Malte SchumacherDer Deutsche StiftungsTag 2012 in Erfurt – wichtigerImpulsgeber auch für die regionale StiftungslandschaftDer Deutsche StiftungsTag, das alljährliche Jahrestreffendes deutschen Stiftungswesens, fand imJahr 2012 vom 20. bis zum 22. Juni in Erfurt statt,und rund 1.600 angemeldete Besucher verbrachtendrei schöne Tage in der thüringischen Landeshauptstadt.Mit etwas mehr als 200.000 Einwohnern ist dieStadt Erfurt etwas kleiner als Braunschweig, undihre Sehenswürdigkeiten (z.B. Dom, Krämerbrückeund Augustinerkloster) sowie die attraktive Altstadtboten einen großartigen Rahmen für Europasgrößten Stiftungskongress. Der BundesverbandDeutscher Stiftungen präsentierte seinen Mitgliedernund Gästen in über 100 Veranstaltungenunter dem programmatischen Titel »Mitlangem Atem – Stiftungen entwickeln nachhaltigeLösungen« einen überzeugenden Veranstaltungsmix:Vorträge, Diskussionen, Gesprächsrunden undExkursionen zu Stiftungsrelevanten Themen botenden Teilnehmern aus der ganzen Republik intensiveInformations- und Austauschmöglichkeiten.Diese wurden auch von zahlreichen Stiftungsmitarbeiternaus Braunschweig und dem BraunschweigerLand wieder gern wahrgenommen. Stadtund Region Braunschweig können auf eine langeStiftungstradition und eine lebendige Stiftungslandschaftbauen. In der alljährlich vom Bundesverbandveröffentlichten Liste »Top50 – Stiftungsdichte inGroßstädten (über 100.000 Einwohner)« belegt dieStadt Braunschweig aktuell Rang 21, vor deutlichgrößeren Städten wie Düsseldorf, Köln, Berlin undDresden. In dieser Liste sind Potsdam, Jena undDresden (Ränge 35, 39 und 50) die einzigen Städteaus den neuen Bundesländern. Auch über 20 Jahrenach der Wiedervereinigung unterscheidet sich dieStiftungslandschaft im Osten noch deutlich von derim Westen: Thüringen liegt mit sechs im Jahr 2011errichteten Stiftungen am untersten Ende des aktuellenBundesländer-Rankings – zum Vergleich: derErstplatzierte Nordrhein-Westfalen verzeichnete167 Neugründungen. Nun hat Nordrhein-Westfalen(17,8 Millionen) zwar achtmal soviele Einwohner wieThüringen (2,2 Millionen), dies allein aber reicht alsmögliche Ursache für das Stiftungs-Missverhältniszwischen Ost und West nicht aus. Vielmehr wurdedas Stiftungswesen im Osten im 20. Jahrhundertnicht allein von der Nazi-Diktatur sondern zudemvon 40 Jahren DDR-Regime signifikant zurückgeworfen.Anlass genug für den Bundesverband DeutscherStiftungen, die ‚Stiftungspflanze‘ in den neuenBundesländern kontinuierlich zu hegen und zupflegen. Thüringen und Erfurt erwiesen sich alsgroßartige Gastgeber, und der regionale Stiftungsgedankewurde dort über die Realisierung des DeutschenStiftungsTages 2012 erfolgreich verbreitetund stimuliert.Das Nachhaltigkeits-Motto der drei Tage in Erfurtzielte ab auf den »Ewigkeitscharakter« von Stiftungen,der bei gemeinnützigen Stiftungen einwesentliches Merkmal ist. Dr. Wilhelm Krull, der Vorstandsvorsitzendedes Bundesverbandes, und ProfessorDr. Hans Fleisch, Generalsekretär,bezeichnen Stiftungen in diesem Sinne alsGroßartiger Rahmen für den Deutschen StiftungsTag 2012,nicht nur bei Abendveranstaltungen: die Erfurter Innenstadt,hier der Wenigemarkt.Für die Stiftung <strong>Braunschweigischer</strong> Kulturbesitz waren nebenanderen in Erfurt (von links): Renate Ringeln, Simone Teschner,Raphaela Harms und Ulf-Ingo Hoppe.751
»geborene Nachhaltigkeitsakteure«, stehen Stiftungendoch für »dauerhafte Verlässlichkeit, verlässlicheDauerhaftigkeit«. Klassische Förderstiftungenz.B. müssen sich neben der kontinuierlichenAusschüttung ihrer Vermögenserträge in satzungsgemäßeFörderprojekte auch darum kümmern, denrealen Erhalt ihres Stiftungsvermögens sicherzustellen.Diese beiden Kernaufgaben von Stiftungen –Projektförderung und Vermögenserhalt – gestaltensich momentan nicht gerade einfach. Die anhaltendeNiedrigzinsphase sorgt für eher geringeErträge, und die relativ hohe Inflationsrate erschwertden realen Erhalt des Stiftungsvermögens.Was