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Dr. Samuel Simon Boum, Kamerun

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Ein Brief eines ehemaligen EED Stipendiaten<br />

an das Stipendienreferat des EED.<br />

Er zeigt sehr klar, welche Erfahrungndie zurückkehrenden Stipendiatinnen und Stipendiaten machen<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Boum</strong>, <strong>Samuel</strong> <strong>Simon</strong> Februar 2005<br />

<strong>Kamerun</strong><br />

Evangelischer Entwicklungsdienst e.V. (EED)<br />

Referat Stipendien<br />

Betreff: Bericht über meine Aktivitäten und Meldung nach der Rückkehr<br />

Sehr geehrter <strong>Dr</strong>. Ficker,<br />

„Lieber später als nie", sagt ein berühmtes Sprichwort. Ich freue mich jetzt, zehn Monate nach meiner<br />

Rückkehr in <strong>Kamerun</strong>, Ihnen einen Bericht über meine Aktivitäten und das Leben in <strong>Kamerun</strong> zu<br />

schreiben.<br />

Zuerst muss ich erinnern, dass ich am 25. März 2004 wie geplant Deutschland endgültig verlassen<br />

habe. Meine Familie kehrte auch am 10. Juli 2004 zurück. Aber dadurch, dass meine Frau ihr Studium<br />

noch nicht beendet hatte (sie hatte bereits sechs Semester absolviert), haben wir gemeinsam<br />

beschlossen, dass sie zurück nach Deutschland kehren sollte, um dies zu erledigen und eine große<br />

Verschwendung zu vermeiden.<br />

Noch ein Hinweis: Ich bin Beamter des kamerunischen Staates und betreibe meinen Beruf unter<br />

Achtung des Gesetzes und der Reglementierung des öffentlichen Dienstes von diesem Land.<br />

Ich habe mich meinem Arbeitsgeber (ehemaliges Ministerium für Jugend und Sport) am 06. April 2004<br />

wieder zur Verfügung gestellt. Ich habe dann bis Ende August in der Personalabteilung als<br />

ergänzender Mitarbeiter gearbeitet. Seit dem 09. September 2004 und nach Beschluss des Ministers<br />

für Jugend und Sport über neue Arbeitsstellenverteilung arbeite ich als Dozent am Institut National de<br />

la Jeunesse et des Sports (INJS) Yaounde, der pädagogischen Hochschule für Sport,<br />

Freizeitpädagogik und außerschulische Bildungsarbeit mit Jugendlichen und Erwachsenen.<br />

Dieses Institut steht seit der letzten Regierungsumeinrichtung am 08. Dezember 2004 unter<br />

Vormundschaft von zwei Ministerien, nämlich dem Ministerium für Jugend und dem Ministerium für<br />

Sport und Leibesübungen.<br />

Ziel dieses Instituts ist hauptsächlich, Mitarbeiter von beiden Ministerien auszubilden, nämlich<br />

Sportlehrer und -trainer und Erwachsenen- und Freizeitpädagogen. Die Studenten kommen ans INJS<br />

nach Bestehen einer selektiven Aufnahmeprüfung.


Die Ausbildung am INJS besteht aus drei Stufen:<br />

Stufe Abschluss Zugangsvoraussetzung Studiumsdauer<br />

1 Bachelor Abitur <strong>Dr</strong>ei Jahre<br />

2 Diplom/Maitrise Bachelor <strong>Dr</strong>ei Jahre<br />

3 DEA (diplôme d'etudes<br />

approfondies)<br />

Diplom mit mindestens<br />

zwei Jahren Erfahrung<br />

Zwei Jahre<br />

Statistisch gesehen besteht INJS aus 4 permanenten Dozenten, 81 wissenschaftlichen Mitarbeitern,<br />

43 freien Dozenten und wissenschaftlichen Mitarbeitern (vacataires), 8 Sekretärinnen und 16<br />

Angestellten, darunter 2 Krankenschwestern. Das Institut bildet jährlich etwa 230 Absolventen aus.<br />

Meine Tätigkeiten am Institut sind rein akademisch. Es geht darum, Unterricht zu halten und<br />

Studenten wissenschaftlich zu betreuen, die Abschlussarbeiten schreiben. Das Institut leidet unter<br />

einem erheblichen Mangel an Fachkräften. Beispielsweise sind nur 4 permanente Dozenten mit einem<br />

Doktortitel am Institut. Gründe dafür sind unter anderen der niedrige Lohn, der hier bezahlt wird, und<br />

die schlechten Arbeitsbedingungen. Die beamteten Dozenten, die dem Institut zugewiesen sind,<br />

bekommen keine anderen Vergütungen oder Zuschüsse als Hochschulmitarbeiter. Darüber hinaus<br />

leidet das Institut unter erheblichen Mängeln an didaktischen Arbeitsmitteln. Die Bibliothek ist sehr<br />

schlecht ausgerüstet. Dort sind meist nur Monographien bzw. Abschlussarbeiten zu finden. Die<br />

Dozenten sollen selbst und mit eigenen Mitteln ihre Lehrbücher besorgen. Jeder Dozent hat also seine<br />

eigenen Bücher, bewahrt sie sorgfältig und stellt sie den Studenten, die sie oft nicht zurückbringen,<br />

nicht zur Verfügung. In meinem Fall sind alle Bücher in der deutschen Sprache geschrieben. Die<br />

