsere starke Verbundenheit mit Ihrer Gesellschaftgeschätzt und wünschen uns, dass das „for ever“ so bleibt.Wir werden natürlich einen besonderen Dank in unserm nächsten Newsletter abstatten und hoffen, dassauch Ihre eigene Gesellschaft weiterhin Erfolge feiern kann.Zu Ihrer Information schicke ich im Anhang ein Foto unseres neuen Vorstandes, das Peter Kemp währendunserer Mitgliederversammlung mit Spezialprogramm am letzten Wochenende gemacht hat (sieheSeite 23, d. Red.).Mit besten Wünschen und GrüßenJohn Diamond19


Aus unseren befreundeten GesellschaftenNachruf auf Viola CoatesLangjährige Schriftführerin der „Johann Strauss Society of Great Britain“ verstorbenMit großer Anteilnahme haben wir erfahren, dass die langjährige Schriftführerin („secretary“) der„Johann Strauss Society of Great Britain“, Viola Coates, Ende vergangenen Jahres verstorben ist. Sie warviele Jahrzehnte „der gute Geist“ unserer Schwestergesellschaft und viele Mitglieder unsererGesellschaft haben sie aus Begegnungen hier und in Großbritannien noch in guter Erinnerung. DerEhrenpräsident der JSSGB, Peter Kemp, hat einen Nachruf auf sie verfasst, dessen deutsche Übersetzung(Übersetzer war unser Vorstandsmitglied Rudolf Maeder) wir im stillen Gedenken veröffentlichen.Viola Eleanore Coates(4. Aug. 1924 – 20. Dez. 2013)„Wir müssen tiefbetrübt Kenntnis geben vom Tod unserer langjährigen ehrenamtlichen Sekretärin undSchatzmeisterin Viola Coates am 20. Dez. 2013. Sie war 89 Jahre alt und hatte einige Jahre mutig gegenihre Krebserkrankung gekämpft.Viola Eleanore Raymond wurde am 4. Aug. 1924 in der Lanvanor Road Nr. 4 in Peckham, Südlondon,dem Heim ihrer Eltern Frederick Charles Raymond und Violet Victoria (geb. Taylor) geboren. Ihr Vaterwar ein Schreinergeselle in Bermondsey, ihr Großvater mütterlicherseits Drucker. Ihr Urgroßvatermütterlicherseits handelte mit Leder. Violas Kindheit war eigentlich glücklich, aber wohl nicht sehreinfach: Ihre Eltern trennten sich, und als Folge davon zogen das Baby Viola und ihre Mutter zu derenEltern in Peckham, dann mit den Großeltern nach Orpington. Die Eltern ließen sich später scheiden, ihreMutter verheiratete sich nicht mehr.Zu Violas frühesten Erinnerungen gehört ihre Begleitung der Mutter 1935 zum Dankgottesdienst in derSt Pauls Cathedral zur Feier zur 25-jährigen Regierungszeit von König George V. und Königin Mary, zudem der Arbeitgeber der Mutter die Karten besorgt hatte. Während der Kriegsjahre lebte Violaweiterhin in Orpington, wo sie eine Sekretariatsfachschule besuchte und sich schließlich großeGeschicklichkeit in Stenografie und Maschinenschreiben erwarb. Durch ihre Mutter, eine geschätzteSekretärin in einem Betrieb an der London Bridge, entwickelte sie ihre Liebe zur Stadt, und Mutter undTochter fuhren regelmäßig miteinander zur Arbeit. Viola erhielt zuerst einen Posten als Sekretärin beiPitt & Scott, wechselte dann zur Importgesellschaft Gordon & Gotch, wo sie in der Schreibabteilungarbeitete. Im Jahre 1951 wechselte sie zum Hauptsitz der National Westminster Bank in der LondonerCity und wurde 1959 nach einer Prüfung Mitglied des „Institute of Qualified Private Secretaries“ (IQPS,heute „Institute of Professional Administrators“) – eine Qualifikation, die ihr nicht nur den Posten einerDirektionssekretärin einbrachte, sondern ihr in ihrer zukünftigen Rolle als ehrenamtliche Sekretärin undSchatzmeisterin bei der britischen Johann Strauss Gesellschaft zugutekam. Viola trat 1984 bei NatWestin den Ruhestand.Am 24. März 1961 heiratet Viola James (Jim) Coates, einen Buchhalter, und kurz darauf zog das Ehepaarin eine neue Wohnung (Bishams Court, Caterham, Grafschaft Surrey). Nur sieben Jahre später starb Jimüberraschend am 2. Nov. 1968 während eines gemeinsamen London-Besuchs an einem Herzschlag. Imdarauf folgenden Jahr begegnete Viola in Wien der kurz zuvor zur Witwe gewordenen Elisabeth Strauss,die zu ihr sagte: „Wir sind Schwestern im Unglück!“ Es entstand eine Freundschaft, die bis zum Tode vonElisabeth Strauss im Jahr 2001 dauerte. Elisabeth Strauss (die Mutter unseres Ehrenpatrons) sprachkaum Englisch, Viola noch weniger Deutsch, so kamen die beiden Damen überein, sich in Französisch zuunterhalten…20


Neben ihrer Liebe zur Musik der Strauss-Familie mochte sie klassische Musik in großer Vielfalt, wohl einErbstück von ihrer Mutter, einer hervorragenden Amateurpianistin. Zu ihren weiteren Vorliebengehörten lange Spaziergänge auf dem Land, Reisen auf dem europäischen Kontinent, die Künste undGeschichte. Sie war Mitglied örtlicher und landesweiter Organisationen, darunter die Bourne Society(Pflege der Lokalgeschichte von Caterham und Umgebung), die Freunde des East Surrey Museums, desNational Trust (Denkmalpflege und Naturschutz) und English Heritage (Pflege archäologisch undhistorisch wertvoller Orte) und war eine gläubige Anhängerin der United Reformed Church (URC,Vereinigte reformierte Kirche) in Caterham.Da sich unsere Gesellschaft ihrem 50-Jahr-Jubiläum nähert, lohnt es sich bestimmt, sich an Ereignisse zuerinnern, die 42 Jahre zurückliegen. Im Jahr 1972 war das Weiterbestehen der Gesellschaft wegenernster Meinungsverschiedenheiten im Vorstand und des Rücktritts unseres Mitbegründers,ehrenamtlichen Sekretärs und Schatzmeisters Bob Rogers aus Gesundheitsgründen ernsthaft gefährdet.Eine außerordentliche Mitgliederversammlung wurde für den September anberaumt, und Viola – die dieZügel bereits inoffiziell in Händen hielt – wurde offiziell zur ehrenamtlichen Sekretärin undSchatzmeisterin gewählt, ein Doppelposten, den sie pflichtbewusst und mit Hingabe für die nächsten 34Jahre ausfüllen sollte, bevor sie sich mit fast 83 Jahren 2007 nicht mehr zur Wiederwahl stellen wollte.Da sie ihre Aufgaben als Schatzmeisterin und Mitgliedersekretärin höchst ungern aufgab, arbeitete sieals Generalsekretärin weiter bis zu ihrem Tode. So sagte sie mir 2008: „It’s business as usual for me atthe moment“ (dt.: „Für mich läuft alles normal im Moment“) – und das trotzdem sie sich zwei Jahrezuvor einen Hüftknochen gebrochen hatte und kurz vorher die Diagnose Brustkrebs bekommen hatte(2008). Viola bleibt diejenige, die am längsten für unsere Gesellschaft gearbeitet hat, ein Rekord, denman wohl nicht so leicht brechen kann.Violas Generation setzte auf Überzeugung und Engagement, und es sind nicht viele mehr da, die dieseTugenden in einem solchen Maße verkörpern. Doch gab es eine innere Antriebskraft für Viola, um dienur ihre engsten Freunde wussten. Als Viola 1965 unserer Gesellschaft beitrat, tat sie dies in einerDoppelmitgliedschaft mit ihrem geliebten Mann Jim für vier Jahre. Als Jim gerade drei Jahre späterstarb, geschah es in seinem Andenken, dass Viola ihre Verbindung zur Johann-Strauss-Gesellschaft zufestigen suchte, und da sie keine eigenen Kinder hatte, stellte sie weiterhin ihre ganze Kraft in denDienst der Gesellschaft, der sie mit Jim aus gemeinsamer Liebe zur Musik beigetreten war.Es ist halt im Leben mal so, dass dem Präsident immer Lob gezollt wird, wenn alles gut läuft, und er alleSchuld trägt, wenn etwas schiefgeht, doch weder mein Vorgänger, mein Nachfolger oder ich haben jevergessen, dass es Violas ruhige Leistungskraft war, die das Räderwerk der Verwaltung „schmierte“, dasunsere Gesellschaft in geordneten Bahnen vorwärtsbrachte. Sie war den drei Präsidenten, mit denen siearbeitete, in unverbrüchlicher Treue verbunden – ich glaube, sogar dann wenn sie das Gefühl hatte, wirseien auf dem falschen Dampfer!Kondolenzschreiben zu Violas Tod kamen von weit her: Aus der Schweiz, aus Deutschland, ausSchweden, aus Tschechien, aus Japan, aus Kanada, aus den USA – und aus Wien von der heutigenStrauss-Familie. Dr. Eduard Strauss, das Familienoberhaupt, schrieb an Violas Nichte Kathy in Englisch:„Viola was a very special and true friend for my parents Elisabeth and Eduard Strauss and for myself. Forus she was ‚the inner soul‘ of the Johann Strauss Society of Great Britain for many many years. We willalways remember her as a very great person with a great love for us and the music of our family.“ (zudt.: „Viola war eine ganz besondere und treue Freundin für meine Eltern Elisabeth und Eduard Straussund für mich. Für uns war sie während vieler, vieler Jahre die eigentliche ‚Seele‘ der Britischen Johann-Strauss-Gesellschaft. Wir werden sie immer in Erinnerung behalten als einen großen Menschen miteiner großen Liebe zu uns und der Musik unserer Familie.“) Diese zahlreichen Schreiben zeugenzusammen von Violas unermüdlichem Geist und ihrer Kraft, – „a wonderful English lady“, wie sie jemandnannte –, die während mehr als der Hälfte ihres Lebens als Erwachsene dem Dienst an der Britischen21


Johann-Strauss-Gesellschaft gewidmet und mitgeholfen hatte, die Musik der Strauss-Familie lebendig zuerhalten.Zweifellos als Folge ihrer langjährigen Tätigkeit als Vorstandssekretärin mochte Viola – sie trug ihrenSekretärinnenhut des Mitglieds – Neulingen als ziemlich streng erscheinen, doch haben Mitgliederversichert, dass, wenn sie sie getroffen hätten, sie als warmherzige und zugewandte Frau vollleidenschaftlicher Hingabe für die Gesellschaft wahrgenommen hätten. Viola konnte auch als ziemlichbieder erscheinen, ein Eindruck, den sie mit einem Schlag bei einer Veranstaltung in York in den 1980er-Jahren wegwischte, als sie die Augenbrauen hochzog… und ihren Rock…, um nach den bekanntenMelodien einen schmissigen Solo-Cancan hinzulegen! Ich glaube, niemand von uns sah Viola nachdiesem leider nie mehr wiederholten Auftritt mit den gleichen Augen an.Ich habe zwei weitere entscheidende Erinnerungen an Viola, die ich sie 1972 als Kollegin und Freundinkennen lernte, als wir beide zum ersten Mal in den Vorstand gewählt wurden. In den Tagen, als es nochkeine Fotokopierer und Computer gab, wurde unser Newsletter von ihr mit einer tragbarenSchreibmaschine auf eine Matrize geschrieben, bevor die einzelnen Seiten auf einerVervielfältigungsmaschine mit der Handkurbel abgezogen wurden. Ein Stoß von jeder Seite wurde außenan einem großen runden Tisch platziert, und meine Vorstandskollegen Phil Povey (1926 – 1991) undMike O‘Sullivan (1939 – 2009) und ich gingen hinter der kleinen Gestalt Violas um den Tisch herum,nahmen eine Seite von jedem Stoß, bis die Ausgabe vollständig war. Dieses Latschen um den rundenTisch wiederholte sich etwa 100 Mal, bevor alle Ausgaben aufeinandergelegt waren, und wir dreikannten wohl Violas Rückseite besser als sonst jemand.Eine weitere Aufgabe Violas bestand darin, unser Jahresessen im „Café Royal“ und anderen Lokalitätenzu organisieren. Vor allem als sie älter wurde, als sie von Tisch zu Tisch eilte, um die Tischkarten genau inder Reihenfolge, die sie bestimmt hatte, hinzustellen, glich sie immer mehr einem kleinen Engel, mitglühenden Wangen – und noch mehr als das: einem kleinen Engel, der über uns alle wachte.Da ich annehme, dass ich weiß, wohin sie sehr wahrscheinlich ging, möchte ich mit den Wortenschließen: Der Himmel möge dem Engel helfen, der Buch führt über die guten und die bösen Taten,wenn er falsche Eintragungen gemacht hat!“Soweit der Nachruf von Peter Kemp.In der United Reformed Church in Caterham wurde am Donnerstag, dem 9. Jan. 2014, einDankgottesdienst für Violas Leben abgehalten, bei dem 20 Trauergäste anwesend waren. Die Strauss-Gesellschaft wurde vertreten durch John und Mina Diamond, Norman Field, Maureen Greenhouse,Ehrenmitglied Marilyn Hill Smith, Douglas Brown, Elizabeth Wilkinson, Catherine Wylde und Peter undSandie Kemp. Nachrufe auf Viola wurden gehalten von Violas Nichte, Kathy Christiansen, und unseremEhrenpräsident auf Lebenszeit, Peter Kemp. Als Trauermusik erklang der Walzer „Wiener Fresken“,op. 249, von Josef Strauss und erinnerte an Violas besondere Liebe für die Werke dieses Komponisten.Nach dem Gottesdienst wurde die Verstorbene im Surrey und Sussex Krematorium in Crawley, WestSussex, den Flammen übergeben. Beide Zeremonien leitete Michael Pritchard, Laienprediger undSekretär der United Reformed Church in Caterham. Violas Urne schmückten Blumen der Familie und derBritischen Strauss Gesellschaft (mit dem Schriftband „In dankbarer Erinnerung an eine treue undengagierte Freundin und Kollegin. Der Vorstand und die Mitglieder der Johann-Strauss-Gesellschaft vonGroßbritannien“).Auf Violas Wunsch wird ihre Asche im Ärmelkanal verstreut, ein ihr bekanntes Wasser – sie hatte ihrganzes Leben Flugangst – von ihren vielen Überfahrten mit der Fähre auf dem Wege zum Urlaub aufdem Kontinent.22


Alle, die gerne eine Spende in Erinnerung an Viola machen möchten, werden gebeten, einen Scheck,zahlbar an St Catherine’s Hospice, c/o W. A. Truelove & Son Ltd, Leslie House, 187 Croydon Road,Caterham, Surrey, CR3 6PH, England, zu senden, mit einem beigelegten Brief, in dem der Betrag alsSpende in Erinnerung an Mrs. Viola E. Coates deklariert wird.Wir alle hätten Viola E. Coates sicher die Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bestehen der JSSGB nochgegönnt – aber niemand von uns weiß, wann die Zeit abläuft. Dem Wunsch von Viola Coates sind wir als„Deutsche Johann Strauss Gesellschaft“ gefolgt und haben mit Vorstandsbeschluss unserer GesellschaftPeter Kemp in Wien (am Rande der „Tanz-Signale“) eine namhafte Spende unserer Gesellschaftzugunsten des Hospitals übergeben, mit unserer Bitte, in diesem Sinn zu handeln. Friede sei mit ihr!Weitere Nachrichten aus der „Johann Strauss Society of Great Britain“Zum Festwochenende wurde auch der Vorstand der „Johann Strauss Society of Great Britain“ neu bzw.wiedergewählt.Der Vorstand der „Johann Strauss Society of Great Britain“ (v. l. n. r.): Mike Dyson (Schatzmeister), Norman Field(CDs und Organisation), John Diamond (Präsident) Maureen Greenhouse (Vizepräsidentin), Per Ander Wiklund(neu gewählt, Musik und Technik), Linda Hazzard (neu gewählt, Sekretärin) (Foto: Richard Stevens, JSSGB)Die „Deutsche Johann Strauss Gesellschaft“ beglückwünscht Norman Godel ganz herzlich zu seinemgroßartigen Entschluss, seine ein ganzes Leben hindurch zusammengetragene Sammlung vonKlavierausgaben der Wiener Musik unserer britischen Schwestergesellschaft zu schenken, damit er dieSammlung in guten Händen weiß. Sie umfasst Werke der Strauss-Familie (viele in Erstausgaben),darunter alle Strauss-Operetten und einige Bearbeitungen, sämtliche Werke von Joseph Lanner, Werkevon Gung’l, Lincke, Waldteufel, Lehár u. a. Die Schenkung enthält auch Norman GodelsKlavierbearbeitungen zu vier Händen und thematische Kompendien.Der Präsident John Diamond konnte in Wien weitere 40 Werke von Philipp Fahrbach Sohn erwerben, dieden bestehenden Fahrbach-Bestand der JSSGB erweitern werden.Weiterhin hat die JSSGB eine Originalpartitur der Pfr op. 472 „Nur nicht mucken“ aus der Strauss-Operette „Die Göttin der Vernunft“ aufgefunden. Das in Vol. 3 von „Vienna Premiere“ und Vol. 44 derMarco Polo Edition eingespielte Werk, das von Edward Peak damals aus einer unvollständigen Vorlageerarbeitet worden war, wurde nun in seiner vollständigen Form auf den Computer übertragen (mit derganzen Introduktion und neuen Orchesterstimmen) und harrt seiner Aufführung…23


„Tanz-Signale“ 2014 in WienUnter großer Beteiligung fanden vom 13. bis 15. März 2014 zum elften Male in Folge die „Tanz-Signale“unseres befreundeten „Wiener Instituts für Strauss-Forschung“ (WISF) statt. Ein ausführlicher Berichtvon Rudolf Maeder folgt in einer unserer nächsten Ausgaben.Nachrichten aus unserer japanischen SchwestergesellschaftWir danken der Japanischen Strauss-Gesellschaft (JJSG) für die Zusendung ihrer Bulletins und berichtenzusammenfassend über die wichtigsten Ereignisse der letzten Monate in Japan:Unsere japanische Gesellschaft erinnert sich an die 150. Wiederkehr des Geburtstages von FelixWeingartner Edler von Münzberg (1863, Zadar, bis 1942, Winterthur), da er die Wiener Philharmonikeram 17. und 18. Okt. 1925 in einem Konzert mit Strauss-Werken dirigierte und ebenfalls zu JohannStrauss‘ Geburtstag am 25. Okt. 1925 ein reines Strauss-Programm leitete. Weingartner besuchte mitseiner damaligen Frau (er hatte fünf von ihnen!) am 7. Juli 1937 Japan und dirigierte das NeueSymphonie Orchester in der Stadthalle von Shizuoka. Sie wohnten im Hugetsurou. Er sah währendseines Aufenthaltes Japanerinnen in Yukatas (leichtere Variante des Kimonos in Baumwolle), die übereine Brücke im Hugetsurou-Garten gingen, was ihn dazu inspirierte, ein Klavierstück mit dem Titel„Junge Japanerinnen bei Überqueren einer Brücke“ zu schreiben, das er „Asahi Shimbun“ (diezweitgrößte Zeitung der Welt und Japans, Morgenauflage 8,2 Mio.) widmete. Yoshinobu Tokugawastellte in einer Glasvitrine Dokumente zu Felix Weingartner aus.In Aomori (japanische Großstadt und Hafen an der Nordspitze der Hauptinsel Honshu) befindet sich dieKonditorei „Strauss“ von Yuichi Miura, einem in Österreich diplomierten Konditormeister. Im erstenStock ist der Laden, im zweiten ein Café. Gleich daneben ist „Kanmido“, ein berühmter japanischerHersteller von Yokan (japanisches Dessert z. B. aus Bohnenpaste oder aus Kastanienpaste oder ausGelee und Agar-Agar, aber auch aus schwarzen Johannisbeeren). Yuichi Miura führt sein Geschäft in derfünften Generation. Er lernte sein Handwerk von 1980 bis 1987 bei dem Konditormeister KarlSchumacher in Wien und eröffnete nach seiner Rückkehr nach Japan die Konditorei „Strauss“. Der Autordieser Zeilen bestellte bei seinem Besuch eine Sachertorte, eine Kardinalschnitte und einenJohannisbeer-Kuchen! Aomori ist berühmt für seine Produktion von Äpfeln und schwarzenJohannisbeeren (90 Prozent der japanischen Produktion). „Strauss“ besitzt einen Webshop, damit manseine Köstlichkeiten auch im Internet bestellen kann…Am 19. Okt. 2013 war eines der regulären Treffen der Strauss Gesellschaft. Herr Ogawa sprach über denGeburtstag von Johann Strauss Sohn. Frau Wakamiya sprach dabei über die Komposition „Frühling inJapan“ von Leon Jessel (1871 - 1942), ein Geschenk der Deutschen Strauss Gesellschaft an unserejapanische Schwestergesellschaft beim letztjährigen Symposium „Tanz-Signale“ in Wien. Frau Wakamiyaspielte das Werk des Schöpfers der „Parade der Zinnsoldaten“ auf dem Klavier. Das Titelblatt zierenKirschbäume und die Musik klingt irgendwie exotisch, auf jeden Fall nicht europäisch. Als Leon Jesselkomponierte, verwendete man in der japanischen Volksmusik die pentatonische Tonleiter wie in Liedernwie „Myasan-Myasan“ und „Echigojishi“. Sie werden in Bühnenwerken wie Puccinis „Madame Butterfly“und Gilbert und Sullivans „Der Mikado“ verwendet.In vielen Werken der Strauss-Familie wird Material aus Opern anderer Komponisten verwendet: Die„Maskenball-Quadrille“ ist eines von ihnen. 2013 wurde der 200. Geburtstag von Guiseppe Verdigefeiert. Bei einem Maskenball wird der König von Schweden ermordet, was aber aus Zensurgründennach Boston und einem Gouverneur transponiert werden musste. In dem Film auf DVD, den HerrMikami vorstellte, konnte man wieder die Originalfassung sehen und hören. Georg Solti war am Pult der24


Salzburger Festspiele für Herbert von Karajan, der plötzlich gestorben war, eingesprungen. Die Quadrilleklang wie eine Einleitung zum Film. Allerdings hört man die Melodien in den Quadrillen weder in derrichtigen Nummernfolge, noch im Tempo der jeweiligen Opern. Herr Furumi, der letztes Jahr dasNeujahrskonzert 1974 der Wiener Philharmoniker und ein Interview mit Willy Boskovsky vorgestellthatte, zeigte diesmal Filmeinspielungen, die der ORF während der Pause des Neujahrskonzertesausstrahlte, welche man in Japan aber leider nicht sehen kann, weil im Fernsehstudio gleichzeitig Gästeüber Wien und die Philharmoniker diskutieren; deshalb muss man eine DVD kaufen.Dr. Akiya sprach über Strauss-Gedenkräume in Takasaki (Stadt in der Präfektur Gunma, HauptinselHonschu), es sind teilweise renovierte Räume in seinem dortigen alten Haus, die an die große Galerie inSchönbrunn erinnern sollen. Operettenmaterial und Strauss-Dokumente, die er zusammengetragenhabe, würden neben Büchern, Schallplatten, CDs, DVDs und Fotos, die von Frau Cyo, Frau Mishima, HerrYamatomi und Herr Hirai geschenkt worden seien, ausgestellt. Am 2. Nov. 2013 fand in Anwesenheitvon 25 Mitgliedern der japanischen Strauss-Gesellschaft und der japanischen Habsburg-Gesellschafteine Einweihungsfeier statt. Unter den Gästen war Herr Yoshiatsu Nagatani, ein Zitherspieler, der ineinem kleinen Konzert Wiener Musik, wie „Der dritte Mann“ (Karas) auf der Zither und mit Drehorgelspielte. Das Konzert wurde von Helmut Gieb, dem Präsidenten der Habsburg-Gesellschaft angeregt.Die Speisen waren ausgezeichnet, darunter Sushi, Hors d’œuvre und Wiener Mehlspeisen von Demelund dem Café Wien aus dem Geschäft von Nihonbashi Mitsukoshi. Österreichischer Wein und GösserBräu, das eines der beliebtesten österreichischen Biere ist, wurden ausgeschenkt. Das Flackern derKerzen in österreichischen Kerzenständern und die Akustik des Saales sind so stimmungsvoll, dass dieAbsicht besteht, dort Orchesterproben oder einen Ball zu veranstalten. Viele Mitglieder kommen ausder Gegend von Tokio und brauchen fast zwei Stunden, um zu den Räumen der japanischen Gesellschaftzu gelangen, das macht 4 Stunden Reise und kostet 3000 Yen (22 Euro). Weil verschiedene Strauss-Ortein Japan schlecht erreichbar sind, will Dr. Akiya mehr Wiener Kultur verbreiten und die Entwicklung derjapanischen Gesellschaft vorantreiben. Weitere Themen waren: Konzert des Zitherspielers Prof. WilfriedScharf, eine Sinfonie von Felix Weingartner und 100. Geburtstag von Richard Heuberger (1850 - 1914).Am 26. Jan. 2014 sang Frau Megumi Masui mit Unterstützung der Japanischen Strauss-GesellschaftStrauss-Werke. Herr Kei Satoda setzte seinen Zyklus über die Lage Japans von der späten Meji- bis zurShouwa-Zeit anhand der Entwicklung von Orchestern, Platten, Filmen und den Anfängen des Rundfunksfort (27. Febr. 2014). Herr Furumi sprach am 8. März über Carlos Kleiber mit einer DVD (darin „Ich binder Welt abhanden gekommen“, Ausschnitte aus dem „Rosenkavalier“ und von Beethoven-Sinfonien).Nachrichten von der Johann-Strauss-Gesellschaft WienDie Generalversammlung unserer Wiener Schwestergesellschaft fand am Donnerstag, 13. Febr. 2014,16.30 Uhr, im Kapitelsaal des Kloster St. Michael, Habsburgergasse 12, in Wien statt. Sie ist ab sofort wiefolgt zu erreichen: 0676/3347577 (Österreich) oder 0043/676/3347577 (aus dem Ausland).Am Donnerstag, 20. März 2014, fand um 19 Uhr im Festsaal des Bezirksamtes Leopoldstadt, unter demEhrenschutz von Bezirksvorsteher Karlheinz Hora das traditionelle Benefizkonzert der Gesellschaft mitWerken von Jacques Offenbach, Johann Strauss, Franz Lehár, Richard Heuberger und Oscar Straus statt.Nach längerer Zeit gibt es wieder einmal ein Künstlergespräch: Am Donnerstag, dem 1. Mai 2014, wirddie Schauspielerin Waltraut Haas (österreichische Film- und Theaterlegende, „Mariandl“, „Im WeißenRössl“ usw.) im Wiener Lehár-Schlössl, Hackhofergasse 18, 1190 Wien, aus ihrem Leben und ihrerKarriere erzählen. Die Veranstaltung beginnt um 15.30 Uhr, Karten zu 22 Euro können unter Telefon0676/3347577 oder im Internet unter m.porkristl@gmx.at bestellt werden.25


