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Leseprobe

Jakob Prandtauer 1660–1726 Baumeister des Barock

Jakob Prandtauer 1660–1726
Baumeister des Barock

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Huberta Weigl

JAKOB PRANDTAUER

1660–1726

Baumeister des Barock

Band 1

MICHAEL IMHOF VERLAG


Studien zur internationalen Architektur- und Kunstgeschichte 183

Website zum Buch

www.jakob-prandtauer.at

Umschlagabbildung Band 1 vorne: Stift Melk, Flugbild | Foto: Alpine Luftbild Innsbruck (freigegeben vom

Bundesministerium für Landesverteidigung mit Zl. 13.088/352–1.6/84)

Umschlagabbildung Band 2 vorne: Stift St. Florian, Sommerrefektorium | Foto: Huberta Weigl, Wien

Umschlagabbildung Band 1 und 2 hinten: Jakob Prandtauer, Porträt, Detail (Stift Melk, Kunstsammlung) |

Foto: Günter Prinesdom, Wien © Stift Melk

© 2021 Michael Imhof Verlag GmbH & Co. KG

Stettiner Str. 25 | D-36100 Petersberg

Tel.: +49 661 2919166-0 | Fax: +49 661 2919166-9

info@imhof-verlag.de | www.imhof-verlag.de

Gestaltung und Reproduktion

Anja Schneidenbach, Michael Imhof Verlag

Redaktionsassistenz

Simon Hemetsberger, Wien | Doreen Westphal, Berlin

Lektorat

Doreen Westphal, Berlin

Druck

Druckerei Rindt GmbH & Co. KG, Fulda

Printed in EU

ISBN 978-3-86568-031-0


INHALTSVERZEICHNIS

BAND 1

Vorwort 10

Einführung 23

Forschungsstand 24

Quellen 26

Zielsetzung und Aufbau 29

Hinweise zur Benutzung 32

Leben und Werk im Überblick 34

Biografie 37

Herkunft, Eltern und Geschwister 37

Ausbildung und Saisonarbeit 40

Hauskauf, Heirat und Werkstattgründung 42

Zunft 46

Bildhauer 47

Familie und Persönliches 51

Das Augustiner-Chorherrenstift St. Pölten 59

Einleitung 59

Die Stiftskirche 61

Der neue Abschluss des Südturmes 61 • Barockisierung des Innenraumes 64

Die Bibliothek 71

Der Idealprospekt: Prandtauer oder Munggenast? 74

Das Augustiner-Chorherrenstift St. Andrä an der Traisen 79

Einleitung 79

Die Klosteranlage 83

Ursprünglicher Baubestand 83 • Datierung des Um- bzw. Wiederaufbaus und Baumeisterfrage 86

Die Stiftskirche 87

Adaptierung der alten Stiftskirche 87 • Das Umbauprojekt 90

Das Benediktinerstift Melk 93

Einleitung 93

Vorgeschichte 98

Die alte Klosteranlage 98 • Das Umbauprojekt für die Stiftskirche 100 • Die Sommersakristei als „Probestück“ 104

Der Neubau der Stiftskirche 106

Die ersten Projekte 106 • Abstimmung über die Frage „Um- oder Neubau?“ 111 • Baugeschichte: Daten und

Fakten 114 • Der Grundriss Jakob Prandtauers und der ausgeführte Bau 121 • Nachträgliche Veränderungen

am Baubestand 144 • Zusammenfassung: Die Planungsstufen I–III 150 • Abt Berthold Dietmayr als Regisseur

des „Gesamtkunstwerkes“ 150


Der Umbau der Klosteranlage 162

Einleitung 162 • „Alter“ und „neuer Klosterriss“ 164 • Baugeschehen 169 • Vollendung der Klosteranlage

nach dem Tod Jakob Prandtauers 173 • Außenbau 176 • Innenräume 199

Anhang: Daten zu Kirchen- und Klosterbau 207

Das Benediktinerstift Garsten 213

Einleitung 213

Die Baugeschichte der Klosteranlage auf Basis der Quellen 220

Der Westhof: Carlone oder Prandtauer? 222

Der Westtrakt 225

Einleitung 225 • Innenräume 227 • Außenbau 231

Der Südtrakt 233

Die Gesamtplanung für die Klosteranlage 235

Das Augustiner-Chorherrenstift St. Florian 241

Einleitung 241

Vorgeschichte 249

Baugeschehen unter Carlo Antonio Carlone 249 • Planungsstand im Jahr 1708 253

Die Klosteranlage 260

Hauptportal 260 • Treppenhaus 265 • Südtrakt und Saal 270 • Osttrakt und Bibliothek 277 • Leopoldinischer

Trakt 285 • Sommerrefektorium und Komödienhaus 287 • Kleiner Gartenpavillon und Lusthaus 291

Der Entwurf für einen Portalvorbau der Stiftskirche 293

Das Benediktinerstift Kremsmünster 297

Einleitung 297

Die Stiftskirche und die beiden Sakristeien 300

Arbeiten im Innenraum und am Dach der Stiftskirche 300 • Der Entwurf für die Sommersakristei 304 •

Wintersakristei 305

Das Umbauprojekt für den Brückentortrakt und das Theater 307

Innenräume des Klosters 307

Das Umbauprojekt für die Abtei 307 • Adaptierung des Kaisersaales 308

Die Bauten der äußeren Klosteranlage 309

Meierhöfe 309 • Eichen- und Markttor 324 • Umgestaltung der Fischbehälter 328 • Vermessung des Hopfen gartens 330

Das Augustiner-Chorherrenstift Herzogenburg 333

Einleitung 333

Die alte Klosteranlage 336

Planungs- und Baugeschichte 340

Erste Entwürfe: Projekte I und II 340 • Das Ausführungsprojekt: Riss A 347 • Baubeginn und erste Planänderungen 348 •

Der Eingriff Johann Bernhard Fischers von Erlach 352 • Weiteres Baugeschehen bis zum Tod Jakob Prandtauers 376

Bauanalyse 382

Grundriss 382 • Ostfassade 382 • Nordfassade 386 • Südfassade 389 • Prälaten- und Klausurhof 389

Das Augustiner-Chorherrenstift Klosterneuburg 393

Einleitung 393

Der alte Klosterkomplex 395

Die beiden unausgeführten Projekte Jakob Prandtauers 395

Projekt I 395 • Projekt II 397 • Der Escorial als Vorbild? 401 • Datierung 402


Das Augustiner-Chorherrenstift Dürnstein 405

Einleitung 405

Die alte Klosteranlage 410

Der Umbau der Klosteranlage 412

Datierung und Baumeisterfrage 412 • Baugeschehen und Anteil Jakob Prandtauers 414

Würdigung 429

Einleitung 429

Werk 431

Klöster 431 • Pfarrensembles 453 • Wirtschaftsbauten 454 • Stiftshöfe, Paläste und Bürgerhäuser 458 •

Schlösser 460 • Gartenpavillons und Kellerschlösser 460 • Brücken und Kasernen 461

Formenvokabular 463

Baumeister versus Architekt 474

Bauabwicklung 476

Reisen 481

Bezahlung 484

Mitarbeiter 487

Rolle der Auftraggeber 489

BAND 2

Katalog 507

Einleitung 507

Übersicht 509

Katalognummern 511

Verzeichnisse 786

Verzeichnis nach Autorschaft 787 • Chronologisches Verzeichnis 801 • Verzeichnis nach Auftraggebern 814 •

