nahostkonflikt_weltreligionen
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dieser Zeit noch eine letzte Chance, sich zu bewähren und Mitkämpfer im<br />
Endzeitdrama zu werden.<br />
Dieser Plot ruft bei Leserinnen und Lesern eigene Imaginationen wach und<br />
vermittelt ihnen Geschichtsbild und Handlungsmuster: Die Gläubigen und nicht<br />
irgendwelche politischen Institutionen repräsentieren das wahre Amerika; die<br />
Vereinten Nationen sind ein Instrument des Antichrists. Je mehr die Zeit<br />
voranschreitet, umso schneller der moralische, religiöse, militärische und<br />
ökonomische Niedergang. Versprechungen von Frieden, Abrüstung,<br />
Umweltschutz und internationalen Verträgen sind Werke des Antichrists. 77 Der<br />
Erfolg dieser Serie bringt ans Tageslicht, was sich sonst eher dem Blick<br />
entzieht: eine religiöse Subkultur, die zu einem politischen Mainstream wird; die<br />
Matrix einer amerikanischen populären Kultur, die Ansichten von Geschichte<br />
und Politik erzeugt. Eine manichäische Grundstruktur durchdringt sie. Das Böse<br />
ist nicht etwas, das aus der eigenen Welt kommt: es kommt von Außen. Die<br />
Menschen sind nicht zugleich gut und böse; sie sind entweder gut oder böse. Die<br />
Lösung für die Existenz des Bösen besteht nicht darin, es geduldig zu ertragen,<br />
sondern es mit Gewalt zu eliminieren; am Ende gewinnen die Guten. 78 Diese<br />
Grundstruktur, die auch aus Hollywood-Filmen, Comics und Science-Fiction<br />
bekannt ist, hat eine Vorgeschichte, die sich über lange Zeiträume in den USA<br />
herausgebildet hat. 79 Die populäre Faszination mit diesem Typus männlicher<br />
Gewalt wird von „Left Behind“ aufgegriffen und ins Religiöse gewendet.<br />
Gewaltidealisierung wird vom „religiösen Halbprodukt“ zum Inhalt subjektiver<br />
Religiosität transformiert. 80 Heute sympathisieren vierzig bis fünfzig Millionen<br />
Amerikaner mit einem solchen Endzeitszenario und bilden ein mächtiges<br />
Wählerpotenzial, das die Republikaner unter Ronald Reagan und George W.<br />
Bush mobilisiert haben.<br />
77<br />
Amy Johnson Frykholm, Rapture Culture. Left Behind in Evangelical America. Oxford: UP 2004;<br />
dieselbe, “What Social and Political Messages Appear in the Left Behind Books? A Literary<br />
Discussion of Millenarian Fiction.” In Forbes/ Kilde (Hg.), Rapture, Revelation, and the End Times, S.<br />
167-195.<br />
78<br />
Bruce David Forbes, ”How Popular Are the Left Behind Books”, in: Forbes / Kilde (Hg.), Rapture,<br />
Revelation, and the End Times, S. 22-29.<br />
79<br />
Robert Jewett/John Shelton Lawrence, Captain America and the Crusade against Evil. The<br />
Dilemma of Zealous Nationalism. Grand Rapids: Eerdmans 2003.<br />
80<br />
Das Konzept der „Religiösen Halbprodukte“ stammt von Georg Simmel und seiner Schrift Die<br />
Religion aus dem Jahre 1922.