FachbeiträgeJosef Gung’l –Ein Tanzkomponist der Strauss-Zeitvon Alfred Dreher 1Das 19. Jahrhundert war die große Zeit der Tanz- und Unterhaltungsmusiker, unter denen die WienerStrauss-Familie herausragte und diese Zeit prägte. Einer der wenigen, der sich aus der Vielzahl dertalentierten und erfolgreichen musikalischen Zeitgenossen herausheben konnte und es zu weltweitemAnsehen und Ruhm brachte, war Josef Gung’l.Josef Gung’l (1809 - 1889)Foto des Gemäldes von Wilhelm Trübner (Alfred-Dreher-Archiv im Archivbestand der DJSG)Er wurde laut dem Kirchenbuch am 1. Dez. 1809 in Schambeck (heute Zsámbék, Komitat Pest) als„Josephus, Sohn des Georgius Kunkel” geboren. Schambeck war ein deutsches Kolonistendorf in derNähe von Ofen (Budapest), besiedelt von Familien aus dem süddeutschen Raum.Er musste ein aufgeweckter, musikbegabter Bub gewesen sein, denn er besuchte die PestherLehrerbildungsanstalt und war bereits mit 15 Jahren Hilfslehrer in umliegenden Dörfern.Im Mai 1828 trat er in das 5. Artillerie-Regiment in Pesth ein, wo er in die Offiziersschule aufgenommenwurde und später als Lehrer für Soldatenkinder tätig war. Da aber sein Drang zur Musik überhand nahm,verdingte er sich 1835 (26-jährig) als Militärmusiker im 4. Artillerie-Regiment in Graz.Dort entfaltete sich sein musikalisches Talent, das entscheidend für sein späteres Leben sein sollte,insbesondere da er nun auch das Violinspiel virtuos beherrschte. Bald stieg er zum Dirigenten undRegimentskapellmeister auf. Er fühlte sich in Graz heimisch und ward als Regimentskapellmeister sehr1 Erstveröffentlicht in „Wiener Bonbons“, Zeitschrift der Johann-Strauss-Gesellschaft Wien, 1993, Heft 3, S. 14-16,für „Neues Leben“ redaktionell bearbeitet und ergänzt. D. Red.26


eliebt, denn er komponierte Märsche und Tänze, die allgemein gefielen und bei öffentlichen Konzertenund Ballveranstaltungen mit Beifall aufgenommen wurden. Für seinen außergewöhnlichenmusikalischen Sinn sprach schon, dass er als einer der ersten Militärkapellmeister bei seinenVeranstaltungen den Blasinstrumenten auch die Streichinstrumente hinzufügte; das hatte zur Folge,dass er den Ruf eines „Grätzer Lanner“ bekam.Nun wurde der Berliner Verlag Bote & Bock auf den jungen Musiker, der sich in Graz Gung’l schrieb,aufmerksam und verlegte eines seiner erfolgreichen Erstlingswerke, den „Ungarischen Marsch“ alsopus 1. Diese Verbindung mit dem Berliner Verlag war wohl entscheidend für seinen zukünftigenLebensweg, der ihn in die noch musikalisch aufnahmefähige preußische Residenzstadt Berlin führte.Josef Gung’l in jüngeren Jahren (mit Namenszug und Notenprobe des „ungarischen Marsch, op. 1)(Gemälde von Karl Burggraf, wiedergegeben als Lithographie von Valentin Schertle, ÖNB 518.435,Alfred-Dreher-Archiv im Archivbestand der DJSG)Am 2. Feb. 1843 heiratete er 34-jährig die 22-jährige Grazerin Cajetana Reichel, die ihm fünf Töchterschenkte.Mit steirischer Kapelle nach BerlinDa er nun verheiratet war, erhoffte er sich einen größeren Verdienst in den deutschen Ländern. Er nahmdeshalb am 26. Apr. 1843 Abschied vom Regiment und bildete aus 16 jungen steiermärkischenMusikanten, Mitglieder der Schwarzenbacher Musikgesellschaft, eine eigene Kapelle.Es war ja nicht das erste Mal, dass steiermärkische Musiker in die weite Welt zogen. Schon Ende der 30-er Jahre des 19. Jhdts. war die „Steyermärkische Musik-Gesellschaft“ in Europa unterwegs und machtedie Tänze von Lanner und Strauss bekannt.27


Ja, Gung’l hatte auch seine gefälligen Kompositionen anzubieten. Bote & Bock hatte inzwischen schonüber zwanzig seiner Werke im Druck in Berlin erscheinen lassen, darunter seinen originellen „Eisenbahn-Dampf-Galopp“, den Walzer „Die Berliner“ mit einem Schluss-Galopp im Stile von Lanner, den populärenMarsch „Kriegers Lust“ und dann wohl eines seiner berühmtesten Werke, den Oberländler „Klänge ausder Heimath“.Es war deshalb ganz natürlich, dass Gung’l, als er im Mai 1843 mit seiner Kapelle Graz verließ, Berlin alsZiel im Auge hatte, um dort mit Hilfe seines Verlegers sein Glück zu machen.Nach Erfolgen in Linz, Salzburg, München, Augsburg und Nürnberg traf er im Oktober 1843 in Berlin einund gab am 16. Oktober in dem angesehenen Lokal „Sommer’s Salon“ sein erstes Konzert. DieZeitungsannonce lautete:GROSSES KONZERT à la STRAUSSausgeführt von der SchwarzenbacherCapelle aus Grazunter persönlicher Leitung ihresDirectors Herrn Gung‘lDer Erfolg blieb ihm auch in Berlin treu, und er konnte sich hier etablieren. Durch sein gut eingeübtes,umfangreiches Programm, das außer seinen Tanzkompositionen auch Werke von Johann Strauss,Opern-Ouvertüren u. a. enthielt, konnte er bald die Sympathien der Berliner Bevölkerung gewinnen.Besonders sein Vortrag mit der Violine „Klänge aus der Heimath“ gefiel den Berlinern so sehr, dass erdas Stück immer und immer wieder spielen musste.Hier in der preußischen Residenzstadt bewährte sich Gung’l durch seine Qualitäten als vortrefflicherDirigent, hervorragender Orchester-Erzieher und geschickter, ideenreicher Organisator. In kurzer Zeitbeherrschte er das Konzertwesen der Stadt und drückte ihm seinen Stempel auf. Er brachte dieUnterhaltungskonzerte erst richtig in Schwung und Mode. Infolgedessen bildeten sich mehrereOrchester nach seinem Vorbild, die in den neuerstandenen Lokalitäten konzertierten.Dazu ein Kommentar aus Berlin aus dem Jahre 1849:„Ein großes Verdienst hat sich Gung’l um unseren öffentlichen Konzertbetrieb in Gärten und Sälenerworben, den er auch minder Begüterten zugänglich machte, weil es ihm gelang, die Geige indiesen Orchestern, wo bis dahin nur die rohe Militärblasemusik, oft in der albernsten Form undZusammenstellung der Instrumente, hauste, einzuführen.“Gung’l kultivierte seine Konzerte, denen er den Namen „Thé musical“ gab und in denen er „die Herrenhöflichst bat, sich des Tabakrauchens zu enthalten“. In diesen Konzerten spielte er mit verstärktemOrchester auch Symphonien, so z. B. Louis Spohrs 3. Symphonie „Weihe der Töne“ am 15. Juli 1846 inGegenwart von G. Meyerbeer. Ende des Jahres 18<strong>45</strong> gaben J. Strauss, H. C. Lumbye und Jos. LabitzkyGastspiele in Berlin, die aber der Popularität Gung’ls keinen Abbruch taten. Ja, er konnte sogar schonseine ersten Konzertreisen nach Stettin und Breslau unternehmen. Im März 1846 trat er seine erstegrößere Kunstreise nach Pesth an. Es war wohl das einzige Mal, dass er in seiner Heimat mit seinemOrchester auftrat. Auf der Rückreise wurde in Graz, Wien und Prag konzertiert, am 31. Mai wieder inBerlin.Seinen ersten großen Konzertzyklus in Hamburg veranstaltete er im Oktober 1847. Zeugnis vom Könnenseiner Kapelle war die Teilnahme an der Aufführung des Oratoriums „Elias“ am 9. Oktober in derHamburger Tonhalle.28


Aufbruch nach AmerikaNach der Revolution von 1848 litt die Konzerttätigkeit in Berlin, die Einnahmen ließen nach, deshalbentschloss er sich zu einer Konzerttournee in die „Neue Welt“. Am 15. Oktober verließ Gung’l mit 28Musikern auf dem Dampfschiff „Washington“ Bremen mit dem Ziel New York. Auf der Überfahrtkomponierte er seinen Meister-Walzer „Träume auf den Ocean“. Anfangs verlief die Tournee sehrerfolgreich. Höhepunkt war die offizielle Teilnahme an den Einsetzungsfeierlichkeiten des neuenPräsidenten Zachary Taylor im März 1849 in Washington. Dann musste auch Gung’l dem „Land derunbegrenzten Möglichkeiten“ Tribut zahlen: Teile seiner Kapelle erlagen dem Goldrausch undverschwanden über Nacht. So musste er schließlich unbefriedigt die Heimreise im Mai 1849 antreten.Er nahm wieder seine alte Konzerttätigkeit in Berlin auf und wurde mit der Verleihung des Titels„kgl. preuß. Musikdirektor“ am 4. Jan. 1850 geehrt.Nun musste wieder nach lukrativen Verdienstmöglichkeiten Ausschau gehalten werden. Da wurde ihmdie Leitung der Sommerkonzerte in der Vauxhall in Pawlowsk bei Petersburg angeboten. DiesesEngagement hatte er mit großem Erfolg sechs Jahre inne. Den Winter verbrachte er in Berlin.Diese „Pawlowsker Jahre“ von 1850 – 1855 mögen wohl die glücklichsten Jahre im Leben diesesKomponisten gewesen sein, zumal er sich in dieser Zeit ein Vermögen ersparen konnte. Nach seinenspäteren brieflichen Angaben musste er aus Gesundheitsgründen Pawlowsk aufgeben.Josef Strauss als KonkurrentWegen Konzertübersättigung in Berlin zog er es vor, sich Ende 1855 in Wien niederzulassen. Da JohannStrauss sein Nachfolger in Pawlowsk wurde, rechnete er sich Chancen auf eine erfolgreiche Etablierungin der Walzerstadt aus. Doch da hatte er sich getäuscht, denn das Strauss’sche Orchester wurde vonseinem jüngeren Bruder Josef mit solcher Energie und Bravour geleitet, dass es sich in allen bisherigenKonzertlokalen behaupten konnte. Gung’l war es trotz aller Anstrengungen nicht vergönnt, sich in Wienauf Dauer zu behaupten. In einem Brief aus dem Jahre 1879 schreibt er rückblickend: „Nachdem ich dieChikanen eines Joh. Strauss nicht mehr ertragen konnte, nahm ich das Engagement alsRegimentskapellmeister an.“Von 1856 - 1864 war er Kapellmeister des Inf. Rgt. Nr. 23 „Airoldi“ in Brünn. 1864 bekam Gung’l eineEinladung nach München, so dass er seinen Militärdienst quittierte und Ende 1864 mit seiner Familienach München zog.Nachdem er wieder ein Orchester zusammengestellt und eingeübt hatte, begann er Anfang 1865 seineKonzerttätigkeit in München.Nun nahm die eigentliche Tragik im Leben dieses talentierten Musikers ihren Anfang. Täglich Konzerte inverschiedenen Lokalen, die Konkurrenz der anderen Zivilkapellen und der Militärmusiker machten ihmdas Leben nicht leicht. Obwohl er fast jeden Abend ein Engagement hatte, waren die Einkünfte derKonzerte, gemessen an den hohen laufenden Kosten, zu gering. Er suchte deshalb immer wieder nachweiteren Verdienstmöglichkeiten, etwa durch eine Konzertreihe in Amsterdam 1865 oder in Leipzig zurMesse 1866. Am 30. Aug. 1866 traf ihn ein harter Schicksalsschlag. Seine erst 44-jährige Frau Cajetanaverstarb plötzlich. Nun stand er mit drei minderjährigen Töchtern allein da. Einen perfektenKonzertvertrag mit Paris musste er deshalb absagen.Erst 1868 konnte er wieder ein längeres Engagement annehmen. Von Juli bis Oktober gab er in GenfPromenaden- und Symphoniekonzerte mit seinem Orchester, die sowohl in künstlerischer Art als auch in29


finanzieller Hinsicht erfolgreich verliefen. Im Jahr 1868 gründete er in Bad Reichenhall die „BadReichenhaller Philharmonie“, die auch heute noch besteht. Gung’l war 1868 – 1870 der ersteChefdirigent dieses Orchesters. 2Finanzielle ProblemeDas nächste große Unternehmen war ein Sommerengagement in Stockholm im Jahre 1871. Imdarauffolgenden Jahr war eine Wiederholung der erfolgreichen Schwedenreise vorgesehen, da einLondon-Engagement nicht zustande kam. Gung’l erreichte mit seiner Kapelle aber nur Kopenhagen undMalmö, denn mit dem Vertrag in Stockholm klappte es nicht. Nun begann das Drama: Ohne festesEngagement musste er mit seinem kostspieligen Orchester von Stadt zu Stadt ziehen undVerdienstmöglichkeiten suchen. Auch karge Einnahmen mussten in Kauf genommen werden, so dass erletztlich sein großes Orchesterpersonal nicht mehr bezahlen konnte. Im August 1872 musste er mit Hilfeseines Verlegers Bote & Bock sein Orchester in Norddeutschland auflösen. Auch seinen Wohnsitz inMünchen musste er aufgeben, er zog mit seinen Kindern wieder nach Berlin, wo er ein Engagement im„Concert-Haus“ fand. Nunmehr ohne eigenes Orchester musste er sich als Gastdirigent recht undschlecht durchschlagen. Im Sommer 1873 konzertierte er in Warschau, und im Herbst 1873 klappte esendlich mit London, wo er im Rahmen der Promenadenkonzerte seine Tanzmusikwerke dirigierte. InLondon fanden seine Weisen solchen Anklang, dass er für die Herbstveranstaltungen 1874, 1875 und1880 engagiert wurde. Sein letzter Triumph, 72-jährig, war die Leitung der vier berühmten Opernbälle inParis im Januar/Februar 1881.Abb.: Titelblatt der vierbändigen Gung‘l-Ausgabe für Klavier, 2-händig, bei Heugel (Paris, 15. Jan. 1881)(Alfred-Dreher-Archiv im Archivbestand der DJSG)1878 versuchte Gung’l sich auf dem Gebiet der Operette zu bewähren. Seine Operette blieb jedochunaufgeführt, da sich keine Bühne für sein Werk fand.2 Nach Carl Hühn (1870 - 1878) übernahm Gustav Paepke, seit 1877 ein Schwiegersohn Gung’ls, das Orchesterund leitete es bis 1921.30


Dass Gung’l gerne mit anderen angesehenen Kollegen zusammenarbeitete, zeigte er im Sommer 1878,als er in Hamburg die Konzerte der Hamburger Theater Kapelle leitete; sogar mit Eduard Straussveranstaltete er Extra-Konzerte im beliebten „Elb-Pavillon“.Die letzten Lebensjahre verbrachte er bei seiner Tochter Virginia, einer erfolgreichen Opernsängerin,und begleitete sie in ihre Engagementstädte – zuletzt nach Weimar.Hier starb er am 1. Feb. 1889 und wurde in einem Familiengrab beigesetzt. Diese Grabstätte sucht manin Weimar vergebens, denn die DDR-Behörden ließen das Grab 1956 einebnen.Über 400 WerkeGung’ls gesamtes Œuvre wurde bei Bote & Bock in Berlin verlegt. Es sind 395 gedruckte Werke und nocheinige ohne Opuszahlen. Viele Kompositionen wurden auch vom Verlag Heugel in Paris mit eigenenTitelblättern herausgegeben. Seine Kompositionen lehnen sich dem Stile nach eher an Lanner an als anden stürmischen Strauss Vater. Mit Strauss Vater hatte er ein gutes Verhältnis und setzte ihm mitseinem großartigen Walzer „Immortellen“ ein musikalisches Denkmal.Merkwürdig ist, dass Gung’l auf seinen Programmen stets die neuesten Werke von Strauss Sohn hatte,während dieser fast kein Gung’l-Werk gespielt hatte. Gung’ls berühmteste Werke waren, neben denschon erwähnten, seine Walzer „Wiedersehen“, „Hydropathen“, „Amouretten-Tänze“, „Soldatenlieder“,„Mein schönster Tag in Berlin“, „Die ersten Schwalben“, „Zephyr-Lüfte“ u. a., seine Märsche„Colosseums-Marsch“, „Steirer’s Heimweh“, „Potsdamer Casino-Marsch“, „Franz Josef-Marsch“ etc.Einige davon wurden auch „Preuß. Armeemärsche“.Max Schönherr beschreibt in seiner Abhandlung „Ästhetik des Walzers“ sehr anschaulich die Eigenartender Walzer von Gung’l.Heinz Becker urteilt:„Seine Kompositionen, die in zahllosen Ausgaben und Arrangements über ganz Europa undAmerika verbreitet waren, stehen an melodischem Schwung denen von Strauß und Lanner nichtnach, aber es fehlt ihnen die künstlerische Individualität, die die klassischen Spitzenwerke desWiener Walzerkönigs auszeichnet.“Erwähnt werden muss noch das Verhältnis zu seiner Verlagsfirma Bote & Bock. Die Beziehungengestalteten sich äußerst freundschaftlich, ja sogar familiär. Seine Verlegerfreunde halfen ihremKomponisten mehrfach in heiklen finanziellen Situationen, mit denen Gung’l vielfach zu kämpfen hatte.Er war ein sehr bescheidener Künstler und hatte nicht die Gabe, sich in den Vordergrund zu stellen.Auch legte er keinen großen Wert auf Wohlwollen der „hohen und allerhöchsten Herrschaften“. Ihmgenügte die Anerkennung der großen Musiker seiner Zeit, wie F. Mendelssohn, Franz Liszt,G. Meyerbeer, Louis Spohr, G. Spontini, H. A. Marschner und Hans von Bülow. Seine Dekorierung wardeshalb sehr bescheiden: „Preuß. Kronen-Orden“.Dem Musiklabel cpo ist zu danken, dass seit diesem Jahr Gung’ls Musik nunmehr auch auf CD erhältlichist. Im Begleitheft zu dieser CD ist die umfangreiche Forscherarbeit von Alfred Dreher über Joseph Gung’lebenfalls gewürdigt worden. Siehe hierzu auch die Rezension im hinteren Teil (S. 72). D. Red.31


Josef Gung’l (1809 - 1889)von Stanley Goscombe (Übersetzung Ilke Panz)Schaut man in ein Lexikon, das biografische Angaben zum Komponisten/Dirigenten Josef 1 Gung’l enthält– sei es das deutsche Riemanns Lexikon oder die österreichischen Würzbach-Bände über Komponistenaus dem 19. Jahrhundert sowie etwaige kurze Angaben aus englischen Quellen – so sind die Angabenzum Geburtsdatum höchstwahrscheinlich falsch. In den meisten englischsprachigen Lexika gibt esnormalerweise nur einen kurzen Absatz, und der ist fast immer Wort für Wort von einer Quelle zurnächsten übernommen. Und weitere musikalische Mitglieder der Gung’l Familie werden selten bis garnicht erwähnt. In deutschsprachigen Quellen – wie die hier genannten – ist das Geburtsdatum ebenfallsfalsch angegeben. Nicht vor dem Autor Martin Anton Jelli, der seine „Beiträge zur Geschichte einerschwäbischen (donauschwäbischen) Gemeinde im Ofner Bergland/Ungarn“ 1988 zusammenstellte,wurde Josef Gung’ls Geburtsdatum korrekt angegeben.Dieses Datum – der 1. Dez. 1809 2 – ist bestätigt worden durch Recherchen in den Kirchenbüchern inZsámbék (im Deutschen bekannt als Schambeck), wo Josef und sein Neffe Johann getauft worden sind.Kopien dieser Aufzeichnungen sind mir vor mehreren Jahren von meinem belesenen Freund undKollegen Alfred Dreher von der „Deutschen Johann Strauss Gesellschaft“ zugesandt worden. JosefsName ist darin in Latein als Josephus eingetragen, sein Vater Georg als Georgius, sein Nachname alsKunkel 3 . Es ist jedoch nicht bekannt, wann der Name von Kunkel in Gung’l geändert wurde. Was denIrrtum von Josef Gung’ls Geburtsdatum betrifft, der im Laufe der Jahre in fast allen Lexika aufgetretenist, ist das wahrscheinlich Josef Gung’l selbst zuzuschreiben, der angenommen hatte, ein Jahr spätergeboren zu sein, als er es in Wirklichkeit war.Während Gung’l für den Fehler bei seinem Geburtsdatum möglicherweise selbst schuld gewesen ist,kann er kaum für das Datum seines Todes verantwortlich gemacht werden, das ebenfalls in einigenZeitungen mit dem 31. Jan. 1889 falsch angeführt wurde. Die Bestätigung von Josefs Tod kann man inden Stadtarchiven von Weimar finden: „Josef Gung’l, Königl. preuß. Musikdirektor ist im Begräbnisseiner Tochter, der Frau Kammersänger(in) Virginia Naumann Gung’l, den 2. Feb. 1889 beerdigtworden.“ Die Todesanzeige erschien in der Weimarischen Zeitung unter Familiennachrichten: „Gott demAllmächtigen hat es gefallen, unsern geliebten Vater und Großvater, den Königl.-Preuß. MusikdirektorJosef Gung’l nach langem, schweren Leiden heute früh um 5 Uhr zu sich abzuberufen. Weimar, den1. Februar 1889. Seine tieftrauernden Kinder Virginie Naumann, Marta Remmelmann, Cajetana Paepke 4 ,im Namen der übrigen Verwandten.“1 Normalerweise schreibt man den Vornamen Josef, wie z.B. Josef Strauss seinen Vornamen auch geschrieben hat:So hat auch Gung’l selbst unterschrieben. Aber es gibt verschiedene Buchstabierungen Gung’ls Vornamen, wiez.B. Joseph, auch Jószef, u.a. In diesem Heft wird durchgängig Josef genutzt.2 Z. B. ein Artikel, der in der „Neuen Musiker Zeitung“ von 1911 erschien und vorgab, dem 100sten Geburtstag desKomponisten zu gedenken. Dieser gab den 1. Dez. 1810 als Josef Gung’ls Geburtsdatum an. In seinem Artikel„Unser klingendes Erbe“, herausgegeben in Passau 1988, gibt Robert Rohr jedoch das korrekte GeburtsdatumJosef Gung’ls an.3 Da es keine genaue Schreibweise dieses Namens gab, erschienen mehrere Variationen hiervon. Familie undVerwandte schrieben und nannten sich Gunkel, Kunkel, Kungl und Gungl. Mindestens sechs Personen trugen denNamen Gunkel. Auch in Wien gab es einen geachteten Schneider mit dem Namen Gunkel und in Dieburg beiDarmstadt lebte ein Musiker namens Franz Joseph Kunkel (1804 – 1880). Mehrere Werke von ihm und auch eineAnzahl von Jakob und Charles Kunkel sind in den Katalogen der British Library zu finden.4 Dieses sind die Namen von drei der vier Gung’l Töchter. Virginie ist am 31. Dez. 1848 in New York geboren und1915 in Frankfurt im Alter von fast 67 Jahren gestorben. Cajetana, nach ihrer Mutter Cajetana Barbara Reichlgenannt, ist am 24. Apr. 1854 geboren und am 29. März 1941 gestorben, Martas Daten sind nicht bekannt, dieälteste Tochter Maria ist am 15. Aug. 1841 geboren. Alle vier Töchter waren verheiratet. Maria mit GustavHeidemann, Viriginie mit D. Naumann, Cajetana (alias Käti) mit Gustav Paepke und Marta mit einem Mannnamens Rommel- oder Remmelmann.32