Verzeichnis nach Bauaufgaben 826

Itinerar 841

Planverzeichnis 867

Bücher aus dem Besitz Jakob Prandtauers 879

Anhang 882

Literaturverzeichnis 883

Abkürzungsverzeichnis 913

Abbildungsnachweis 913

Register 915

Orts- und Objektregister 915 • Personenregister 920 • Sachregister 925


„Fischer von Erlach, Hildebrandt, Pöppelmann usw.? Man ginge von

falschen Voraussetzungen aus, wollte man Prandtauer, was Kunst und

Erfindungsgabe anbelangt, mit ihnen vergleichen. Sie haben in einem

ganz anderen Milieu, unter ganz anderen Bedingungen geschaffen

und stehen auf einer anderen Stufe. Man muß, um Prandtauer gerecht

zu werden, ihn auffassen als das, was er ist und stets sein wollte,

als Baumeister der Klöster und Wiedererbauer des Landes, und darin

hat er so Unvergleichliches geleistet, daß wir die Ehrfurcht jenes

Propstes Übelbacher verstehen, wenn er ihn als den vielleicht vornehmsten

Baumeister ganz Österreichs bezeichnet.“

HANTSCH 1926, 106


„Wenn man in Betracht zieht, daß sich Prandtauer kaum einmal einen Platz selbst aussuchen

konnte, auf dem er baute, daß er fast immer aus einem Gewirr von alten, großen Gebäudevierteln

heraus gestaltete, deren brauchbare Reste er benützen sollte – eine Kunst, die auch an Lukas

Hildebrandt gerühmt wird – dann kann man sich erst den richtigen Begriff von seiner Größe

machen. Diese Ökonomie einerseits, die aus einem unmittelbaren, angeborenen Verhältnis für

die realen Notwendigkeiten hervorgeht, und die Fähigkeit, trotzdem etwas Neues, Modernes

daraus zu machen, haben ihn ja wohl besonders als Baumeister empfohlen.“

HANTSCH 1926, 98

„P[randtauer] ist ein durchaus naiver u[nd] ungelehrter

Künstler, der aus den Eindrücken der Wiener Baukunst

schöpft, sie auf ländliche Verhältnisse überträgt und nach

eigenem Empfinden im Rahmen seiner Aufgaben weiter

entwickelt.“

HANTSCH 1933, 347


LEBEN UND WERK IM ÜBERBLICK

1660 16. Juli oder geboren in Stanz in Tirol

kurz davor

16. Juli Taufe in der Pfarrkirche von Zams in Tirol

1677 Beginn der Maurerlehre bei Georg Asam in Schnann

1680 Abschluss der Maurerlehre

1692 ab Anfang Juli Mitarbeiter von Christian Alexander Oedtl am Schwaighof in St. Pölten (errichtet

im Auftrag des Augustiner-Chorherrenstiftes St. Pölten)

16. Juli Kauf des Hauses in St. Pölten (Klostergasse 15)

21. Juli Heirat mit Maria Elisabeth Rennberger

1693 13. Jänner Ausstellung des Maurerlehrbriefes

erste Arbeiten am Augustiner-Chorherrenstift St. Pölten (Umgestaltung des Südturms)

Arbeiten am Förthof (Krems) im Auftrag des Stiftes Dürnstein

Geburt des ersten Sohnes Hans Anton

ab 1694

Umbau des Pfarrhofes in Haitzendorf für das Stift Herzogenburg

1695 erste Entwürfe für Brücken über Nebenflüsse der Donau im Auftrag der Niederösterreichischen

Stände

Beginn des Umbaus der Pfarrkirche von Lassee im Auftrag des Stiftes Melk

Geburt des Sohnes Franz Joseph

1697 Geburt der Tochter Maria Anna

1699 Beginn der Arbeiten am Stift St. Andrä an der Traisen

Beginn des Umbaus der Ochsenburg im Auftrag des Augustiner-Chorherrenstiftes

St. Pölten

Geburt des dritten Sohnes Hans Jakob

1701 Umbau der Sommersakristei im Stift Melk

1702 Beginn des Neubaus der Melker Stiftskirche

1705 Tod des Sohnes Hans Jakob

34


Leben und Werk im Überblick

1706 Baubeginn der Pfarr- und Wallfahrtskirche auf dem Sonntagberg im Auftrag des

Stiftes Seitenstetten

1708 Tod des in Passau ansässigen Baumeisters Carlo Antonio Carlone. Prandtauer

übernimmt dessen Position als entwerfender Baumeister im Stift Garsten und

im Stift St. Florian.

1710 erste Arbeiten im Stift Kremsmünster

1711 Beginn des Umbaus der Klosteranlage von Melk

1714 Beginn des Neubaus des Stiftes Herzogenburg

1714/15 (?) Umbauprojekte für das Stift Klosterneuburg

1715 Beginn des Umbaus von Stift Dürnstein

1716 Prandtauers Tochter Maria Anna heiratet den Bildhauer Peter Widerin.

1717 Joseph Munggenast, bis dahin Schüler und Mitarbeiter Prandtauers, wird selbstständiger

Baumeister.

1717/19 Übergabe der Bauleitung des Stiftes Dürnstein an Joseph Munggenast

1720 Tod von Prandtauers Frau. Die Tochter Maria Anna und ihr Mann Peter Widerin

ziehen zu Prandtauer.

1721 Baubeginn der Kasernen in Krems und Ybbs

1722 Baubeginn des Kremsmünstererhofes in Linz

1724 (?) Baubeginn von Schloss Hohenbrunn im Auftrag des Stiftes St. Florian

1725 Baubeginn der Pfarrkirche von Wullersdorf im Auftrag des Stiftes Melk

1726 16. September Tod Jakob Prandtauers

18. September Begräbnis in der Gruft der Augustiner-Chorherrenstiftskirche St. Pölten

35



DAS AUGUSTINER-CHORHERRENSTIFT

ST. PÖLTEN

Einleitung

Das Augustiner-Chorherrenstift St. Pölten (Abb. 31–33)

bildet ein bauliches Ensemble aus verschiedenen Epochen.

Die nachhaltigsten Veränderungen hat das im Mittelalter

gegründete Kloster im 17. und 18. Jahrhundert

erfahren. Jakob Prandtauer hat an diesen Veränderungen

Anteil, allerdings keinen allzu großen.

Als sich Prandtauer im Juli 1692 dauerhaft in St. Pölten

niederließ, war das Augustiner-Chorherrenstift eine baulich

intakte, jedoch keineswegs moderne oder gar repräsentative

Anlage. Die Klostertrakte, die sich um drei Höfe

gruppierten (den Kreuzgang-, den Brunnen- und den Binderhof),

waren zwar erst unter Propst Johannes Fünfleutner

(amt. 1636–1661) vollständig erneuert worden, besaßen

aber karge Fassaden (Abb. 35). Die im Süden des

Komplexes gelegene Stiftskirche hatte trotz einiger frühneuzeitlicher

Adaptierungen im Wesentlichen ihr mittelalterliches

Erscheinungsbild bewahrt. Den entscheidenden

Akzent setzte der mächtige Turm. Ihm galt spätestens

1692 das Interesse Propst Christoph Müllers von Prankenheim

(amt. 1688–1715; Abb. 17): Der Turm sollte einen

neuen Abschluss erhalten – die erste Aufgabe, mit

der Jakob Prandtauer durch das Augustiner-Chorherrenstift

St. Pölten betraut wurde.

