nahostkonflikt_weltreligionen
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Dieser Eroberung hatte Rabbi Kuk schon vorweg einen religiösen Sinn<br />
verliehen. Der Sechs-Tage-Krieg war ein „Krieg der Erlösung“, das biblische<br />
„Land Israels“ werde „erlöst“ von den Ungläubigen. Dieser Predigt verdankte<br />
Rabbi Kuk der Jüngere die Reputation eines Propheten fast biblischen<br />
Ausmaßes, auch wenn es sich tatsächlich eher um eine rituelle Klage als um eine<br />
Prophetie gehandelt hatte. In keiner Darstellung der Vorgeschichte der<br />
religiösen Siedlerbewegung fehlt dieser Vorgang. 19<br />
Studenten und Rabbiner der Talmudschule von Vater und Sohn Kuk wurden<br />
zur Avantgarde der religiösen Siedlerbewegung und organisierten gegen eine<br />
zögernde und in sich uneinige Regierung der Arbeiterpartei die Inbesitznahme<br />
des verheißenen Erbes von Judäa, Samaria und Gaza. 20<br />
Als Israel im Yom<br />
Kippur Krieg 1973 Territorien, die Teil des biblischen Landes waren, verlor,<br />
deuteten sie dies als Strafe für den säkularen Zionismus, der nicht Gott, sondern<br />
nur der eigenen Politik vertraue. In Reaktion auf diesen Rückschlag, den sie als<br />
„Wehen des Messias“ deuteten - als Geburtswehen der Endzeit -, schlossen sich<br />
die Anhänger von Kuk zu Gush Emunim, dem ‚Block der Gläubigen’<br />
zusammen. 21<br />
Ihre Geschichtstheologie gab ihnen die Legitimation, die<br />
Besiedlung der besetzten Gebiete selber in die Hand zu nehmen. Die Siedler-<br />
Bewegung wurde von einer einfachen und zündenden Kernidee vorangetrieben:<br />
Der messianische Geschichtsprozess hat begonnen – das Land Israel ist heilig – die jüdische<br />
Besiedlung des Landes beschleunigt die Erlösung – nicht die Gesetze des Staates Israel, sondern<br />
die Besiedlung des Landes Israel verdienen die unbedingte Loyalität der Gläubigen – die<br />
Palästinenser haben keinen berechtigten Anspruch auf das Land. 22<br />
Dieser religiöse Zionismus beflügelte eine ganze Generation junger Juden. Sie<br />
wollten vor allem eines sein: nationaler als die Ultraorthodoxen und religiöser<br />
als die Zionisten und trieben in diesem Geist die Besiedlung alter biblischer<br />
19<br />
Siehe Gershom Gorenberg, The Accidental Empire. Israel and the Birth of the Settlements, 1967-<br />
1977. New York: Henry Holt 2006, S. 21-23.<br />
20<br />
Samuel C. Heilman, „Guides of the Faithful. Contemporary Religious Zionist Rabbis”. In: Appleby<br />
(Hg.), Spokesmen for the Despised, S. 328-362.<br />
21<br />
Zu Gush Emunim Gideon Aran, “Jewish Fundamentalism: The Bloc of the Faithful in Israel (Gush<br />
Emunim)”. In: Martin E. Marty/ R. Scott Appleby (Hg.), Fundamentalisms Observed. The<br />
Fundamentalism Project. Band 1. Chicago: UP 1991, S. 265-344.<br />
22<br />
Ehud Sprinzak, The Ascendance of Israel’s Radical Right. New York: Oxford UP 1991, S. 110-124;<br />
außerdem zu den Prinzipien Jamie Rosenman, “The Apocalyptic Ideology of Gush Emunim”. 2004.<br />
Internetveröffentlichung.