Kopien dieser beiden Dokumente sowie die Danksagung, die in der Weimarischen Zeitung erschien(5. Feb. 1889), sind ebenfalls in meinem Besitz.Abb: Josef Gung’l(Lithographie nach einem Foto von Hofphotograph H. Selle, Potsdam, Archiv Stanley Goscombe)Zwei von Josefs Neffen (von denen vier bekannt waren), Johann und Franz Johann, die beideKomponisten und Musiker waren, sind in Zsámbék geboren. Johann wurde am 15. Okt. 1818 geboren alsSohn von Ignaz, der wiederum der Sohn eines Bruders 5 von Josef war. Johann starb am 17. Nov. 1882 inPécs, damals bekannt unter dem Namen Fünfkirchen. In den Kirchenbüchern ist er eingetragen alsJoannes, sein Vater als Ignacius, der Nachname mit Gungl ohne den Apostroph, für den Josef eineVorliebe hatte. Soweit bislang bekannt, gibt es keine Eintragung von Franz Johanns Taufe. Fest stehtjedoch, dass er am 13. Aug. 1835 in Zsámbék geboren und am 23. März 1905 in Riga gestorben ist. SeinVater war Georg (* 24. Juli 1796), der 3. Sohn von Georg Kungl (1767 – 1833) und Josepha Merch/Mergin (*? – 25. Jan. 1833).Bis vor kurzem war die umfassendste biografische Beschreibung von Josef Gung’ls Leben in englischerSprache der Artikel von Andrew Lamb von der britischen Johann-Strauss-Gesellschaft, der in den 1980erAusgaben des Musik-Lexikons „MacMillan Dictionary of Music and Musicians“ erschien. Ca. 20 Jahrespäter wurde ich durch Vermittlung von Peter Kemp, dem Ehrenpräsidenten auf Lebenszeit dieserGesellschaft, gebeten, den Artikel über den Komponisten und seine Familie auf den neuesten Stand zubringen. Dieser erschien in den 2001 veröffentlichten Bänden des genannten Lexikons. Diese Bändekann man in den meisten guten Bibliotheken weltweit finden – und sogar online. Die einzige kompletteBiografie über Josef Gung’l in englischer Sprache wurde von mir unter dem Titel„Josef Gung’l …ein wandernder Musikant –die Geschichte eines lange vergessenen Walzer- und Marsch“-Komponisten 65 Josef hatte neun Brüder. Die ersten beiden, Nr. 7, 9 und 10 sind unbekannt, obgleich man weiß, dass sie gelebthaben; Nr. 5 und 6 wurden beide auf den Namen Josef getauft, starben jedoch noch in ihren Geburtsjahren, d.h.1803 und 1807 resp. Das 4. Kind war Ignaz und Josef das achte Kind.6 Dies ist insofern passend, da Gung’l sich selbst öfters als Ein wandernder Musikant gesehen hatte.33


geschrieben. Ich hielt auch 1994 ein musikalisches Referat über den Komponisten bei der „JohannStrauss Society of Great Britain“ und der „Deutschen Johann Strauss Gesellschaft“ sowie vor einigenJahren in Karlovy Vary (Karlsbad). Das Manuskript hat mehr als 200 Seiten und enthält kompletteLiteraturverzeichnisse von Josefs und Johanns Werken und auch professionelle sowieAmateuraufnahmen. Aus verschiedenen Gründen ist das Manuskript bisher noch nicht veröffentlichtworden.Abb: Autographenblatt von Josef Gung’l „zur steten Erinnerung an den wandernden Musikanten“(Archiv Stanley Goscombe)Obwohl in Zsámbék geboren, waren Josef Gung’l und seine Familie keine gebürtigen Ungarn. SeineEltern waren Einwanderer, die möglicherweise aus Franken oder Graz/Österreich kamen. Ihr genauerUrsprung lässt sich heute nicht mehr feststellen, noch ist bekannt, wann genau sie auf ungarischemBoden ankamen. Jedoch müsste das gegen Ende des 18. Jahrhunderts gewesen sein. Georg ist 1767geboren und heiratete Josepha Merch (Mergin) im Alter von 22 Jahren am 5. Nov. 1789. Abgesehen vonGeorg jun. und Ignaz, die 1796 und 1798 geboren wurden, sind die übrigen Kinder nach derJahrhundertwende geboren, also nachdem die Eltern ihr Heimatland verlassen und sich in Ungarnniedergelassen hatten.Sie machten ein Strumpfgeschäft in Zsámbék auf, jedoch weder Josef noch seine Neffen Johann undFranz Johann traten beruflich in die Fußstapfen der Familie. Die drei jungen Leute hatten sich der Musikals Karriere verschrieben. Sie ließen sich in Berlin nieder, Josef arbeitete bei Sommers in der PotsdamerStraße und Johann bei Günthers. Onkel und Neffe reisten ausgiebig durch Europa – ähnlich wie JohannStrauss Vater und Sohn es getan haben. Beide kamen nach Großbritannien und gaben Konzerte inLondon. (Josef ging auch nach Manchester, während Johann Gung’l auch durch Schottland reiste) undbeide dirigierten in der Sommersaison in Pawlowsk. Johann wurde ein Violin-Virtuose im zaristischrussischenHoforchester bevor er nach Pécs zurückkehrte, wo er am 1. Nov. 1861 an der Musikschulezum Regius Chori ernannt wurde. In Abwesenheit seines Onkels dirigierte Johann auch bei Sommers undauch die Sommergarten-Konzerte in Krolls Berliner Wintergarten, an der Stelle, wo jetzt die neuendeutschen Regierungsgebäude stehen. Josef spielte dort nie.34


Wenig ist bekannt von Franz Johanns Tätigkeiten; nur, dass er auch das Orchester seines Onkels dirigiertund im Pawlowsker Strauss-Orchester Violine gespielt hat, als Josefs Walzer „Träume auf dem Ozean“,op. 80 am 7. Juni 1856 und sein Opus 101 (Alexander-Marsch) am 3. Juli desselben Jahres aufgeführtwurden. Franz Johann kam 1852 nach Berlin und trat bei Sommers am 13. und 18. Februar auf. Imselben Jahr, in dem er in der Vauxhall im Pawlowsker Orchester spielte, dirigierte er auch Konzerte im„Gesellschaftshaus“ in Berlin. Er soll auch dereinst Direktor der St. Petersburger Oper gewesen und zum„Kapellmeister“ des Kaiserl.-Französischen Theaters in Riga ernannt worden sein, wo er am10. Febr. 1905 verstarb.So bleibt hier noch immer weiterer Forschungsbedarf, wie auch jener Zeitungsartikel beweist (Text aus«Los Angeles Daily Herald», 4. März 1889, S. 3 – in „The Boston Evening Transcript“):„Herr [Joseph] Gung’l, der betagte Walzerkomponist, der kürzlich in Weimar verstarb, sollwährend seiner letzten 8 Lebensjahre vor dem Bildnis einer wunderschönen Frau verbrachthaben. Wer sie war, scheint niemand zu wissen, und in welchem Verhältnis sie zu Gung’l stand, istebenfalls ein Geheimnis. Enge Freunde des alten Komponisten, die ihn während 50 Jahren gutgekannt haben, behaupten, sie hätten diese Frau niemals gesehen und hätten erst vor 8 Jahrenvon dem Bildnis erfahren, als sich Gung’l plötzlich aus der Gesellschaft zurückzog und zu einemEinsiedler wurde. Eine Miniatur aus Elfenbein dieser Frau wurde mit ihm begraben.“Ich wage zu behaupten, dass es Cajetana wohl nicht ist, denn die langjährigen Freunde hätten sie sichererkannt…„Ich habe mit meiner Capelle in 840 Städten zweier Weltteile concertirt.“: Wie EduardStrauss I. die Welt mit der Strauss-Musik bekannt machte und was dahinter steckt.von Leigh BaileyVorveröffentlichung des Referates, gehalten am 15. März 2014 bei den „Tanz-Signalen 2014“, mit freundlicherGenehmigung des „Wiener Instituts für Strauss-Forschung“ (WISF; www.johann-strauss.at), wofür wir herzlichdanken. Das Referat wurde von Leigh Bailey, Mitglied der JSSGB, in deutscher Sprache gehalten.In den nächsten zwei Jahren gibt es zwei Jubiläen von Eduard Strauss mit „runden Zahlen“. Am15. März 2015 jährt sich sein Geburtstag zum 180. Mal und am 28. Dez. 2016 sein Todestag zum100. Mal. Das heißt, dass gerade jetzt eine gründliche Neubewertung von seinem Stellenwert alsKomponist, Dirigent und – um einen zeitgenössischen Terminus zu verwenden – Kulturmanagerangebracht wäre. Und eigentlich schon längst fällig, denn dieser Eduard Strauss stand immer imSchatten seiner älteren Brüder Johann und Josef, und auch von ihrem Vater Johann. Fest steht aber,dass von diesen vier Mitgliedern der Strauss-Dynastie er derjenige war, der die meisten Konzertreisenunternommen hat. Die meisten führten ihn nach Deutschland, aber er war zweimal in Nordamerika,dreimal in England, und ist auch in Russland, Schweden, Holland und der Schweiz aufgetreten.Die ersten Auslandsreisen von Eduard Strauss fanden in den 1860er Jahren statt, also in der goldnenenZeit der Dynastie, zu der alle drei Brüder in der „Firma Strauss“ im Einsatz waren. Schon im April 1865,drei Jahre nach dem Eintreten Eduards als sozusagen vollwertiger Partner in das Unternehmen, reiste ernach Russland, wo er für sechs Wochen Bruder Johann, der nach den Strapazen des Karnevalsgesundheitlich angeschlagen war, vertreten sollte. Aus den sechs Wochen wurden vier Monate. Inseinen im Jahre 1906 veröffentlichten Erinnerungen hält Eduard fest, dass die Eisenbahn-Gesellschaft,die die Konzerte in Pawlowsk bei St. Petersburg veranstaltete, mit seiner Tätigkeit „vollkommen35


zufrieden“ war. 1 Johann sah die Leistung seines Bruders etwas differenzierter. In einem Brief, den erEnde Juli 1865 kurz nach seiner Ankunft in Pawlowsk an Josef schrieb, schildert er in einem etwassarkastischen Ton seine Eindrücke vom letzten Konzert Eduards, dem er selbst beiwohnte. Eduard, soschreibt er, „wurde von den Pawlowsker Weibern und den jungen Buben getragen“. Es habe zwar vielBeifall und Bravorufen gegeben, aber: „bei alledem blieb die Cassa der Eisenbahndirektion in demtraurigsten Stand, und waren alle Direktoren trotz allen Trubels (von Seite des Weibervolkes)vollkommen theilnahmlos.“ Darüber hinaus habe ihn aus nicht näher genannten Gründen Eduard „schonsattsam geärgert“, und Johann zielt offenbar darauf, dass im folgenden Sommer nicht Eduard, sondernJosef die Pawlowsker Konzerte übernehmen sollte. 2Nach dem Ende des Karnevals in den Jahren 1868 und 1869 unternahmen die drei Strauss-Brüderjeweils einen Ausflug nach Budapest (genauer gesagt damals noch immer nach Pest). Diese kurzenKonzertreisen waren die einzigen, die sie gemeinsam zu dritt absolvierten, und sie brachten einenglänzenden Erfolg. Aber es ist bezeichnend, – wie es in den folgenden Jahrzehnten Eduard wiederholterleben musste –, dass es Johann war, der die meiste Aufmerksamkeit auf sich zog, vor allem beimzweiten Besuch, als er die erste Aufführung seiner besonders für Pest komponierten Polka schnellÉljen a Magyár (op. 332) selbst leitete.Auch in der Zeit nach 1870, als nach dem Tod Josefs und Johanns Entschluss, sich sozusagenhauptberuflich mit dem Komponieren von Operetten zu beschäftigen, Eduard die alleinigeVerantwortung für das Strauss-Orchester und deren Aufführungen trug, war es anscheinend nochimmer nur Johann, für den sowohl das Publikum als auch die Kritiker in Wien sich wirklich interessierenund begeistern konnten. Nach wie vor sah sich Eduard immer wieder mit abwertenden, ja gehässigenBewertungen und Vergleichen konfrontiert. Hier ein Beispiel von vielen, geschrieben von niemandemGeringeren als Eduard Hanslick im Jahre 1884, in einem Feuilleton zum 40. Jahrestag des erstenAuftretens von Johann Strauss Sohn als Musikdirektor. Nach einer längeren Würdigung von Johann,sowie einigen Worten zu Josef – „ein sinniges, wenngleich nicht glänzendes Talent“ –, widmet Hanslickauch Eduard ein paar Sätze:Den dritten Bruder, Eduard, können wir neben diesen Beiden nicht nennen; er besitzt eineschätzbare, spät errungene Routine, aber von Haus aus kein eigenes musikalisches Vermögen. Erist ein apanagirter Prinz der Strauß-Dynastie.Wie Eduard Strauss auf Hanslicks Bemerkung unmittelbar reagiert hat, ist nicht bekannt. Sie ist ihm aberoffenbar im Gedächtnis geblieben, denn in einem im Jahre 1907 an seine Schwägerin Adelegeschriebenen Brief ärgert er sich noch darüber, dass Hanslick ihn einmal als „apanagierten Prinzen“bezeichnete. 3 Aber schon vom Anfang seiner Karriere als Musikdirektor an musste sich Eduard mitderartigen negativen Kommentaren zu seinen Leistungen auseinandersetzen. Schon im Jahre 1864lancierte der Wiener Journalist Eduard Hügel eine Kampagne gegen ihn:Vergessen Sie nicht, „schöner Edi“, daß Sie nur durch den Glanz Ihres Namens, durch dieErinnerung an Ihren berühmten Vater, an Ihren talentvollen Bruder gehoben wurden, daß Sie nurder Namensträger des Strauß‘schen Orchesters, der Nothnagel, der Aushelfer, das fünfte Rad amWagen sind. 41 Erinnerungen, S. 41.2 Johann Strauss an Josef Strauss [Pawlowsk, 28. Juli 1865], Briefe und Dokumente II/13–14: „Original verschollen.Zitiert nach der Sammlung Johann Strauß schriebt Briefe, Berlin 1926 (dort ist es allerdings falsch datiert).“3 Eduard Hanslick, „Zum Strauß-Jubiläum“, Neue Freie Presse, 15. Okt. 1884, S. 1-3; Eduard Strauss an AdèleStrauss, 8. Apr. 1907 (Mailer ES Archiv, WB H.I.N. 120.122)4 Konstitutionelle Vorstadt-Zeitung, 30. Dez. 186436


Für Hügel war Eduard „eine Nullität“, und nach solchen hässlichen und nicht gerade nachvollziehbarenAttacken überrascht es nicht, dass er gegen den Journalisten wegen Ehrenbeleidigung geklagt – undRecht bekommen hat. Die Gerichtsverhandlung hat Johann angeblich dazu veranlasst, seineProcess-Polka (Op. 294) zu komponieren. Auch in den 1870er Jahren, als Eduard Strauss schon den Titeldes „kaiserlich-königlichen Hofballmusikdirektors“ erhalten hatte – „in Anbetracht Ihrer bisherigenentsprechenden Leistungen“, wie es im Ernennungsdekret heißt – war er noch immer wiederholt dieZielscheibe von vernichtenden Kritiken. Als im Jahre 1874 in Wien Gerüchte kursierten, dass Johann dieStadt verlassen wollte, hieß es dazu im Illustrierten Wiener Extrablatt:Der Johann will fort, der Josef ist todt und nur der Eduard bleibt uns erhalten. Wenn’s doch anderswäre! Wenn der Johann bliebe und der Eduard ginge – diesen Tausch ließe man sich gernegefallen. ...Und der Eduard? Der ist ein Glückskind. Er heißt Strauß und hat die Kapelle seines Bruders geerbt,er hat auch den Titel eines „Hofballmusikdirektors“ geerbt – und so kommt es, daß man ihnüberall „mitnimmt“, ... . Der Ruf seines Vaters, seiner Brüder deckt seine Talentlosigkeit, decktsein schlechtes Spiel, sein „Hüpfen“, sein ganzes verrenktes Wesen eines „Hampelmannes“. Erheißt eben Strauß, und in diesem Namen liegt allein seine Berechtigung. Und so ist er denn hier,ohne daß er spielen oder komponiren könnte. Und der sollte den Johann ersetzen? Das wäretraurig. 5Trotz solcher vernichtenden Bewertungen seiner Leistungen schreibt Eduard in seinen Erinnerungengerade von den Jahren nach 1873, dass sie „an Erfolg und Ertrag für mich nichts zu wünschen übrig“[ließen]. 6 Aber solche Attacken waren sicher der Hauptgrund für Eduards zunehmende Bitterkeitgegenüber Wien und den Wienern, und er reagierte zunehmend empfindlich auf sie, was aus den Fällen,wo seine Reaktion bekannt ist, klar hervorgeht, auch wenn es dazwischen durchwegs positive Kritiken zuseinen Leistungen gegeben hat. Er war auch nicht glücklich über die Entwicklungen in demmusikalischen Geschmack der Wiener, die von ihm als „der beginnende Cultus einer neuen ‚Species‘trivialer Musik“ betrachtet wurden. 7 Damit meinte er in erster Linie die Volksänger, die zu dieser Zeit zueiner großen Beliebtheit gelangten, und auch Musiker wie die Brüder Schrammel, die etwas später, inden 1880er Jahren, nicht nur bei dem Publikum in den Vorstädten und Vororten Wiens großen Anklangfanden, sondern auch bei der „besseren“ Gesellschaft. Zu ihren Bewunderen zählten etwa KronprinzRudolf, und auch Johann Strauss, der sogar eine Art Empfehlungsschreiben für die Schrammelnverfasste, in dem er ihre künstlerische Leistung bestätigte. Eduard Strauss teilte diese Meinung seinesBruders überhaupt nicht und war regelrecht empört, als es 1886 publik wurde, dass aus Anlass seineshundertsten Konzert mit den Wiener Philharmonikern ihr damaliger Chefdirigent Hans Richter dasOrchester zu einer gemütlichen Feier mit den „famosen Schrammeln“ einladen wollte. 8Was Eduard Strauss als einen Abwärtstrend im Musikleben Wiens beklagte, führte auch zu Änderungenin den Programmen, die die diversen Lokale und Etablissements für ihr Publikum bereit stellten. Dasbedeutete, dass das Strauss-Orchester mit einer immer größer werdenden Anzahl von Konkurrenten zukämpfen hatte. In erster Linie waren es die Regimentskapellen, die in den Ballsälen und denVergnügungsparks ihre Dienste anboten. Oft musste Eduard Strauss das Programm mit einer solchenKapelle teilen, und darüber hinaus wurden oft Chöre sowie Theatertruppen und Artisten wie etwa5 Illustrirtes Wiener Extrablatt, 10. Juni 1874; s. Wilhelm Sinkovicz, Herwig Kraus, Johann Strauß (Wien:Holzhausen, 1999), S. 114; auch BuD II/258, Illustirirtes Wiener Extrablatt, 7. und 9. Juni 1874.6 Erinnerungen, S. 63.7 Ebd., S. 63, vgl. auch S. 80.8 Zeugnis Johann Strauss für [Johann] Schrammel, Wien, 4. März [1888?]; s. BuD IV/199–200. Brief Hans Richter anWiener Philharmoniker, 16. Dez. 1886; s. BuD III/394-5. Brief Eduard Strauss an Johann Strauss [18. Dez. 1886]; s.BuD III/395, WB H.I.N. 119.574.37


Trapezkünstler engagiert. Dazu kam eine zusätzliche musikalische Attraktion in Form derDamenkapellen.In den 1870er Jahren konnte die Firma Strauss natürlich nicht mehr mit ihrem einzigartigen Angebot vondrei Brüdern und drei Kapellen die ganze Konkurrenz übertrumpfen, so dass vor allem in denSommermonaten es für Eduard Strauss zunehmend schwer wurde, ausreichende Engagements für seinOrchester zu finden. In der Wintersaison bildeten die Sonntagnachmittagskonzerte im Großen Saal desMusikvereins das Rückgrat seiner Konzerttätigkeit, und hier konnte er das Programm selbst zur Gänzegestalten. Aber auch hier musste er zeitweise um seine Stellung kämpfen, denn es gab Überlegungenseitens der Direktion, es anderen Konzertveranstaltern zu ermöglichen, Promenadenkonzerte nach demStrauss’schen Muster im Musikverein anzubieten. Es ist daher verständlich, dass 1877 am Ende desKarnevals, der noch immer die Hauptbeschäftigungszeit für Eduard Strauss und sein Orchesterdarstellte, er einen Brief an seinen langjährigen Freund Jacques Kowy schrieb, in dem er sich sehrpessimistisch über die Aussichten für die nächste Zeit äußerte:... der April ist das [sic] schlechteste Monat (nach Ostern) und was Wien in den letzten Wochenausgegeben hat, wird sich erst fühlbar machen in April. Zusperren ist das Beste bis Oktober! 9Im Sommer 1877 blieb Eduard Strauss in Wien, aber im März des folgenden Jahres erschienen die erstenAnkündigungen, dass er beabsichtigte, im Sommer eine Konzerttournee zu organisieren. Was ihnunmittelbar dazu veranlasste, war, so schreibt er in seinen Erinnerungen, die politische Situation. 10 ImJahre 1878 gab es, wie so oft im neunzehnten Jahrhundert, eine Balkankrise. Die Regierung Österreich-Ungarns war besorgt über die militärischen Siege und territoriale Expansion Russlands im Krieg gegendas Osmanische Reich und überlegte, selbst in den Konflikt einzugreifen. Reservisten wurdeneinberufen, und es ist nachvollziehbar, dass Strauss glaubte, dass diese Entwicklungen das endgültigeAus für seine Sommersaison in Wien bedeuten würden. Das heißt, dass es im Grunde genommenwirtschaftliche Gründe waren, die Eduard Strauss letztlich zur Entscheidung führte, im Sommerausgedehnte Konzertreisen zu unternehmen.Solche Tourneen forderten natürlich sehr viel an Organisation, besonders weil Eduard Strauss nicht nurals eine Art Stardirigent, sondern zusammen mit dem Strauss-Orchester auftreten wollte. Das ging nichtso einfach, denn, wie er selbst in seinen Erinnerungen es formulierte:„Da ich aber kein Halbes tun wollte, so schuf ich meiner Capelle eine neue Organisation, indemich Berufsmusiker mit ganzjähriger Gage anstellte.“ 11Dabei gab es ein Problem, denn viele bisherige Mitglieder der Kapelle hatten offenbar andereVerpflichtungen in Wien und wollten aus diesem oder anderen Gründen nicht mitmachen. Sie warenaber sich offenbar des Marktwertes der Marke „Strauss“ bewusst, und boten dem langjährigen Rivalenvon Eduard Strauss, Carl Michael Ziehrer, ihre Dienste an. Denn Ziehrer hatte zwar einige Jahre vorherseine eigene Kapelle aufgelöst und eine Stelle als Militärkapellmeister angenommen. Im Jahre 1878wollte er jedoch nicht mit seinem Regiment in die Provinz ziehen und versuchte daher sich noch einmalals Zivilmusikdirektor zu etablieren. Als nun das Orchester, mit dem er sein erstes Konzert gab, als„frühere Kapelle Strauß“ angekündigt war, war Eduard Strauss regelrecht erbost darüber und reichtebeim Magistrat Einspruch dagegen ein. Nach mehrmaligen Verhandlungen wurde es Ziehrer verboten,„den von ihm gebrauchten Zusatz“ zu verwenden. 129 Eduard Strauss an Jacques Kowy [Ende März 1877], Mailer ES Archiv, WB H.I.N. 199.260.10 Erinnerungen, S. 63.11 Ebd, S. 63.12 Hanns Jäger-Sunstenau: Johann Strauss – Der Walzerkönig und seine Dynastie, Familiengeschichte, Urkunden.Wien, München: Verlag für Jugend und Volk, 1965, Nr. 227, S. 271–276; Max Schönherr, Ziehrer: Sein Werk, SeinLeben, Seine Zeit. Wien: Österreichischer Bundesverlag, 1974, S. 283–284.38