Studenten können sie weder lesen noch verstehen. Ich muss den Unterricht mit diesen Büchern<br />

vorbereiten und in Französisch halten. Das ist ein schwieriger aber auch interessanter geistiger Sport.<br />

Leider (und das ist der Nachteil dabei) können die Studenten den Unterricht durch eigene Lektüre<br />

weder ergänzen noch bereichen, noch Hausarbeiten schreiben. Die pädagogische Beziehung zum<br />

Lehrgegenstand bzw. zum Wissen ist unidirektional und geht vom Dozenten zum Studenten. Der<br />

Dozent ist nicht mehr derjenige, der dem Studenten beim Wissenserwerb hilft oder ihn begleitet. Er ist<br />

derjenige, der Wissen vermittelt. Der Student macht nicht mit, sondern hört nur zu.<br />

Dem Institut fehlen Büros und Lehrerarbeitszimmer. Mir ist beispielsweise noch kein Büro zugewiesen<br />

worden. Als Folge können mich die von mir betreuten Studenten außerhalb der Unterrichtszeit nur<br />

schwer erreichen. Das Institut verfügt über keinen Computerraum, wo die Studenten ihre<br />

Abschlussarbeiten schreiben können. Die Betreuer bekommen deshalb immer noch<br />

handgeschriebene Texte zu korrigieren. Das ist für die Studenten zu viel Arbeit.<br />

Am Institut besteht die Möglichkeit zur Übernahme von Führungsfunktionen, zusätzlich zu meinen<br />

Lehrfunktionen. Die Ernennung auf solche Stellen untersteht aber den beiden Ministern. Ich kann zu<br />

Recht Anspruch haben auf die Besetzung von Führungsstellen sowohl im Ministerium als auch in<br />

anderen internationalen Organisationen, die im Bildungsbereich tätig sind. Dafür bin ich qualifiziert.<br />

Und das habe ich meinem Aufenthalt in Deutschland und dem EED (ehemalige ÖSW) zu verdanken.<br />

Die Reintegration in die Gesellschaft hier ist mit vielen Schwierigkeiten verbunden. Das soll den<br />

Rückkehrenden berichtet werden. Die erste große Schwierigkeit ist, wie in allen Großstädten, eine<br />

passende Wohnung zu finden. Der Staat hat seit langem keine Siedlungen mehr gebaut. Der<br />

Wohnungsmarkt bei Privatleuten ist zu eng und, logische Konsequenz, zu teuer. Wenn man ein neues<br />

Appartement sucht, muss man monatelang warten. Und wenn man eines gefunden hat, muss man mit<br />

einer Vorzahlung von sechs bis zehn Monaten und einer zweimonatigen Kaution rechnen. Das ist<br />

insgesamt eine bis zu zwölfmonatige Vorzahlung.<br />

Darüber hinaus haben die Familienmitglieder und auch Freunde ganz andere Erwartungen an uns.<br />

Und zwar mit dem Glauben, dass alle aus Industrieländern kommenden Leute reich sind, erwarten sie<br />

nämlich von uns, dass wir ihre finanziellen Probleme lösen. Jeder Bedürftige kommt und stellt seinen<br />

Fall vor wie ein Patient beim Arzt. Die meisten Bekannten, die man trifft, beten um Hilfe bzw. um eine<br />

Spende. Dieses Verhalten ist eine Folge der großen Armut, die im Land herrscht. Wir sind also sehr<br />

überfordert. Leider sind die Löhne zu niedrig und wir können sie nicht immer befriedigen, auch nicht<br />

teilweise. Diese Situation kann bis zu zwei Jahren dauern, bis die Leute vergessen haben, dass man<br />

im Ausland war.<br />

Allein aus diesen Gründen findet die Vergabe von Lohnzuschüssen an Rückkehrende ihren Wert.


Man muss auch mit einem gemischten Empfangsgefühl von Neid und Freude von Seiten der Kollegen<br />

und Mitarbeiter rechnen. Der Grund dafür ist, dass wir mehr qualifiziert sind als die Kollegen, und dass<br />

wir logischerweise Anspruch haben auf bessere Stellen als die anderen. Dadurch stellen wir uns als<br />

gefährliche Konkurrenten für diese Kollegen dar. Und das nehmen sie nicht immer gerne an und führt<br />

manchmal zu ernstem Hass. Erfreulicherweise gibt es andere Kollegen, die uns für die neuen<br />

Qualifikationen gratulieren und die den Beitrag schätzen bzw. erkennen, den wir zur Verbesserung der<br />

Wissenschaft und der Leistung am Institut erbringen können. Damit muss man auch rechnen.<br />

Wenn ich genau betrachte, wie wichtig meine Anwesenheit am Institut ist, kann ich sehr stolz sein.<br />

Leider wird diese Wichtigkeit von Seiten der Machtträger nicht so geschätzt und konsequent bewertet.<br />

Deshalb verweigern sich immer mehr Absolventen, zurück zu kehren.<br />

Mit freundlichen Grüßen an alle Mitarbeiter des Stipendienreferats.<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Simon</strong> <strong>Boum</strong>

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