der ist zu schön!“ eine schöne Frau ist“
zu schön!â eine schöne Frau istâ - beschreiber.de
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Beziehungsporträt<br />
„Ich hab ihn ange schaut und gedacht: Der <strong>ist</strong><br />
nichts für mich, <strong>der</strong> <strong>ist</strong><br />
<strong>zu</strong> <strong>schön</strong>!<strong>“</strong><br />
Die Geheimnisvolle und <strong>der</strong><br />
Zauberer: Brigitte Karner und<br />
Peter Simonischek können<br />
einan<strong>der</strong> auch nach 22 Jahren<br />
noch überraschen. Denn die beiden<br />
Schauspieler sind so unterschiedlich,<br />
dass sie erst mühsam lernen<br />
mussten, die Welt mit den Augen<br />
des jeweils an<strong>der</strong>en <strong>zu</strong> sehen<br />
text Nataly Bleuel<br />
Fotos Peter Rigaud<br />
„Ihr war nicht bewusst, dass sie<br />
<strong>eine</strong> <strong>schön</strong>e <strong>Frau</strong> <strong>ist</strong><strong>“</strong><br />
Vielleicht liegt es an s<strong>eine</strong>m grauen<br />
An<strong>zu</strong>g. O<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Dunkelheit in <strong>der</strong> Diele <strong>der</strong><br />
Wiener Altbauwohnung. Jedenfalls, als Peter Simonischek<br />
die Tür öffnet – dieser sehr große, sehr stattliche<br />
Mann mit dem lässig-langen, von Silbersträhnen<br />
durchzogenen Haar, den f<strong>eine</strong>n Gesichtszügen<br />
und <strong>der</strong> Fähigkeit, ein überwältigendes Lächeln über<br />
<strong>schön</strong>er Schwermut aufgehen <strong>zu</strong> lassen –, als dieses<br />
Bild von <strong>eine</strong>m Mann, wie man es aus dem Film<br />
„Hierankl<strong>“</strong>, dem „Tatort<strong>“</strong> und seit Jahrzehnten von<br />
den Bühnen her kennt, hereinbittet, ein paar Schritte<br />
rückwärts gehend, ach . . . da wirkt er fast ein wenig<br />
grau. Nicht silbern. Grau.<br />
Im Wohnzimmer lässt er sich in <strong>eine</strong>n Le<strong>der</strong>sessel<br />
fallen, hinter ihm im Erkerfenster blauer Himmel,<br />
Barockfassaden und <strong>der</strong> Kirchturm des Stephansdoms.<br />
„Ist spät geworden gestern<strong>“</strong>, sagt er. Eröffnung<br />
<strong>der</strong> Picasso-Ausstellung, da gehen die Simonischeks<br />
hin, als „<strong>eine</strong> Art Vorzeigepaar Österreichs<strong>“</strong>, wie<br />
s<strong>eine</strong> <strong>Frau</strong> Brigitte Karner später sagen wird. <br />
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Er erkundigt sich nach Berlin, 20 Jahre hat er dort<br />
gelebt und an <strong>der</strong> Schaubühne gespielt, bis er 1999<br />
ans Burgtheater gerufen wurde und vor vier Jahren<br />
als Je<strong>der</strong>mann <strong>zu</strong> den Salzburger Festspielen.<br />
Wir gehen in den Essraum und setzen uns<br />
an <strong>eine</strong>n langen Tisch. An den Wänden ein Szenenbild<br />
vom „Je<strong>der</strong>mann<strong>“</strong>, <strong>eine</strong> Kostümskizze aus dem<br />
Theater, mo<strong>der</strong>ne Malerei. Das Kin<strong>der</strong>mädchen <strong>der</strong><br />
beiden Söhne hat den Bauernschrank mit Zeitungsausschnitten<br />