Entgegen der Darstellung in den Erinnerungen gab Strauss Anfang Mai in Wien bekannt, dass erbeabsichtigte, auf seine „projektierte Reise nach mehreren Städten Deutschlands und Schwedens, nurgemäß mir gemachten Anträge dort bestehende Kapellen zu dirigieren“. In seiner Auseinandersetzungmit Ziehrer gab er auch zum Protokoll, dass er „im Herbst wieder selber mit einer neuzusammenzusetzenden Kapelle meine Produktionen in Wien aufnehmen werde.“ 13Und so ist es offenbar gekommen, denn auf seiner ersten eigens organisierten Konzertreise im Sommer1878 dirigierte er die Garde-Kapelle im Zoologischen Garten in Frankfurt, ein Orchester von achtzigMusikern in Hannover und die Stadt-Theater-Kapelle in Hamburg, wo er das Programm mit Josef Gung‘lteilte. 14Er reiste weiter nach Stockholm, und dort wurde berichtet, dass er „achtzehn Musiker aus seiner WienerKapelle mitgebracht“ habe, die zusammen mit etwa dreißig Mitgliedern der Kapelle von dem lokalenMusikdirektor August Meissner ein Orchester bildeten, das von Strauss und Meissner abwechselnddirigiert wurde. 15 Das heißt, dass das Jahr 1878 eine Zäsur in der sonst kontinuierlichen Geschichte derStrauss-Kapelle markiert.Bis zum Anfang der Wintersaison 1878 – 79 muss Eduard Strauss sein Orchester neu aufgestellt haben,denn sie verlief nach dem bewährten Muster, wobei die Konzerte im Musikverein und die Faschingsbälledie Schwerpunkte seiner Tätigkeit bildeten. Erstere boten auch eine Gelegenheit für Bruder Johann,selbst das Podium zu besteigen und seine neuesten Kompostionen zu präsentieren, wie etwa am26. Dezember, als er die Ouvertüre zu seiner erst eine Woche früher uraufgeführten OperetteBlinde Kuh dirigierte. Oft war es aber Eduard, der die Tänze, die Johann aus den Melodien seinerOperetten arrangierte, erstmals zur Aufführung brachte, und seine Konzerte trugen sehr viel zurVerbreitung dieser Musikstücke bei. Es ist auch wahrscheinlich, dass in einigen Fällen die Arrangementsvon Eduard selbst stammen, was zum Beispiel im Falle des Walzers aus der Fledermaus (also Du und Du)als sicher gelten kann. 16Ab 1879 war Eduard Strauss mit seinem Orchester nach dem Ende der Konzerte im Musikverein imFrühjahr bis zur deren Wiederaufnahme im Herbst ständig unterwegs. Es gab keinen festen Ablauf, wasdarauf deutet, dass Strauss auf einzelne Engagements angewiesen war und selbst für jede Veranstaltungum alle Vereinbarungen und praktische Details kümmern musste. Die Zeit zwischen den Konzertreisenverbrachte er in oder in der Nähe von Wien, etwa zur Erholung in Grinzing oder in Baden, wo er zumBeispiel im Jahre 1882 auch zwei Konzerte für das dortige „Vergnügungs-Comité“ veranstaltete. 17 Es gabgelegentlich Sonderkonzerte in Wien, sowie Festveranstaltungen, für die Eduard Strauss und seinOrchester spielten mussten, so zum Beispiel Anfang Mai 1881 rund um die Hochzeit von KronprinzenRudolf und Prinzessin Stephanie von Belgien.Die Programme, die er auf seinen Tourneen zur Aufführung brachte, waren meistens nach dem Musterseiner Sonntagnachmittagskonzerte in Wien aufgebaut. Das heißt, es war eine Mischung aus Werkender Strauss-Dynastie und Orchesterstücken von anderen Komponisten, zum Teil in der Originalfassung,zum Teil in Arrangements, die von Eduard aber auch noch von Josef Strauss stammten. Einige vondiesen Arrangements boten auch Mitgliedern des Orchesters die Gelegenheit, sich als Solisten zuprofilieren.13 Ebd.14 Ingolf Lipski, „Das Wirken der Strauss-Familie und anderer U-Komponisten in Norddeutschland unterBerücksichtigung Hannovers“, Flugschriften 13 (1988), S. 20-21.15 Leif Johannisson, „Eduard Strauss (1835 – 1916) zum 170. Geburtstag: Zugleich Bausteine zu einer längstüberfälligen Biographie“, Neues Leben 32 (2005), S. <strong>45</strong>.16 SEV VIII/598 zu Johann Strauss Sohn, op. 367.17 S. Badener Bezirks-Blatt, z. B. 25. Juli 1882. S. 1; 26. August 1882, S. 2; 29. Aug. 1882, S. 1.39


Und es waren auch diese Stücke, zu denen ab und zu etwas kritische Stimmen zu hören waren. So etwa1885 in London, als Eduard seine Fassung eines Duetts aus Wagners Fliegendem Holländer aufführte. Inder renommierten Tageszeitung The Times hieß es dazu: „Der Versuch war lobenswert, aber unklug. (...)Herr Strauss wäre gut beraten, in Zukunft die Finger von Wagner und anderen klassischen Meistern zulassen und in seinem Element zu bleiben. Da ist er unübertroffen.“ 18Aber trotz solcher Kommentare hielt Eduard Strauss an seinem Rezept fest, so dass noch im Jahre 1900bei seiner allerletzten zweiten Tournee in Amerika sein erstes Konzert in Boston einen Kritiker zurfolgenden Bemerkung veranlasste: „Das Programm, das Dirigat und die Aufführungen gestern Abendwaren identisch mit jenen vor zehn Jahren, nicht besser und nicht schlechter.“ 19Für das Strauss-Orchester gab es auch sehr viel Lob zusammen mit einigen durchaus kritischenMeinungen. Diese betreffen vor allem die Zusammensetzung des Orchesters, wobei bemängelt wird,dass es zu wenig Streicher gibt, so dass diese oft von den Blasinstrumenten übertönt werden.Interessanterweise sind einige Rezensionen zu den Leistungen des Orchesters bei der allerletztenTournee in Amerika besonders kritisch, wobei es nicht wirklich festzustellen ist, ob die Strauss-Kapellegegen Ende ihrer Existenz an Qualität verloren hatte oder ob es sich eher um eine gezielte Kampagneseitens einiger Zeitungen gegen Strauss und sein Orchester handelte. 20Wie dem auch sei: Es ist klar, dass Eduard Strauss bei allen seinen Konzerten im Ausland beim Publikumgut angekommen ist, und in den Kritiken wurde immer wieder betont, dass er immer bereit war, sich fürden Applaus mit zahlreichen Wiederholungen und Zugaben zu bedanken. Dadurch hat er sicher sehr vielzum Bekanntheitsgrad der Musik der Strauss-Dynastie in der Welt beigetragen.Auch wenn es scheint, dass Eduard Strauss in seinen Annoncen und Angaben zu den Konzertreisen inHinsicht auf die Zahl der besuchten Städte oder die Größe des Publikums gelegentlich etwas übertriebenhat, besteht kein Zweifel daran, dass diese Tourneen mit einer ungeheuren physischen – undpsychischen – Anstrengung verbunden waren. Er musste dabei mit unzähligen Strapazen kämpfen.Bekanntlich hat er bei einem Eisenbahnunfall im Laufe seiner letzten Tournee in Amerika eine schwereSchulterverletzung erlitten – und hat trotzdem die letzten vier Konzerte und einen Ball selbst – „mit derlinken Hand“ – geleitet. In Amerika hat er sich auch offenbar mit dem Malariavirus infiziert, was in dendarauf folgenden Jahren zu schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen führte.Die finanzielle Belohnung für diese Anstrengungen war sicher sehr groß, und hier hat Strauss in ersterLinie an seine Altersvorsorge gedacht. Aber man darf nicht vergessen, dass er das dafür notwendigeVermögen zweimal verdienen musste, nachdem es sich 1897 herausstellte, dass seine Frau Marie ihnum fast eine dreiviertel Million Kronen gebracht hatte, um die Schulden der zwei Söhne zu bezahlen.Das heißt, dass Eduard Strauss mit zweiundsechzig Jahren vor dem finanziellen Nichts stand und estrotzdem geschafft hat, in knapp vier Jahren ausreichend für seinen Lebensabend vorzusorgen, so dasser am 13. Februar 1901, am Ende seiner zweiten Amerikareise, die Strauss-Kapelle auflösen und selbstendlich in den Ruhestand treten konnte.18 s. Peter Kemp, „Eduard Strauss I, Reflections on the Centenary of his first British Visit“ in Tritsch-Tratsch 49(Spring 1985), S. 1. („ ... the attempt was laudable, but ill-judged … Herr Strauss will be wise if in future he leavesWagner and other classical masters alone and remains in his element. In that he is supreme.”)19 s. Dann Chamberlain, „‚He could galvanise a band of mummies‘: Eduard Strauss in Amerika 1900 – 1901“ inVienna Music 91 (Summer 2006) und 92 (Winter 2006). (“The programme, the conducting and the performancesof last evening were identical with those of a decade ago, no better and no worse.” Vienna Music 91, S. 20)20 Ebd.40


Mittelblatt zum AusheftenAntrag auf Mitgliedschaftin der „Deutschen Johann Strauss Gesellschaft“Nach Ausheften dieses Blatteszum Versand in einem Fensterbriefumschlag bereits vorbereitet.Wir freuen uns auf Sie!IhreDeutsche Johann Strauss Gesellschaft e.V., Coburg


Abs.: ___________________________________________________________________________________________________A N T R A G A U FM I T G L I E D S C H A F TIch/Wir erkläre/n hiermit meinen/unseren Beitritt zur „Deutschen Johann Strauss Gesellschaft“ e.V., Coburg:Vorname:________________ Nachname:______________________ Firma:________________________Beruf:___________________ ggf. Branche:_____________________ Geb.-Datum:___________________Straße: __________________ PLZ:_________ Ort:_______________________________________E-Mail-Adresse: _________________________________________________________________________________________________ _________________________________Datum UnterschriftDer jährliche Mitgliedsbeitrag beträgt z.Zt.40 € für Einzelpersonen,60 € für Ehepaare,10 € für weitere Familienmitglieder (außer Ehe-/ Lebenspartner), älter als 18 Jahre,im gleichen Haushalt lebend,160 € als Mindestbeitrag für Firmen,5 € für Studenten und Schüler (6 bis 18 Jahre).Bitte Blatt herausnehmen, ausfüllen und zusenden!


Ermächtigung zum Einzug durch Lastschrift (Einzug erfolgt jährlich zum 01.03.)Name und Anschrift des Zahlungsempfängers Kontoinhaber (wenn abweichend):Deutsche Johann Strauss Gesellschaft e.V. Coburg (DJSG)Lahmstr. 33, 96<strong>45</strong>0 Coburg _________________________________________Gläubiger-Identifikationsnummer: DE12 ZZZ0 0001 2170 06Mandatsreferenz: Ihre Mitgliedsnummer (wird bekanntgegeben)SEPA-LastschriftmandatIch ermächtige die DJSG, Zahlungen von meinem Konto mittels Lastschrift einzuziehen. Zugleich weise ich mein Kreditinstitut an, die von derDJSG auf mein Konto gezogenen Lastschriften einzulösen.Hinweis: Ich kann innerhalb von acht Wochen, beginnend mit dem Belastungsdatum, die Erstattung des belasteten Betrages verlangen. Esgelten dabei die mit meinem Kreditinstitut vereinbarten Bedingungen.Zahlungsart: Wiederkehrende Zahlung____________________________________________Vorname und Name (Kontoinhaber)____________________________________________ _______________________________Straße und Hausnummer Postleitzahl und Ort____________________________________________________________________________________Kreditinstitut (Name und BIC)__________________________________________________________________________IBAN_____________________________________________________________________Datum, Ort und Unterschrift des Kontoinhabers (bitte in jedem Fall unterschreiben)


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In Wien hat man sich nicht allzu viel für die Konzertreisen von Eduard Strauss interessiert. Notizen dazuhat es nur ab und zu gegeben, längere Berichte sind die Ausnahme. Im Herbst 1889, nach seinerlängsten Sommertournee, erschien eine ausführliche Schilderung der Reise in der Tageszeitung NeuesWiener Tagblatt unter den Initialen J. K., was möglicherweise auf seinen Freund Jacques Kowy als Autorhindeutet.Nach der ersten Amerikatournee veröffentlichte dieselbe Zeitung unter dem Titel „Ein Blick in die neueWelt“ einen langen Bericht, den Eduard Strauss selbst verfasst hatte, aber in dem es eher um die Reiseals um die Musik geht. 21Aber Strauss war offenbar schon längst zum Schluss gekommen, dass das Publikum, bei dem er undseine Musik echte Anerkennung fand, sich nicht in Wien, auch nicht im übrigen Österreich-Ungarn,sondern in Amerika, Deutschland und England befand. In seinen Erinnerungen urteilte erfolgendermaßen:„Die musikliebendste Stadt der Welt – kann man sagen – ist und bleibt Boston!“ Und: „Ich bereiste dasganze Deutsche Reich ... und lernte es über alles lieben und schätzen durch die freundliche und beifälligeAufnahme der Leistungen meiner Capelle, sowie durch die mich ehrenden Sympathien des Publicums.“Oder: „Als ich von London nach Wien wieder zurückkehrte, da empfand ich wohl schmerzlich denUnterschied zwischen der warmen Empfänglichkeit und Reconnaissance des Londoner Publicums für edleMusik und der [sic] Geschmacksrichtungen, die sich in Wien breit machten.“ 22Es scheint, dass für Eduard Strauss die Strauss-Musik die ihr zustehende Geltung und Beachtung erst als„Weltmusik“ wirklich gefunden hat.Literatur:Briefe und Dokumente oder BuD = Johann Strauss (Sohn): Leben und Werk in Briefen und Dokumenten.Im Auftrag der Johann-Strauß Gesellschaft Wien gesammelt und kommentiert von Franz Mailer, 10 vols.(Tutzing: Hans Schneider, 1983-2007)Erinnerungen = Eduard Strauss, Erinnerungen (Leipzig-Wien: Deuticke, 1906)Mailer ES Archiv = Akten „Eduard Strauss“ im von Franz Mailer zusammengestelltem Strauss-Archiv(Bibliothek der Donauuniversität Krems)SEV = Strauss-Elementar-Verzeichnis. Thematisch-Bibliographischer Katalog der Werke von JohannStrauss (Sohn) Hrsg. v. Wiener Institut für Strauss-Forschung = WB/WSLB Schriftenreihe zur Musik 6(Tutzing: Hans Schneider, 1990 – )WB/WSLB = Wienbibliothek, früher Wiener Stadt- und Landesbibliothek21 „Zehntausend Kilometer Kunstreise. Die Fahrten der Kapelle Strauß“, Neues Wiener Tagblatt, 4. Okt. 1889(abgedruckt in BuD IV/343-6; s. dazu auch Wiener Salonblatt, 6. Oktober 1889, S.2). „Ein Blick in die neue Welt.Von Eduard Strauß“, Neues Wiener Tagblatt, 3. Febr. 1891 (abgedruckt in BuD V/417-23, vgl. dazu Erinnerungen,S. 147).22 Erinnerungen, S. 88, 80, 79.41


Wassermusik?Eduard Strauss und die „Königin der Tafelwässer“von Peter Kemp (Übersetzung Rudolf Maeder)Die „Deutsche Johann Strauss Gesellschaft“ dankt dem Autor, dem Ehrenpräsidenten auf Lebenszeit ihrerbritischen Schwestergesellschaft, Peter Kemp, sehr herzlich für das exklusive Recht zur deutschenErstveröffentlichung.Bei den Sondierungsbohrungen für einen Brunnen in einem Weinberg in Bad Neuenahr (Rheinland-Pfalz) 1 stieß man 1851 unerwartet auf eine unterirdische Quelle. Im darauffolgenden Jahr wurde dieQuelle etwa 15,20 m unter der Erdoberfläche gefasst und eine Mineralwasserfirma gegründet, um ausder unerwarteten Entdeckung Kapital zu schlagen. Georg Kreuzberg (1796 - 1873), seit 1837 Besitzer desWeinbergs, gab der Quelle den Namen des Heiligen eines nahe gelegenen Bildstocks am Weg, der demheiligen Apollinaris von Ravenna geweiht war 2 .Abb. 1: Eingang der Firma Apollinaris, Bad Neuenahr, Postkarte um 1900 - 1903 (Sammlung Peter Kemp).Durch den Besitz mehrerer Weinberge an der Ahr und seine Einkünfte aus dem Eisen- undHolzhandelsgeschäft (ab 1823) war Kreuzberg in den 1850er-Jahren ein wohlhabender Geschäftsmannmit Geschäftsbeziehungen nach Berlin, Bonn, Köln und Koblenz geworden. Im Jahre 1853 begann derApollinaris-Mineral-Brunnen sein kohlsäurehaltiges Wasser in Steingutkrügen aus Westerwald-Lehm zuverkaufen 3 . Entscheidend für das wertvolle, reine und erfrischende Tafelgetränk war die Tatsache, dassder natürliche Kohlensäuregehalt die bereits im Wasser vorhandenen Vorzüge noch erhöhte.1 Im Jahr 1969 vereinigten sich die beiden Nachbarstädte Bad Neuenahr (östlich) und Ahrweiler (westlich gelegen)zur Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler. Bad Neuenahr besitzt eine weitere, noch ältere Mineralquelle, den 1565erstmalig erwähnten Heppinger Brunnen (zwei Quellen, gehört zu Apollinaris).2 Apollinaris von Ravenna (geb. in Antiochia, Syrien, gest. in Ravenna), war ein syrischer Heiliger aus dem2. Jahrhundert, der Wunder tat, wahrscheinlich die christliche Gemeinde von Ravenna gründete, ihr Bischof warund den Märtyrertod starb. Sein Namensfest wird nach dem Römischen Generalkalender in der katholischenKirche am 20. Juli gefeiert. Die orthodoxen Kirchen hingegen feiern sein Namensfest am 23. Juli. Er wird auch inRemagen und Düsseldorf verehrt. Nach einigen Quellen – auch der Website von Coca-Cola – war der heiligeApollinaris auch Schutzpatron des Weins.3 Der Westerwald ist ein Gebiet mit einem Mittelgebirge am rechten Rheinufer in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Hessen, in dem Ton und Schiefer abgebaut wird.42


Bis 1860 wurden 40 000 Krüge verkauft und bis 1870 steigerte sichder Verkauf auf fast 2 Millionen Einheiten. Im Jahre 1875 wurdendem englischen Vertreten der Firma in London, der ApollinarisCompany Limited, nicht weniger als 6 Millionen Einheiten geliefert 4 .Wie aus einer ihrer Reklamen ersichtlich ist, hatten die englischenLiebhaber des Sprudelwassers – die es als „kristallklar, samtweich,sprudelnd wie Champagner“ 5 anpriesen – vom Sommer 1875 an dieWahl zwischen Glasflaschen 6 mit Bügelverschluss oderSteingutkrügen. Die Firma genoss 1897 ein noch höheres Ansehen,als Königin Victoria und ihr Sohn, Eduard Prinz von Wales (dernachmalige König Eduard VII.), die Apollinaris Company Limited zumköniglichen Hoflieferanten ernannten. Im Jahre 1913 produziertedie deutsche Gesellschaft jährlich 40 Millionen Flaschen, von denen90 Prozent weltweit vertrieben wurden. Heute gehört die Quelleund die Firma Apollinaris der Coca-Cola Company, die sie 2006 vonder Firma Cadbury-Schweppes erwarb.Der Wikipedia-Eintrag in der englischen Wikipedia zu ApollinarisMineralwasser 7 , einer Marke, die weitherum in deutschsprachigenLändern als „Die Königin der Tafelwässer“ 8 bekannt ist, enthältverschiedene Stellen in der Literatur, in denen das Produkt erwähntwird. Die berühmte Marke wird in Romanen wie „The Rise of SilasLapham“ (William Dean Howells, 1885, Der Aufstieg des SilasLapham, keine dt. Übersetzung), „Clover“ (Susan Coolidge, 1888;Klee, Jugendbuch, keine dt. Übersetzung), „Three Men on theBummel“ (Jerome K. Jerome, 1900, dt. „Drei Männer aufBummelfahrt“), „The Lost World” (Sir Arthur Conan Doyle, 1912, dt.„Die verlorene [oder auch] vergessene Welt“) und „Counterparts“(James Joyce, 1914, „Entsprechungen“, Kurzgeschichte in „Dubli-Abb. 2: Ein Apollinaris-Steingut- ners”, dt. „Dubliner“) genannt. „Baby ‘Polly”, den Spitznamen, unterkrug aus dem 19. Jahrhundert dem kleine Apollinaris-Flaschen einst in England und Irland vertrie-(Sammlung Peter Kemp).ben wurden, nennt Sir John Betjeman (1906 - 1984) im zweiten Versseines Gedichts „Sun and Fun: Song of a Nightclub Proprietress“(Sonne und Spaß: Lied einer Nachtklubbesitzerin, keine dt. Übersetzung, hier wortgetreu in Prosa):Ich schob die dicken, rotblauen Vorhänge zur Seite– So Regency, so Regency, meine Liebe –Und eine Schar von SpinnenLieferte sich ein Rennen über die Flaschen mit ApfelmostZu einer Schachtel von kleinen Mineralwasserflaschen neben dem Bier.4 Gegründet 1873.5 http://www.apollinaris.de.6 The Illustrated London News, 17. Juli 1875, S. 72.7http://en.Wikipedia.org/wiki/Apollinaris_(Mineralwasser). In der deutschsprachigen Wikipedia sind keinesolchen Verweise vorhanden, d. Red.8 Das rote Apollinaris-Dreieck und der Slogan „Die Königin der Tafelwässer” werden seit 1895 in Deutschland alsMarkenzeichen verwendet. Da das britische Warenzeichen-Gesetz zehn Jahre früher in Kraft trat, wurde das roteDreieck als Warenzeichen der Apollinaris Company für den Vertrieb von Mineralwasser in Großbritannien bereits1885 eingetragen.43


Zu der beachtlichen Zahl von literarischenGrößen, die Apollinaris ihre Ehre erwiesenhaben muss noch ein Name aus derMusikwelt hinzugefügt werden, nämlichderjenige des Komponisten und DirigentenEduard Strauss (1835 – 1916), demjüngsten Bruder des Walzerkönigs JohannStrauss Sohn (1825 – 1899).Am 17. Dez. 1909 schrieb der 74-jährige„Eduard Strauss / Kaiserl. und Königl.Hofballmusik-Director / a.D.“, wie es inBlindprägung auf seinem Briefkopf zu lesenwar – einen dreiseitigen Brief an denWiener „Apotheken-Besitzer“ HeinrichSteiden in Wien 9 . Steiden war der Inhaberder „Rathhaus-Apotheke“ in derStadiongasse 10 im I. Wiener Bezirk 10 ,einer Seitenstraße der Reichsrathsstraße,in der sich Strauss´ Wohnung befand 11 .Eduards Rezeptbuch belegt, dass sich diebeiden Männer schon seit mehrerenJahren gekannt haben müssen 12 .AAbb. 3: Britische Reklame für Apollinaris „‘Polly“(Sammlung Peter Kemp).9 Dieser Brief wurde im Katalog „Autographen 2002 – Musik“ des Tutzinger Antiquars Eberhard Köstler für600 Euro zum Kauf angeboten. Da er nicht verkauft worden war, erschien er im darauffolgenden Jahr wieder zumgleichen Preis in „200 Autographen aus allen Gebieten. Gemeinschaftskatalog der Antiquariate Inlibris, Köstlerund Kotte (Wien, Tutzing und Stuttgart, Winter 2003, S. 61, Nr. 173). In beiden Katalogen wurde derFamilienname des Apothekers fälschlich als „Stegden“ statt „Steyden“ angegeben. Während Eduard Strauss‘Brieftext in der für das 19. Jahrhundert typischen Kurrentschrift geschrieben ist, adressierte Eduard Strauss denUmschlag in der viel leichter lesbaren deutschen Schrift. In dieser Schrift gleichen sich die Buchstaben „y” und „g”.Der in Frage kommende Buchstabe ist nach oben offen und deshalb deutlich als „y“ erkennbar – also ist„Steyden“ richtig. Man muss dazu sagen, dass zu dieser Zeit viele ältere deutschsprachige Menschen immer nochab und zu statt einem „i“ ein „y“ schrieben. Der Strauss-Brief wurde 2003 vom Stadtarchiv der Stadt BadNeuenahr-Ahrweiler erworben (Laufnummer StA BNAW Bestand NASL Nr. 2), das dem Autor freundlicherweiseeine Kopie davon zur Verfügung gestellt hat.10 Die „Rathaus-Apotheke“ existiert noch heute in der Stadiongasse 10. Nach „Lehmanns Allgemeinem Wohnungs-Anzeiger nebst Handels- und Gewerbe-Handbuch für die k.k. Reichs-, Haupt- und Residenzstadt Wien 1909“, 2.Bd., S. 1162, lautete Heinrich Steidens Privatadresse Langegasse 28 im VIII. Wiener Bezirk. Im Jahre 1910 wurdeSteiden in den kurz zuvor erweiterten Vorstand des Allgemeinen Österreichischen Apotheker-Vereins gewählt,einer Gesellschaft, die im darauffolgenden Jahr ihr 100-jähriges Bestehen feiern sollte. (In: AllgemeinerÖsterreichischer Apotheker-Verein 1861 – 1911, Wien 1911 S. 26 – 29.11 In der Reichsrathsstraße 9.12 Das Rezeptbuch von Eduard Strauss mit zahlreichen Rezepten und zwischen dem 22. Juni 1886 und dem17. Mai 1915 gemachten Eintragungen befindet sich im Otto-Faster-Nachlass der Wienbibliothek im Rathaus,Wien, Laufnummer H.I.N. 194408.44