Zu umfassenderen Arbeiten kam es erst unter Propst

Johann Michael Führer (amt. 1715–1739; Abb. 38): Bis

1722 gestaltete Prandtauer den Chor, die Orgelempore

und einige Nebenräume der Stiftskirche um. Etwa zeitgleich

schuf er die baulichen Voraussetzungen für die Einrichtung

einer Bibliothek im Westtrakt des Kreuzganghofes.

Nach dem Tod Prandtauers beschäftigte Johann

Michael Führer Joseph Munggenast, der u. a. das Langhaus

der Stiftskirche barockisierte (Abb. 39) und punktuelle

Adaptierungen im Bereich des Klosters vornahm.

1739 fanden die Arbeiten ein jähes Ende; nach wiederholten

Unruhen im Konvent wurde Johann Michael Führer

seines Amtes enthoben.

Was Jakob Prandtauer, Joseph Munggenast und Propst

Johann Michael Führer der Nachwelt hinterlassen haben,

wirkt auf den ersten Blick wie ein unzusammenhängendes

Stückwerk. Blickt man jedoch auf den sog. Idealprospekt

(Abb. 36), wird rasch klar, dass die einzelnen Maßnahmen

Teil eines groß angelegten Umbauprojekts waren, das das

gesamte Stift zum Gegenstand hatte.

In Anbetracht seiner historischen und kunsthistorischen

Bedeutung hat das Augustiner-Chorherrenstift

St. Pölten wiederholt die Aufmerksamkeit der Forschung

auf sich gezogen, 1 eine umfassende Würdigung der Leistungen

Prandtauers steht jedoch bislang aus. 2 Die archivalische

Basis für eine tiefgehende Beschäftigung mit

dem Augustiner-Chorherrenstift zur Zeit Prandtauers ist

äußerst schmal: Aus den einst reichen Archivbeständen

haben sich zwar die Matrikenbücher erhalten, in denen

die Taufen der Kinder Prandtauers und dessen Tod vermerkt

sind, bauspezifische Quellen liegen jedoch – be-

Abb. 31 Augustiner-Chorherrenstift St. Pölten, Stiftskirche,

Westfassade

1

An neueren Gesamtdarstellungen siehe vor allem FASCHING

(HG.) 1985 und ÖKT. ST. PÖLTEN 1999, 5–76 (JOHANN KRONBICHLER).

2

Im Hinblick auf die Kirche siehe die knappen Überlegungen

bei PÜHRINGER-ZWANOWETZ 1985/1 und HUBER / WEIGL (HG.) 2010,

163–165, Kat. 8.1 (HUBERTA WEIGL).

59


Das Augustiner-Chorherrenstift St. Pölten

Abb. 34 Augustiner-Chorherrenstift St. Pölten, Vogelschau, Aquarell, 1653 (St. Pölten, Diözesanmuseum)

geleitet hat, wurde wiederholt gestellt; zur Diskussion stehen

Hans Georg Probst, Heinrich Thoma und Jakob

Prandtauer. 12 Die Betrauung Hans Georg Probsts mit dieser

Aufgabe kann für Christoph Müller von Prankenheim

wohl kaum in Frage gekommen sein, war der Baumeister

doch seit 1683 auch Richter der Stadt, und mit dieser lag

das Kloster ständig im Streit. 13 Mit dem St. Pöltener Baumeister

Heinrich Thoma wiederum hatte Christoph Müller

von Prankenheim 1692 eine heftige Auseinandersetzung

gehabt, die im Mai desselben Jahres zur Entlassung

des Baumeisters geführt hatte (Kat. 105). Wenig später,

im Juli 1692, ließ sich Prandtauer dauerhaft im Kloster-

12

Mit Hans Georg Probst wurde der Turmumbau erstmals 1932

von Richard Kurt Donin in Zusammenhang gebracht (DONIN

1932/1, 41); Donins Zuweisung basiert allerdings auf einer Verwechslung

der St. Pöltener Augustiner-Chorherrenstiftskirche

mit der Stiftskirche von Melk (PROFOUS 2008, 49–50). Die Zuschreibung

an Heinrich Thoma geht auf Ernst Klebel zurück,

der 1944, ohne Quellenangabe, behauptet hat, Prandtauer habe

Christoph Müller von Prankenheim 500 fl. geboten, um den

Auftrag von Thoma übernehmen zu dürfen (KLEBEL 1944/1, 3).

Ein Jahr zuvor hat Ernst Klebel den Turm noch als Werk Prandtauers

betrachtet (KLEBEL 1943, 3; die Zuschreibung an Prandtauer

findet sich in späterer Folge auch im AUSST.-KAT., PRAND-

TAUER 1960, 150 und bei HUBER / WEIGL [HG.] 2010, 163, Kat. 8.1

[HUBERTA WEIGL]). Ausführlicher mit der Turmfrage hat sich zuletzt

Susanne Profous befasst. Sie kompiliert die verschiedenen

Thesen und kommt zu dem nicht nachvollziehbaren Schluss,

der Umbau wäre durch Hans Georg Probst begonnen und dann

durch Heinrich Thoma fortgeführt worden; die Vollendung des

Projekts hätte schließlich in den Händen Jakob Prandtauers gelegen

(PROFOUS 2008, 50–52).

13

1669 wird Hans Georg Probst im Ratsprotokoll der Stadt St. Pölten

im Zuge seines Ansuchens um die Verleihung des Bürgerrechtes

noch als Palier und Maurer des Chorherrenstiftes (zit. in:

GUTKAS 1980, 61–62) bezeichnet. Ab 1671 war er in verschiedenen

Gremien der Stadt tätig. Zu Probst siehe LUTZ 1965, 184–185,

LUTZ 1968, ELLEGAST 1980/3, 42–52, 59, GUTKAS 1980 und ELLEGAST

1983/1, 145–146. Zu den Streitigkeiten zwischen Kloster und

Stadt siehe HERRMANN 1930, 497–512 und LUTZ 1965, 196–203.

62


Die Stiftskirche

Abb. 35 Augustiner-Chorherrenstift St. Pölten, Vogelschau, Öl auf Leinwand, Detail aus dem Bildnis Propst Johannes Fünfleutners

(amt. 1636–1661) auf dem Totenbett (St. Pölten, Bistumsgebäude)

Abb. 36 Augustiner-Chorherrenstift St. Pölten, Idealprospekt, Öl auf Leinwand, 1730er Jahre (St. Pölten, Bistumsgebäude)

63



DAS AUGUSTINER-CHORHERRENSTIFT

ST. ANDRÄ AN DER TRAISEN

Einleitung

Das Augustiner-Chorherrenstift St. Andrä an der Traisen

(Abb. 52 und 53) liegt nordwestlich von St. Pölten, nur

wenige Kilometer von Herzogenburg entfernt. Im Unterschied

zu den Stiftsanlagen von Melk, St. Florian, Dürnstein

oder auch Herzogenburg besitzt der St. Andräer

Stiftskomplex ganz schlichte Fassaden (Abb. 54). Auch

das Innere ist karg: Bedingt durch die Aufhebung des Stiftes

1783 und die daran anschließende Umnutzung haben

sich nur wenige Reste der barocken Ausstattung erhalten.

Der Blickfang des Komplexes ist die ab 1726 im Zuge der

durchgreifenden Neugestaltung um 180 Grad gedrehte

und folglich gewestete Kirche mit ihrer repräsentativen

Fassade (Abb. 62) sowie dem im Kern aus dem Mittelalter

stammenden Turm.

Der obere Abschluss des Kirchturms, der im 19. Jahrhundert

durch einen Brand zerstört wurde, in verschiedenen

alten Ansichten aber bildlich überliefert ist

(Abb. 61), bildet den einzigen Bauteil, der bislang eindeutig

Jakob Prandtauer zugewiesen werden konnte.

