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"Mitten im Leben" in der Frankfurter Festhalle: Udo Jürgens: Sozialkritik mit Einste...<br />
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Frankfurt Marathon<br />
am 25. Oktober<br />
2015<br />
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Kultur<br />
"Mitten im Leben" in der Frankfurter Festhalle: Udo Jürgens: Sozialkritik mit Einstecktuch<br />
Top-Themen: Flüchtlinge in Rhein-Main, Blaulicht, Meisterwerke im Städel, Jetzt im Kino, Projekt Junge Zeitung,<br />
"Mitten im Leben" in der Frankfurter Festhalle<br />
Udo Jürgens: Sozialkritik mit<br />
Einstecktuch<br />
VON JOACHIM SCHREINER<br />
03.11.<strong>2014</strong><br />
Zwischen Schlager und Moralpredigt sang der Grandcharmeur der Unterhaltungsmusik von allem,<br />
was immer gleich bleibt oder sich endlich ändern soll.<br />
Es gibt nichts, worüber Udo Jürgens nicht singt: Wilde Ehe und griechischer Wein, Kuchen mit Sahne und Liebe<br />
ohne Leiden, New York und den Platz an der Sonne, Anouschka und Mathilda. Mit Vollendung des 80.<br />
Lebensjahres tritt der österreichische Schlagerstar nun auch verstärkt als Mahner auf. Foto: Sven-Sebastian Sajak<br />
Bulgarien, Rum<br />
drohen mit Gre<br />
Vor dem Brüssele<br />
Bulgarien, Rumän<br />
Schließung ihrer G<br />
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MEISTGEL<br />
Damit war zu rechnen gewesen: Es gab Ovationen in der komplett bestuhlten Halle, schon durch<br />
das bloße Auftreten des Udo Jürgen Bockelmann, der auch kurz nach Vollendung des 80.<br />
http://www.fnp.de/nachrichten/kultur/Udo-Juergens-Sozialkritik-mit-Einstecktuch;art...<br />
24.10.2015
"Mitten im Leben" in der Frankfurter Festhalle: Udo Jürgens: Sozialkritik mit Einste...<br />
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Lebensjahres juvenil, frisch und schlank wirkt in seinem dunklen Anzug mit dem roten<br />
Einstecktuch. Hiermit allerdings war nicht zu rechnen: Jürgens präsentiert sich im ersten Teil<br />
des Konzerts als Mahner, Prediger und Moralist, prangert Datentransparenz („Der gläserne<br />
Mensch“), Politikerversagen und mangelnde Solidarität in der Gesellschaft („Das Leben bist du“)<br />
an.<br />
Bilderstrecke<br />
Udo Jürgens in der Festhalle Frankfurt<br />
Natürlich ist der Mann in erster Linie Entertainer, und zwar einer der besten und originellsten der<br />
Branche. Seine Schelte über machtgierige Politiker und geldgierige Wirtschaftsbosse will<br />
irgendwie nicht zu dem Österreicher passen, der nur ein paar Tanzschrittchen machen muss –<br />
und schon huldigt ihm die Damenwelt. Man könnte hinter diesem forschen Auftritt der ersten<br />
Konzerthälfte natürlich Altersweisheit vermuten, wenn Jürgens minutenlange kritische<br />
Betrachtungen über die Welt im Allgemeinen und über bigotte Autoritäten im Besonderen<br />
anstellt, gipfelnd in dem Lied „Die Krone der Schöpfung“, ein symphonisch geprägtes Werk, das<br />
Jürgens als kompositorische Kreativkraft mit klassischen Wurzeln ins Zentrum rückt. Das<br />
bewährte Pepe-Lienhard-Orchester als Begleitensemble darf hier endlich seine klangliche<br />
Kompetenz aufzeigen.<br />
Überdosis Menschlichkeit<br />
Nicht alle wollen diesem „neuen“ Udo Jürgens folgen. Das zeigen Stimmen in der Pause, aus<br />
der ein sichtlich glücklicher Star erfrischt zurückkommt und nun den Zuhörern in der<br />
ausverkauften, akustisch akzeptabel ausgesteuerten Festhalle gibt, was sie erwarten: Lieder, in<br />
denen Menschlichkeit und Lebensfreude thematisiert werden. „Hautnah“, „Ich würde es wieder<br />
tun“ und „Ich will, ich kann“, gesungen im Duett mit Dorothea Lorraine, feuern die Stimmung<br />
derart an, dass zum Leidwesen von Besuchern in den ersten Reihen Damen zuhauf vor die<br />