Abb. 4: Heinrich Steiden ca. 1910/1911(Sammlung Peter Kemp).Abb. 5: Das Rezeptbuch von Eduard Strauss weist den Stempel der„Rathhausapotheke“ auf (Foto: Ann Goormachtigh).Eduards Brief mit seiner eigentlich unabsichtlichen und ungefragt abgegebenen Empfehlung fürApollinaris Mineralwasser lautet folgendermaßen:„Sehr geehrter Herr,Bitte für Ihre Freundlichkeit und Mühe nach einem Lager des Apollinaris-Wassers zurecherchieren, meinen besonderen Dank entgegennehmen zu wollen. Mein Diener hätte aberIhnen, sehr geehrter Herr, Mitteilung machen sollen, daß hier in Wien kein Lager mehranzutreffen ist, da er ja in meinem Auftrag bei Ungar 13 anfrug.Ich danke auch bestens, daß Sie mir Ihren Vorrat an diesem Wasser überließen. Ich habe dann inNeuennahr [sic] bei der Direction der Apollinaris Actien-Gesellschaft bezüglich einer directenZusendung angefragt. Sollte eine solche gegenüber einem Bedarf von 730 kleine [unterstrichen]Flaschen per anno (oder auch 360 große [unterstrichen] Flaschen), der Gesellschafts-Directionnicht realisierbar scheinen, so werde ich mich dann für einen österreichischen Säuerlingentscheiden, obgleich an Schmackhaftigkeit des Wassers diese dem Apollinaris-Wassernachstehen. Ich trinke das Apollinaris-Wasser seit 29 Jahren [d. h. seit 1880], und habe währenddieser Zeit 14 Nierensteine abgeben können, doch haben sich leider auch zwei Blassensteine [sic]gebildet, und diese bereiten mir nun seit drei Jahren häufig wiederkehrende Qualen. DerGebrauch eines Mineralwassers ist dann unerläßlich.Mit vorzüglicher HochachtungzeichnetErgebenstEduard Strauss“13 In „Lehmanns Allgemeinem Wohnungsanzeiger nebst Handels- und Gewerbe-Adressbuch für die k. k. Reichs-,Haupt- und Residenzstadt Wien 1909“ findet sich im 1. Band auf Seite 1065 in der zweiten Spalte oben folgendesInserat: „Ungar S. jr., k. u. k. Hoflief., Mineralwasser-Grosshandlung, Zentral-Bureau: I. Stefansplatz,Jasomirgottstrasse 4. Ausschliessliche Versendung u. Depot des Levico-Eisen-Arsenwassers, Generalvertrieb desOfner „Apenia“-Bitterwassers sowie des „Apollinaris“-Brunnen f. Österreich-Ungarn, Rumänien, Serbien etc.Ausschliessl. Versendung der Sulzer „Paula“- u. der Sulzer „Vita“-Quelle. Eigenes Lager und Versandhaus Wien,Nordwestbahnhof, Telephon.“<strong>45</strong>


Abb. 6: Briefumschlag mit Eduard Strauss‘ Anschrift von Heinrich Steyden(mit freundlicher Genehmigung des Stadtarchivs der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler).Obwohl sehr gewissenhafte Leser der Meinung sein könnten, dass Teile des Briefes von Eduard Strauss„zu viel Information“ – wie man heute zu sagen pflegt – enthalten, sind die Erkenntnisse sicher vonInteresse und helfen uns dabei, einen abgerundeten und gründlicheren Eindruck des Privatmanns hinterder öffentlichen Person zu bekommen. Man sollte nicht vergessen, dass sich die oben beschriebenenEreignisse etwas über zwei Jahre abspielten, nachdem Eduard seinen letzten Akt von künstlerischemVandalismus beging, als er das ganze musikalische Archiv handschriftlicher und gedruckter Dokumentedes Strauss-Orchesters, das von seinem Vater 80 Jahre früher begonnen worden war, den Flammenübergab.Wir wissen nicht, ob Eduard Strauss der „Königin der Tafelwässer“ die Treue gehalten hat: Der Brief andie Firma ist im Apollinaris-Archiv in Bad Ahrweiler-Neuenahr nicht vorhanden, und von einer Antwortvon Apollinaris an Eduard Strauss ist ebenfalls nichts bekannt 14 .Der Autor dieses Artikels möchte folgenden Personen für ihre großzügige Hilfe danken: Theresa Fell(Stadtverwaltung Bad Neuenahr-Ahrweiler), Ann Goormachtigh (Gent, Belgien), Eberhard Köstler(Autographen & Bücher, Tutzing), Bernd Retterath (Dipl.-Rest., Apollinaris-Archiv, Bad Neuenahr-Ahrweiler), Steffen Schütze (Stadtarchiv, Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler), Vera Volmer (Coca-Cola GmbH,Berlin), Peter Eustace (Beaminster, Großbritannien).14 Der Autor hat bei der Apollinaris GmbH in Bad Neuenahr-Ahrweiler am 8. Okt. 2013 und bei der Coca-ColaGmbH in Berlin am 1. Nov. 2013 Erkundigungen eingezogen. Nach gründlicher Nachforschung hat Dipl.-Rest.Bernd Retterath, Archivar von Apollinaris in Bad Neuenahr-Ahrweiler, in seiner Antwort eindeutig ausgeschlossen,dass sich Eduard Strauss‘ Brief an Apollinaris und eine offizielle Antwort darauf im Firmenarchiv von Apollarisbefinden. Viele Dossiers des Archives sind zwar während des 2. Weltkrieges verbrannt, aber Bernd Retterath istdavon überzeugt, dass die fragliche Korrespondenz bei Apollinaris/Coca-Cola nicht an einen anderen Ort gelangte.46


Gesehen – gehört: RezensionenNeujahrskonzert 2014 in Wienvon Rudolf MaederDaniel Barenboim versteht sein Handwerk und mit Charme obendrein! Man musste ihm nur genauzuschauen beim „Radetzky“-Marsch, als er seine Musikerinnen auf die Wange oder ihnen die Handküsste und seinen Musikern die Hand schüttelte…Das Konzert fand wie immer beimisraelisch-spanischen Doppelbürger mitpalästinensischer Staatsbürgerschaft ganzim Zeichen des Friedens statt. Er begannmit einer Verbeugung vor seiner Frau, derim Publikum anwesenden Pianistin JelenaBaschkirowa, mit der „Helenen“-Quadrilleop. 14 von Eduard Strauss, die der Musikdes damaligen Strauss‘schen KonkurrentenOffenbach voll und ganz gerechtwird. Leider ist an dieser Stelle wiedereinmal zu sagen, dass die Art derPhilharmoniker, Eduard Strauss bei denNeujahrskonzerten zu behandeln, absolutunfair und eines solchen Orchesters nichtwürdig ist. Wäre es nicht endlich an derZeit, den dritten Strauss-Sohn gerecht zubehandeln? Verbrannt ist verbrannt,daran lässt sich nun wirklich nichts mehrändern, und die Qualität seiner Werkesteht weit höher, als man gemeinhin zuglauben meint.Josef das Walzer-Schema bereichert hat!Als Premiere durften die PhilharmonikerJosefs „Friedenspalmen“-Walzer op. 207interpretieren, was ihnen im Wechselzwischen Sanftmut und Kriegsgetöseausgezeichnet gelang. Man ist immerwieder erstaunt zu hören, wie feinsinnigEin nicht besonders bemerkenswerter „Carolinen“-Galopp op. 21a von Strauss Vater schloss sich an.Und dann schritt Ägypten majestätisch-exotisch durch den Goldenen Saal: Der „Egyptische Marsch“op. 385 von Strauss Sohn entfaltet immer wieder seine Eleganz als einer der schönsten und beliebtestenMärsche des Walzerkönigs (gut, es gibt noch einen Persischen, aber…). Eine echte Strauss-Symphonie imwahrsten Sinne des Wortes ist der Konzertwalzer „Seid umschlungen, Millionen“ op. 443 (C. M. Ziehrers„Diesen Kuss der ganzen Welt“ kommt da trotz eines weiteren Schiller-Zitats nicht dagegen auf), dessenweite Bögen, subtile Melodien und herrliche Introduktion und Coda von Barenboim großartigdargeboten wurden. Nach der rasanten Schnellpolka „Stürmisch in Lieb‘ und Tanz“ op. 393 erklang die„Waldmeister“-Ouvertüre (samt der in ihr zitiertem Galopp „Klipp-Klapp“ op. 466), beides feineAlterswerke, und der absteigender Hauptwalzer – obwohl er genau so genial ist wie die aufsteigende47


„Blaue Donau“ – schmerzlich daran erinnert, wie wenig der Waldmeister dem Champagner der„Fledermaus“ auf unseren Bühnen das Wasser reichen kann (Verzeihung, vielleicht kein guter, aber einwahrer Vergleich!).„Geschichten aus dem Wienerwald“, op. 325 ist klar eine Konzession ans Publikum, das denZitherklängen der Introduktion genauso andächtig lauscht wie es nach den ersten Takten desDonauwalzers in zarten Applaus ausbricht. Tradition verpflichtet… Mehr als reizend ist sie nicht, diePolka française op. 1 „Vielliebchen“ von Josef Hellmesberger jr., aber zur Strauss-Familie gehören vielegrößere oder kleinere Planeten, die um sie kreisen und die man immer wieder hervorholen sollte, da sievon den Sträussen angestrahlt werden oder auf sie ausstrahlen.Die Werke von Josef Strauss hielten sich sehr gut nebendenjenigen seines Bruders Johann: Die „Bouquet“-Polkaschnell op. 188, die Polka-Mazur „Neckerei“ op. 262 unddie Polka schnell „Schabernack“ op. 98 sorgten fürgroßartige Neujahrsstimmung. Der „Dynamiden“-Walzerop. 173 bedarf keines Kommentars, denn Wasser wollenwir keines in die Donau tragen, auch weil das kostbareWerk eine der ganz großen Schöpfungen der WienerMusik darstellt.Dieser Meinung war ja bekanntlich auch Richard Straussbeim Komponieren seines „Rosenkavaliers“; er warebenfalls vertreten beim Neujahrskonzert mit der„Mondscheinmusik“ aus der Oper „Capriccio“, vielleichtetwas ungewöhnlich in diesem Rahmen, aber durchausplausibel dirigiert von Daniel Barenboim. DieSchnellpolka „Ohne Sorgen“ op. 271 ist immer einRenner, der nicht nur den passenden Titel trägt, sondernauch eines jener Werke ist, die in atemloser Spannungan uns vorüberrasen und uns Älteren schmerzlich, aberauch erleichtert zu Bewusstsein bringen, dass wir mitihnen nicht mehr quer durch den Saal flitzen können,und, ehe wir es uns versehen, bereits zerstoben sind.Und dann schloss sich noch eine weitere dieserFeuerkugeln an: die Schnellpolka „Carrière“ op. 200.Bei so viel Lob darf doch sicher ein Wort der Kritik erlaubt sein: Ein Konzert kann leicht seinGleichgewicht verlieren, wenn zwei Galoppe und fünf Schnellpolkas zwei Walzern, einer Quadrille, zweiMärschen, einer Polka française, einer Polka-Mazur und je einer Ballett- und einer Opernmusikgegenüberstehen. Da wären wohl zwei oder drei Flitzer weniger mehr gewesen! Léo Delibes erfüllteseine Ballettmusik (darunter „Sylvia“, „Naïla“ und „La Source“) mit unendlich viel musikalischemReichtum, wofür ihn die Konzert- und Ballettbesucher sehr lieben (und manchmal andächtig vor seinemschönen Grab weit, weit unten im Pariser Friedhof Montmartre in der Nachbarschaft von JacquesOffenbach stehen!). Deshalb auch viel Applaus für die Musik aus „Sylvia“. Joseph Lanners „Romantiker“verlangen auch keinen Kommentar (siehe Donauwasser oben), fristen leider aber auch einSchattendasein wie viele Lanner-Kompositionen und auch solche von Vater Strauss außer denunverwüstlichen „Schönbrunnern“ (der Kanon der Wiener Musik verlangt nach Erweiterung!). Muss dasdenn sein? Lassen wir doch das Biedermeierzeitalter musikalisch wiederauferstehen, es erzählt uns inseinem Zauber und seiner Abgründigkeit sehr, sehr viel über den Menschen schlechthin…48


PS: Zum fünften mal Zubin Mehta…Das 75. Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker wird zum Jahreswechsel 2014/15 vom 77-jährigenindischen Dirigenten Zubin Mehta geleitet. Er dirigiert das berühmte Orchester somit zum fünften Malund befindet sich in guter Gesellschaft: Willi Boskowsky, Clemens Krauss und Lorin Maazel. Mehtawurde vom Orchester ausgewählt, weil er nicht nur ein guter Dirigent, sondern auch ein großerMenschenfreund sei. Beim diesjährigen Konzert waren als absoluter Rekord 90 Fernseh- undRundfunkstationen zugeschaltet, das werden wohl nächstes Jahr noch mehr werden…Fotos: Sony classics und ORF (Palais Liechtenstein)„Festliches Neujahrskonzert“ in Zürichvon Gret Kälin, aufgezeichnet von Rudolf MaederUnsere liebe Freundin und ein langjähriges Mitglied der Deutschen Strauss Gesellschaft, Gret Kälin,besuchte am 3. Jan. 2014 eines der „Festlichen Neujahrkonzerte“ in der Tonhalle Zürich. Nach demWiener Neujahrskonzert war es ein weiterer Höhepunkt auf dem Weg ins neue Jahr und gefiel ihrausnehmend gut, denn neben sehr bekannten Werken der Wiener Musik waren auch selten gespieltePerlen zu hören. Neben zwei Suppé-Ouvertüren („Leichte Kavallerie“ und „Ein Morgen, ein Mittag, einAbend in Wien“), Otto Nicolais Ouvertüre zur komischen Oper „Die lustigen Weiber von Windsor“ undFelix Mendelssohns Scherzo aus der Schauspielmusik zu Shakespeares „Sommernachtstraum“ gab es nureine Komposition von Josef Strauss („Die tanzende Muse“ PM op. 266), die anderen Werke waren allevon Johann Strauss Sohn: „Eljen a Magyar!“ Psch op. 332, die „Fledermaus“-Ouvertüre, „Wiener Blut“ Wop. 354, „Auf der Jagd“ Psch op. 373, „Vergnügungszug“ Psch op. 281, und drei weniger oft gespielteStücke, der Csárdás aus „Ritter Pásmán“, die „Neue Pizzicato-Polka op. 449 und die herrlichen„Nordseebilder“ W op. 390).Der Dirigent des Abends, Toshiyuki Kamioka, stammt aus Tokio. Er wurde dort ausgebildet und erhieltzwei Jahre später den begehrten Ataka-Preis, kam als Stipendiat an die Hochschule für Musik inHamburg, wurde 1987 Dozent für Kammermusik und Begleitung in Hamburg und seit 2004 ist er Dozentfür Dirigieren an der Hochschule für Musik Saar in Saarbrücken. Theatererfahrung sammelte er bei denStädtischen Bühnen Kiel, dem Aalto-Theater in Essen und am Staatstheater Wiesbaden.In Wuppertal tätig ist er seit 2004/2005 und entwickelte das Sinfonieorchester Wuppertal weiter, das eran diesem Abend in Zürich dirigierte und dessen designierter Generalmusikdirektor der jetzigeOpernintendant dieses Jahr geworden ist. Zahleiche Gastreisen führten ihn und das Orchester u. a. nachJapan (2007, 2010) und nach Amsterdam (2011). Er ist Träger des Von-der-Heydt-Kunstpreises der StadtWuppertal und erhielt den Concert-Performance-Preis des Music Pen Clubs Japan.Das 1862 als Elberfelder Kapelle gegründete Sinfonieorchester Wuppertal feierte in der vergangenenSpielzeit sein 150-jähriges Bestehen. Die 88 Mitglieder konzertieren mit Stolz in ihrer akustischaußergewöhnlich guten Heimspielstätte, der „Historischen Stadthalle Wuppertal“ am Johannisberg. DasOrchester gibt auch zahlreiche Gastkonzerte im In- und Ausland und kann eine umfangreiche Diskografievorweisen, darunter eine mit dem Echo-Klassik ausgezeichnete Rubinstein-CD (Ballettmusik aus „DerDämon“, Violinkonzert, Solist: Alban Gerhardt), aber auch Werke von Bruckner, Mahler undTschaikowsky und Filmmusik. Wie man sieht, ein sehr vielseitiger Dirigent und ein versiertes Orchester,die das Neujahrskonzert zu einem sprühenden Feuerwerk der Wiener Musik machten…49


Ein Galafest der Stimmen und „Standing Ovations“ in MeiningenEine Aufführung von „I Puritani“, die man so schnell nicht vergisstvon Manfred DrescherMit fast 60 Freunden fuhr ich nach Meiningen um mir „Die Puritaner“ von Vincenzo Bellini anzusehenund anzuhören. Und ich habe viel Überzeugungsarbeit gebraucht, dass all meine Freunde mitfuhren,denn Bellini und Puritaner, was ist denn das? Kaum einer kannte die Oper, ganz wenige versprachen sichviel von der Aufführung und kaum einer wird sie je vergessen, nach einer denkwürdigen Aufführung inMeiningen. Und mit Aussprüchen wie „denkwürdig“ bin ich eigentlich recht vorsichtig, zu vieleAufführungen habe ich in meinem Leben schon erleben dürfen. Und wie schon so oft, fährt man auchwieder mit gemischten Gefühlen aus Meiningen nach Hause, denn zu oft sind die grandiosen Sänger, diehier fast wie am Fließband verpflichtet werden, nach nur einer oder zwei Spielzeiten an größere Häuserabgewandert – und auch hier wird es wieder so kommen und man kann nur hoffen, dass das Händchenfür Stimmen in Meiningen noch lange erhalten bleibt, damit man immer wieder einmal eine solcheSternstunde der Oper erleben darf.Die Opern von Vincenzo Bellini werden leider nicht so oft aufgeführt und das liegt nicht daran, dass sieso schlecht sind, im Gegenteil, sondern in erster Linie mit daran, dass es sehr schwer ist, Sänger zufinden, welche den immens hohen Anforderungen dieser Belcantooper gewachsen sind. Meiningen tatgut daran, gerade diesen „Opernschmachtfetzen“ auf seinen Spielplan zu setzen, denn so gnadenlosbegeistert wurde hier schon lange keine Oper mehr gefeiert. Bellini gilt als der Meister deswunderschönen Klanges, der musikalischen Linie, der musikalischen Genüsse und Lüste, des reinenWohlklanges, des italienischen Belcanto schlechthin und als ein Komponist, der auch die Seele berührt.Die Handlung ist eigentlichschnell erzählt. Die Hochzeitsteht im Zentrum und um diejunge Elvira Walton kämpfender puritanische Oberst SirRichard Forth und LordArthur Talbot, der einAnhänger der Stuarts ist.Dem Glück von Arthur undElvira stehen dieMachtkämpfe zwischenKatholiken und Protestantenentgegen, Waffengewaltregiert und alles droht imKampf zu versinken. Elviramuss mit ansehen, wie ihrVerlobter Arthur Talbott mitHenriette von Frankreich flieht, einfach um deren Leben zu retten. Sie, die sich verlassen fühlt undArthur fälschlicherweise als untreu zu sehen glaubt, verfällt zusehends dem Wahnsinn (aus dem sie Gottsei Dank wieder entfliehen kann). Die Flucht scheitert und sowohl die Fürstin als auch ihr Helfer Arthurwerden zum Tode verurteilt. Jedoch Oliver Cromwell, der siegreich aus der Schlacht heimkehrt, vollziehtdie Wende und es kommt – außergewöhnlich für eine eigentlich tragische Oper – zu einemwunderschön anrührenden Happy End. Diese ganze Handlung jedoch wird durch die wunderschöneMusik Bellinis in den Hintergrund gedrängt. Im Vordergrund steht diese Musik, die herrlichen Melodienund vor allem auch die sehr starken Chorszenen, die sich durch das ganze Werk hindurchziehen und dieallein schon für berauschenden Kunstgenuss sorgen.50


Der Regisseur Bernd Dieter Müller hat dies alles in ein schlüssiges Konzept gesteckt, er betont durchseine zeitlose Interpretation, durch den Verzicht auf historischen Pomp, die Musik – und die ist stets imVordergrund und sie weiß dies weidlich auszunutzen.Beeindruckende Chorszenen (einstudiert durch Sierd Quarré) bestimmen die Oper, Sonderapplaus auchfür den Chor, der so oft und dominant nur in wenigen Werken gefordert ist und dies mit Bravourerledigt, allein die Chorszenenwären schon einen Besuch derOper wert. Die MeiningerHofkapelle ist gut aufgelegtund wird mit sicherer, strafferHand von Leo McFall geleitet.Er lässt den Sängern auch dennotwendigen Freiraum unddeckt sie nicht mitOrchesterwogen zu. Und nunim Einzelnen zu den Sängern,es gab in der ganzen Besetzungniemand, der abgefallen wäre,oder den man mit derbarmherzigen Gnade derNichterwähnung schützenmüsste, nein, alles fügte sich homogen zu einem Ganzen. Stimmgewaltig in der kleineren Partie desGeneralgouverneurs der Puritaner war Stephanos Tsirakoglou als Lord Gualtiero Valton. Immer präsent,sein Bruder Sir Giorgio, Oberst a.D. der Puritaner und väterlicher Freund Elviras, der überzeugend undmit schöner, warmer Stimme von Ernst Garstenauer gegeben wurde. Enrichetta di Francia, die Witwevon Charles I. wurde von der Mezzosopranistin Carolina Krogius sowohl gesanglich als auchdarstellerisch rollendeckend verkörpert, ebenso wie Roberto Cassani als Sir Bruno Robertson, Offizierder Puritaner. Sie alle trugen dazu bei, dass es stimmlich eine stimmige Inszenierung wurde.Ja – und dannwaren da die dreiHauptpartien, beidenen man nichtweiß, welcher mandie Krone aufsetzendarf, auf ihreWeise haben siediese alle dreiverdient. DieSopranistin ElifAytekin verkörpertedie liebende,scheinbar Verlassene,dem Wahnsinnverfallendeund aus ihm sichwieder lösendeElvira, die TochterLord Valtons. Und wie sie diese Figur verkörperte war einzigartig, sowohl von ihrer stimmlichenVerkörperung, als auch ihrer darstellerischen Intensität. Mit einer gewaltigen Stimmkraft, die man51


diesem zarten Persönchen gar nicht zugetraut hätte, einer brillanten Koloraturtechnik und einem Piani,bei welchem die Töne messerscharf hingehaucht im Raum stehen, in einem Raum, bei dem sich aus demPublikum dabei kaum einer zu atmen wagt. Eine Ausnahmesängerin und -darstellerin mit Sicherheit, diestimmlich nicht nur voll überzeugt, sondern auch berührt. Ich will keine Vergleiche zu den großenPrimadonnen, die diese – teilweise mörderisch schwere Partie – schon gesungen haben ziehen, bin miraber sicher, dass man von Elif Aytekin in der Zukunft noch viel hören wird.Ihr zur Seite Xu Chang als ihr Verlobter Lord Arthur Talbot. Ich habe ihn schon öfter in Meiningen erlebt,aber noch nie so intensiv und mit einer stimmlichen Gewalt, die fast den Theatersaal sprengte. Nochlange habe ich mich im Bus mit einem mitgefahrenen Orchestermusiker „gestritten“, ob Chang dashochgestrichene E oder F gesungen hat. Wir haben uns dann beide auf das F geeinigt, es warbeeindruckend und es gibt mit Sicherheit nicht viele Tenöre, die diese stimmlichen Voraussetzungenmitbringen. Dass Xu Chang ein bisschen die darstellerischen Qualitäten und die Leichtigkeit im Spielfehlten, war vollkommen unerheblich und eine Kritik daran, die etliche Rezensionskollegen angebrachthaben, kann man eigentlich nur als beckmesserisch bezeichnen. Ich war jedenfalls von beidenProtagonisten begeistert – und mit mir das fast ausverkaufte Haus, das in endlosen Jubel ausbrach. Undhier ist noch der dritte im Bunde zu erwähnen, der unglaublich sichere, klangschöne mit warmertragender Stimme singende Dae Hee Shin, der auch zu den Säulen des Meininger Musiktheaters zählt,als Sir Riccardo Forth, Oberst der Puritaner.Alle drei brachten das anwesende Publikum „zum Kochen“ und am Ende, als nach fast drei Stunden vielzu früh der Vorhang fiel, brachte es den Künstlern stehende Ovationen. Und diese hatten sich alle auchredlich verdient. Ich gebe gerne zu, dass mir sich beim Schreiben noch die Gänsehaut aufzieht, wenn ichan dieses musikalische Extraerlebnis zurückdenke.Die Fahrt nach Meiningen war ein einmaliges Erlebnis, welches ich so schnell nicht vergessen werde,bereits im Dezember werde ich die drei Hauptprotagonisten wieder in der Oper „Rigoletto“ erlebendürfen und ich freue mich wahnsinnig darauf und hoffe gleichzeitig, dass der Gang zu größerenOpernhäusern noch ein bisschen aufgeschoben werden möge. Selten bin ich von einer Opernaufführungso beeindruckt und aufgewühlt nach Hause gefahren. Ein Edelstein ist in Meiningen zu bewundern,dessen Glanz sich weiter ausbreiten sollte.Besuchte Aufführung: 27. Okt. 2013 der Wiederaufnahme vom 15. Sept. 2013Fotos: 1 = ed Meiningen, 2,3 = ari Meiningen, 4 = Verfasser52