Die Grundlage dafür ist ein undatierter Kostenvoranschlag

für die Neugestaltung des Turmabschlusses, der

mit den Worten Thurn Project, von Prandtauer bezeichnet

ist und eindeutig die Handschrift des Baumeisters trägt

(Abb. 60). Hermann Göhler, dem wir den ersten umfassenden

Aufsatz zur Baugeschichte von St. Andrä verdanken,

hat den Kostenvoranschlag erstmals im Wortlaut

publiziert und ausgewertet. 1 Göhler konnte nicht nur

erstmals belegen, dass Prandtauer tatsächlich in St. Andrä

tätig war, er hat auch mit Recht vermutet, dass die

Idee zur Drehung der Kirche um 180 Grad auf Prandtauer

zurückgeht. Dieser These hat sich in der Folge Alexander

Wahl in seiner 1945 verfassten Dissertation über die

Geschichte von St. Andrä angeschlossen. 2 In den 1990er

Jahren hat sich schließlich noch Ilse Schütz in zwei Aufsätzen

mit der Stiftskirche von St. Andrä befasst und dabei

betont, dass die Umorientierung der Kirche auf

Prandtauer zurückgeht, die Gestalt des heute bestehenden

Baus, vor allem die Fassade, aber nichts mit ihm zu

tun hat. 3

Wie bei den meisten am Ende des 18. Jahrhunderts

aufgehobenen Klöstern ist auch im Falle von St. Andrä

die Quellenlage nicht allzu gut. Die wichtigste schriftliche

Quelle sind die Annalen des Propstes Augustin Erath (amt.

1698–1719; Abb. 56), die Rückschlüsse auf das Baugeschehen

und das einstige Aussehen des Klosters zulassen,

Abb. 52 Stift St. Andrä an der Traisen, Luftbild

1

GÖHLER 1936, 138–139, 145–146. Vor Göhler haben sich lediglich

zwei Autoren kurz mit St. Andrä und der Prandtauer-Frage befasst:

Ludwig Koller hat die Stiftskirche 1918 aufgrund der „Nähe

der Stadt St. Pölten“ sowie aus „zeitlichen Gründen“ Prandtauer

zugeschrieben (KOLLER 1918, 63). In seiner 1926 erschienenen

Prandtauer-Monografie vertrat Hugo Hantsch die Meinung, die

Stiftskirche habe nichts mit Prandtauer zu tun, sondern sei am

ehesten Joseph Munggenast oder einem Wiener Architekten zuzuweisen

(HANTSCH 1926, 93; siehe auch HANTSCH 1933, 348).

2

WAHL 1945, 155. In dem auf der Grundlage der Vorarbeiten

von Ernst Klebel erstellten Werkverzeichnis, das anlässlich des

Prandtauer-Jubiläums 1960 erschienen ist, wurde St. Andrä unter

jene Bauten eingereiht, für die sich keine konkreten stilistischen

Anhaltspunkte finden (AUSST.-KAT., PRANDTAUER 1960,

35 [Werkverzeichnis nach ERNST KLEBEL]).

3

SCHÜTZ 1992, 2, 4 und SCHÜTZ 1994, 112–114, 118.

79


Einleitung

Abb. 54 Stift St. Andrä an der Traisen, Ostfassade

Abb. 55 Stift St. Andrä an der Traisen, Vogelschau von Nordosten, Kupferstich (Georg Matthäus Vischer, Topographia Archiducatus Austriae

inferioris modernae ..., Frankfurt a. M. 1672, T. 63)

81


Das Augustiner-Chorherrenstift St. Andrä an der Traisen

Abb. 56 Johann Baptist Baader, Augustin Erath (amt. 1698–

1719), Porträt, Öl auf Leinwand (Universitätsarchiv München,

Kustodie-F 25/36)

Rissen aldorthen gewesen, welche er gehrn bei Herrn Baron

von Blauenstein übersenden wollen; weilen aber derselbe nicht

zu St. Andrae, sondern zu Wien wahre, hette er, Paumaister,

solche Risse widerumben mit sich nacher Haus genohmen … 5

Demnach war Prandtauer vor dem 3. Februar 1707 in

St. Andrä an der Traisen, wo er dem 1680 resignierten

Propst Matthias Helfried von Blauenstein Risse übergeben

wollte, die in der Quelle nicht näher spezifiziert sind. 6

Ein weiterer Aufenthalt Prandtauers in St. Andrä ist

1714 dokumentiert, dieses Mal in Zusammenhang mit

der Übermittlung von Büchern: Augustin Erath schreibt

in einem Brief am 2. März 1714 an den Melker Konventualen

Bernhard Pez, mit dem er Bibliotheksdoubletten

austauschte, er werde ihm die versprochenen Bücher sobald

als möglich über den Baumeister Prandtauer zukommen

lassen. 7 Am 16. März 1714 kündigt der Propst die

Übersendung weiterer Bücher durch Prandtauer an. 8

Augustin Erath hat sich also Prandtauers als Kurier bedient,

was voraussetzt, dass die beiden einander gut kannten

und dass Prandtauer regelmäßig vor Ort war – zweifelsohne

in Bauangelegenheiten.

Aus der Barockzeit hat sich keinerlei Planmaterial zu

St. Andrä erhalten. Die wichtigsten bildlichen Quellen

sind die Ansicht des Klosters in der 1672 erschienenen

„Topographia Archiducatus Austriae inferioris“ von Georg

Matthäus Vischer, die den Komplex vor der Verwüstung

durch die Türken (1683) zeigt (Abb. 55). 9 Den Zustand

nach dem Wiederaufbau des Klosters und vor der 1726

begonnenen Umgestaltung der Stiftskirche dokumentieren

zwei bislang nicht bekannte Federzeichnungen in der

Bayerischen Staatsbibliothek in München, von denen eine

unvollendet und von geringer zeichnerischer Qualität ist

(Abb. 427), während die andere vollendet ist und von einer

geübten Hand stammt (Abb. 57). 10 Vor allem die zweite

Zeichnung soll im Folgenden herangezogen werden, wenn

es u. a. darum geht, das einstige Aussehen des Klosterkomplexes

von St. Andrä zu rekonstruieren und den Anteil

bzw. die Leistung Prandtauers an dem Bau darzulegen.

5

Zit. in: BUREŠ 1973, 285, Anm. 33.

6

Ilse Schütz hat 1992 angenommen, dass es sich bei den bewußten

Rissen um Pläne für die Stiftskirche von St. Andrä handelt

(SCHÜTZ 1992, 2). Wenig später hat sie die Risse mit Bauplänen

für „Questenbergs mährisches Schloss“, also Schloss Jarmeritz

(Kat. 26), identifiziert (SCHÜTZ 1994, 112). Da der Brief vom Verwalter

des Questenberg-Schlosses in Rappoltenkirchen stammt,

halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass sich die Risse auf Rappoltenkirchen

(Kat. 67) beziehen.

7

WALLNIG / STOCKINGER 2010, 541–547, Nr. 331.

8

WALLNIG / STOCKINGER 2010, 547–549, Nr. 333. Am 7.4.1714

schreibt Augustin Erath dann an Pez, er habe ungern erfahren,

dass Prandtauer die ihm anvertrauten Bücher noch nicht nach Melk

gebracht hat, aber hofft, dass dies inzwischen erfolgt ist (zit. in:

WALLNIG / STOCKINGER 2010, 554–557, Nr. 336).