Rampe strömen. Und dann ist da noch ein Liedchen, das in den letzten Wochen reichlich Wirbel<br />
im Blätterwald gemacht hat: „Der Mann ist das Problem“, ein Mid-Tempo-Popsong, der sich<br />
aber konzertant als reichlich harmlos herausstellt.<br />
Nach einem New-York-Medley mit „Ich war noch niemals in ...“, „I like NY“ und schließlich der<br />
Sinatra-Hommage schlechthin, zieht Jürgens die ganz großen Trümpfe hervor: „Griechischer<br />
Wein“, gefolgt von dem Medley mit „Ehrenwertes Haus“, „Mit 66 Jahren“, „Aber bitte mit Sahne“<br />
und dem Titelsong der Tournee. Das vielleicht schönste Stück des Abends aber war „Und immer<br />
wieder geht die Sonne auf“, gerade Anfang <strong>November</strong> ein Energiespender. Noch ein ganzes<br />
Stück weiter zurück in der Diskografie geht es mit „Anouschka“, „Cottonfields“, „Es wird Nacht,<br />
Señorita“ und „Mathilda“.<br />
Frankfu<br />
Ausg<br />
Die Zugaben singt Udo Jürgens natürlich wieder im weißen Bademantel: „17 Jahr“, „Platz an der<br />
Sonne“, „Vielen Dank für die Blumen“ und „Liebe ohne Leiden“.<br />
Ein mitreißendes Konzert – natürlich. Aber Jürgens sollte sich für die gerade begonnene<br />
Tournee überlegen, den sozialkritischen Part zu kürzen und den Teil der Show mit Videos aus<br />
alten Tagen zu erweitern. Am 31. März nächsten Jahres gastiert der Star des deutschen Liedes<br />
noch einmal am selben Ort.<br />
http://www.fnp.de/nachrichten/kultur/Udo-Juergens-Sozialkritik-mit-Einstecktuch;art...<br />
24.10.2015
Udo Jürgens: Der Mann mit der Mission | Musik - Frankfurter Rundschau<br />
http://www.fr-online.de/musik/udo-juergens-der-mann-mit-der-mission,1473348,2892...<br />
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24.10.2015<br />
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UDO JÜRGENS<br />
Der Mann mit der Mission<br />
Von VOLKER SCHMIDT<br />
02. NOVEMBER <strong>2014</strong><br />
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Zum Schluss das Bademantel-Ritual, dann die Zugabe in Jeans und Turnschuhen. Foto: dpa<br />
FOTOSTRECKEN MUSIK<br />
Neue Religiosität: Auf seiner Tournee „Mitten im Leben“ wird der 80-jährige<br />
Udo Jürgens zum Prediger<br />
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Zur Zugabe kommt er im weißen Bademantel. Das gehört sich so bei Udo Jürgens,<br />
den alle Udo nennen. Leicht zerzaust singt er solo am Klavier ein paar Frühwerke,<br />
„Siebzehn Jahr, blondes Haar“ und so. Früher hat er an der Stelle so getan, als sei<br />
er schon halb auf dem Heimweg gewesen, die Zugabe ungeplant. Jetzt lässt er<br />
sich gerade mal die Zeit zum Jackettabwurf. Ein geübtes Ritual.<br />
Am Vorabend hatte die „Mitten-im-Leben“-Tour Premiere in Stuttgart. Die<br />
Frankfurter Festhalle ist voll. Nach „Hautnah“ stürmen Dutzende an den<br />
Bühnenrand. Ihr Idol verliert sich in einer Tirade über die Sitzengebliebenen, die<br />
wieder böse Briefe schreiben werden, weil sie nichts sehen: „Die in der ersten<br />
Reihe lauern schon die ganze Zeit angespannt: Wann stürmen die von hinten nach
Udo Jürgens: Der Mann mit der Mission | Musik - Frankfurter Rundschau<br />
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vorn? Sie haben viel Geld für ihre Plätze ausgegeben. Sie sagen, sie seien meine<br />
Fans.“<br />
Udo, der Unbequeme. Zu seinem 80. Geburtstag am 30. September haben ihn<br />
Zeitungen gefeiert als den Widerständigen in der Schlagerbranche. Jetzt umrahmt<br />
er gesellschaftskritisch gemeinte Lieder mit Ansprachen gegen Salafisten in<br />
Talkshows („das geht nicht!“) und gegen Fracking („Vergewaltigung der Mutter<br />
Erde!“).<br />
DER ECHO IN BILDERN<br />
Gutmensch und Wutbürger<br />
Der Grat ist schmal zwischen Engagement und Selbstgefälligkeit, zwischen<br />
Gutmensch und Wutbürger. Udo wettert gegen die NSA, gerät ins Predigen,<br />