voll gehängt: Peter Simonischek mit<br />
Peter Zadek, Simonischek mit Veronica Ferres, mit<br />
Nina Hoss und Tobias Moretti und mit s<strong>eine</strong>r<br />
Familie. „Vielleicht mach’n mer die Bil<strong>der</strong> nicht<br />
davor<strong>“</strong>, sagt er im leichten Wiener Tonfall <strong>zu</strong>m<br />
Fotografen, „des sieht sonst so eitel aus.<strong>“</strong><br />
Im Durchgang <strong>zu</strong>r Küche hängt ein Schwarzweiß-<br />
Poster von Brigitte Karner mit ihrem kl<strong>eine</strong>n Sohn,<br />
es entstand vor etwa vier Jahren. Sie hat darauf<br />
dunkle volle Haare, dunkle große Augen und wirft<br />
lachend den Kopf in den Nacken. Anfang <strong>der</strong> achtziger<br />
Jahre, nachdem sie in <strong>der</strong> Schweiz und in<br />
Deutschland Theater gemacht hatte, spielte sie in<br />
einigen Filmen eigenwillige und sehr erotische<br />
<strong>Frau</strong>en. Danach wurde es still um sie.<br />
Simonischeks Handy klingelt, ein Freund erwartet<br />
ihn <strong>zu</strong>r Einweihung <strong>eine</strong>r Jagdhütte. Er schlägt s<strong>eine</strong>n<br />
Monatsplaner auf, darin kaum ein weißer Fleck.<br />
Theater, Film, Lesungen, Termine. Aber neulich hat<br />
Beide wuchsen auf dem Land<br />
auf, beide sind Schauspieler –<br />
aber vom Temperament her sind<br />
Peter Simonischek und Brigitte<br />
Karner grundverschieden<br />
„Mein Mann <strong>ist</strong><br />
Löwe, er merkt sich<br />
jede Kritik<strong>“</strong><br />
er sich für <strong>eine</strong> Woche <strong>zu</strong>rückgezogen, auf die Hütte<br />
in <strong>der</strong> Steiermark, die ihm sein Vater, ein Zahnarzt,<br />
vermacht hat. Um <strong>zu</strong> schreiben, Geschichten aus<br />
s<strong>eine</strong>r Kindheit und Jugend. Er blättert alte Fotos<br />
auf den Tisch: <strong>eine</strong> Luftaufnahme von Markt Hartmannsdorf,<br />
Peter als kl<strong>eine</strong>r Junge mit Pagenkopf,<br />
die Eltern auf dem Moped. „Ich war ein Frem<strong>der</strong><br />
unter all den Bauernkin<strong>der</strong>n<strong>“</strong>, sagt er, s<strong>eine</strong> Mutter,<br />
<strong>eine</strong> Buchhändlerin, habe ihm „Strumpfhosen angezogen<br />
und Haarspangerln<strong>“</strong>. Auf dem Internat im<br />
Lavanttal konnte er beim Fußball nicht mithalten.<br />
Mit 18 hatte er <strong>eine</strong> Art Erweckungserlebnis: Der<br />
Onkel nahm ihn mit ins Grazer Schauspielhaus, Helmuth<br />
Lohner war Hamlet. „Von da an wollt ich<br />
Schauspieler werden<strong>“</strong>, sagt <strong>der</strong> 60-Jährige, „ich<br />
könnt mir vorstellen, dass ein Priester so von s<strong>eine</strong>r<br />
Berufung spricht.<strong>“</strong> Der Vater hat es verboten. Der<br />
Sohn lernte Zahntechniker, studierte Architektur<br />
– und ging heimlich <strong>zu</strong>r Schauspielschule.<br />
Eine Zimmertür fliegt auf, und Brigitte Karner<br />
kommt herein. Ob wir Wasser wollen, Kaffee? „Du<br />
hättest doch was anbieten können!<strong>“</strong>, ruft sie. „Wir<br />
arbeiten!<strong>“</strong>, sagt er. Sie hat Hefekuchen mit Rosinen<br />
gebacken, <strong>eine</strong>n „Kärntner Reindling<strong>“</strong>. Auch sie<br />