9

Eine Zusammenstellung der bislang bekannten Bilddokumente

zur Baugeschichte findet sich bei OPPITZ / SCHÜTZ 2005, 429–

430.

10

Zu den Ansichten siehe DISCHINGER / WEIGL (in Vorbereitung).

Zu dem Forschungsprojekt siehe auch https://www.augustinerchorherren.eu

[5.8.2020].

11

Die Annalen würdigen die Leistungen Propst Ivo Teschenbauers

wie folgt: „Daher legte er Hand an das Werk, errichtete

Dächer auf dem Schutt, säuberte die Wohnräume von der

Asche, besorgte Fässer für eine reichliche Weinlese, versorgte

den Kornspeicher nach Notwendigkeit, soweit es möglich war,

stattete den Wirtschaftshof mit Vieh aus, die Kirche, die vom

Schmutz der Türken ganz verunreinigt und besudelt war,

strich er weiß und stellte den nötigen Schmuck wieder her,

nahm neue Untertanen in Dienst, welche die Äcker und Wein-

82



DAS BENEDIKTINERSTIFT MELK

Einleitung

Die treibende Kraft hinter der durchgreifenden Erneuerung

des Melker Klosterkomplexes war Berthold Dietmayr

(Abb. 64), der 1700 im Alter von 30 Jahren zum Abt gewählt

wurde – ein Amt, das er bis zu seinem Tod im Jahr

1739 innehatte. 1 Schrittweise verwandelte sich das Benediktinerstift

unter ihm zu einer der prächtigsten Klosteranlagen

des Barock (Abb. 63).

Am Beginn der Planungs- und Baugeschichte stand

1701 die Idee, die mittelalterliche Stiftskirche lediglich

umgestalten zu lassen. Bald schon befasste sich der ehrgeizige

Abt jedoch mit der Idee eines Neubaus. Er bat

mehrere Baumeister – Jakob Prandtauer, Christian Alexander

Oedtl und Franz Jänggl – sowie ein Mitglied der

Stuckateurfamilie Piazoll um Entwürfe. Am 30. Juli 1701

stimmte der Konvent über die Frage „Um- oder Neubau?“

ab. Die Entscheidung fiel zugunsten des Neubaus aus. Mit

der Realisierung wurde Jakob Prandtauer betraut, der den

Rohbau in den Jahren 1702–1715 errichtete.

Die Melker Stiftskirche erstaunt in vielerlei Hinsicht:

An der Fassade fallen die abgeknickten, kurvierten Pilaster

auf (Abb. 94 und 95); sie sind Ausdrucksträger einer Bewegung,

die sich in immer neu und in jedem Geschoß

anders ansetzenden Schwüngen über die gesamte Front

erstreckt. Unverwechselbares Charakteristikum des Innenraumes

sind die konvex ausgebildeten Emporen des

Langhauses, denen das zurückschwingende Gebälk „antwortet“

(Abb. 85). Die von einer seltsamen Bewegung erfasste

Doppelturmfassade und der dynamisierte Innenraum

machen die Melker Stiftskirche zu einem eigenwilligen

und erstaunlich frühen Beispiel der Rezeption italienischer

Architekturvorstellungen nördlich der Alpen,

das sich nicht recht in das Werk Prandtauers einfügen

will und für das sich – höchst unbefriedigend aus Sicht

der Kunstgeschichte – kein Vorbild benennen lässt.

1707 sind erstmals bauliche Veränderungen an der

Klosteranlage nachweisbar. Wie im Falle der Kirche dachte

Abt Berthold auch hier zunächst nur an eine punktuelle

Adaptierung des Bestandes. 1710/11 beschloss er jedoch,

das Stift grundlegend durch Prandtauer umgestalten zu

lassen. Die Anlage verwandelte sich nun in einen veritablen

„Klosterpalast“, der den Vergleich mit den Adelsbauten

der Haupt- und Residenzstadt Wien nicht scheuen

musste.

Das Stift Melk bildet nicht nur das Hauptwerk Jakob

Prandtauers, sondern zählt auch zu den bedeutendsten

Klosteranlagen in Mitteleuropa. Dementsprechend umfangreich

ist die Zahl der wissenschaftlichen Publikationen,

die sich mit Melk befassen.

Seine erste ausführliche Behandlung erfuhr das Kloster

1909 in der von Hans Tietze bearbeiteten „Österreichischen

Kunsttopographie des politischen Bezirkes

Melk“. 2 Der Band gibt einen guten Einblick in das Baugeschehen

und beinhaltet eine umfassende Beschreibung

des gesamten Komplexes samt seiner Ausstattung; darüber

hinaus sind hier die wichtigsten Pläne und schriftlichen

Abb. 63 Stift Melk, Luftbild

1

Einer Quelle aus dem Jahr 1723 zufolge soll Kaiser Leopold I.

„eine prächtige Erbauung sowohl der Kirche als auch des übrigen

Klosters […] mit eigenem Mund angeregt“ (PÜHRINGER-

ZWANOWETZ 1980/1, 164) haben. Der Wahrheitsgehalt dieser

Nachricht lässt sich nicht verifizieren.

2

ÖKT MELK 1909, 178–370.

93


Abb. 86 Stiftskirche Melk, Langhaus




DAS BENEDIKTINERSTIFT GARSTEN

Einleitung

Die bauliche Erneuerung des Stiftes Garsten (Abb. 182 und

183) setzte bereits im 17. Jahrhundert ein. Zunächst begann

Pietro Francesco Carlone 1677 mit dem Bau der neuen

Klosterkirche. 1680, also nur drei Jahre später, starb er und

sein Sohn Carlo Antonio (Abb. 431) übernahm die Leitung

des Projekts. 1685 vollendete Carlo Antonio Carlone die

Kirche, 1687 die an der Südseite der Kirche liegende Losensteiner

Kapelle. Frühestens 1683 wandte er sich dem

Bau der Klosteranlage zu: Als Erstes errichtete Carlone den

südlich an die Kirche anschließenden Prälaturtrakt mit der

markanten Riesenpilastergliederung (Abb. 193). Was dann

geschah und wie die Planung ausgesehen hat, als Carlone

1708 starb und Abt Anselm Angerer (amt. 1683–1715;

Abb. 197) Jakob Prandtauer zum Baumeister bestellte, geht

aus den Quellen nicht eindeutig hervor. Fest steht nur, dass

der gesamte Klosterneubau äußerst langsam voranschritt.

Beim Tod Prandtauers im Jahre 1726 standen, neben dem

Prälaturtrakt, der im rechten Winkel anschließende Südtrakt

sowie der parallel zur Kirchenfassade liegende Westtrakt

mit dem Saal und dem Treppenhaus (Abb. 194).

Bald nach 1735 wurde noch der kurze, nördlich an die

Stiftskirche anschließende Trakt mit der Sommerprälatur

errichtet; dann wurde der Bau eingestellt. Den nördlichen

Abschluss des Hofes bildet bis heute der schräg stehende

frühbarocke Hofrichtertrakt (Abb. 201).

Verglichen mit anderen Klosteranlagen Prandtauers

hat das Stift Garsten in der Literatur bislang nicht allzu

große Beachtung gefunden; eine Baumonografie fehlt.

Die Literatur kreist fast durchgängig um zwei Fragen:

1 Wie weit war der Bau gediehen, als Carlo Antonio Carlone

1708 starb und Prandtauer seine Nachfolge antrat?