Oft gehört und wieder einmal beeindruckend dargebotenEine Aufführung von „Rigoletto“ im wunderschönen Stadttheater Fürthvon Manfred DrescherVor wenigen Wochen war ich in einer aufsehenerregenden Aufführung von „I Puritani“ in Meiningenund die gleichen Sänger gaben nun „Rigoletto“. Im Juni wollte ich mit meinen Freunden nach Meiningenum ihn mir anzuhören, aber da das Südthüringische Staatstheater Meiningen im Dezember mit„Rigoletto“ in Fürth gastierte, musste ich natürlich unbedingt dort hin, zu groß war die Vorfreude auf diemusikalischen Genüsse.Das Stadttheater Fürth, mitten in der Innenstadt gelegen, wurde in den Jahren 1901 und 1902 imneubarocken Stil erbaut. Die Inneneinrichtung folgt dem Stil des Neurokoko und ich muss ehrlichzugeben, dass ich dieses kleine, aber wunderschöne Theater liebe. Die Fassaden schmücken sechsRepräsentanten aus dem Bereich der Musik und des Schauspiels in Form von Bildnismedaillons oderBüsten über den Fenstern. Das Theatergebäude ist zu einem Denkmal der deutschen Sprach- undMusikkunst geworden. Die Atmosphäre ist einfach einzigartig, dies kann man auch von der Akustiksagen.Leider sind im Stadttheater Fürth nur musikalische Gastspiele zu hören und zu sehen, da das Haus selbstkein eigenes Musikensemble beschäftigt. Seit 1990 leitet Werner Müller als Intendant das Stadttheaterund entwickelte das sogenannte Drei-Stufen-Modell, welches das Theater vom Gastspielbetrieb überKoproduktionen bis hin zu regelmäßigen Eigenproduktionen führte. Pro Jahr werden ca. 250Vorstellungen in den Spielstätten des Stadttheaters für weit über 100.000 Zuschauer realisiert. Es lohntmit Sicherheit einen Besuch, wozu ich nur herzlich auffordern kann.Gekommen war ich um erneut Dae Hee Shin als Rigoletto zu erleben und mich vor allem von derwunderbaren Elif Ayetkin als Gilda und dem exzellenten Tenor Xu Chang als Herzog verzaubern zulassen. Ich wollte einfach nur das Traumerlebnis der „Puritaner“ in „Rigoletto“ wiederauferstehenlassen. Mit diesen hohen Erwartungen fuhr ich nach Fürth und war – jedenfalls am Anfang – maßlosenttäuscht. Aus gesundheitlichen Gründen hatte Elif Aytekin absagen müssen und auch der von mirhochverehrte Xu Chang sang nicht an diesem Abend, sondern die zweite Besetzung Rodrigo PorrasGarulo übernahm den Part des Herzogs. Diesen hatte ich in relativ schlechter Erinnerung aus derschwachen Darbietung des Edwin aus der Aufführung der „Csárdásfürstin“ in Meiningen. Ich konntemich nur dadurch trösten, dassich wusste, dass ich im Juni„Rigoletto“ wieder inMeiningen erleben würde –und dann hoffentlich in der„richtigen Besetzung“. Ja, es istschon schön, wenn manvoreingenommen ist, genausoschön ist es aber auch, wennman dies einsieht undinsgesamt eine ausgezeichneteAufführung des „Rigoletto“erleben durfte. Doch alles derReihe nach.Wollen wir erst einmal überdie Inszenierung von AnsgarHaag den Mantel des Vergessens breiten. Er verlegt die Handlung nach Sizilien, in das Jahr 1962, er lässt53


Rigoletto bei einem Unfall einen Arm verlieren und der Arme hat nun keinen Buckel, muss sich aber miteinem kaschierten Arm herumschlagen. Für mich ergibt das Ganze keinen Sinn, weil nichts stimmig ist.Ein ausschweifender Weiberheld in den 1970er Jahren ist nicht unbedingt wahrscheinlich, ein einzigesBühnenbild und ein kleiner Container, der einmal als Wohnung von Gilda dient, einmal als Schlafzimmerdes Frauenverführers und einmal als Kneipe Sparafuciles reißt mich nicht vom Hocker. DiesesEinheitsbühnenbild von Kerstin Jakobssen passt vielleicht noch in den 3. Akt, in die Spelunke, aber mitSicherheit nicht in den Palast des draufgängerischen Herzogs. Ach, wie schön wäre es, wenn nicht dieSelbstverwirklichung manch abstruser Ideen im Vordergrund stehen würde, sondern die stimmigeinszenatorische Begleitung einer herrlichen Musik – und auch einer tollen Handlung im Original. Sei es,wie es sei, Gott sei Dank hat Meiningen Sänger, die auch in Fürth alles aus dem Feuer reißen.Generalmusikdirektor Philippe Bach hat, wie so oft, auch wieder einen ausgezeichneten Tag und esgelingt ihm mit straffer, aber gleichzeitig einfühlsamer Hand aus der Meininger Hofkapelle alles aus derzündenden Musik von Verdi herauszulocken. Und noch etwas gelingt dem gut aufgelegten Orchester,dass es nämlich die Stimmen der Protagonisten nicht mit riesigen Klangwogen zudeckt. Insgesamt eineausgezeichnete Leistung des Orchesters und seines Dirigenten.Beginnen wir mit dem einzigen ausder sensationellen Aufführung von„I Puritani“ verbliebenen Sängerund zwar dem – trotz seineseinbandagierten Armes – kraftvoll,ausdrucksstark, heldenbaritonalsingenden Dae Hee Shin. Er hateinen langen Atem, einedurchschlagskräftige Höhe, aberauch die Möglichkeit zarte lyrischePassagen über die Rampe zubringen. Ihm, der ja zu einer derSäulen in Meiningen gehört,gebührte zu Recht langanhaltenderBeifall.Als Gilda war Gaseul Son für die erkrankte Elif Aytekin eingesprungen und sie war mehr als eineEinspringerin. Zerbrechlich und zierlich stand sie auf der Bühne, umso erstaunlicher wie sie von zartenberührenden lyrischen Passagen bis zu dramatischer Gestaltungskraft auftrumpfen konnte. Der Herzogwurde von Rodrigo Porras Garulo verkörpert – und er verkörperte ihn exzellent. Schon vomErscheinungsbild der „geborene Verführer“ wartete er auch mit einem schmetternden Tenor auf,sowohl in den lyrischen Teilen, aber noch mehr im auftrumpfenden Forte mit glasklar gesetztenSpitzentönen konnte er voll überzeugen.Den Halsabschneider Sparafucile gab Ernst Garstenauer mit raumfüllender Bassorgel. Seine SchwesterMaddalena wurde von Carolina Krogius verführerisch in Szene gesetzt, ihre körperlichen Reize bewusstausspielend, konnte sie auch mit ihrer angenehmen dunkelgefärbten Altstimme überzeugen. StephanosTsirakoglou als Monterone, Kuk Sung Han als Ceprano, Camila Ribero-Souza als seine Frau, MarianKrejcik als Marullo, Stan Meus als Borsa, Ute Dähne als Giovanna und Dimitar Sterev als Kommissarvervollständigten das eindrucksvolle Ensemble, bei welchem kein Ausfall zu verzeichnen war.54


Ich muss zugeben, dass ich trotz der hervorragenden Vorstellung gespannt bin auf den Juni, wenn ich inMeiningen die Alternativbesetzung erleben werde. Dieser „Rigoletto“ in dem wunderschönen FürtherTheater jedoch konnte mich bereits schon voll überzeugen.Besuchte Aufführung: 21. Dez. 2013 der Meininger Premiere vom 18. Okt. 2013Fotos: 1,2 = ed Meiningen, 3 = Verfasser„Wir singen alles – auch die Speisekarte“von Rudolf MaederGanz schön eingebildet diese jungen Wiener Herren vor dem Stimmbruch! Die solches sagen, sind dieWiener Sängerknaben, und sie können es sich leisten! Vor Weihnachten hat es für sie leider nur zueinem Konzert in der Schweiz gereicht – in Schaffhausen. Die 20 Jungen brachten unter der Leitung vonOliver Stech (Klavierbegleitung, Kapellmeister seit 2011) ein großes und weitgespanntes Konzert mitWerken von Jacobus Gallus bis Benjamin Britten (sieben Weihnachtslieder), darunter ein „Laudamus Te“von Antonio Vivaldi, „Dir, Seele des Weltalls, o Sonne“ von W. A. Mozart und zwei Marienlieder vonZoltán Kodály und Maurice Duruflé.Nach der Pause erklangen traditionelle Lieder aus Dänemark, Deutschland, England, Frankreich,Österreich, Polen Portugal, Spanien, der Südschweiz und der Ukraine (zum Teil arrangiert von GeraldWirth, seit 2001 Künstlerischer Leiter und Präsident der Wiener Sängerknaben). Kapellmeister Stechbereitet die Sängerknaben auch auf Auftritte in der Wiener Staatsoper und der Volksoper oder aufAufführungen von großen Chorwerken vor. Die insgesamt 100 Sängerknaben im Alter zwischen zehnund vierzehn Jahren werden aufgeteilt in vier Chöre – in Schaffhausen sang der Schubert-Chor – undhaben jährlich ca. 300 Auftritte in aller Welt oder sind nach alter Tradition (seit 1498) auch in derWiener Burgkapelle zu hören. Auch wenn so namhafte Komponisten wie Benjamin Britten, Elena Kats-Chernin, Heinz Kratochwil, Balduin Sulzer und Wolfram Wagner Werke für sie geschrieben haben,besteht ihr Kernrepertoire auf Tourneen gewöhnlich aus Motetten und eigenen Arrangements vonWiener Musik.Zum Schluss des Konzerts wurden einige Sänger, die das 14. Lebensjahr erreicht hatten, von ihrem Leiterverbschiedet, ein sympathischer Akt, der dem Publikum sehr gefiel, und dann erklang „Adeste fideles“(Herbei, o ihr Gläub’gen, 18. Jh. Ursprung unklar)…Und natürlich gab es weihnachtliche Zugaben: „Jingle Bells“ und (leider ohne jede meteorologischeEntsprechung) „Leise rieselt der Schnee“!55


Leise zieht das Glück vorüber – hält aber im Stadttheater Fürth inneDie Operettenbühne Wien unter Heinz Hellberg bringt mit„Die Zirkusprinzessin“ die Manege ins Stadttheater Fürthvon Manfred DrescherIn diesem Sommer gastierte die Wiener Operettenbühne, die von Heinz Hellberg souverän und mit vielGespür für den Publikumsgeschmack geführt wird, in Wunsiedel. In diesem Jahr kommt bei mir Bad Ischldazwischen, deswegen war ich sehr erfreut, die Aufführung im wunderschönen neubarocken Theater inFürth erleben zu dürfen. Und um esvorwegzunehmen, es war wieder einErlebnis. Heinz Hellberg weiß, wieman Operette inszeniert und wieman damit dann auch sein Publikumbegeistert. Er will sich nicht selbstverwirklichen mit Inszenierungen,bei denen man keine Handlung mehrnachvollziehen kann, sondern er willnur eins, unterhalten. Und dasgelingt ihm seit vielen Jahren immerwieder ausgezeichnet, so auch heutein Fürth.Er hat eine Reihe neuer Sänger umsich geschart, die auch wiederfrischen Wind in die Aufführungen bringen und er hat mit seiner Frau, Susanne Hellberg (früher SusanneFugger) ein „Vollbluttheaterpferd“ an seiner Seite. Ich bitte Sie auch gleich um Verzeihung für diedespektierliche Anrede, aber sie lebt die Operette und das spürt man bei jeder Note von ihr und beijedem Tanzschritt. Man merkt ganz einfach, dass Sie das Theater liebt – und das Publikum liebt sie. Abererst einmal schön der Reihe nach.Regie führt Heinz Hellberg, der auch für die Bühnenfassung der leider nur sehr selten gespieltenOperette von 1926 zuständig ist. Wunderschön anzusehen auch die farbigen und farbenfrohen Kostümevon Lucya Kerschbaumer und die Choreographie von Enrico Juriano kann ebenfalls voll überzeugen. DieHandlung ist mit ein paar Wortenumrissen. Mister X (ThomasMarkus) ist der Neffe desrussischen Fürsten Palinsky. Erhatte sich unsterblich in Fedora(Judit Bellai) verliebt, die jedochseinen Onkel geheiratet hat und ermusste das Zuhause verlassen.Voll Gram tritt er seitdem miteiner schwarzen Maske alsZirkusreiter Mister X auf, dessenTodessprung die Menge jeden Tagbegeistert, seinen Seelenfriedenfindet er jedoch nicht. In diesemZirkus trifft er wieder auf Fedora, inzwischen die Witwe seines Onkels. Die alte Liebe flammt bei ihmwieder auf, er gibt sich jedoch nicht zu erkennen. Fedora hat inzwischen dem russischen Prinzen SergiusVladimir (Viktor Schilkowsky) wiederholt einen Korb gegeben und ihm höhnisch zugerufen, dass sieeher einen Zirkusreiter als ihn heiraten würde. Der in seiner Ehre tief verletzte Prinz will sich rächen. Er56


engagiert Mister X, in den sich (ohne Maske) Fedora unsterblich verliebt und schließlich in der Manegeheiratet. Nach der Hochzeit lüftet der Prinz das Geheimnis von Mister X, der sich nun aber auch als FürstPedja Palinsky zu erkennen gibt. Fedora, zutiefst enttäuscht ob der Intrige, will aber nun von ihm auchals Fürst nichts mehr wissen und erverlässt sie tief gekränkt undwütend. Doch wir befinden uns ineiner Operette, man trifft sich inWien wieder, versöhnt sich undeinem Happy End steht nichtsmehr entgegen.Selbstverständlich, und auch dasist typisch für die Operette gibt esnoch ein zweites sogenanntesBuffopaar, welches für dieüberwiegend heiteren Seiten desLebens zuständig ist. Derleichtlebige Hotelerbe ToniSchlumberger (Michael Weiland)wird von Prinz Vladimir für den Sohn seines Freundes Erzherzog Karl gehalten (dabei ist er nur der Sohnder Besitzerin des Hotels Erzherzog Karl (Sylvia Denk) und verliebt sich in die vermeidlicheamerikanische Zirkusreiterin Miss Mabel (Susanne Hellberg), die in Wahrheit auch eine echte Wienerinist. Beide heiraten gleich mit Fedora und Mister X in der Zirkusmanege. Nach einigen Kämpfen mitMutter Schlumberger und der Hilfe des liebenswerten Oberkellners Pelikan (Peter Erdelyi) gibt es auchhier ein Happy End.Alle sind zufrieden, nur der Prinz Sergius bleibt allein zurück.Das Orchester spielt sicher und souverän und ist überwiegend ein kongenialer Begleiter derSängerdarsteller. Heinz Hellberg führt es mit lockerer, aber teilweise auch etwas härterer Hand, lässtaber seinen Sängern überwiegend den notwendigen Spielraum und lässt nicht die Orchesterwogen überihnen zusammenschlagen.Gesungen und gespielt wird größtenteils ausgezeichnet. An der Spitze Thomas Markus als Mister X,dessen Tenor kräftig, durchschlagsfähig, aber auch sanft und gefühlvoll ist. Er hat mit den hohen Tönenkeinerlei Probleme und seine „Zwei Märchenaugen“ geben zu spontanem Beifall Anlass. Judit Bellai alsFürstin Fedora ist ihm eine fast ebenbürtige Partnerin. Vor allem in den Duetten kann sie bravourösbestehen. In ihren Solis ist sie mir manchmal etwas zu steif und unnahbar. Über das Buffopaar gibt eskaum etwas zu klagen. Susanne Hellberg, gewohnt souverän, witzig und gut gelaunt und ebenso gut beiStimme, ist eine voll und ganz überzeugende Zirkusreiterin Mabel aus Wien und Michael Weiland gibtals Toni Schlumberger eine gute tänzerische Leistung und kann auch mit seinem Spiel voll überzeugen,sympathisch und engagiert. Stimmlich ist er mir an diesem Abend etwas zu zurückhaltend, fast könnteman sagen „gebremster Schaum“. Zusammen geben aber beide eine rollendeckende Vorstellung.Viktor Schilowsky gibt mit warmen, einfühlsamen Bariton eine überzeugende Darstellung des am Endeunglücklichen Prinz Sergius ab und Teresa Honzek als Piccolo Maxl sowie Mario Penev als Pinelliergänzen die Riege der Sängerdarsteller ohne im geringsten abzufallen. Besonders erwähnen möchte ichnoch Peter Erdelyi als Oberkellner Pelikan, der aus dieser Rolle alles herausholt und darstellerisch seinePointen exzellent zu setzen versteht. Ihm ebenbürtig die resolute Sylvia Denk als Clara Schlumberger,die Besitzerin des Hotels „Erzherzog Karl“. Beide haben das Theaterblut verinnerlicht und bringen dasPublikum mehr als einmal zum herzhaften Lachen.57


Ich muss zugeben, dass ich sehr zufrieden, heiter und die „Zwei Märchenaugen“ vor mich hin pfeifenddas Theater verließ. Was kann man von einem Operettenabend mehr verlangen, den man als vollgelungen bezeichnen kann. Ich freue mich schon auf die nächste Ausführung der WienerOperettenbühne, die dann mit „Das Dreimäderlhaus“ und „Maske in Blau“ gastieren. Ich werde aufjeden Fall wieder als Besucher dabei sein.Besuchte Aufführung: 29. Dez. 2013 der Tourneetheater-Premiere vom Herbst 2013Fotos: 1,2,3 = Claudius Schutte, 4 = VerfasserDie traurige Operette und ein fröhliches Publikum in MeiningenEine Aufführung von „Der Zarewitsch“, die zu Recht viel Beifall hervorriefvon Manfred DrescherWieder einmal fuhr ich mit vielen Freunden mit gemischten Gefühlen nach Meiningen. Mit gemischtenGefühlen, weil ich vor der Abfahrt die Premierenkritik der Aufführung gelesen hatte und die verdammtefast alles in Grund und Boden und lies vor allem kein gutes Haar an den Sängern.58


Ja und da sieht man, dass die Geschmäcker doch sehr unterschiedlich sein können – übrigens waren die50 mitfahrenden Freunde alle von der Aufführung begeistert gewesen, es gab Keinen, der großeKritikpunkte anbringen konnte. Also entweder hatte mein Kritikerkollege einen rabenschwarzen Tag,oder aber er mag die Hauptdarsteller bzw. die Sänger der Aufführung des Meininger Hauses nicht undverteufelt sie deshalb in Grund und Boden. Ich jedenfalls war froh, dass wir – wie so oft – beschwingtaus Meiningen nach Hause fahren konnten, nicht ohne bei einem gepflegten Abendessen dieAufführung noch einmal Revue passieren zu lassen.Der „Zarewitsch“ gehört zu einer der seltenen Exemplare seiner Gattung, bei der am Ende nicht alles inWohlgefallen aufgeht und man walzerbeseligt sich in die jeweiligen Arme fällt. Nein, der Schluss isttraurig, das Liebespaar bekommt sich nicht, der Zarewitsch muss seiner großen einzigen und erstenLiebe entsagen, die Staatsräson und die Übernahme der Kaiserkrone verlangt es von ihm. Die Handlungist schnell erzählt. Der schüchterne, zurückhaltende scheue Zarewitsch Alexej fürchtet sich vor demZauber der Frauen und ergibt sich deshalb in eine erotische Zurückhaltung, die keinerlei weiblichenKontakt zulässt. Da aber eine hochrangige Hochzeit geplant ist und man ein unbescholtenes Bübchennicht in eine zum Scheitern verurteilte Ehe laufen lassen möchte, führt der Großfürst die als Mannverkleidete Tänzerin Sonja dem Zarewitsch zu, um ihn in die Freuden der Liebe einzuführen. DerZarewitsch erkennt das Komplott und will Sonja vom Hof jagen lassen. Die kluge Sonja jedoch kann ihmerklären, dass er seine Ruhe von den höfischen Intriganten hat, wenn diese glauben, dass er mit ihr,einer Frau, zusammen ist. Es kommt, wie es kommen muss, der Zarewitsch verliebt sich in Sonja und willihr zuliebe seine Anwartschaft auf den Thron aufgeben, nur um ihr nah zu sein. Als er fast nicht mehranders kann, flieht er mit Sonja nach Italien und genießt mit ihr, aber auch mit seinem Leibdiener Iwanund dessen Frau Mascha Freuden der Liebe, die für ihn – und davon ist er überzeugt – nie enden sollen.Natürlich werden sie in Italien aufgespürt und eben zu diesem Zeitpunkt stirbt der Zar, der Vater Alexejs.Sonja, die den Zarewitsch von ganzem Herzen liebt, erkennt, dass sie auf ihn verzichten muss, da dasVolk einen Zaren verlangt, der ganz für sein Vaterland aufgeht. Alexej verzichtet der Staatsräson Willenauf seine große Liebe und Sonja bleibt allein zurück. Um diese doch eher recht banale Geschichte hatFranz Lehár eine Fülle wundervoller Melodien geschrieben, man schwelgt und leidet gleichzeitig mit.Und natürlich hat meine Frau die Aufführung wieder mit Tränen in den Augen verlassen – ja dieunerfüllte Liebe ist etwas fürchterlich Trauriges.Der Regisseur Lars Wernecke hat dies alles entsprechend umgesetzt, er macht keine Experimente, erversucht sich nicht selbst zu verwirklichen, er gibt eine grundsolide Darstellung der tragischen Operettewieder. Die Zerrissenheit der Personen wird angerissen, ein ins Detail gehende Herausarbeitenwiderspricht dem Zauber der Operette selbst, da sie von der Komposition immer Operette gebliebenund nicht zum Dramaabgestiegen ist – dies würdeauch den wunderschönenMelodien nicht entsprechen.Aus diesem Grund gefällt mirdie zurückhaltende Art derRegie und auch die Bühne undvor allem auch diewunderschönen farbenprächtigenKostüme vonChristian Rinke könnenüberzeugen. Dies allesschmeichelt dem Auge – unddas ist doch schon sehr viel, wasman von einer Operetteerwarten kann.59


Der Chor ist exzellent einstudiert durch Sierd Quarré und es wird auf der Bühne der Charme der frühenJahre erkennbar. Die Meininger Hofkapelle ist Gott sei Dank – wie so oft - gut aufgelegt und wird mitkraftvoller, aber auch zu zarten lyrischen Passagen fähiger Hand von Sierd Quarré geleitet, der ja auchfür die Choreinstudierung zuständig ist. Er überdeckt seine Sänger nicht mit Klangwogen, sondern lässtihnen den notwendigen Freiraum zur Entfaltung und zum Erblühen der Lehárschen Melodien.Zu den Sängern dieser Aufführung. Stan Meus als Iwan, der quirlige Kammerdiener des Zarewitsch, gibteine gute Buffovorstellung, sein durchschlagkräftiger heller und sicherer Tenor kann überzeugen, auchim Spiel gibt es keinen Ausfall. Dies kann man leider von Ute Dähne als seiner Frau Mascha nichtbehaupten. Zuklein und schwachist ihre Stimme, sieist für mich kaumverständlich undauch vomSpielerischen herist sie der Rolle derMascha dochschon um einigeJahre entwachsen.Schade, denn daswertet die Duettemit ihrem Iwanauch ein bisschenab. Reinhold Bockund Ulrich Kunzegeben eine solideschauspielerische Vorstellung als Großfürst und als Ministerpräsident. Kati Rücker als Gräfin und JuliaGrunwald als Olga fallen nicht sehr groß auf und damit aber auch nicht ab.Und nun zu den beiden Hauptpartien, die mich alle beide überzeugen konnten und die viel zum Erfolgder Aufführung beigetragen haben. Zum Einen ist es Rodrigo Porras Garulo als Zarewitsch, als Alexej.Der in Mexico City geborene Sänger überzeugt durch seine weiche, markante Stimme, die er in hohenLagen auch strahlend, mit baritonalem Hintergrund, einsetzen kann. Er hat mich in der Rolle voll undganz überzeugt, ebenso wie sein Herzog in Rigoletto, den ich vor kurzem hören konnte. Natürlich ist erkein Richard Tauber, aber wer ist das – und es ist außerdem widersinnig einen heutigen modernenSänger zu vergleichen mit einer Sängerpersönlichkeit, von der ich mir nicht sicher bin, ober er in erheutigen Zeit die großen Erfolge wie früher feiern könnte. Mir gefällt die Art und die Weise, wie RodrigoPorras Garulo sich in eine Rolle hineinversetzt und versucht das Beste zu geben. Das ist ihm auch im„Zarewitsch“ wieder gelungen. Sonja Freitag ist seine Sonja und auch sie erblüht etwas zurückhaltend,aber auf jeden Fall rollendeckend. Ihr beweglicher Sopran, der in den Höhen durchaus zu leuchten imStande ist, kann in der Rolle der Sonja durchaus bestehen. Sowohl in den Soli als auch vor allem in denDuetten ergänzen sich beide ausgezeichnet und man leidet mit ihnen mit (vor allem meine Frau), wennsie am Ende in unerfüllter Liebe auseinandergehen müssen.60


Die Fahrt nach Meiningen hat sich für mich und meine Freunde wieder gelohnt und wir freuen unsheute bereits auf den Juni, in welchem ich mir den Meininger „Rigoletto“ zum zweiten Mal ansehendarf. Und natürlich werde ich wieder von meinen Eindrücken berichten. Ich kann jeden, dem sich dieGelegenheit bietet, nur auffordern, einmal nach Meiningen zu fahren und dort zu erleben, wiegespieltes Musiktheater sein kann.Besuchte Aufführung: 16. Feb. 2014 (Premiere: 24. Jan. 2014)Fotos: ed MeiningenEin Märchen für alle Sinne von Ulm nach FürthZauber und Märchen, in Fürth gab es keine gespaltene Meinungvon Manfred DrescherMein Kollege Ludwig Steinbach war in der Premiere von „Hänsel und Gretel“ in Ulm und hatte als Fazitin seiner Rezension angemerkt, dass es eine gelungene Oper für die ganze Familie gewesen und einBesuch dieser Aufführung aus diesem Grund durchaus zu empfehlen sei. Das Märchen – auch für Kinder– aus Ulm machte nun Station in Fürth und ich war sehr gespannt, wie das Publikum im fränkischenFürth reagiert. Auf der einen Seite war die Gesangsbesetzung eine teilweise total andere wie in Ulm,zum anderen reizte es mich zu sehen und zu hören, ob die teilweise konträren Kritiken der Aufführungin Ulm zutreffen würden. Und zum anderen freue ich mich natürlich immer wieder, wenn ich daswunderschöne Fürther Theater besuchen darf.61


