Benjamin Hasselhorn Johannes Haller
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<strong>Benjamin</strong> <strong>Hasselhorn</strong>, <strong>Johannes</strong> <strong>Haller</strong><br />
I. Einleitung<br />
Die Biographie <strong>Johannes</strong> <strong>Haller</strong>s ist ein Desiderat der Geschichtsforschung, das<br />
nahezu von jedem, der sich in den vergangenen Jahren wissenschaftlich mit <strong>Haller</strong><br />
befasst hat, als solches benannt wird.1 Dennoch kann man über die Notwendigkeit<br />
einer <strong>Haller</strong>-Biographie geteilter Auffassung sein, je nach dem, für wie<br />
relevant man erstens die Person <strong>Haller</strong>s und zweitens biographische Forschung<br />
überhaupt hält. Der Name <strong>Haller</strong>s ist selbst innerhalb der deutschen Geschichtswissenschaft<br />
weitgehend vergessen, seine wenigen Schüler sind längst verstorben,<br />
seine Werke werden kaum mehr gelesen. Die Nachwirkung, die <strong>Haller</strong> immerhin<br />
noch bis 1965 gehabt hat – als anlässlich seines 100. Geburtstags eine Jubiläumsausgabe<br />
seines großen Alterswerks, des »Papsttums« erschien2 – ist mittlerweile<br />
vollständig abgerissen; seit Ende der 1960er Jahre tauchte <strong>Haller</strong>s Name<br />
in der Forschung wenn überhaupt, dann nur noch im Zusammenhang jener<br />
»Ideologie des deutschen Weges« auf, die man zur Erklärung für den Erfolg des<br />
Nationalsozialismus untersuchte.3<br />
Auch <strong>Haller</strong> selbst hätte den Nutzen einer biographischen Studie über ihn<br />
vermutlich nicht eingesehen. Darauf lassen zumindest die ersten Sätze seiner<br />
1960 teilweise publizierten Lebenserinnerungen schließen. Darin begründet er<br />
den vollständigen Verzicht auf die Offenlegung seiner »wissenschaftlichen Entwicklung«<br />
damit, dass das Zustandekommen seiner Arbeiten niemanden, nicht<br />
einmal ihn selbst interessiere.4 <strong>Haller</strong> bekräftigt seine Auffassung mit einem Zitat<br />
des von ihm verehrten Johann Wolfgang von Goethe: »Was ist denn von dem<br />
Leben eines deutschen Gelehrten zu berichten, selbst wenn es 80 Jahre währt?«5<br />
Für Gelehrtenbiographien hatte <strong>Haller</strong> also offenbar nichts übrig.<br />
1 Müller, Der bewunderte Erbfeind, S. 273, Anm. 8; Kaudelka, <strong>Johannes</strong> <strong>Haller</strong>, S. 178,<br />
Anm. 1; Krumm, Johan Huizinga, S. 171; Kraus, Deux peuples, S. 271, Anm. 17.<br />
2 Vgl. dazu Kapitel X.<br />
3 Vgl. dazu vor allem Faulenbach, Ideologie des deutschen Weges, mit Bezug auf <strong>Haller</strong> bes.<br />
S. 28–61, S. 92–96, S. 189, S. 198, S. 228, S. 245–247 und S. 287. Vgl. außerdem Werner, Das<br />
NS-Geschichtsbild; Schönwälder, Historiker und Politik; Wolf, Litteris et Patriae. Ältere<br />
Literatur über das Leben und Werk <strong>Haller</strong>s existiert nur in Form von Nachrufen: Dannenbauer,<br />
<strong>Johannes</strong> <strong>Haller</strong>. 16. Oktober 1865 – 24. Dezember 1947; Wittram, Erinnerung an<br />
<strong>Johannes</strong> <strong>Haller</strong>; Ernst, <strong>Johannes</strong> <strong>Haller</strong>; Günter, <strong>Johannes</strong> <strong>Haller</strong>. Vgl. auch die weiteren<br />
Nachrufe, unter anderem von Erich Wittenburg und Eugen Neuscheler, in: UAT 305/31.<br />
Eine Auflistung der Nachrufe bietet zudem Gundel, Die Geschichtswissenschaft an der<br />
Universität Gießen, S. 250, Anm. 35. Bei Gundel, <strong>Johannes</strong> <strong>Haller</strong>, handelt es sich um eine<br />
kommentierte Edition von Briefen <strong>Haller</strong>s aus seiner Gießener Zeit.<br />
4 <strong>Haller</strong>, Lebenserinnerungen, S. 9.<br />
5 Zit. nach ebd., S. 9. <strong>Haller</strong> zitierte Goethe regelmäßig und aus dem Gedächtnis, daher<br />
auch nicht immer ganz wortgetreu. Vermutlich bezieht <strong>Haller</strong> sich auf Goethes Gespräch<br />
mit Johann Peter Eckermann vom 27. Januar 1824: »Und dann, das Leben eines deutschen<br />
© 2015, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen<br />
ISBN Print: 9783525360842 — ISBN E-Book: 9783647360843