kommt aus <strong>eine</strong>m Dorf, Völkermarkt in Kärnten, da<br />
hatten ihre Eltern <strong>eine</strong>n Tabakkiosk, die Mutter<br />
stammte aus <strong>eine</strong>r Bauernfamilie mit 13 Geschw<strong>ist</strong>ern.<br />
Brigitte Karner wird jetzt öfter aufspringen,<br />
hin- und herlaufen zwischen <strong>der</strong> Espressomaschine<br />
und dem Kin<strong>der</strong>stuhl, auf den sie sich hockt, übereck<br />
<strong>zu</strong> ihrem Mann. Mit angewinkelten B<strong>eine</strong>n,<br />
Brust raus, f<strong>eine</strong>s Dekolleté unter elegantem Blazer.<br />
Sie schüttelt ihre Locken: „Worüber wollen wir sprechen?<strong>“</strong><br />
Über Konkurrenz. Wenn zwei Schauspieler<br />
<strong>eine</strong> Familie haben. Wer kümmert sich um die Kin<strong>der</strong>?<br />
Wer macht Karriere?<br />
Er wird leise. Dafür richtet sie sich auf und<br />
sagt: „Haben wir überhaupt den gleichen Beruf?<strong>“</strong><br />
Das Gespräch wird jetzt grundsätzlicher. Brigitte<br />
Karner wirkt ernst, tief, „so gar nicht österreichisch<strong>“</strong>,<br />
meint ihr Mann. Nicht wie er, ohne diesen charmanten<br />
Schlendrian, kein bisschen huschihuschi.<br />
Nie würde sie mit <strong>eine</strong>m „Des passt schon<strong>“</strong> über<br />
Dinge hinweggehen, die ihr eben nicht passen.<br />
Also fangen wir von vorn an. Ihr Vater war blind.<br />
Bei ihm hat sie sich geborgen gefühlt, unbesehen<br />
geliebt. Einmal, bei <strong>eine</strong>r therapeutischen Familienaufstellung,<br />
wollte sie sich hinter den an<strong>der</strong>en verstecken.<br />
„Das war Wahnsinn, denn mir wurde bewusst,<br />
dass ich mich permanent überwinden muss,<br />
dass ich eigentlich nicht gesehen werden will.<strong>“</strong> Sie<br />
hatte Angst vor Kameras wie an<strong>der</strong>e vorm Zahnarzt,<br />
erzählt er, und dass sie in Flugzeugen manchmal<br />
„Sie zerpflückt<br />
mich auch immer. . .<br />
Sie weiß alles von<br />
mir, alles<strong>“</strong><br />
<strong>eine</strong>n Schleier überwarf, um in <strong>der</strong> Enge nicht panisch<br />
<strong>zu</strong> werden. Und da wird ausgerechnet sie<br />
Schauspielerin? Um die Welt kennen <strong>zu</strong> lernen, um<br />
Menschen <strong>zu</strong> verstehen und, sagt Brigitte Karner:<br />
„Um m<strong>eine</strong> Ängste <strong>zu</strong> überwinden.<strong>“</strong> Sie lacht. Und<br />
gleichzeitig kann es feucht in ihren Augen glitzern.<br />
Sie lernen sich kennen, 22 Jahre <strong>ist</strong> es her,<br />
beim Dreh <strong>zu</strong> „Lenz o<strong>der</strong> die Freiheit<strong>“</strong>. Sie sollen ein<br />
Liebespaar spielen, zwei Sommer hintereinan<strong>der</strong><br />
wird gefilmt. Der charmante Filou und die geheimnisvolle<br />
Tragische. Er <strong>ist</strong> damals verheiratet mit <strong>der</strong><br />
Schauspielerin Charlotte Schwab, mit <strong>der</strong> er <strong>eine</strong>n<br />
zweijährigen Sohn hat, Max. Windeln, Fläschchen,<br />
nachts aufstehen – er hat es überhaupt nicht gepackt<br />
und sagt: „Es war schrecklich, ich hatte <strong>eine</strong>n Schock<br />