entschuldigt sich mit Selbstironie: „Ein Unterhaltungsabend ist doch ideal, um<br />
sowas zu erörtern.“ Im Lied dazu, „Der gläserne Mensch“, darf der Gitarrist aus<br />
dem Orchester, Pepe Lienhard, ein verzerrtes Solo gniedeln. Udo: „Das soll<br />
Aggression zum Ausdruck bringen.“<br />
In die Pause geht er mit seiner öko-dystopischen sinfonischen Dichtung „Die Krone<br />
der Schöpfung“. „Er ist leicht missionarisch tätig heute“, sagt eine distinguierte<br />
Flaschenblonde, „aber in dem Alter hat man ja nichts mehr zu verlieren.“ Außer<br />
den einen oder anderen Fan: Gegen das Lied „Der Mann ist das Problem“ hat ein<br />
Rentner aus dem Odenwald für alle zehn Konzerte „Männersolidaritätsdemos“<br />
angemeldet; er steht auch vor der Festhalle. Udo: „Wenn ich mein ganzes Leben<br />
lang nur Lieder geschrieben hätte, über die sich niemand aufregt, säße ich heute<br />
nicht hier.“ Seine Stärke aber sind jene Lieder, die er – endlich – in der zweiten<br />
Hälfte singt, die lakonischen bis bissigen Psychogramme aus dem „Ehrenwerten<br />
Haus“ oder der „Aber-bitte-mit-Sahne“-Konditorei. „Ich war noch niemals in New<br />
York“ über den unterbliebenen Ausbruch aus Bohnerwachs und Spießigkeit wird<br />
zur Minioper, das Timbre wird weicher. Die nachdenklichen Zeilen von<br />
„Griechischer Wein“, mit denen Texter Michael Kunze das Heimweh der<br />
„Gastarbeiter“ beschreibt, verteidigt der Sänger hartnäckig gegen den<br />
Mitklatschtrieb.<br />
Es darf aber noch geschunkelt werden. Zu „Mit 66 Jahren“, „Danke für die Blumen“<br />
und Fossilien wie „Anuschka“ oder „Es wird Nacht, Senorita“. Und es gibt<br />
Seelentrost wie „Und immer wieder geht die Sonne auf“. Nach dem Bademantel-<br />
Ritual folgt noch eine Zugabe. In Jeans und Turnschuhen, das Hemd hängt halb<br />
heraus, singt Udo „Zehn nach elf“ über die Einsamkeit des tourenden Sängers.<br />
Nach (samt Pause und einem halben Dutzend Gastsängern) drei Stunden Konzert<br />
sieht Udo fast so alt aus, wie er ist. Mag sein, dass auch dieser Moment<br />
wohlüberlegt ist. Die Verletzlichkeit in Habitus und Text berührt jedenfalls weitaus<br />
mehr als jede Predigerpose.<br />
VIDEONACHRICHTEN MUSIK<br />
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24.10.2015
Der Schriftsteller Andreas Maier über den Auftritt von Udo Jürgens in Frankfurt#page...<br />
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03.11.<strong>2014</strong><br />
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Home Feuilleton Der Schriftsteller Andreas Maier über den Auftritt von Udo Jürgens in Frankfurt<br />
REISE BERUF & CHANCE RHEIN-MAIN<br />
Udo Jürgens in Frankfurt<br />
Das Gift seiner Denkungsart<br />
So glaubwürdig, dass man es schon wieder nicht glauben möchte: Udo Jürgens<br />
singt und spielt in der Frankfurter Festhalle.Und kann sich dabei sogar ein paar<br />
strenge Worte an das Publikum erlauben.<br />
02.11.<strong>2014</strong>, von ANDREAS MAIER<br />
Ein gewaltiges Konzert: Udo Jürgens am Samstag in der Frankfurter Festhalle<br />
© ANDREAS ARNOLD<br />
Was ist aus dem ehrenwerten Haus geworden? Einst war es<br />
eine Ansammlung von Spießern – man muss hier dieses<br />
altbacken-peinliche Wort verwenden –, ein kleines Wimmelbild<br />
der Bewohner jenes prototypischen Siebziger-Jahre-Hauses.<br />
Einige haben das für Sozialkitsch gehalten, für wohlfeil. Mich hatte
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03.11.<strong>2014</strong><br />
es immer gewundert, dass selbst Verwandte von mir, die absolut<br />
zu den Insassen dieses Hauses hätten gehören können, das Lied<br />
munter vor sich hinpfiffen und gern hörten, wenn es die<br />
Schuljazzcombo als Bläsersatz blies. Schon in der Antike gab es die<br />
