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„Ein Produkt seiner Mitglie<strong>de</strong>r“<br />
TSV: Zur 125-Jahr-Feier erhält <strong>de</strong>r Turn- und Sportverein Lob von allen Seiten – Neue Heimat für viele Menschen<br />
RAUNHEIM. Dass es sich bei <strong>de</strong>m Verein um einen Sportverein han<strong>de</strong>lt, symbolisierten die Pokale<br />
auf <strong>de</strong>n hübsch <strong>de</strong>korierten Tischen. Unzählige solcher Pokale stehen zwischen Kerzenhaltern,<br />
Blumengestecken, Flaschen und Gläsern: Pokale, die <strong>de</strong>r Turn- und Sportverein (TSV) im Laufe<br />
seiner 125-jährigen Geschichte gesammelt hat.<br />
Eine nette I<strong>de</strong>e zum richtigen Anlass. Am Samstag feierte <strong>de</strong>r größte Raunheimer Sportverein sein<br />
Jubiläum. 200 gela<strong>de</strong>ne Gäste kamen in die Heinrich-Press-Halle. Über drei Stun<strong>de</strong>n hörten sie sich<br />
Grußworte und Lobpreisungen an, erlebten Vereinsgeschichte in einer Bil<strong>de</strong>rschau, blickten mit einen<br />
Film in die Abteilungen, sahen einen hinreißen<strong>de</strong>n – allerdings in <strong>de</strong>r Kampagne <strong>de</strong>s Carneval Club<br />
Raunheim bereits aufgeführten – Tanz <strong>de</strong>s Hof- und Teenagerballetts und griffen beherzt am reichlich<br />
bestückten Büfett zu.<br />
Die Zeitreise in die Vereinsgeschichte unternahm Vorsitzen<strong>de</strong> Gertrud Ben<strong>de</strong>r – in <strong>de</strong>r Laudatio von<br />
CCR-Ehrensitzungspräsi<strong>de</strong>nt Willi Wirth liebevoll als Turnmutter Ben<strong>de</strong>r bezeichnet – höchstselbst.<br />
Es sei ihr schwer gefallen, alle Ereignisse in einen Vortrag von knapp 30 Minuten zu packen. Es<br />
gelang ihr <strong>de</strong>nnoch Geschichten über Menschen zu erzählen, „die diesen Verein geprägt haben, <strong>de</strong>nn<br />
ein Verein ist ein Produkt seiner Mitglie<strong>de</strong>r“. Zu dieser bereits fortgeschrittenen Stun<strong>de</strong> war Gertrud<br />
Ben<strong>de</strong>r mittlerweile aufgetaut. Zu Beginn <strong>de</strong>r aka<strong>de</strong>mischen Feier betrat sie die Bühne noch etwas<br />
schüchtern und wur<strong>de</strong> von einem „erfahrenen Mann“ (Ben<strong>de</strong>r), <strong>de</strong>r sich selbst als „ihr Zettelhalter“<br />
(Angelo Pellilli) bezeichnete, an die Seite genommen.<br />
Der erste Redner in <strong>de</strong>r Reihe war Heinz Zielinski, leiten<strong>de</strong>r Ministerialrat <strong>de</strong>s Hessischen<br />
Ministeriums <strong>de</strong>s Inneren und für Sport. Er entführte zunächst in das Gründungsjahr. Das Jahr 1882<br />
falle in einen Zeitraum <strong>de</strong>r Verän<strong>de</strong>rung von <strong>de</strong>r Agrar- zur Industriegesellschaft. Der Sport sei damals<br />
im Entstehen gewesen und habe Aufbruch symbolisiert.<br />
Die mo<strong>de</strong>rne Entwicklung <strong>de</strong>s TSV habe nach <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Zweiten Weltkrieges ihren Anfang<br />
genommen. Damals betrug die Mitglie<strong>de</strong>rzahl ein Zehntel <strong>de</strong>s heutigen Stan<strong>de</strong>s. Heute gehörten<br />
mehr Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche als Erwachsene <strong>de</strong>m TSV an und Zielinski spannte <strong>de</strong>n Bogen zu<br />
seiner Kernaussage. Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche seien das zentrale Element, das <strong>de</strong>n Sport auszeichne.<br />
Vereine sind ohne ehrenamtliche Leitung freilich schwer zu führen. Angesichts <strong>de</strong>s <strong>de</strong>mographischen<br />
Wan<strong>de</strong>ls bedürfe es einer verstärkten Anstrengung, um Menschen für das Amt gewinnen zu können.<br />
Auch Bürgermeister Thomas Jühe griff das Stichwort Jugend auf. Die Stadt konzentriere ihre<br />
Vereinsför<strong>de</strong>rung auf die Kin<strong>de</strong>r- und Jugendarbeit <strong>de</strong>r Vereine. „Da kommt <strong>de</strong>r TSV am Besten weg“,<br />
weil viele Eltern aber auch Großeltern von <strong>de</strong>r Leistung <strong>de</strong>s TSV überzeugt seien. Weil die Stadt<br />
finanziell besser aufgestellt sei, als vor ein paar Jahren, wer<strong>de</strong> die För<strong>de</strong>rung für das kommen<strong>de</strong> Jahr<br />
vorsichtig angepasst.<br />