Im Gegensatz zur Premiere in Ulm waren in Fürth relativ viele Kinder ins ausverkaufte Hausmitgekommen und auch ihnen hat es sehr gut gefallen. Man konnte dies in den Pausengesprächen undan den aufgeregtenroten Bäckchen ablesen.Für einige – noch sehrkleine Kinder – warnatürlich die „Hexenverbrennung“einbisschen problematischund man kann nurhoffen, dass die Elternsich mit ihren Sprösslingennach derAufführung ausführlichdarüber unterhalten undauseinandergesetzt haben.Das Bühnenbild vonMona Hapke verstand esvorzüglich neuzeitlichesmit märchenhaftem traditionellem zu verbinden um damit eine gelungene Synopse beider zu erhalten.Gelungen auch die Inszenierung von Benjamin Künzel, der versuchte fast jeden Bereich zu bedienen undso auf den Publikumsgeschmack in all seinen Facetten einging, dort natürlich nur, wo es möglich war.Ich möchte vor allem auf die musikalische Seite der Märchenoper eingehen, da sie sich ja, wie ich bereitserwähnte, von der Premierenbesetzung zum Teil erheblich unterschied, die Geschichte dürfte jaallgemein bekannt sein.Das Philharmonische Orchester der Stadt Ulm ist an diesem Tag hervorragend aufgelegt und wird vonDaniel Montané, der für das Theater Ulm ein wahrhafter Glücksfall zu sein scheint, mitleidenschaftlichem Atem geleitet. Er bringt die wunderschöne Musik Humperdincks zum Erblühen,romantisch, weich, zart, trotzdem auch straff und lodernd, wo es erforderlich ist. Die Musik ist auch dasgroße Plus der gesamten Märchenoper mit warmen, an die Herzen gehenden einschmeichelndenMelodien, die jedoch, wenn es nötig wird auch großer sinfonischer Klangesfülle werden können. Ineinem Märchen wird auch gezaubert, diese Musik verzaubert in jedem Fall. Erwähnt sei auch der vonHendrik Haas eindrucksvoll einstudierte Opernchor des Stadttheaters Ulm, der seine Sacheausgezeichnet machte.Bei den Sängern, denen man praktisch allen die Freude ansah, in einer einmal etwas anderen Operaufzutreten, gab es praktisch keinen einzigen Ausfall. Von der Premierenbesetzung blieb einmal Hans-Günther Dotzauer als Hexe. Er hatte das Publikum auf seiner Seite und bot einen schauspielerischsicherlich über dem Durchschnitt liegenden Part. Fast eine Stunde muss der Arme vor der Aufführung indie Maske und über eine halbe Stunde dauert das Abschminken. Doch jede Minute lohnt den Aufwand,so grausig, verschlagen sieht man selten so eine Hexe. Stimmlich fehlen ihm mitunter dieleidenschaftlichen Ausbrüche, dennoch kann er mit seinem ansprechenden Tenor auch hier überzeugen.62


Genauso überzeugen wieMaria Rosendorfsky alsmüllmannspielendes Sand- undTaumännchen. Über dieKostümierung kann mansicherlich lange streiten unddiskutieren, über ihrensauberen, hellen und zarten,aber dennoch durchdringendenSopran gibt es jedoch keineEinschränkungen anzubringen,hier kann sie voll überzeugen.Der Besenbinder war auch inFürth Tomasz Kaluzny, der mitdurchschlagskräftigem, stimmschönemBariton aufhorchenließ und in Eleonora Halbert eine adäquate Partnerin hatte. Die beiden Rollen sind ja nicht sehr groß,müssen aber auch entsprechend angelegt sein und dies waren sie an diesem Abend. Katarzyna Jagiellokonnte als liebreizende Gretel voll überzeugen. Ihr leuchtender, frischer, jugendlicher erblühenderSopran passte hervorragend in die Rolle und auch an der schauspielerischen Gestaltung gab es nichtsauszusetzen. Zu Recht wurde sie mit viel Applaus bedacht. Ein ebensolcher Applaus für ihren Hänsel, dervon Frauke Willimczik (die in der Premiere die Mutter sang) rollendeckend verkörpert wurde. Ihrkräftiger Mezzo verband sich in idealer Weise mit dem Sopran ihrer Gretel. Beide boten auch eineüberaus sympathische Verkörperung ihrer Rollen.Die Aufführung in Fürth hat beeindruckt, die Musik Humperdincks tut es ohnehin. Ich habe kaum einekritische Stimme beim Nachhausgehen gehört. Eine Oper der etwas anderen Art, die man ab und zu mitimmer größerer Lust wieder hört und sieht. Der Abend war gelungen, das Publikum war zufrieden – unddas ist schon mehr als man heutzutage über manche Opernaufführung sagen kann.Besuchte Aufführung: 18. Feb. 2014 (Premiere vom 7. Nov. 2013)Fotos 1 und 2 = Martin Kaufhold, 3 = EigenaufnahmeDie zwei folgenden Rezensionen, mit denen wir den Abschnitt „Gesehen – gehört“ beschließen, sind ausPlatzgründen in den vergangenen Heften nicht veröffentlicht worden: Wir holen dies hier gern nach. Essoll für Sie als Leser gleichzeitig auch eine Einstimmung auf die kommende Jahreszeit sein…63


Bamberg, die Sommer Oper und „Don Giovanni“Begeisterte Zuschauer ergötzen sich an Mozart und dem sängerischen Nachwuchsvon Manfred DrescherBereits zum fünften Mal wurde 2013 in Bamberg die Sommer Oper aufgeführt. Alle zwei Jahre kommenjunge, hoffnungsvolle Nachwuchskräfte nach Bamberg und erarbeiten sich in Workshops eine Oper, diedann in doppelter Besetzung einige Male aufgeführt wird. Bamberg, einst von einer großen Illustriertenals „Traumstadt der Deutschen“ bezeichnet, und ich denke gar nicht daran, hieran zu rütteln, dennBamberg ist ein einziger Traum, auch wenn ich zugebe, dass hier der lokalpatriotische Stolz etwas mitmir durchgeht, ist ein würdiger Austragungsort. Im Bamberger E.T.A.-Hoffmann-Theater, welches vorwenigen Jahren exzellent renoviert wurde, und in dem auch musikalische Gastspiele stattfinden, weilwir leider nur ein Schauspielensemble haben, finden im Zweijahresturnus weitbeachteteOpernaufführungen statt.Ein Workshop junger Nachwuchssänger, unter Anleitung und Einstudierung durch Frau KammersängerinAngelika Kirchschlager, die in einem aufwendigen Ausleseverfahren ausgesucht wurden, und die ausganz Europa kommen, haben gerade einmal vier Wochen Zeit, gemeinsam eine Oper zu erarbeiten undsie danach in zwei unterschiedlichen Ensembles je dreimal zur Aufführung zu bringen. Es ist dabeiäußerst reizvoll, auch die Unterschiede zwischen den beiden Ensembles zu erleben und Bambergbeschert den Aufführungen jeweils ein volles Haus. Und auch in diesem Jahr steht Mozart auf demProgramm mit der nicht gerade leichten Aufführung von „Don Giovanni“. Dieser „Don Giovanni“ hatschon weit erfahrenere Sänger an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gebracht. Vor zwei Jahren war„Die Hochzeit des Figaro“ vielumjubelter Mittelpunkt der Bamberger Sommer Oper. AlleVerantwortlichen hoffen, dass diese einmalige Möglichkeit junge Sänger und Musiker an die Bühneheranzuführen (und viele der ehemaligen Sänger sind heute an großen Häusern engagiert) auch inZukunft erhalten bleiben wird.Die künstlerische undmusikalische Leitungliegt in den bewährtenHänden von Till FabianWeser, der schon zum„Inventar“ der BambergerSommer Opergehört und einausgezeichneter väterlicherBegleiter seinerjungen Truppe ist. Inbeiden von mirbesuchten Aufführungenkonnte er dasOrchester mit strafferHand, die abergenügend Freiraum ließ,sicher und präziseführen. Er nahm das Orchester dort zurück, wo es eventuell Probleme für die Sänger geben könnte. Dasses ein paar kleine Wackler und Aussetzer, überwiegend aus Nervosität gab, ist nicht im Geringsten insGewicht fallend und tat der insgesamt vorzüglichen Orchesterleistung keinerlei Abbruch. Man musseinfach bedenken, dass die jungen Instrumentalkünstler extra für die Sommer Oper zusammengestelltwurden und Ihnen natürlich zwangsläufig die blinde Vertrautheit von lange zusammenspielenden64


Orchestermusikern fehlt. Am Hammerklavier waren jeweils Pablo Garcia-Berlanga und Clemens Mohrsichere und fehlerlose Begleiter bei den Rezitativen.Die Inszenierung erfolgte durch Rainer Lewandowski, und hiermit hatte ich ein paar Probleme.Lewandowski ist ein ausgezeichneter Regisseur, aber aus meiner Sicht nicht unbedingt einausgezeichneter Kenner und Freund musikalischer Aufführungen. Seine Idee, einen Statisten als E.T.A.Hoffmann in einer Loge sitzend und die ganze Aufführung mit den Händen wedelnd undsektglasschwenkend zu verbringen, ist einfach nur störend. Ich persönlich fand dies unpassend und nichtbesonders schlüssig, denn ich hatte den Schwenker die ganze Zeit in den Augenwinkeln, da er sichunmittelbar rechts von mir in der Loge befand. Gute Einfälle, wie etwa der Auftritt des „steinernenGastes“ konnten jedoch nichtverbergen, dass er die Sängermanchmal etwas verlorenagieren ließ. Gerade sie alsNeulinge hätten aber einestärkere, straffere Führungbenötigt und auch verdient,die ihnen mehr Hilfestellungund damit mehr Sicherheitgegeben hätte. DasBühnenbild von Jens Hübnererstreckte sich zu einemgroßen Teil darauf, dass ervor schwarzen Tüchern, dieals Raumteiler dienten,spielen ließ, mitunter dachteman fast an eine konzertanteAufführung. Lediglich das gelungene Bühnenbild des Tanzsaals, aber auch die Szene auf dem Friedhofragten hier heraus, so hätte man sich auch die weiteren Darstellungen auf der Bühne gewünscht.Doch kommen wir nun zu den sängerischen Leistungen und hier konnte man zum größten Teil nurvollstens zufrieden sein. Ich stelle nun jeweils die Sänger vom 9.10. zu denen vom 10.10. gegenüber umeinen gewissen Vergleich haben zu können. Am 9.10. war Florian Bonneau der Don Giovanni und am10.10. war es Jiri Rajnis. Beide boten eine sichere ausgewogene Leistung, beide schlank, dunkelgelocktund darstellerisch sehr gut. Und doch hatte für mich Jiri Rajnis „die Nase vorn“. Stimmlich waren beidemit einem ausdruckstarken Bariton ausgestattet, Rajnis war aber der leidenschaftlichere Darsteller, derauch musikalisch durch geschicktes Agieren aufhorchen ließ und auch eine etwas voluminösere Stimmeaufbieten konnte. Für mich von allen Sängern, die ich an beiden Tagen hören konnte, die weitaus besteLeistung, er wird seinen Weg an den größeren Bühnen mit Sicherheit problemlos machen. Bonneaujedoch wird sich auch durchsetzen können, wenngleich er etwas mehr Ausdauer brauchen dürfte.Giuseppe di Paola war ein vorzüglicher Leporello, mit durchschlagskräftigem, starken und angenehmenBass ließ er aufhorchen und bot insgesamt – auch darstellerisch mit verschlagenem Spielwitz – eineausgezeichnete Leistung. Ihm fast ebenbürtig der spielfreudige Leporello von Kwangmin Seo, er etwaszurückhaltender agierend, aber insgesamt gesehen ebenfalls voll überzeugend. Die Donna Anna vonJulia Makarevich und die Donna Elvira von Jay-Hyunjin Park waren sicher und ausdruckstark, geradeauch in den Koloraturen. Beide jedoch hatten einen leichten Hang zur Schärfe, etwas, was man im Laufeder Zeit aber sicher noch ablegen kann.65


Die Zerlina von Viktoria Kunze hatte natürlich ein Heimspiel, da sie aus Bamberg stammt. Sie hatte, unddies hat nichts mit übersteigertem Patriotismus zu tun, die überzeugendste Darstellung bei den Damen,sowohl vom stimmlichenher, als auch vomdarstellerischen. Siesang die Zerlina sehrberührend und erntetezu Recht starken Beifalldes Publikums. Auch siekann man sich heuteschon auf einergrößeren Bühne gutvorstellen.Die Donna Anna vonValda Wilson, warüberzeugend und boteine ausgezeichneterunde Leistung mitschönem starkem,dennoch kräftigem Sopran. Oksana Pollani hatte Anlaufprobleme und konnte sich erst nach einemgewissen „Einsingen“ auch in ihren Koloraturen sicher und stimmschön präsentieren.Die Zerlina von Ralitsa Ralinova wiederum war eine überzeugende und mit klarer ausdrucksstarkerStimme versehene Zerlina, wenngleich ich – entgegen manchem meiner Rezensionskollegen – die Kronehier an Viktoria Kunze geben würde, da sie die abgerundetere Leistung für mich bot. Insgesamt gesehenwaren aber beide Zerlinen herausragende Vertreterinnen ihres Faches. Der Don Ottavio von HitoshiTamada überzeugte mit klarem, höhensicherem und stimmschönem Tenor, er bot ebenfalls eineausgezeichnete Leistung. Francisco Fernandez-Rueda war ihm fast ebenbürtig. Auch er überzeugte mitStrahlkraft und Feuer und bot ebenfalls eine überzeugende Leistung. Ein großer Pluspunkt war auch derMasetto von Jan Szurgot. Der junge polnische Bass, mit einem Material, welches zu größten HoffnungenAnlass gibt, war eingroßer Pluspunkt derAufführung des 9.10.Wenn er auch nochdarstellerisch etwas mehrzulegen kann, wird ausihm sicher einausgezeichneter Sängerwerden und man wird ihnbald auf einer größerenBühne wiedersehen können.Der Masetto vonHongyu Chan dagegenwar etwas gewöhnungsbedürftig.Da er kein Basssondern ein Bariton ist,der zwar ein sehr schönesStimmmaterial besitzt,aber noch etwas zurückhaltend agiert, konnte er aus meiner Sicht an die Leistung von Jan Szurgot nichtherankommen. Dies ist aber sicher auch der Tatsache zu verdanken, dass ich beide Sänger im Abstand66


von einem Tag gehört habe und dadurch erst dieser Vergleich möglich wurde und man eigentlich auchnicht Äpfel mit Birnen vergleichen kann. Daniel Mauerhofer war der einzige Sänger als Commendatore,der in beiden Versionen der Oper auftrat. Der junge Schweizer Bassist konnte in seiner kleinen Rolleüberzeugen, aber durch die Kürze der Partie keinen allzu bleibenden Eindruck hinterlassen.Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es eine einmalige Leistung und ein außergewöhnlicherKraftakt war, diese zweimal drei Aufführungen in dieser kurzen Zeit einzustudieren und auf die Bühne zubringen. Das Publikum war an beiden Abenden zu Recht restlos begeistert. Bamberg leistet hier mitseinen ganzen Helfern und Mitstreitern etwas Einmaliges in der Opernszene und dies wird auch immermehr von der internationalen Presse wahrgenommen. Leider sind die staatlichen Zuschüsse vonSommer Oper zu Sommer Oper immer etwas geringer und die Finanzierung dadurch immer etwasproblematischer geworden, wobei ein ganz großer Dank an die Stiftungen und Förderer geht, vielePrivatleute haben sich hier auch finanziell stark eingebracht. Es wäre jedoch zu wünschen, dass dieBayerische Staatsregierung dieses außergewöhnliche Ereignis, welches alle zwei Jahre stattfindet,entsprechend bewertet und damit auch ein bisschen mehr zur Finanzierung beiträgt, damit die SommerOper Bamberg eine solide, institutionelle Förderung erfahren kann, wie sie es mit Sicherheit verdient.Die Stadt Bamberg jedenfalls weiß, was sie an der Sommer Oper hat. Der Stadtrat von Bamberg hat am24. Juli 2013 beschlossen, der Sommer Oper Bamberg den Kultur-Förderpreis der Stadt Bamberg 2013 zuverleihen. Der Preis wurde im Rahmen einer Feierstunde im November 2013 im E.T.A.-Hoffmann-Theater verliehen werden. Hierzu ein ganz großer Glückwunsch an die Sommer Oper Bamberg.Besuchte Aufführungen: 9. und am 10. Okt. 2013Fotos: Gerhard Schlötzer, Sommer Oper Bamberg„La Traviata“ verzaubert den Dechsendorfer WeiherKlassik am See erstmals mit einer stürmisch bejubelten Opernaufführungvon Manfred DrescherWarum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah. Dies konnte ich feststellen, als ich eineEinladung zur „La Traviata“ am Dechsendorfer Weiher erhielt. Dechsendorfer Weiher, ja wo ist denndas, fragte ich ungläubig, obwohl dieser gerade einmal knapp 40 km von meinem Wohnort entfernt ist.Der DechsendorferWeiher liegtbei Erlangen undist seit über 10Jahren TreffpunktmusikverliebterMenschen, dieunter dem Begriff„Klassik am See“dort Jahr für Jahrausverkaufte exzellenteKonzerteerleben konnten.Und diesmal imelften Jahr, wagteman es, erstmalseine Oper auf die Bühne zu stellen. Und bis auf ein paar Kleinigkeiten ist das Wagnis voll gelungen.67


Über 4000 Menschen pilgern an denSee, können vor der VorführungGespräche an den vielen kleinenTischchen und Tischen führen,können Kleinigkeiten essen undtrinken, können sich auch imGrünen niederlassen und denBeginn des Abends abwarten. DerWeg zum See, zu Fuß zurückgelegtoder per überfüllten Shuttle-Bussenist bei den Gott sei Dankhochsommerlichen Temperaturenrecht beschwerlich, aber das nimmtman gern in Kauf. Viel Prominenzwandelt zwanglos unter dennormalen Musikfreunden umher, ich erkenne unseren Innenminister Joachim Herrmann, denunglaublich beliebt gebliebenen Ministerpräsidenten a.D. Günter Beckstein, den OB von Erlangen SiggiBalleis und viele, viele mehr.Die Schnaken, vor denen man mich so gewarnthat, und die mich zum Kauf eines Spraysverführten, lassen sich nicht sehen, auch hierGott sei Dank. Ja und nach vielen Häppchenund Schlückchen begibt man sich dann aufseinen Platz. Und hier müssen sich die Machernoch etwas einfallen lassen, wenn Oper am Seekeine Eintagsfliege werden soll. Es gibt in denSitzreihen natürlich keine Erhöhungen, undwenn man nur etwas weiter hinten sitzt, kannman zwar die herrliche Musik hören, dasGeschehen auf der Bühne aber leider nur mehrerahnen. Aber sei’s drum, es ist ja eine halbszenische Aufführung und da ist das nicht ganz so schlimm.Etwas schlimmer ist, dass mitten im Operngeschehen (natürlich gerade in einem romantischenLiebesduett) die Sirenen einesGroßeinsatzes der Feuerwehr fast zehnMinuten über den See heulen, weil einWohnmobil ins Brennen geraten ist undausbrennt. Aber selbst dies kann dieStimmung am See nicht nachhaltig stören.Nach ein paar – erfrischend kurzen –Begrüßungsworten, die sein müssen, weilja auch die Sponsoren im nächsten Jahrwieder eifrig dabei sein sollen, geht es los.Der nicht vorhandene Vorhang öffnet sichfür „La Traviata“.Ljubka Biagoni (die Italienerin leitete auchdas vielumjubelte Jubiläumskonzert desletzten Jahres und hat in der Opernaufführung am See die Regie, die Bühnenausstattung und dieKostüme verantwortlich übernommen) führt das Orchester, welches sich „Sofia Symphonics“ nennt undvon ihr gegründet wurde und aus Musikern aus den besten Orchestern Bulgariens besteht, zur68


Ouvertüre. Daneben tritt auch der gewaltige Chor, der auch schon einmal durch die langen Reihenstapft, des Philharmonischen Chors Nürnberg und des Philharmonischen Chors Herzogenaurach auf.Und Frau Biagoni hat ihr Orchester fest im Griff. Unbeschwert, ja fast luftig und locker, der Situationangepasst, einem lauem Sommerabend gleichend, führt sie das ausgezeichnete Orchester zuSpitzenleistungen. Sie fordert das es mit harter zupackender Hand, nimmt sich aber in denGesangspassagen zurück, um die Sänger nicht zu überdecken und atmet musikalisch mit ihnen. Eineganz tolle Leistung. Und sie hat in Marta Torbidoni als Violetta eine kongeniale Partnerin. Zart, dennochdurchschlagskräftig, aufblühend und ergreifend gestaltet sie die Violetta, man zittert und fühlt mit ihrmit und kann am Schluss der Aufführung sicherlich die eine oder andere Träne nicht unterdrücken. Waskann man schöneres über ein solch musikalisches Ereignis sagen.Ihr Partner Mihail Karaivanov als Alfredo hat einen durchschlagskräftigen, metallischen schönen undwarmen Tenor. Leider scheint er an diesem Abend mit einer leichten Indisposition zu kämpfen, und mankann eigentlich nur erahnen, zu was er im Vollbesitz seiner stimmlichen Kräfte fähig gewesen wäre. DerVioletta ebenbürtig war Anton Kerimitchiev als restlos überzeugender Vater Germont. Er ließ seinherrliches Material voll strömen und überzeugte nicht nur in seinen großen Arien sondern auch in denDuetten – eine wahrlich meisterliche Leistung, die er an diesem Abend hier am Dechsendorfer Weiherbot. Keinen Ausfall gab es bei den sonstigen Besetzungen, sowohl Elisabetta Lombardi als Flora, EmiliyaAtanasova als Annina, als auch Momchil Karaivanon als Gaston, Dobromir Momekov als Barone,Alexander Georgiev Nosikoff als Marchese, Joannes Wiedeke als Dottore, Rainer Ostermeyer als Joseph,Felix Hacker als Commissionär sowie Sascha Betram als Diener gaben ihr Bestes und vervollständigtendas Ensemble stimmig.Langanhaltender Applaus, der sich für eine Freilichtaufführung sehr lange hinzog, gab darüberAufschluss, dass es den über 4000 Besuchern ausgezeichnet gefallen hatte – und als dann noch einfulminantes Feuerwerk über dem See abgebrannt wurde, sah man kein griesgrämiges Gesicht mehr. DasWagnis mit der Oper am See war jedenfalls aus meiner Sicht ein voller Erfolg.Besuchte Aufführung: 31. Juli 2013Fotos: Thomas Langer69


Informationen, Termine, CDs, Nachrichten, letzte Meldungen...Johann-Strauss-Vater Gesamtaufnahme: Alle Folgen erhältlichvon Johannes BöckChristian Pollack und Ernst Märzendorfer dirigierten 25 Folgen. Alle Werke außer Potpourris undWalzer-Girlanden I, II und III aufgenommen und das lange Warten ist zu EndeChristian Pollack (Foto: Marco Polo)Es ist vollbracht! Das Ziel erreicht! Nun können weltweit Liebhaber und Freunde dieser Musikrichtungalle Walzer, Polkas, Märsche und Quadrillen sowie ein paar diverse Konzertstücke von Johann Strauss-Vater auf CD hören. Die in Hongkong ansässige Plattenfirma MARCO POLO gab rechtzeitig vorWeihnachten 2013 die letzte Folge der Gesamtaufnahme der Werke von Johann Strauss Vater heraus.Als Alexander Weinmann die Werksverzeichnisse der Familie Strauss in den 1950er Jahren herausgab,beklagte er in seinem Vorwort zum ersten Band dieser Ausgabe, dass nicht einmal fünf(!) Werke vonJohann Strauss-Vater bekannt sind, obwohl dessen Werke sehr erfolgreich waren. ProfessorMax Schönherr schrieb ebenfalls in den 1950er Jahren zusammen mit dem Wiener Kulturhistoriker KarlReinöhl ein Buch über Johann Strauss Vater, in der die Werke in opuszahl ansteigender Reihenfolge unddie Stationen seiner Reisen penibel festgehalten wurden. Dieses Buch bildete den Grundstein für diemoderne Strauss-Forschung. Parallel dazu nahm Schönherr mit dem Großen Wiener Rundfunkorchesterzirka zwei Drittel der Werke des Begründers der bedeutendsten Musikerfamilie des 19. Jahrhunderts fürdas Archiv des Österreichischen Rundfunks auf.Ebenso machte sich auch Walter Goldschmidt mit dem Wiener Johann-Strauss-Orchester mit derAufnahme von zirka 20 Werken von Johann Strauss Vater verdient. Diese wurden in zahlreichenRadiosendungen des ORF, vor allem in jenen von Herrn Professor Franz Mailer („Im Jahrhundert desWalzers“, „Perpetuum mobile“, „Von Tänzern und Geigern“, „Unter dem Doppeladler“, „Gold undSilber“) sowie in der Reihe „Unter Donner und Blitz“ des aus dem Saarland stammenden ORF-Radiojournalisten Michael Blees den Hörern in eigenen Sendungen präsentiert. Heute verrotten sie zuUnrecht im Archiv des ORF! Der Umgang der österreichischen Sendeanstalt mit diesem hochwertigenKulturgut, um das die Welt Österreich beneidet, ist eine riesengroße Schande für Österreich undEuropa!70