vom Kind.<strong>“</strong> Sie hatte sich mit ihrem damaligen Mann<br />
<strong>eine</strong> heile Welt gebaut, nur einmal getrübt durch <strong>eine</strong><br />
Fehlgeburt. Sie wollte k<strong>eine</strong> Liebschaft, außerdem:<br />
„Ich hab Peter angeschaut und gedacht: Der <strong>ist</strong> nichts<br />
für mich, <strong>der</strong> <strong>ist</strong> <strong>zu</strong> <strong>schön</strong>!<strong>“</strong><br />
Er verdreht die Augen und grinst dieses Simonischek-Lächeln.<br />
„Es <strong>ist</strong> ein zweifelhafter Gewinn,<br />
wenn man dauernd hört, wie <strong>schön</strong> man <strong>ist</strong>, es <strong>ist</strong><br />
doof<strong>“</strong>, sagt er, „aber davon gar nichts <strong>zu</strong> wissen <strong>ist</strong><br />
auch problematisch, weil die Menschen <strong>eine</strong>m das<br />
nicht glauben und <strong>eine</strong>n für raffiniert und eitel<br />
halten.<strong>“</strong> Er wendet sich s<strong>eine</strong>r <strong>Frau</strong> <strong>zu</strong>, lächelnd:<br />
„Brigitte war nicht bewusst, dass sie <strong>eine</strong> <strong>schön</strong>e<br />
<strong>Frau</strong> <strong>ist</strong>. Das hatte mit ihrem blinden Vater <strong>zu</strong> tun.<strong>“</strong><br />
Sie nickt. „Ich dachte: Ein Mann, <strong>der</strong> mich liebt,<br />
muss ein Gebrechen haben.<strong>“</strong><br />
Er klatscht in die Hände. „Und du hast 20 Jahre<br />
gebraucht, um den Krüppel in mir <strong>zu</strong> finden.<strong>“</strong><br />
„Ich such immer noch.<strong>“</strong><br />
Er gestikuliert mit den Armen. „Deswegen zerpflückt<br />
sie mich auch immer. Die weiß alles von mir,<br />
alles! Die hat <strong>eine</strong>n Röntgenblick!<strong>“</strong> Er legt jetzt <strong>eine</strong>n<br />
theatralisch-komischen Ton auf. „Mit so <strong>eine</strong>m<br />
Menschen <strong>zu</strong>sammen<strong>zu</strong>leben . . . Ich sag Ihnen: Das<br />
macht man nicht freiwillig!<strong>“</strong> Er lacht.<br />
Sie bleibt ernst. <br />
<br />
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Er kneift die Augenbrauen <strong>zu</strong>sammen und sagt: „In<br />
solchen Momenten hab ich manchmal das Gefühl,<br />
ich möcht mein Ränzlein packen und gehen.<strong>“</strong><br />
Im zweiten Sommer sind sie ein Paar geworden. Er<br />
hat gebaggert, sie versuchte <strong>zu</strong> wi<strong>der</strong>stehen, und<br />
<strong>eine</strong>s Abends sind sie essen gegangen, und sie hat,<br />
<strong>zu</strong>m ersten und letzten Mal in ihrem Leben, ausgerechnet<br />
<strong>eine</strong> Portion Pommes mit Ketchup bestellt.<br />
„Da hab ich mich aufgegeben.<strong>“</strong> Jetzt lacht sie.<br />
Sie leben <strong>zu</strong>sammen in Berlin. Seit 1979 <strong>ist</strong> er dort<br />
an <strong>der</strong> Schaubühne. Sie gehen gemeinsam <strong>zu</strong> <strong>eine</strong>m<br />
Gesprächstherapeuten. Um s<strong>eine</strong> erste Ehe und den<br />
Kindsschock <strong>zu</strong> verarbeiten. Um ihre Unsicherheiten<br />
<strong>zu</strong> überwinden. Und um die Sprache des<br />