Heimat war das an<strong>de</strong>re Thema in Jühes Re<strong>de</strong>. In <strong>de</strong>r Gründungszeit <strong>de</strong>s TSV seien Sport und Natur<br />
ent<strong>de</strong>ckt wor<strong>de</strong>n. Heimat und Natur seien wichtige Motive gewesen. „Das Motiv Heimat ist auch für<br />
<strong>de</strong>n TSV ganz wesentlich für seine Geschichte.“ Viele Menschen, die ihre Heimat verloren haben und<br />
nach Raunheim gekommen sind, brauchten Hilfestellung, um sich wie zu Hause fühlen zu können.<br />
Der TSV sei immer offen für neue Mitglie<strong>de</strong>r gewesen.<br />
Dieser Aspekt spiele auch heute eine wesentliche Rolle. „Wir haben viele Menschen, für die<br />
Raunheim eine neue Heimat gewor<strong>de</strong>n ist o<strong>de</strong>r es wer<strong>de</strong>n soll.“ Im einzigen Showteil <strong>de</strong>s Abends<br />
präsentierte das Hof- und Teenagerballett <strong>de</strong>s CCR einen tänzerischen Wettstreit zwischen<br />
Hollywood und Bollywood.<br />
„Wachstum aus eigener Kraft“<br />
Laudatio: Willi Wirth blickt mit einer launige Re<strong>de</strong> in die Vereinsgeschichte – Dank an Frie<strong>de</strong>nsstifter Heinrich Press<br />
Rüdiger Koslowski<br />
5.3.2007<br />
RAUNHEIM. Am En<strong>de</strong> baten die Gäste um Zugabe. Willi Wirths Laudatio war ein Meisterwerk aus<br />
Witz, Charme und Lob. Dabei plagte ihn eine Erkältung und eigentlich besuchte er die aka<strong>de</strong>mische<br />
Feier <strong>de</strong>s TSV nur, weil eben er als Laudator auserkoren war. Willi Wirth: 1942 in Raunheim geboren,<br />
999. Vereinsmitglied, Mitbegrün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Boule-Abteilung, elf Jahre Sitzungspräsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s Carneval<br />
Club Raunheim und heutiger Ehrensitzungspräsi<strong>de</strong>nt.
Frisch, fromm, fröhlich und frei – so seien die Grün<strong>de</strong>r angetreten. Fromm? Damals habe sogar <strong>de</strong>r<br />
Herrgott noch mitgemischt und heute glaube so mancher, selbst <strong>de</strong>r Herrgott zu sein, so Wirth in<br />
bester Fastnachtsmanier. Als <strong>de</strong>r Verein 1882 gegrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>, hielt die bäuerliche Bevölkerung <strong>de</strong>n<br />
Turnsport für unnützes Zeug. „Raunheim regte sich auf, wie bei allen Neuen, das hat sich bis heute<br />
nicht geän<strong>de</strong>rt“, bei diesen Worten applaudierte Bürgermeister Thomas Jühe freilich gerne.<br />
Nach heftigen Geburtswehen sei <strong>de</strong>r TSV also als Mutter aller Raunheimer Sportvereine entstan<strong>de</strong>n.<br />
Und vor allem die Einkehr in Gaststätten hätte es <strong>de</strong>n Mitglie<strong>de</strong>rn angetan. Nicht umsonst sei das<br />
älteste Vereinsfoto nicht auf <strong>de</strong>m Sportplatz, son<strong>de</strong>rn im Hof <strong>de</strong>r Gaststätte „Zum Gol<strong>de</strong>nen Hirschen“<br />
geschossen wor<strong>de</strong>n. Wie es einem Ehrensitzungspräsi<strong>de</strong>nten gebührt, tauchte freilich auch die<br />
Fastnacht in seiner Re<strong>de</strong> auf. „Die Maskenbälle waren <strong>de</strong>r vereinseigene Heiratsmarkt“ und so sei <strong>de</strong>r<br />
TSV getreu seinem Motto aus eigener Kraft gewachsen. Heute bil<strong>de</strong>ten Kin<strong>de</strong>r und Familien das<br />
Rückgrat <strong>de</strong>s Vereins. „Ganze Raunheimer Sippen sind untrennbar mit <strong>de</strong>m Verein verbun<strong>de</strong>n“.<br />
1882 war keine einzige Frau Mitglied – 2007 sind es 55 Prozent Frauen. Die Vorsitzen<strong>de</strong> Gertrud<br />
Ben<strong>de</strong>r sei keine Quotenfrau, son<strong>de</strong>rn einfach „die Beste, die wir haben“. Sein Vorbild sei <strong>de</strong>r frühere<br />
Vorsitzen<strong>de</strong> Heinrich Press (1954 bis 1979 Vorsitzen<strong>de</strong>r, 1995 verstorben). Er sei <strong>de</strong>r Frie<strong>de</strong>nsstifter<br />
zwischen allen Fronten gewesen und habe auch das Vereinsklima in Raunheim nachhaltig verbessert.<br />
„Wir verdanken es Heinrich Press, dass <strong>de</strong>r Verein als weltoffen gilt und verteidigen die Tugend<br />
gegen jene, die am 1. Mai daran rütteln wollen“, rief Willi Wirth in Anspielung an die von <strong>de</strong>r NPD in<br />
Raunheim geplante Demonstration.<br />
rko<br />
5.3.2007