2 Wie hat die Klosterplanung Carlo Antonio Carlones

ausgesehen? Dachte schon Carlone an einen großen Hof

vor der Kirche oder geht diese Lösung auf Prandtauer zurück?

1726 hat Hugo Hantsch Garsten erstmals als Werk Prandtauers

gewürdigt. 1 Zögernd wies Hantsch das Treppenhaus,

das sich hinter dem hofseitigen Risalit des Westtraktes

verbirgt, Prandtauer zu (Abb. 194). Hantsch

thematisierte auch die Frage der Gesamtkonzeption. Er

betrachtete den großen Westhof als eine Idee Carlones;

die von diesem großen Hof ehemals auf eine Kapelle zuführende

Straße (Abb. 182) sah er aber als eine entscheidende

Neuerung Prandtauers. War bei Carlone der Westhof

als Zentrum des Klosterkomplexes gedacht, so gab

Prandtauer – so Hantsch – mit der von Gärten gesäumten

Einfahrtsstraße dem Bau eine neue Richtung.

Den Überlegungen Hantschs folgte Franz Barnath 1943

in seinem knappen Überblick über das Œuvre Prandtauers.

2 1948 vertrat Erika Kirchner-Doberer in ihrer schmalen

Publikation zu St. Florian die Ansicht, dass Treppenhaus

und Saal von Garsten das Werk Carlones wären. 3

Abb. 182 Stift Garsten, Ansicht von Westen (Detail), lavierte

Federzeichnung (Leopold Schaffner [Till], Marckstein des Gotteshaus

Gärsten, 1735, fol. 4v; Linz, OÖLA, Stiftsarchiv Garsten, Hs. 6)

1

HANTSCH 1926, 60–63. Alfred Bretschneider betrachtete 1914

Stift Garsten noch als alleiniges Werk der Familie Carlone (BRET-

SCHNEIDER 1914, 38–48).

2

BARNATH 1943, 23–24.

3

KIRCHNER-DOBERER 1948, 20.

213



DAS AUGUSTINER-CHORHERRENSTIFT

ST. FLORIAN

Einleitung

1708 folgte Jakob Prandtauer Carlo Antonio Carlone im

Augustiner-Chorherrenstift St. Florian (Abb. 221) als Baumeister

nach. Obwohl der Bau bereits voll im Gang war,

veränderte Prandtauer die Planung. Seine Ideen stießen

sowohl bei Propst Franz Claudius Kröll (amt. 1700–1716)

als auch bei dessen Nachfolger, Propst Johann Baptist Födermayr

(amt. 1716–1732), auf Zustimmung (Abb. 222).

Bis zu seinem Tod im Jahr 1726 leitete Prandtauer den

Neubau des Klosters.

Das Stift St. Florian ist eine dreihöfige Anlage mit der

Kirche in Randlage (Abb. 223). Die beiden Höfe, die direkt

an die Stiftskirche angrenzen, werden durch den sog. Leopoldinischen

Trakt vom großen Prälatenhof getrennt. Der

Leopoldinische Trakt – benannt nach Propst Leopold Zehetner

(amt. 1612–1646) – ist der einzige Teil, der aus der

alten Anlage in den Neubau übernommen wurde. Während

die beiden direkt neben der Kirche liegenden Höfe

einen schlichten Charakter besitzen, ist der Prälatenhof

aufgrund seiner architektonischen Sprache eindeutig der

repräsentativen Sphäre zuzuordnen. Hier finden sich drei

als Risalit ausgebildete Pavillons (Abb. 224): das Treppenhaus

im Westen, der Saalpavillon im Süden und die Bibliothek

im Osten. Im Osten wird die Klosteranlage durch einen

Annex erweitert, das Sommerrefektorium (Abb. 220).

Im Gegensatz zu Melk, wo Prandtauer die Dimensionen

der alten Stiftsanlage im Zuge des Umbaus weitgehend bewahrte,

wurde der St. Florianer Komplex in den Jahren

1674 bis ca. 1748 deutlich vergrößert: Der bis dahin einhöfige

Bau – überliefert u. a. durch eine Ansicht von Georg

Matthäus Vischer aus dem Jahr 1674 (Abb. 225) – wurde

durch einen großen Hof erweitert. Voraussetzung hierfür

war zunächst die Errichtung des schräg zur Klosteranlage

stehenden vierflügeligen Meierhofes (Abb. 221) in den

Jahren 1674–1676/77, der die Aufgaben der im Süden des

Areals liegenden Gebäudegruppe übernahm. Um 1685

wurde der Meierhof um das südlich anschließende Vorgebäude

erweitert (der östliche Flügel des Vorgebäudes

wurde später – um 1750? – durch einen parallel zum Westtrakt

des Klosters stehenden Trakt ersetzt). 1686 begann

Carlo Antonio Carlone (Abb. 431) schließlich mit dem

Neubau der Stiftskirche und 1695 mit dem Neubau des

Klosters. Als Carlone 1708 starb, war der lange, mit Kolossalpilastern

besetzte Westtrakt (Abb. 234) fast vollendet.

Abgeschlossen war zudem der Rohbau des Treppenhauses,

das dem Westtrakt hofseitig vorgeblendet ist. Alle übrigen

Trakte waren noch nicht in Arbeit.

Jakob Prandtauer wurde unmittelbar nach dem Tod

Carlones zum leitenden Baumeister bestellt. Die Quellen

erlauben es, den baulichen Zustand des Stiftes im Jahr

1708 genau zu bestimmen, sie geben aber keinen eindeutigen

Hinweis, wie der Planungsstand zu jener Zeit aussah.

Prandtauer war bemüht, die Planung Carlones schrittweise

zu verändern bzw. zu modernisieren, jedoch – und hierin

liegt eine seiner Stärken – ohne einen harten stilistischen

Bruch herbeizuführen. Als Prandtauer 1726 starb,

führte zunächst dessen Polier Jakob Steinhuber das Projekt

fort. Vollendet wurde die Klosteranlage schließlich durch

den Baumeister Johann Gotthard Hayberger, der den Prälatenhof

mit der Errichtung der Bibliothek in den Jahren

1744 bis 1749 schloss.

Im Folgenden wird zunächst ein knapper Überblick

über die Literatur und die Quellen gegeben. Bei der Darstellung

des Forschungsstandes bleibt die kontrovers ge-

Abb. 220 Stift St. Florian, Sommerrefektorium

241


Abb. 221 Stift St. Florian, Luftbild

führte Diskussion um den Planungsstand im Jahr 1708

ausgeklammert; sie soll in einem eigenen Kapitel dargelegt

werden.

Albin Czerny hat 1886 erstmals eine Baugeschichte

des Stiftes St. Florian erarbeitet. 1 Die wichtigste Grundlage

bildeten für ihn die schriftlichen Quellen; die Pläne und

alten Ansichten des Klosters ließ der Autor weitgehend

unbeachtet. 1926 setzte sich Hugo Hantsch in seiner

Prandtauer-Monografie näher mit St. Florian auseinander,

wobei er sich naturgemäß vor allem bemühte, den Anteil

Jakob Prandtauers zu präzisieren. 2 1948 publizierte Erika

Kirchner-Doberer eine erste kurze Baumonografie, in der

sie auch ausgewählte Ansichten und Pläne in die Betrachtung

einbezog. 3 Gertraut Schikola widmete sich in ihrer

Dissertation aus dem Jahr 1959 wiederum ausschließlich

dem Anteil Prandtauers. 4 So wie Czerny, Hantsch und

Kirchner-Doberer berücksichtigte auch sie nur Teile der

schriftlichen und bildlichen Quellen. 1960 fand in Melk

anlässlich des 300. Geburtstages von Jakob Prandtauer eine

große Jubiläumsausstellung statt; in dem Katalog ist

der damalige Kenntnisstand zu St. Florian in knapper

Form zusammengefasst. 5

1

CZERNY 1886. Eine alphabetisch nach Autorennamen geordnete

Bibliografie zur Geschichte des Stiftes St. Florian bis 1999 bietet

REHBERGER / WUNSCHHEIM / WUNSCHHEIM 2006.