an<strong>der</strong>en <strong>zu</strong> verstehen. Der Therapeut sagt, er sehe<br />
bei ihr „sehr viel Leid<strong>“</strong>, und bestätigt Simonischek,<br />
<strong>der</strong> staunte: „Warum muss ein Mensch so leiden für<br />
Dinge, die für an<strong>der</strong>e normal sind?<strong>“</strong> Das Fotografieren,<br />
das Fliegen, das Rampenlicht. Normal für ihn.<br />
Weil er vielleicht <strong>eine</strong>r <strong>ist</strong>, <strong>der</strong> sich das Leben leicht<br />
machen will? Und sie <strong>eine</strong>, die sich überwinden<br />
möchte, es sich nicht so schwer <strong>zu</strong> machen?<br />
Mit 35 wird sie schwanger, obwohl sie geglaubt<br />
hatte, sie könne k<strong>eine</strong> Kin<strong>der</strong> mehr bekommen.<br />
„Ich hätte viele Kin<strong>der</strong> haben können<strong>“</strong>, sagt sie<br />
und meint damit mehrere<br />
Fehlgeburten, die sie erlitt<br />
und bewusst nicht verschweigt.<br />
Brigitte Karner<br />
stört, dass das Thema, das<br />
viele <strong>Frau</strong>en betrifft, tabuisiert<br />
wird. Als sie im vierten<br />
Monat war, wollte Steven<br />
Spielberg sie treffen für <strong>eine</strong><br />
Rolle in „Indiana Jones<strong>“</strong>.<br />
„M<strong>eine</strong> Agentin fand es<br />
furchtbar, dass ich dann<br />
nicht konnte, aber für mich<br />
war es völlig okay.<strong>“</strong><br />
Für den Sohn, Benedikt,<br />
gibt sie das Schauspielern<br />
auf und nimmt die Mutterrolle an. Ihr Mann sollte<br />
nicht nachts aufstehen und Windeln wechseln:<br />
„Weil ich ja wusste, dass deswegen schon mal <strong>eine</strong><br />
Ehe gescheitert war.<strong>“</strong> Das ärgert ihn jetzt. Sie solle<br />
bitte die Kirche im Dorf lassen: Es seien die <strong>Frau</strong>en,<br />
die stillen und fürs Baby da sein müssten. „Ja, aber<strong>“</strong>,<br />
ruft sie und „Ach was!<strong>“</strong>, und dann schweigt sie.<br />
Mit 44 bekam sie noch <strong>eine</strong>n Sohn, Kaspar,<br />
obwohl sie es kaum mehr <strong>zu</strong> hoffen gewagt hatte.<br />
Hin und wie<strong>der</strong> nimmt sie danach wie<strong>der</strong> kl<strong>eine</strong><br />
Rollen an. Es fällt ihr schwer. „Solange ich Mutter<br />
und Hausfrau bin, kann ich im Beruf nicht so gut<br />
sein<strong>“</strong>, sagt die heute 53-Jährige. Sie lernt Texte beim<br />
Kochen und Backen. Ist nervös vor Auftritten, muss<br />
wie<strong>der</strong> ihre Angst bezwingen. Simonischek dagegen<br />
blüht im Spiel auf, er <strong>ist</strong> routiniert.<br />
„Ich hab<br />
zwei tolle<br />
Kin<strong>der</strong>, ich bin dankbar<br />
für alles<strong>“</strong><br />
„Seit bald 40 Jahren, seit m<strong>eine</strong>m 22. Lebensjahr,<br />
habe ich ohne <strong>eine</strong>n Monat Unterbrechung am<br />
Theater gearbeitet, ich kann das: In <strong>der</strong> Kantine<br />
sitzen, Tee trinken, und wenn es schellt, spring ich<br />
auf, geh in die Maske, auf die Bühne und bin Je<strong>der</strong>mann.<strong>“</strong><br />
Und während er das sagt, führt er die Tasse<br />
<strong>zu</strong>m Mund, stellt sie ab, springt auf, geht <strong>eine</strong>n<br />