Anweisung, Gift, auch heilsames Gift, möglichst in einem Glas mit<br />
Zuckerkranz darzureichen.<br />
In der Frankfurter Festhalle konnte man am Samstag erleben, was<br />
aus diesem Haus geworden ist: Die Insassen sind mehr geworden,<br />
sie haben sich über die ganze Welt verbreitet, getrieben von<br />
Dingen, die vielleicht nur im Udo-Jürgens-Universum sagbar sind<br />
– das Wimmelbild unserer zivilisatorischen Existenz. Und<br />
vielleicht gehen die Menschen immer noch zu Udo Jürgens und<br />
wollen doch einfach nur „Griechischer Wein“ und „Merci Chérie“<br />
und „Siebzehn Jahr, blondes Haar“ hören und sind dann etwas<br />
erschrocken über das, was sie da erleben.<br />
Ein Mann, der etwas will<br />
Da vorne steht ein Mann, der etwas will. Auch wenn er sagt, dass<br />
er bloß Lieder singen will. Wolf Biermann wollte an jenem<br />
berühmten Kölner Abend im <strong>November</strong> 1976 auch bloß Lieder<br />
singen, und zwischendrin machte er ein paar Ansagen. Und<br />
weiter? Dem Publikum vergingen Hören und Sehen. Biermann<br />
wohl auch. Udo Jürgens will etwas, und man merkt ihm die<br />
Dringlichkeit an, und sie funktioniert, denn sie ist echt und nicht<br />
im Diskurspopwortlaut gesucht und feingeschliffen und nach links<br />
und rechts rhetorisch bewehrt. Diese Dringlichkeit steht<br />
bemerkenswert nackt auf der Bühne in diesem achtzigjährigen<br />
Mann.<br />
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Udo Jürgens wird 80: Im Bademantel bis<br />
zum Schluss<br />
Udo Jürgens wird 80: Ohne Applaus geht er<br />
nicht von der Bühne<br />
Manchmal konnte man<br />
an diesem Abend den<br />
Eindruck haben, Udo<br />
Jürgens mache jetzt<br />
Schluss mit Udo<br />
Jürgens oder hebe<br />
diesen Udo Jürgens auf eine neue Stufe, nämlich dorthin, wo er<br />
hingehört. Es war ja ein Universalangriff, was er da ritt. „Wir<br />
tragen die Krone der Schöpfung eher so wie einen Karnevalshut“,<br />
das war der Gipfel dieses Weltgebäudes. Ein Abend mit Udo<br />
Jürgens: Ein einzigartiges Weltuntergangsszenario und Porträt<br />
des bösen Tieres Mensch mit seiner eigenen Narrenkappe auf wie
Der Schriftsteller Andreas Maier über den Auftritt von Udo Jürgens in Frankfurt#page...<br />
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bei Thomas Bernhard, und das tut er einfach so. Er steht da oben<br />
und schimpft und klagt in die Welt hinein, dass es eine Freude,<br />
aber auch eine Bestürzung ist.<br />
Das ist keine linke oder rechte Blödsinnsprosa nach Art von „Ich<br />
will auch mal dies und das sagen dürfen“; denn nichts von dem,<br />
was Udo Jürgens da sagt, ist verboten oder tabu. Aber es ist so<br />
grundeinfach und so grundwahr, dass es unter komplettem<br />
Peinlichkeitsverdacht steht. Und Udo Jürgens geht mitten hinein<br />
in diese Peinlichkeit wie ein Arzt unter die Kranken. Ich glaube<br />
auch, dass das die Schwierigkeit ist beim Hören von Udo Jürgens:<br />
dieses Fremdschämen, das sich, wenn es den berühmten Udo-<br />
Jürgens-Klick im Kopf gemacht hat und man auf seine Seite<br />
geschwenkt ist, urplötzlich gegen einen selbst wendet. An Udo<br />
Jürgens zu scheitern, heißt nicht, an seiner, sondern an der<br />
eigenen Peinlichkeit zu scheitern.<br />
Und dann „Griechischer ein“<br />
Vielleicht muss man das in einem dieser gewaltigen Konzerte<br />
erleben, die etwas ganz anderes sind als Konzerte, die eher<br />
Möglichkeiten eines ganz bestimmten Sagens sind. Man muss die<br />
Lieder gegeneinander stellen, man muss diese einzelnen, immer<br />
auch plakativen Momente selbst zu dem besagten Wimmelbild<br />
dieser Welt zusammenstellen, sich gegenseitig bespiegeln lassen,<br />
dann ist man drin in diesem im guten Sinne defätistischen,<br />
abgrundtief radikalen, völlig schonungslosen Udo-Jürgens-<br />