2

HANTSCH 1926, 64–73.

3

KIRCHNER-DOBERER 1948.

4

SCHIKOLA 1959, 95–110.

5

AUSST.-KAT., PRANDTAUER 1960, 190–196, Kat. 290–311.

242


Die Klosteranlage

Abb. 256 Stift St. Florian, Ansicht von Westen, Öl auf Leinwand, 1717 (St. Florian, Pfarrgang, ehem. Rekreationszimmer)

zeigt die Bibliothek als ungegliederten Risalit, wobei das

große Fenster in der Mittelachse des zweiten Obergeschoßes

eindeutig auf die mittlere Bogenöffnung des Treppenhauses

abgestimmt ist. Die Ansicht ist zwischen 1716 und

1717 entstanden, 154 könnte aber in meinen Augen in Anbetracht

der Kargheit des Aufrisses eine Planung aus der

Carlone-Zeit zeigen. 155

Ebenfalls auf Carlone könnte, wie ich meine, die Planung

zurückgehen, die die durch ein Chronogramm in

das Jahr 1717 datierte Westansicht des Stiftes, ein großformatiges

Ölbild, überliefert (Abb. 256). Die Hofseite der

Abb. 257 Stift St. Florian, Bibliothek (Detail aus Abb. 256)

150

Ausführlich zur Entstehungsgeschichte der Bibliothek siehe

KORTH 1975, 202–217.

151

KORTH 1975, 202.

152

→ S. 260.

153

Zum kleinen Födermayr-Stich siehe KORTH 1975, 312, Nr. 33,

zu dem Ölbild KORTH 1975, 312, Nr. 34a.

154

1716 wurde Johann Baptist Födermayr zum Propst gewählt.

Der Terminus ante quem ergibt sich aus der Tatsache, dass das

Ölbild, das das Stift von Westen zeigt, kurz nach seiner Fertigstellung

im Jahr 1717 (Chronogramm) im Bereich des Traktes,

der die beiden Konventhöfe voneinander trennt, übermalt

wurde. Während das Sommerrefektorium auf dem kleinen

Födermayr-Stich noch in den Quertrakt eingebunden ist, bildet

es auf dem Ölbild einen an den Osttrakt angehängten Annexbau.

Die Planung für das Sommerrefektorium, wie es der kleine

Födermayr-Stich überliefert, schimmert bei genauer Betrachtung

auf dem Ölbild aber noch durch (KORTH 1975, 313,

Nr. 43a).

155

Thomas Korth bezweifelt die Aussagekraft des Stichs im Hinblick

auf die Bibliotheksplanung (KORTH 1975, 203).

279



DAS BENEDIKTINERSTIFT

KREMSMÜNSTER

Einleitung

Die Klosteranlage von Kremsmünster gruppiert sich um

insgesamt neun Höfe (Abb. 281 und 282). Der Hauptzugang

führt über das Eichentor (Abb. 282, Nr. I) in den äußeren

Stiftshof mit dem oberen und dem unteren Meierhof.

In derselben Achse wie das Eichentor liegt das

Brückentor (Nr. VI), das den Zugang zum Prälatenhof bildet.

Wer das Brückentor passiert hat, sieht nun auch erstmals

die Fassade der Stiftskirche (Nr. XII), die in den Westtrakt

des Prälatenhofes eingebunden ist.

Wie viele andere Klöster, für die Jakob Prandtauer

tätig war, ist auch das Benediktinerstift Kremsmünster

eine mittelalterliche Gründung. Im frühen 17. Jahrhundert

hatte man mit der Erneuerung der bestehenden

Anlage begonnen. Schrittweise waren einzelne Trakte

neu errichtet und die Barockisierung der Stiftskirche in

Angriff genommen worden. Als Prandtauer unter Abt

Alexander Strasser (amt. 1709–1731; Abb. 283) 1710 begann,

für Kremsmünster zu arbeiten, bestand in Bauangelegenheiten

nur mehr punktuell Handlungsbedarf:

Nach und nach schloss Prandtauer die Umgestaltung

der Stiftskirche ab; er erneuerte die Wintersakristei

(Abb. 292), errichtete die beiden mächtigen Meierhöfe

(Abb. 281) samt dem Eichen- sowie dem Markttor

(Abb. 314 und 320) und veränderte zwei Becken des

Fischbehälters. Zudem adaptierte er den Kaisersaal und

vermaß den Hopfengarten im Hinblick auf die Errichtung

einer Mauer. Für die Sommersakristei, die Abtei

sowie den Brückentortrakt mit dem Theater lieferte

Prandtauer zwar Entwürfe, diese blieben jedoch unausgeführt.

Die Literaturlage zu Prandtauers Tätigkeit in Kremsmünster

ist nicht allzu umfassend, aber gut: Ludwig Koller

hat 1918 den Vertrag zwischen Abt Alexander Strasser

und dem Baumeister publiziert und damit erstmals den

Nachweis erbracht, dass Prandtauer in Kremsmünster tätig

war. 1 Während Koller nur das Eichentor sowie die Meierhöfe

Prandtauer zugewiesen hat, erkannte Martin Riesenhuber

1924, dass Prandtauer auch ein Projekt für einen

inneren Umbau der Abtei geliefert hat. 2 Hugo Hantsch

hat sich in seiner 1926 erschienenen Prandtauer-Monografie

bemüht, die Rolle des Baumeisters in Kremsmünster

einigermaßen klar zu skizzieren, 3 was ihm jedoch in Anbetracht

der unvollständigen Quellenkenntnis nur bedingt

gelungen ist. Mit Prandtauers Leistung in Kremsmünster

haben sich in der Folge auch Theophilus Dorn

in seinem 1931 erschienenen „Abriß der Baugeschichte

Kremsmünsters“ 4 und der Jubiläumskatalog des Jahres

1960 befasst, 5 freilich ohne eine vollständige Würdigung

der einzelnen Projekte bzw. Bauten.

Die wichtigste Grundlage für jede Beschäftigung mit

dem Stift Kremsmünster ist der 43. Band der „Österreichischen

Kunsttopographie“, der ausschließlich dem Kloster

gewidmet ist und in dem Leonore Pühringer-Zwanowetz

ausgehend von umfassenden Archivrecherchen

Prandtauers Tätigkeit mit beeindruckender Gründlichkeit

Abb. 280 Stift Kremsmünster, unterer Meierhof

1

KOLLER 1918, 60–62.

2

RIESENHUBER 1924, 258.

3

HANTSCH 1926, 73–77.

4

DORN 1931, 64–68.

5

AUSST.-KAT., PRANDTAUER 1960, 197–200.