kann man da tun, um seine Stiftung wehrhaftaufzustellen und nachhaltig erfolgreich agieren zulassen? Alle Veranstaltungen gaben darauf Antworten,aus jeweils ganz unterschiedlichen Perspektiven.So war sehr oft von ‚Fundraising‘ dieRede, mit dem sich auch Förderstiftungen zukünftigauseinandersetzen sollten, um zusätzliche Spendeneinzuwerben, die sie in ihre Projektausschüttungengeben können – diese werden dadurch abgesichertoder sogar spürbar erhöht. Viele Stiftungen aberscheuen diesen zusätzlichen Aufwand im Momentnoch und sehen sich nicht als zusätzliche Akteureauf dem ohnehin schon hart umkämpften Spendermarkt.Dort längst zuhause ist die Bürgerstiftung Braunschweig:Im September 2003 mit einem Kapital von157.000 Euro gegründet, beläuft sich das von derBürgerstiftung mittlerweile verwaltete Stiftungskapitalinklusive aller von ihr verwalteten Stiftungen aufüber 7,5 Millionen Euro. Im Jahr 2011 konnten somitmehr als 350.000 Euro in Förderprojekte ausgeschüttetwerden. Dieses bemerkenswerteWachstum ist auf zweierlei zurückzuführen: auf einegute Fundraising-Strategie und auf eine überzeugendetägliche Arbeit – denn erst letztere überzeugtdie Spender immer wieder, die BürgerstiftungUlrich Deissner, Vorstandsvorsitzender der BürgerstiftungBraunschweig.Braunschweig zu bedenken. Ulrich Deissner, Vorstandsvorsitzenderder Bürgerstiftung, kanndeshalb in Erfurt dem anderen Stiftungen auf denNägeln brennenden Fundraising-Thema gelassenbegegnen und eine spezifische Bürgerstiftungs-Veranstaltung besuchen: »(Bürger)Stiftungen alsInstrumente nachhaltiger Stadtentwicklung«. DieseRolle passt zum Wesen der Bürgerstiftung Braunschweig,die als Plattform fungiert für Bürger, diesich aktiv engagieren wollen für die Gestaltungzukunftsfähiger Strukturen ihres unmittelbarenLebensraumes – der Stadt Braunschweig. Die konkreteund nachhaltige Umsetzung beschreibt UlrichDeissner so: »Braunschweiger Bürgerinnen undBürger wollen sich einbringen, sie wollen wahrgenommenwerden, sie wollen an der Gestaltung ihrerZukunft mitwirken – und all‘ dies eben nicht nur derPolitik und der Verwaltung überlassen. Bei uns in derBürgerstiftung kümmern sich Engagierte im Sinneder Nachhaltigkeit z.B. um die Weiterentwicklungund die Transparenz der städtischen Bildungslandschaft«.Ein weiteres Instrument, das besonders in Zeitender schwachen Ertragslage hilfreich sein kann, istdie ‚Kooperation‘. Kleinere Stiftungen, die gute,regionale Projekte fördern, können sich dafür große,überregionale Stiftungs-Partner zur Ko-Finanzierungsuchen. So hat z.B. die Stiftung Mercator(Sitz: Essen) im Jahr 2011 mit einem Volumen von60 Millionen Euro Projekte gefördert, und dieDeutsche Bundesstiftung Umwelt (Sitz: Osnabrück)schüttet jährlich ca. 50 Millionen Euro aus. DerDeutsche StiftungsTag bietet jedes Jahr kleinerenStiftungen die Möglichkeit, Akteure aus den großendeutschen Stiftungen nicht nur als Vortragende zuerleben, sondern diese auch kennenzulernen undauf konkrete Kooperationsmöglichkeiten anzusprechen.Franz Hüsing, Direktor der StiftungZukunft Wald aus Braunschweig, weiß um dieBedeutung fruchtbarer Kooperationen: »Ich habe inErfurt mein Netzwerk wieder wunderbar erweitertund gefestigt. Gerade in Zeiten der Finanzkrisebraucht man starke Stiftungspartner, die Projekteunterstützen und begleiten.«Wie praxisnah einige Formate in Erfurt waren,erlebte Raphaela Harms, in der Stiftung <strong>Braunschweigischer</strong>Kulturbesitz zuständig für Förderungenim Bereich Soziales, Kirche und Denkmalpflege,am Mittwochvormittag bei der Veranstaltung»Rezepte gegen die Folgen von Kinderarmut«.Begeistert fasst sie zusammen: »Dabei ging esinhaltlich in genau dieselbe Richtung, die dieStiftung <strong>Braunschweigischer</strong> Kulturbesitz mit dervon ihr angestoßenen ‚Handlungsorientierten Sozialberichterstattungfür das Braunschweiger Land‘eingeschlagen hat. Da wir im Bereich unserersozialen Förderungen benachteiligte Familien76 2