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Der Lameyer - Dezember 2015

Quartierszeitung für die Unterstadt

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Neues aus dem Quartier<br />

„Ich habe die ganz Nacht geweint..“<br />

Herr Christof ist sichtlich mitgenommen. Zum<br />

wiederholten Male trifft sich der Familienvater<br />

aus Bulgarien mit dem Integrationslotsen des<br />

Quartiermanagements Unterstadt. Auch diesmal<br />

kann Zhasmin Zhivkov Entwarnung geben:<br />

Christof muss seine Wohnung nicht räumen. <strong>Der</strong><br />

Fall ist einer wie viele andere, die Zhasmin Zhivkov<br />

seit 2013 bearbeitet. Doch die Geschichte<br />

des Familienvaters geht besonders zu Herzen.<br />

Zum wiederholten Male wird dieser unter Druck<br />

gesetzt, seine Wohnung zu räumen. Doch Herr<br />

Christof will nicht, trotz Schimmel und fehlender<br />

Heizung sieht er für sich selbst, seine Frau und<br />

seine zwei Kinder keine andere Perspektive, als<br />

für die Wohnung zu kämpfen. <strong>Der</strong> Mietmarkt ist<br />

angespannt, günstige Wohnungen sind rar, zumal<br />

für Bulgaren. Zu mehreren Gesprächen mit<br />

dem Mieterverein hat Zhasmin Zhivkov seinen<br />

Klienten bereits begleitet. <strong>Der</strong> Umgangston des<br />

Vermieters wird zunehmend rauer: Die Wohnung<br />

soll saniert werden, unter anderem wohl<br />

wegen des Schimmels im Bad. Doch vorher soll<br />

Herr Christof ausziehen.<br />

Die größte Sorge bereitet ihm die Drohung, die<br />

ein Handwerker bei einem frühmorgendlichen<br />

Besuch in der Wohnung äußert: „Wir geben dem<br />

Jugendamt Bescheid, wenn Sie nicht ausziehen.<br />

Die werden Ihnen die Kinder wegnehmen.“ Auf<br />

eine Anzeige muss das Jugendamt reagieren. Zu<br />

Recht, könnte doch eine ernste Gefährdung des<br />

Kindeswohls hinter jedem Anruf stecken. In unserem<br />

Fall bekommen wir zunächst einmal wichtige<br />

Hinweise von einem Mitarbeiter, was die Familie<br />

nun erwartet: Das Jugendamt führt bei einer<br />

Anzeige einen Hausbesuch durch. Eine sogenannte<br />

Inobhutnahme nimmt das Jugendamt allerdings<br />

nur in besonderen Fällen vor. <strong>Der</strong> Fall<br />

Christof ist keiner davon: Die Kinder sind gut versorgt,<br />

eine konkrete Gefährdung liegt nicht vor.<br />

Sollte die Belastung der Kinder durch Schimmel<br />

im Bad tatsächlich drastisch sein, so würde man<br />

gemeinsam mit der Familie alternative Unterbringungsmöglichkeiten<br />

erwägen. Herr Christof<br />

bleibt also in der Wohnung, es kommt zur Verhandlung<br />

des Falles vor Gericht.<br />

Nur wenige Menschen sind bereit, für ihr Recht<br />

so weit zu gehen. Die meisten würden sich wohl<br />

sagen: der Ärger ist es nicht wert - oder versuchen,<br />

eine Abfindung zu erhalten. Doch nicht so<br />

unser Klient: Zu groß ist seine Sorge, dass er<br />

keine Wohnung findet. Um einen Anspruch auf<br />

eine GBG-Wohnung zu haben, ist er noch nicht<br />

lange genug in Mannheim. Die von vielen Bulgaren<br />

bewohnte sanierungsbedürftige Immobilie,<br />

die im letzten Jahr den Eigentümer gewechselt<br />

hat, ist für ihn aktuell die einzige Option.<br />

Dieser Fall ist nur ein Beispiel von Vielen. Dank<br />

der Integrationsarbeit aus den Mitteln des Integrationsfonds<br />

der Stadt Mannheim und des Landes<br />

Baden-Württemberg erfahren Zuwanderinnen<br />

und Zuwanderer vor Ort hautnah, was es<br />

bedeutet, muttersprachliche Unterstützung zu<br />

erhalten, um sich in Mannheim zurecht zu finden.<br />

So ändert sich die Aussage „Ich habe die<br />

ganze Nacht geweint“ und wird zu: „Was sind<br />

meine Perspektiven zum Leben und Arbeiten in<br />

Mannheim? Was sind meine Rechte? Wie mache<br />

ich sie geltend?<br />

<br />

Quartiermanagement Unterstadt

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