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nahostkonflikt_weltreligionen

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das Banner Gottes über jedem Zipfel Palästinas aufrichten (Artikel 6). Palästina<br />

sei islamisches Stiftungsland. „Die Muslime der Eroberungszeit haben es den<br />

muslimischen Generationen bis zum Tag der Auferstehung als waqf [Stiftung]<br />

übertragen“. Nach der Eroberung habe der Kalif entschieden, dass das Land in<br />

der Hand seiner Bewohner bleiben sollte, die Einkünfte daraus aber auf ewig<br />

einer gemeinnützigen Verwendung zufließen sollten (Art. 11). Mit dieser<br />

Deutung griff Hamas ein Konzept auf, das erst im 20. Jahrhundert in<br />

Auseinandersetzung mit dem Zionismus seine heutige Bedeutung erhalten hat. 45<br />

Zwar geht die Institution des waqf als solche auf den Propheten zurück. Dieser<br />

hatte es einem Mitkämpfer angeraten, eroberte Ländereien den Bedürftigen als<br />

Almosen zu übertragen und damit unveräußerlich zu machen. Doch die<br />

Übertragung auf Palästina als ganzem ist neueren Datums. In den dreißiger<br />

Jahren sprachen sich islamische Gelehrte gegen einen Verkauf palästinensischen<br />

Landes an Juden aus, bis schließlich der Mufti Palästinas, Amin al-Husaini,<br />

1935 in einer Fatwa Palästina als anvertrautes Gut (amana) der Muslime<br />

reklamierte und diejenigen, die das Land verkauften. als Abtrünnige verurteilte.<br />

In Analogie zur jüdischen Idee einer ‚Erlösung’ des Bodens forderten Muslime<br />

seine ‚Rettung’.<br />

Durch die Einbeziehung eines alten islamischen Rechtsinstitutes in die<br />

Situationsdeutung wurde der palästinensische Nationalismus im Islam verankert.<br />

„Der Patriotismus (wataniya) … ist ein Teil der Religion“, heißt es in der Charta<br />

daher weiter. Der Kampf gegen die Besatzung ist die Erfüllung eines alten<br />

Gebotes. Friedliche Lösungen dürfe es nicht geben. „Keine Lösung der<br />

Palästinafrage außer durch den Jihad“ (Art. 13). „Der Jihad für die Befreiung<br />

Palästinas ist die Pflicht jedes Muslims. An dem Tag, an dem die Feinde ein<br />

Territorium der Muslime erbeuten, wird der Jihad individuelle Pflicht für jeden<br />

Muslim“ (Art. 15). Die Begründung für die Deutung des Landes als waqf fügte<br />

dem Nationalismus eine soziale Dimension hinzu. Die Bewegung hielt sich<br />

zugute, die soziale Solidarität und die Fürsorge für die Bedürftigen zu ihrer<br />

Aufgabe zu machen. Die islamische Gesellschaft sei eine kooperative (Art. 20<br />

und 21). Hamas achte und respektiere andere islamische Bewegungen, da jede<br />

das Recht zur eigenständigen Interpretation des Islam (ijtihad) habe (Art. 23).<br />

Die PLO sei ein enger Gefährte, habe allerdings den Fehler begangen, die Idee<br />

45<br />

Krämer, Geschichte Palästinas, S. 292-296; zur Rechtsinstitution des waqf siehe Jan-Peter Hartung,<br />

“Die fromme Stiftung [waqf]. Eine islamische Analogie zur Körperschaft“. In: Hans G. Kippenberg/<br />

Gunnar Folke Schuppert (Hg.), Die verrechtlichte Religion. Der Öffentlichkeitsstatus von<br />

Religionsgemeinschaften. Tübingen: Mohr Siebeck 2005, S. 287-314, hier S. 298-303.

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