Mit der Darbietung unbekannter Werke von Johann Strauss Vater in Konzerten und Aufnahmen aufTonträgern machten sich die Johann-Strauss-Gesellschaften in Tschechien, Deutschland, Schweden undGroßbritannien verdient.Im Strauss-Jahr 1999 gab Herr Professor Helmut Reichenauer unter seinem Pseudonym Frank Miller,eine Dokumentarbiographie über Johann Strauss Vater heraus. Am Ende dieses Buches äußerte derAutor die Hoffnung, man möge die Werke von Johann Strauss Vater einer tönenden Gesamteinspielungzuführen. Diese Hoffnung erfüllte sich Anfang der 2000er Jahre, als die Dirigenten, die HerrenProf. Christian Pollack und Prof. Ernst Märzendorfer in der Wien-Bibliothek die Werke fanden, sichtetenund für die Gesamteinspielung vorbereiteten und auf nunmehr 25 Folgen insgesamt 268 Werke vonJohann Strauss-Vater erstmals einer breiten Weltöffentlichkeit zugänglich machten.Die Werke wurden anfänglich in Košice, ab der zweiten Folge in der slowakischen Stadt Žilina mit derSlowakischen Sinfonietta mit original nachgebauten Instrumenten aufgenommen. Die Musiker nahmendie Original-Sitzordnung ein, welche Herr Prof. Christian Pollack im Rahmen eines Vortrages anlässlichder ersten „Tanz-Signale“ 2004 zum 200. Geburtstag von Johann Strauss-Vater präsentierte. HerrProfessor Ernst Märzendorfer nahm sechs Folgen (3, 4, 7, 10, 12 und 18) der Johann-Strauss-Edition auf,nach dessen Ableben am 16. Sept. 2009 führte Herr Prof. Christian Pollack diese gewaltigePionierleistung alleine zu Ende.Für diese Leistung erhielt Herr Prof. Pollack am 13. Sept. 2008 in Bad Reichenhall dieEhrenmitgliedschaft der „Deutschen Johann Strauss Gesellschaft“ im Rahmen derenJahreshauptversammlung verliehen und hat durch die Satzungsänderung 2011 damit auch den Status„Beratendes Mitglied des Vorstandes“.Die Texte steuerte von Folge 1 – 9 Herr Prof. Franz Mailer bei, der bei den Gesamtaufnahmen derWerke von Johann-Sohn und Josef Strauss federführend war; erreichte, dass unbekannte Werke derFamilie Strauss und Zeitgenossen im Rahmen des Neujahrskonzertes der Wiener Philharmoniker gespieltwurden; eine 10-bändige Edition der Briefe und Dokumente erstellte sowie die Musik der FamilieStrauss in zahlreichen österreichischen Radiosendungen unter die Leute brachte. Von 1992 – 2005 warer Präsident der Wiener Johann-Strauss-Gesellschaft. Diesem Verein verhalf er zu weltweitem Ansehen.Herr Professor Mailer verschied am 15. Jänner 2010 nach einem erfüllten Leben, vor allem mit derMusik der Familie Strauss, in Waidhofen/Ybbs (Niederösterreich). An ihm hat die Musikwelt Enormesverloren!In den Vereinigten Staaten von Amerika spricht man im Gedenken an die Wegbereiter vom Pioniergeist,der auch in der Strauss-Welt lebt!Von Folge 10 bis Folge 25 beschrieb Herr Dr. Thomas Aigner, der Leiter der Musiksammlung der Wien-Bibliothek und einer der führenden Forscher beim Wiener Institut für Strauss-Forschung, die Werke vonJohann Strauss-Vater in den CD-Beiheften. Auch ihm verdankt die Strauss-Welt viele hochkarätigeForschungsberichte, vor allem über das Thema „Johann Strauss in Rußland“.Die Johann-Strauss-Vater-Edition fördert eindrucksvoll zu Tage, dass der Begründer der berühmtestenMusikerfamilie des 19. Jahrhunderts mehr als „nur“ den Radetzky-Marsch, op. 228, schrieb, wie es einbereits verstorbener Musikologe in seinen Vorträgen und Schriften weismachen wollte.Die Gesamteditionen von Johann Strauss Vater, Johann Strauss Sohn und Josef Strauss leisten einenBeitrag zur Neubewertung des Lebenswerkes und der Verdienste der berühmten Musikerfamilie sowiederen Befreiung von einseitigen und falschen Klischeevorstellungen …Dazu sollte auch das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker beitragen! Einige Werke wurdenbereits gespielt, Vieles wartet noch darauf, im Rahmen des berühmtesten Strauss-Konzertes der Welt71


einer interessierten Weltöffentlichkeit bekannt gemacht zu werden, da hier ein enormer Nachholbedarfbesteht.Lieber Herr Professor Christian POLLACK! Haben Sie den Dank der Liebhaber und Freunde dieserMusikrichtung für Ihr Engagement an diesem gewaltigen Projekt!Hoffentlich werden der Fairness und der Vollständigkeit halber auch alle Werke von Eduard Strauss,dem jüngsten der drei Brüder Strauss, einem tönenden Gesamtwerk zugeführt. Er hätte es sich genausoredlich verdient.Das Programm der Folge 25 lautet wie folgt (es spielt die Slowak Sinfonietta Žilina unter dem DirigentenChristian Pollack):- Die Friedensboten, Walzer, op. 241- Soldatenlieder, Walzer, op. 242- Almacks-Quadrille, op. 243- Jellacic-Marsch, op. 244- Wiener Jubel-Marsch, op. 2<strong>45</strong>- Wiener Stadt-Garde-Marsch, op. 246- Deutsche Jubellaute, Walzer, op. 247- Quadrille ohne Titel, op. 248- Exeter-Polka, op. 249- Radetzky-Bankett-Marsch (Fragment)Kleine Chronik („Kleine Chronik“ ist auch eine Polka schnell, op. 128, von Eduard Strauss) derHerausgaben der einzelnen Folgen:2003 Folgen 1, 2, 3,2004 " 4, 5,2005 " 6, 7,2006 " 8, 9, 10,2007 -2008 " 11, 12,2009 " 13, 14, 15,2010 " 16, 17,2011 " 18, 19, 20,2012 " 21, 22, 23,2013 " 24, 25.Josef Gung’l – Neue CD bei cpo erschienenvon Johannes BöckFast zwei Jahre nach Erscheinen der CD „Sommernachtskonzert bei Hazel Hill 1871“ (im Auftrag derSchwedischen Johann-Strauss-Gesellschaft bei Marco Polo) erscheint bei cpo eine CD mit weiterenunbekannten Werken des „Berliner Strauss“. Die Plattenfirma cpo ist Herausgeber teils unbekannterBühnenwerke der Goldenen und Silbernen Operettenära.72


Josef Gung’l(Foto: http://www.johann-strauss.org.uk/composers-a-m.php?id=176)Josef Gung’l (1809 – 1889) gehört ohne Zweifel zu den begabtesten Tanzmusikkomponisten Europas des19. Jahrhunderts. Sein Wirkungsbereich umfasste u. a. Graz, München, Bad Reichenhall und Berlin.Weite Reisen führten ihn nach St. Petersburg und zur Inauguration des amerikanischen Präsidenten indie USA. Seine letzte Ruhestätte fand er in der Goethe-Stadt Weimar. Der bekannteste Walzer „Träumeauf dem Ozean“, op. 80, wurde bereits mehrmals auf Discs aufgenommen und im Radio den Hörernmehrmals präsentiert.Diese CD enthält folgende sieben Weltersteinspielungen:- Durch Dick und Dünn, Galopp, op. 289- Perpetuum mobile, Burleske, op. 317- Amorettentänze, Walzer, op. 161- Najaden-Quadrille, op. 264 (auch Johann Strauss-Vater schrieb eine „Najaden“-Quadrille, op. 206– Vol. 21 der Gesamtaufnahme)- Berliner Konzerthaus-Polka, op. 269- Siehst Du wohl, Galopp, op. 319- Narren-Galopp, op. 182.Alle anderen Werke auf dieser Platte wurden bereits früher auf Silberscheibe gepresst. Es handelt sichdabei um:- Träume auf dem Ozean, Walzer, op. 80- Elbröschen, Polka, op. 207- Klänge aus der Heimat, Oberländler, op. 31- Franz-Joseph-Marsch, op. 142- Zsambeki-Csardas, op. 163- Eisenbahn-Dampf-Galopp, op. 5- Die Hydropathen, Walzer, op. 149- Gedenke mein, Polka mazurka, op. 24173


Liebhaber und Freunde dieser Musikrichtung verdanken diese Einspielungen Christian Simonis, der sichfür die Aufnahme unbekannter Komponisten auf CD einsetzte (Joseph Hellmesberger, Benjamin Bilseund Richard Eilenberg). Er leitete hier die Nürnberger Symphoniker.Dieser CD ist eine weite Verbreitung, den darin enthaltenen Werken sind viele neue Freunde zuwünschen.Neue CD mit Werken der Familie Strauss erschienen – Schwerpunkt: Eduard Straussvon Johannes BöckIn den Abendstunden des 13. Jan. 2014 verständigte den Autor das ehemalige Vorstandsmitglied der„Deutschen Johann Strauss Gesellschaft“, Herr Werner Abel aus Darmstadt, dass die Neue PhilharmonieWestfalen unter der Leitung von Herrn GMD Heiko Mathias Förster eine neue CD mit Werken derFamilie Strauss herausgab. Der Schwerpunkt liegt diesmal auf Eduard Strauss (1835 – 1916), demjüngsten der Brüder Strauss, der nach wie vor schändlich vernachlässigt wird.Neben den elitären Werken des Bruders Johann (welche auch im Rahmen des Neujahrskonzertes 2014der Wiener Philharmoniker zu hören waren) und des Radetzky-Marsches, op. 228, von Johann Strauss-Vater, beinhaltet diese Platte 7 (!) Werke von Eduard Strauss, davon 3 (!) Weltersteinspielungen:Der Walzer „Fusionen“, op. 74 (in unmittelbarer Nachbarschaft seines bekanntesten Walzers „FescheGeister“, op. 75, und der Schnellpolka „Auf und davon“, op. 73)Die Polka „Still und bewegt“, op. 187 (in Nachbarschaft mit dem Walzer „Feuerfunken“, op. 185, undder Schnellpolka „Hectograph“, op. 186) undDie Schnellpolka „Weit aus!“, op. 81 (umgeben von den Walzern „Doctrinen“, op. 79, „Ehret dieFrauen!“, op. 80, und „Ball-Promessen“, op. 82).74


Von den anderen Werken gibt es bereits verschiedene Aufnahmen:Der ORF verwahrte eine Aufnahme des Walzers „Studentenball-Tänze“, op. 101, mit dem WienerJohann-Strauss-Orchester unter der Leitung von Herrn Prof. Franz Bauer-Theussl. Die Schnellpolka„Luftig und Duftig“, op. 206, wurde bereits mit dem Wiener Johann-Strauss-Orchester unter denDirigenten Franz Bauer-Theussl und Willy Boskovsky für das Rundfunkarchiv aufgenommen und dieseAufnahmen bereits auf CD eingespielt.Die Schnellpolka „Ohne Bremse“, op. 238, erklang im Rahmen des Neujahrskonzertes der WienerPhilharmoniker 1979 unter Willy Boskovsky und 2007 unter Zubin Mehta.Die Polka „Wien über alles“, op. 172, wurde vor Jahren von einem Wiener Schrammelquartett 1 aufTonträger aufgenommen. Diese Polka ist der Namensgeber dieses neu erschienenen Tondokumentes.Von Johann Strauss-Enkel, dem älteren Sohn von Eduard Strauss, wird der „Krönungswalzer“, op. 40,zum zweiten Male auf Silberscheibe gepresst.Der Neuen Philharmonie Westfalen (Sitz in Recklinghausen) ist für dieses Engagement Dank zu sagen.Diese Platte leistet damit einen Beitrag zur Neubewertung des Schaffens des jüngsten der BrüderStrauss und zur Befreiung von einseitigen und falschen Klischeevorstellungen.Der Autor wünscht dieser CD eine weite Verbreitung, den darin enthaltenen Werken von Eduard Straussviele neue Freunde. Der Musikfreund erwartet einen verstärkten Einsatz der Werke von Eduard Straussim Rahmen des Neujahrskonzertes der Wiener Philharmoniker. Des Weiteren ist zu hoffen und zuwünschen, dass Eduards Werke auch einer Gesamtaufnahme zugeführt werden (wie bei Johann StraussVater, Johann und Josef Strauss…).Dem schließen wir uns als Redaktion sehr gern an: Diese CD gehört zum unverzichtbaren Inventar jederStrauss-Audiothek. Bestellungen gern wieder über Werner Abel per Post (Rüdesheimer Str. 28, 64295Darmstadt), per Telefon (06151 / 664 109) oder per Mail (w.l.abel@t-online.de), dem wir erneut für seineorganisatorische Bereitschaft sehr herzlich danken.1 Es handelt sich um das „Nodelman Quartett“. Der dänische Rundfunk (Danmarks Radio) verwahrt eineAufnahme mit den „K & K Philharmonikern“ unter Mathias Georg Kendlinger. Anm. durch d. Red.75


„Veronika, der Lenz ist da!“ und sonst?Es gibt Komponisten, die man mit einem einzigen Werk in Verbindung bringt, das nicht einmal typischfür ihn ist, aber so berühmt geworden ist, dass es jedes Kind kennt. Dies ist auch der Fall desÖsterreichers Walter Jurmann (1903 – 1971) und seiner „Veronika“. Der Medizinstudent wurdeBerufsmusiker und schrieb in der Folge Lieder für Hans Albers, Richard Tauber, Jan Kiepura und die„Comedian Harmonists“, nach seiner Emigration 1933 über Paris nach Hollywood auch Filmmusik(„A Night at the Opera“, „San Francisco“, „The Mutiny on the Bounty“), öfter assistiert von dempolnischen Komponisten Bronislaw Kaper (1902 – 1983).Der lyrische Bariton Erwin Belakowitsch (geb. 1976 in Salzburg), einstiger Solist der WienerSängerknaben, Mitglied des Ulmer und des Meininger Theaters mit breitem Repertoire (Oper, Operette,Lied), hat die CD „Belakowitsch Sings Jurman“ (Orlando, 3628076, Erscheinungsjahr 2013)aufgenommen und zeigt uns gekonnt die ganze Bandbreite des Jurman‘schen Schaffens zwischen Wien,Paris und Hollywood, natürlich auch die berühmte „Veronika“…Lady does not sing the Blues!Eine der großen deutschen Diven, Diana Damrau, hat sich in Herbst 2013 nach der Babypause mit Machtzurückgemeldet. Sie spielte mit Rolando Villazón und der Royal Liverpool Philharmonic unter DavidCharles Abell eine CD mit dem Titel „Forever“ (ERATO 50999 60266620, EMI) ein. Die Sängerin, die miteinem Solorecital (Klavier: Helmut Deutsch) mit unbekannten Liedern von Franz Liszt Plattenpreiseabgeräumt hat, wendet sich diesmal einem ganz anderen Repertoire zu, sie singt nämlich 21 Titel ausOperette, Film und Musical. Sie spricht dabei von einem „Soundtrack der Erinnerungen“ und hat die CDihrem Mann und ihren beiden Söhnen gewidmet.Und so verblüfft sie uns mit „Summertime“ („Porgy and Bess“, Gershwin), „Feed the Birds“ („MaryPoppins“, Sherman), einer Vokalise aus dem Polanski-Film „The Ninth Gate“ (Kilar, nach Rachmaninow),„Höre ich Zigeunergeigen“ („Gräfin Mariza“, Kálmán), singt Eliza Doolittle („My Fair Lady“, Loewe) oderdie Hanna Glawari im Duett mit Rolando Villazóns Danilo in „Lippen schweigen“ („Die lustige Witwe“,Lehár) als wäre es das Leichteste der Welt, was schwer zu bewerkstelligen ist. Sie aber schafft alles, wasdiese musikalische Wundertüte „Forever“ enthält, mit Bravour, ob sie nun Loewe, Künneke, Sondheim,Menken, Bernstein, Kálmán oder Lloyd Webber singt…Strauss-KonzertfantasieDie Marke APR hat vor kurzem eine Doppel-CD des legendären Klavierduos Ethel Bartlett undRae Robertson auf dem Markt gebracht. Sie heißt „Selected Recordings (Ausgewählte Aufnahmen)1927 – 1947“ und enthält eine große Vielfalt klassischer Musik von Bach bis Debussy, darunter Werkevon Arensky, Bax, De Falla, Lecuona und Schumann.Das würde uns nicht weiter interessieren, wäre da nicht zwischendrin eine „Konzertfantasie nachThemen aus ‚Die Fledermaus‘“ (Johann Strauss/I. L. Pavia)! Es macht immer wieder Freude zu sehen, wieBearbeiter des 20. Jahrhunderts die Strauss-Musik gesehen und sie für Klavier bearbeitet haben. Hierhaben wir Gelegenheit, Strauss wieder einmal ganz anders in einer hervorragenden Interpretationzweier großer Pianisten zu hören (APR 6012, 2 CDs, DDD).76


Suppé neu auf dem PlattentellerVon Franz von Suppé sind erschienen:- Requiem (Philharmonischer Chor München, Profile PH I206 1)- Extremum Judicium (Grazer Opernchor, Philharmonische Orchester Graz, Adriano Martinollid’Arcy, CPO 777842-2, 2 CDs).- Franz Lehárs Operette „Das Fürstenkind“ (1909) konnte sich leider trotz herrlicher Musikgenauso wenig im Repertoire halten wie ihre Neufassung „Der Herr der Berge“ (1932). Es istdaher sehr verdienstvoll von der Marke cpo, dass sie eine Aufnahme des „Fürstenkinds“veröffentlicht hat: Es singen u. a. Chen Reiss, Mary Mills, Matthias Klink und Ralf Simon, und derChor des Bayerischen Rundfunks, es spielt das Münchner Rundfunkorchester unter Ulf Schirmer,cpo 7776802, 2 CDs).Stadttheater BadenIm Stadttheater Baden hatte die Operette „Zwei Herzen im Dreivierteltakt“ von Robert Stolz am15. Febr. 2014 Premiere. Das Werk beruht auf dem gleichnamigen Film („Untertitel: „Der verloreneWalzer“, 1930), dessen Musik der Autor darin fast unverändert übernommen hatte und die am30. Sept. 1933 am Zürcher Stadttheater (heute Opernhaus) uraufgeführt wurde. Melodien daraus wieder Slowfox „Auch du wirst mich einmal betrügen“ und der schwungvolle Titelwalzer „Zwei Herzen imDreivierteltakt“ sind Stolz-Evergreens geworden! Das Badener Operettenfestival wiederum bringt diesesJahr zwischen dem 20. Juni und dem 9. Sept. 2014 drei Werke: Lehárs „Giuditta“, Kálmáns„Zirkusprinzessin“ und Andrew Lloyd Webbers „Jesus Christ Super Star“ (www.buehnebaden.at).„The Ohio Light Opera“Während des Sommerfestivals der „Ohio Light Opera“ (14. Juni bis 9. Sept. 2014) kommen folgendeWerke zur Aufführung:„My Fair Lady“ (Loewe, 1968), „Call Me Madam“ (Berlin, 1950), „Die Fledermaus“ (Strauss, 1874), „ThePirates of Penzance“ (Sullivan, 1879) und die drei eher selten gespielten Operetten „Oh Lady! Lady!!“(Kern, 1918, ein Mann zwischen Verlobter und Ex-Freundin, das Lied „Bill“ wurde hier gestrichen undspäter in „Show Boat“, 1928, zum Welthit!), „Dream City“ (Herbert, 1906, ein Farmer träumt von einerWeltstadt auf seinem Grund und Boden) und der darin eingelassene Operetteneinakter „The MagicKnight“ (eine „Lohengrin“-Parodie, Elsa stellt die verhängnisvolle Frage, Lohengrin verlässt sie, sie singtweiter Koloraturen…) sowie Emmerich Kálmáns zweite (sehr vernachlässigte) Operette „Der kleineKönig“ (1912), die von einer Liebesgeschichte einer französischen Sängerin mit dem König von Portugalinspiriert wurde und deren Musik Kálmán in der späten Operette „Kaiserin Josephine“ (UA 18. Jan. 1936,Stadttheater Zürich) wiederverwendete.„Immer nur lächeln,…“Das möchte man sehr gerne bei der Operettenbühne Bremgarten (Schweiz, Aargau), bei der dieVorbereitungen bereits auf Hochtouren laufen für die Aufführungen der Lehár-Operette „Das Land desLächelns“. Nach der letztjährigen „Bajadere“ wird es nun fernöstlich im Theater an der Aare. Wir werdensicher dabei sein und auch zu lächeln versuchen…77


Startschuss für den Neubau der „Staatsoperette Dresden“Erneute „Johann-Strauss-Festivals“ vom 2. bis 11. Mai 2014 und 2. bis 10. Mai 2015 in DresdenVom 2. bis 11. Mai 2014 findet an der „Staatsoperette Dresden“ erneut ein „Johann-Strauss-Festival“statt (wir berichteten in Heft 44). Damit wird eine 2011 begonnene Tradition weiter fortgeführt. Am2. Mai 2015, dem Start des dann 5. Festivals wird es eine besondere Krönung geben: An diesem Tagwird nach Jahrzehnten der Bühnenabstinenz Johann Strauss‘ Werk „Cagliostro in Wien“ in Dresdenseine Premiere haben und damit die Experimentierfreudigkeit des Hauses, die Strauss-Operetten wiederauf die Bühne zu bringen, eindrucksvoll unterstreichen.Dass die Strauss-Liebhaber mit dem Haus mit fiebern, dessen Bestand nach 1990 zeitweise sehr starkgefährdet war, nicht zuletzt auf Grund der baulichen Gegebenheiten, und bereits von Schließungbedroht war, ist allzu verständlich. Das Haus hat sich doch als die „Johann-Strauss-Bühne“ parexcellence einen Namen im gesamten deutschsprachigen Raum und darüber hinaus gemacht. Dass nachnunmehr 10 Jahren kommunalpolitischer Diskussionen endlich ein Neubauvorhaben im Stadtzentrumauf den Weg gebracht wurde, ist zwar aus unserer Sicht verständlich. Die zahllosen Debatten umStandorte (und ob überhaupt!) würden wohl ein eigenes „Neues Leben“ füllen…Erstmalig hatte den Neubau der damalige Dresdner Oberbürgermeister Ingolf Roßberg (heute1. Vorsitzender unserer Gesellschaft) 2003 ins Gespräch gebracht, am 11. Apr. 2014 fand nun dererste Spatenstich für den „Neubau der Staatsoperette Dresden“ auf dem Gelände des ehemaligenKraftwerkes Mitte statt, wobei das „tjg – theater junge generation“ (eines der wenigen nochexistierenden Kinder- und Jugendtheater in Deutschland), als auch das Puppentheater Dresden ebenfallsmit Neubauten profitieren: So dürfte wohl die Verknüpfung von „junger Generation“ und „Operette“ebenfalls noch künstlerisch spannend werden.Für rund 90 Millionen Euro entsteht ein Neubau und das bestehende Maschinenhaus wird umgebautund saniert. Die „Staatsoperette Dresden“ und die Hauptbühne des „tjg theater junge generation“ziehen als jeweils eigenständige Theater in das Erdgeschoss im Neubau ein. Das Puppentheater und dieStudiobühne des „tjg kompakt“ wird im Erdgeschoss des Altbaus der ehemaligen Maschinenhalleangeordnet. Wir denken, dass wir dies konzeptionell noch näher vorstellen können.In den nächsten drei Monaten stehen die ersten vorbereitenden Baumaßnahmen an. Dazu gehören derAushub der Baugrube und der Beginn der Roharbeiten. Im Sommer dieses Jahres erfolgen dann dieGrundsteinlegung und der Beginn der Hochbauarbeiten für den Neubau. Der Abschluss derRohbauarbeiten ist ein Jahr später geplant. Im Anschluss finden die Ausbauarbeiten im Neubau und derMaschinenhalle statt. Im Sommer 2016 ist die Übergabe der Bauwerke geplant, so dass „Theater JungeGeneration“ und Staatsoperette Ende 2016 ihren Betrieb in ihrem neuen Zuhause aufnehmen könnten…In eigener Sache……bleibt uns nunmehr nur als letzter Satz in diesem Heft:Ihnen und Ihren Angehörigeneine wunderschöne Frühlings- und Frühsommerzeit,natürlich mit herrlicher Musik – von Strauss, aber auch von Gung‘l –,das wünscht Ihnen Ihre Redaktion:Manfred Drescher, Jonas Geelhaar, Rudolf Maeder und Dr. Ingolf Roßberg.78


ISSN (Druck) 1438 – 065XISSN (Internet) 2194 – 5527

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