Schritt – und natürlich folgt man s<strong>eine</strong>m Blick, weil<br />
man glaubt, da hinten, im Wohnzimmer, stünden <strong>der</strong><br />
Tod und <strong>der</strong> Teufel. Er <strong>ist</strong> ein Zauberer.<br />
Manchmal ging es ihr nicht gut, erzählt Brigitte<br />
Karner: „Dann dachte ich: Du hast all d<strong>eine</strong> Talente<br />
hintangestellt und b<strong>ist</strong> am Herd geblieben.<strong>“</strong> Aber<br />
wenn man sie direkt fragt, ob sie erreicht hat, was<br />
sie wollte, antwortet sie, ohne <strong>zu</strong> zögern: „Hun<strong>der</strong>t<br />
Prozent, ich hab zwei ganz tolle Kin<strong>der</strong>, ich bin<br />
richtig glücklich und dankbar für alles.<strong>“</strong><br />
Peter Simonischek <strong>ist</strong> immer Schauspieler. Auch<br />
wenn er nicht auf <strong>der</strong> Bühne steht. Doch das heißt<br />
nicht, dass er k<strong>eine</strong> Zweifel hat. „Ich bin jemand, <strong>der</strong><br />
kann sich in die Ecke setzen und sich vorhalten, was<br />
er alles nicht geschafft hat.<strong>“</strong> Einmal hatte er <strong>eine</strong>n<br />
Traum. Es war in <strong>der</strong> Nacht, nachdem er von <strong>der</strong><br />
österreichischen Botschaft das Ehrenkreuz für Wissenschaft<br />
und Kunst bekommen hatte. „Ich kam in<br />
den Himmel, und da saß mein<br />
Vater, <strong>der</strong> Vater, <strong>der</strong> liebe Gott. Ich<br />
sag: Und – b<strong>ist</strong>e stolz auf mich?<strong>“</strong><br />
Und sein Vater schweigt und öffnet<br />
ein Schränkchen, und es <strong>ist</strong><br />
voll mit Orden.<br />
Simonischek möchte nicht, dass<br />
die Geschichte eitel wirkt. Eitelkeit<br />
wirft ihm s<strong>eine</strong> <strong>Frau</strong> oft genug<br />
vor. „Es kränkt mich, dass sie<br />
nicht sieht, dass depressive Stimmungen<br />
m<strong>eine</strong> Art sind. Und ich<br />
hab ja auch was geschafft.<strong>“</strong> – „Ja<br />
aber natürlich!<strong>“</strong>, ruft sie.<br />
An jedes ihrer nächtlichen Gespräche<br />
<strong>der</strong> letzten 20 Jahre könne<br />
er sich erinnern wie an<strong>der</strong>e an den Kennedy-<br />
Mord, sagt er. Und erzählt <strong>eine</strong> Geschichte von<br />
„damals, als du nach <strong>der</strong> Probe <strong>zu</strong> mir gesagt hast,<br />
ich sei auf die Bühne getreten und nicht präsent gewesen<br />
. . . <strong>“</strong>. Brigitte Karner schlägt mit <strong>der</strong> Hand auf<br />
den Tisch: „Das vergisst er NIE! Mein Mann <strong>ist</strong><br />
Löwe, er merkt sich jede Kritik.<strong>“</strong><br />
Und als s<strong>eine</strong> <strong>Frau</strong> nach 15 Jahren <strong>zu</strong>m ersten Mal<br />
wie<strong>der</strong> Theater spielte, die Gina Ekdal in Ibsens<br />
„Wildente<strong>“</strong>, am Theater in <strong>der</strong> Josefstadt – wie war<br />
das? „Großartig war sie<strong>“</strong>, sagt Simonischek und<br />
lehnt sich <strong>zu</strong>rück wie ein Genießer. Und dass auch<br />
viele an<strong>der</strong>e das gesehen hätten, denn anschließend<br />
wurde sie für den österreichischen Theaterpreis<br />
