2 Liebe Angehörigen unserer Pfarreiengemeinschaft, liebe Leserinnen und Leser unseres Pfarrbriefes, in meiner Kinder- und Jugendzeit war es für mich und meine Geschwister immer ein besonderes Erlebnis, zusammen mit unseren Eltern am Abend von Allerheiligen bzw. Allerseelen die Gräber unserer verstorbenen Großeltern zu besuchen. Durch die vielen Lichter, die auf jedem der liebevoll geschmückten Gräber brannten, herrschte eine besondere, ja beinahe festliche Stimmung. Die Lichter brachen die Nacht auf und vertrieben die Dunkelheit. Was wir Kinder damals noch nicht so richtig verstehen konnten, war der tiefere Sinn, der hinter diesem Brauch steht. Der Ursprung liegt wohl weit zurück in den vorchristlichen Totenkulten. Es gab dort die Vorstellung, dass die Geister der Toten ruhelos umherirren müssen, so lange nicht die Schuld aus ihrem irdischen Dasein gesühnt war. Darum war es Sitte, den Verstorbenen neben Waffen, Kleidungsstücken und Nahrungsmitteln, auch Lichter und Fackeln mit ins Grab zu geben. Durch das Anzünden dieser Opferlichter wollten die Lebenden den Toten helfen, ihren Frieden zu finden, d.h. in die „ewige Ruhe“ einzuziehen. Rein äußerlich betrachtet haben wir Christen den heidnischen Kultbrauch übernommen, ihn aber inhaltlich mit neuem Leben gefüllt. So brennen das ganze Jahr hindurch, besonders aber jetzt im <strong>November</strong>, in den Ampeln auf den Gräbern die kleinen roten Lichter. Sie gehören wie selbstverständlich zu unserer Friedhofskultur. Diese Lichter wollen allerdings nicht – wie bei unseren heidnischen Vorfahren – den Geistern der Verstorbenen heimleuchten, sondern Zeichen dafür sein, dass unseren Verstorbenen das „ewige Licht“ leuchten wird. Sicher sind sie oft „Platzhalter“ für uns und unsere Gebete, die in ihnen weiterbrennen sollen. Die stillen Flammen sind aber auch Sinnbilder der Auferstehung und setzen so Zeichen der Hoffnung wider die scheinbare Sinnlosigkeit des Sterbens. Der Grund dieser Hoffnung lässt sich bereits in der Geschichte Israels ausmachen. Gott wurde als Lebender und Lebenspendender erfahren, der alles Dunkle und Festgefahrene auf eine neue Zukunft und einen neuen, befreienden und erfüllenden Sinn hin aufbrach. Diese Urerfahrung wird in der Auferstehung Jesu dann eindeutig und endgültig ausgeweitet. Gott belässt es nicht bei dem scheinbar vergeblichen Leben Jesu, sondern verfügt über Möglichkeiten, alles in eine heilvolle, vollendete Zukunft aufzubrechen. In der Auferweckung Jesu erweist sich Gott als der Gott, dessen Zukunft nichts auslässt und sich gegen alle Widerstände und Sinnwidrigkeit durchsetzt. Wir Christen können uns daher auf das Wagnis der Hoffnung einlassen und glaubend darauf vertrauen, dass der Gott, der Jesus von den Toten auferweckt hat, alles zu einem guten Ende führen wird. Wenn wir also in den Tagen um Allerheiligen unserer Verstorbenen gedenken und ihre Gräber besuchen, dann tun wir das aus der Hoffnung heraus, dass mit dem Tod eben nicht alles aus ist, sondern dass Jesus Christus uns auf den Weg zum Vater mitnimmt und uns an seiner Herrlichkeit teilhaben lässt, denn „wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden“ (1 Kor 15,22). Die Ampeln und Kerzen sind über Jahrhunderte hinweg Leuchtsignale dieses Glaubens. Dort, wo der Tod allmächtig erscheint, wo er gewissermaßen allgegenwärtig ist, stellen wir Lichter auf gegen die Trauer und die Hoffnungslosigkeit. Die Lichter protestieren für das Leben, das nicht auf dem Friedhof endet, sondern in Gottes „ewigem Licht“ weiterlebt. Vielleicht zünden Sie daher gerade in diesen Tagen eine Kerze an und lassen Sie sie für sich „beten“. Und wenn Sie auf den Friedhof zu den Gräbern ihrer Verstorbenen gehen, dann zünden Sie auch dort ein Licht an. Dazu können Sie gerne beten: „Herr, gib ihnen die ewige Ruhe, und das ewige Licht leuchte ihnen.“ Und vielleicht fügen Sie noch einen kleinen Gebetsvers für sich selbst an: „Herr, hilf mir, aus der Dunkelheit mit dir ins Reich des Lichtes gehn; und lass dereinst auch meinen Leib verklärt zum Leben auferstehn.“ Ihr Kaplan Carsten Scher 3
4 Alle Fotos: Pfarrkirche St. Maternus Aschbach; diese Aufnahme: Foto Fercho GmbH 5