Sprachuniversum, das nur bei ihm so existieren kann und an dem<br />
er Jahrzehnte gebaut hat. Denn alle diese Worte brauchen Udo<br />
Jürgens als Sprechakt-Person dazu; die Einheit dieses Weltbildes<br />
setzt seine Person voraus, sonst sind es nur Splitter, in denen man<br />
das Ganze nicht erkennt.<br />
Und irgendwann setzt „Griechischer Wein“ an. Kein<br />
pseudogriechisches Humpta-Humpta. Der Mann, am Klavier<br />
sitzend, aber nicht spielend, singt es diesmal wie ein einsames<br />
Volkslied, das irgendeine Person, eine alte Frau vielleicht, am<br />
Fenster singt oder einem Kind vorsingt, und während sie singt,<br />
überkommt sie ein Schmerz, urplötzlich, gegen den sie nicht<br />
ankommen kann, und so klingt dieses Lied dann auch.<br />
Die Gegenposition zu der Universaltragödie der<br />
Menschheitsmasse ist immer das einzelne Wesen, und die
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Glücksverheißung ist nirgends transzendent, sondern, wenn<br />
überhaupt, dem Leben abgekämpft, nicht als das kleine stille<br />
Glück in der Ecke, nein. Es ist auch nicht der geglückte Diskurs<br />
eines Homo politicus. Ich glaube, einen solchen Diskurs dürfte<br />
niemand im Saal während dieser drei Stunden für auch nur<br />
annäherungsweise machbar gehalten haben. Das Publikum hatte<br />
anderes im Sinn und wurde auf eine andere Spur gesetzt. Es hat<br />
auch nichts mit jenem blödsinnigen „Sei einfach mal Du“, „Lebe,<br />
was du willst“ zu tun. Udo Jürgens kann vielmehr sehr genau<br />
erzählen, wo und in welchen Momenten man sich diese<br />
Glücksverheißung oder Wahrheitsverheißung vom eigenen, ganz<br />
konkreten gesellschaftlichen und privaten Leben abringen kann<br />
oder muss.<br />
Vom Haus zur Welt<br />
Es ist diese im Konzert von diesem nachdenklichen, manchmal<br />
auch lauten Mann vorgelebte und bei ihm – Entschuldigung –<br />
glaubwürdig werdende radikale Emotionalität, die sich auf alles<br />
bezieht, als könnte er nichts anschauen, ohne es auf diesen Punkt<br />
hin zu überprüfen. Als wollte er uns freisprechen von etwas, was<br />
wir sind, aber vielleicht nicht sein müssten. Es ist jenes berühmte<br />
„We think too much and feel too little“ aus Chaplins Diktator-<br />
Rede, das eben nur erträglich wird, wenn es in einem solchen Film<br />
aufgehoben wird oder in einem solchen Werk-Kosmos wie dem<br />
von Udo Jürgens.<br />
Tja, kleiner kann man das alles vermutlich nicht sagen. Ich habe<br />
allerdings schon länger das Gefühl, es müsste in der öffentlichen<br />
Wahrnehmung endlich mal Schluss sein mit Udo Jürgens im stets<br />
gewohnten und stets verkleinerten Sinn. Aber das wissen sowieso<br />
schon viele. Das hier ist nicht die neue Weisheitsstufe eines nun<br />
altgewordenen Mannes in reduzierter Grandseigneurspose, daran<br />
baut er nämlich schon sehr lange, angefangen hat es mit dem<br />
Haus, nun ist es die ganze Welt.<br />
Übrigens kann er sogar sein eigenes Publikum beschimpfen. Als<br />
Anfang der zweiten Hälfte ziemlich viele Menschen im bestuhlten<br />
Saal nach vorne kommen, sich an die Bühne stellen und den ersten<br />
Reihen den Blick nehmen, sagt er, er sehe ja immer dieselben<br />
Gesichter in diesen ersten Reihen, und die Plätze da seien<br />
bestimmt auch sehr teuer, aber ob dass dann auch die wahren
Der Schriftsteller Andreas Maier über den Auftritt von Udo Jürgens in Frankfurt#page...<br />
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Fans seien, das wisse er ja gar nicht. Ja, so etwas muss man dann<br />
auch aushalten können bei so einem Konzert.<br />
Andreas Maier ist Schriftsteller. Zuletzt erschien von ihm der Roman „Die<br />
Straße“ (2013).<br />
Zur Homepage<br />
Quelle: F.A.Z.<br />
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