nominiert. „Eine ideale Rolle<strong>“</strong>, sagt sie, „weil ich <strong>eine</strong><br />
Hausfrau und Mutter geben musste.<strong>“</strong> – Er: „Ich hab<br />
nie auch nur <strong>eine</strong>n Moment<br />
bezweifelt, dass sie <strong>eine</strong><br />
Schauspielerin <strong>ist</strong>.<strong>“</strong> – „Ich<br />
schon<strong>“</strong>, sagt Brigitte Karner.<br />
Ohne <strong>zu</strong> lachen.<br />
Es klingelt. Eine Freundin,<br />
<strong>eine</strong> Boutiquebesitzerin, sie<br />
schenkt Simonischek <strong>eine</strong>n<br />
An<strong>zu</strong>g, den er <strong>zu</strong>r Einweihung<br />
<strong>der</strong> Jagdhütte des<br />
Freundes anziehen kann.<br />
Rasch näht sie Knöpfe mit<br />
Hirschgeweihen auf den<br />
Zweiteiler. Dann steht er<br />
darin in <strong>der</strong> Mitte des Raums,<br />
steckt sich ein Edelweißtücherl in die Jacketttasche,<br />
lächelt – und plötzlich sieht er aus, wie man ihn <strong>zu</strong><br />
kennen glaubt: ein stattlicher <strong>schön</strong>er Mann mit<br />
charmanter Schwermut und überwältigendem Lächeln.<br />
In s<strong>eine</strong>m Element. Er hat <strong>eine</strong>n Auftritt. Er<br />
<strong>ist</strong> ganz da. Er geht auf die Welt <strong>zu</strong>. Und ab.<br />
Brigitte Karner setzt sich wie<strong>der</strong> an den Tisch. Ob<br />
sie ihn um s<strong>eine</strong> Leichtigkeit beneidet? „Nein<strong>“</strong>, sagt<br />
sie, „ich hab mich nur manchmal geärgert, dass er<br />
verdrängt, wie es mir geht.<strong>“</strong> Als sie darunter litt, dass<br />
sie nicht vorkam als Schauspielerin. „Auf den Fotos<br />
„Seit bald 40 Jahren<br />
bin ich ohne<br />
Pause am Theater<strong>“</strong><br />
1/2 quer unten<br />
in den Zeitungen kann man<br />
das sogar sehen<strong>“</strong>, sagt sie<br />
und zeigt auf den Küchenschrank,<br />
„da lehn ich immer<br />
den Kopf an ihn.<strong>“</strong><br />
Sie wird jetzt ein<br />
Hendl für den Abend backen.<br />
Ihre Söhne kommen<br />
aus dem Internat nach<br />
Haus, sie vermisst sie. Der<br />
neunjährige Kaspar <strong>ist</strong> vor<br />
ein paar Wochen <strong>zu</strong> den<br />
Wiener Sängerknaben gekommen<br />
und Benedikt gerade<br />
18 geworden. Sie hat<br />
jetzt wie<strong>der</strong> mehr Zeit für ihren Beruf. Möchte noch<br />
mehr ausprobieren, was sie mit ihrer Stimme machen<br />
kann. „Und ich hab so ein Glück<strong>“</strong>, sagt sie. Es<br />
kommen wie<strong>der</strong> Angebote. Sie spielt <strong>eine</strong> kl<strong>eine</strong><br />
Rolle in <strong>eine</strong>m deutschen Krimi, und sie entwickelt<br />
selbst etwas, liest neben <strong>eine</strong>r Schlagzeugerin Texte<br />
<strong>der</strong> Dichterin Chr<strong>ist</strong>ine Lavant.<br />
Es <strong>ist</strong> alles wun<strong>der</strong>bar, so wie es gelaufen <strong>ist</strong>, sagt sie.<br />
Und dann: „In ihm hab ich jemanden gefunden, <strong>der</strong><br />
wun<strong>der</strong>barerweise das fortsetzt, was ich immer<br />
wollte. Auch witzig, o<strong>der</strong>?<strong>“</strong> Und sie lacht. <br />
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