297


Abb. 314 Stift Kremsmünster, Eichentor, Nordfassade

Abb. 315 Stift Kremsmünster, Eichentor, Südfassade

1713 begonnen, 65 genau gesagt wurde in diesem Jahr das

Fundament zum neyen Mayrhof mit Pürsten geschlagen 66 . Parallel

dazu wurde das Wasser im Hofgarten mithilfe einer

grossen Schneckhen Pumpen ausgepumpt, die von H[err]n

Jacoben Paumeistern angegeben 67 , also entworfen worden

war. Die Arbeiten gingen zügig voran: Schon 1714 wurden

die Fenstergitter für den unteren Meierhof bezahlt, 1715

wurden fünf Tore vom Hofschmied beschlagen. 1717 wurde

der Bau mit der Verglasung der Fenster 68 sowie mit dem

Setzen des mit genau dieser Jahreszahl datierten Wappensteines

von Abt Alexander abgeschlossen. 69

Der obere, also westliche Meierhof (Abb. 306) wurde

später als der untere begonnen. 1719 war er nachweislich

in Bau, 1720 wurde er gepflastert. 70 1722 war er, laut Datierung

des Wappensteines von Abt Alexander über dem

Hauptportal, fertig. 71 Zwei Jahre später, also 1724, wurde

dann auch der hakenförmige Trakt, der den Westtrakt ursprünglich

nach Süden hin verlängerte, vollendet. 72

Insgesamt umfassen die beiden Meierhöfe im Erdgeschoß

rund achtzig Räume, die in erster Linie für Ställe

und handwerkliche sowie landwirtschaftliche Nutzung

vorgesehen waren. Das Obergeschoß, zu dem sich keine

Grundrisse erhalten haben, diente mit Sicherheit ursprünglich

der Unterbringung des Klosterpersonals.

Eichen- und Markttor

Nachdem Carlo Antonio Carlone das Eichentor um 1690

an der heutigen Stelle neu errichtet hatte (Abb. 309), 73 erhielt

es unter Prandtauer sein endgültiges Erscheinungsbild.

Prandtauer verwandelte die karge dreiachsige, dreigeschoßige

Anlage in ein repräsentatives Portal, dessen

Nord- und Südseite ganz unterschiedliche architektonische

Charaktere besitzen (Abb. 314 und 315). 74

Auch für die Nord- bzw. die Einfahrtsseite des Eichentores

(Abb. 314) haben sich zwei Entwürfe von Prandtauer

erhalten: 75 Auf dem ersten (Abb. 317) – beschriftet mit

den Worten Halber Fäcätä Ris von Eichen Thor, wie es auf

sein bei gefiegten Grundt zu sten khumbt – rahmen schräg

vortretende Säulen das Portal, in dessen Scheitel ein überdimensional

großer Schlussstein sitzt. Die Mitte des Ober-

65

PÜHRINGER-ZWANOWETZ 1977/3, 438.

66

Zit. in: PÜHRINGER-ZWANOWETZ 1977/3, 438.

67

Zit. in: PÜHRINGER-ZWANOWETZ 1977/3, 438–439.

68

Alle Daten nach PÜHRINGER-ZWANOWETZ 1977/3, 439 (mit Hinweisen

auf die punktuellen Veränderungen des unteren Meierhofes

nach dem Brand des Jahres 1866).

69

Zu dem Wappenstein, der ursprünglich hofseitig angebracht

war, siehe PÜHRINGER-ZWANOWETZ 1977/3, 454–455.

70

PÜHRINGER-ZWANOWETZ 1977/3, 448–449.

71

PÜHRINGER-ZWANOWETZ 1977/3, 449, 454–455.

72

PÜHRINGER-ZWANOWETZ 1977/3, 449. Südlich des hakenförmigen

Traktes finden sich Reste einer Eisgrube, die wohl auf Prandtauer

zurückgeht (PÜHRINGER-ZWANOWETZ 1977/3, 457).

73

PÜHRINGER-ZWANOWETZ 1977/3, 450–451.

74

Grundlegend zum Eichentor ist PÜHRINGER-ZWANOWETZ 1977/3,

449–453. An älterer Literatur siehe KOLLER 1918, 60, HANTSCH

1926, 75–76 und AUSST.-KAT., PRANDTAUER 1960, 197, Nr. 318–

323. Zuletzt siehe HUBER / WEIGL (HG.) 2010, 125–127 (HUBERTA

WEIGL).

75

PÜHRINGER-ZWANOWETZ 1977/2, 46, Nr. 12 und 16.

324


Das Benediktinerstift Kremsmünster

Abb. 317 Jakob Prandtauer, Stift Kremsmünster, erster Entwurf für das Eichentor, halber Aufriss und ganzer Grundriss,

lavierte Federzeichnung, vor 1721 (StfAKr, Pd 45/2; → P 34)

326



DAS AUGUSTINER-CHORHERRENSTIFT

HERZOGENBURG

Einleitung

Im Jahr 1714 legte Wilhelm Schmerling (amt. 1709–1721,

Abb. 326) den Grundstein für den Neubau des Augustiner-Chorherrenstiftes

Herzogenburg. Von Anfang an

war der Abbruch des alten Klosterkomplexes geplant, nur

die Stiftskirche sollte bewahrt werden. Mit dem Projekt

betraute der Propst Jakob Prandtauer, der nun erstmals

vor der Aufgabe stand, eine von Grund auf neue Klosteranlage

zu errichten.

Der ausgeführte Klosterkomplex besteht aus zwei annähernd

quadratischen Höfen (Abb. 327, 341–343): dem

Klausurhof (Emmerich-Hof) im Westen und dem Prälatenhof

(Augustini-Hof) im Osten. Die Stiftskirche bildet

den Südflügel des Klausurhofes. Wie das im Stiftsarchiv

Herzogenburg verwahrte, bislang noch nicht umfassend

ausgewertete Planmaterial zeigt, näherte sich Prandtauer

schrittweise dieser Zwei-Höfe-Lösung an. Während des

Bauprozesses kam es mehrfach zu Veränderungen, die vor

allem den Aufriss und die innere Raumdisposition betrafen.

Die massivste Planänderung löste der Eingriff des kaiserlichen

Hofarchitekten Johann Bernhard Fischer von

Erlach aus: Fischer veränderte den Mittelrisalit des Osttraktes

(Abb. 325), das Vestibül und das Treppenhaus (das

noch im 18. Jahrhundert abgebrochen und durch eine

Treppe an anderer Stelle ersetzt wurde). Für das oberste

Turmgeschoß der Stiftskirche entwarf Fischer einen tempiettoartigen

Aufsatz, der jedoch nicht zur Ausführung

gelangte.

Auch der Nachfolger Wilhelm Schmerlings, Propst Leopold

von Planta (amt. 1721–1740, Abb. 370), setzte auf

Prandtauer, der bis zu seinem Tod für das Stift Herzogen-

Abb. 325 Stift Herzogenburg, Osttrakt

Abb. 326 Thomas Mathiowitz, Propst Wilhelm Schmerling (amt.

1709–1721), Porträt, Öl auf Leinwand (Stift Herzogenburg, Saal)

333


Abb. 327 Stift Herzogenburg, Luftbild

burg arbeitete. Als Prandtauer 1726 starb, war der Rohbau

der Klosteranlage weitgehend vollendet. Es fehlte nur

noch der Westtrakt des Klausurhofes, der entgegen der

Absicht Prandtauers letztendlich nie errichtet wurde; so

öffnet sich der Stiftskomplex heute zur Stadt Herzogenburg

hin.

Auf Prandtauer folgte Joseph Munggenast als Baumeister:

Munggenast errichtete mehrere Zufahrten in das Kloster

(das Portal des Nordtraktes, das Georgen- und das Au-

Tor), den Meierhof und einen Gartenpavillon. Kurz vor

seinem Tod (1741) befasste sich Munggenast auch noch

mit einem Umbau der Stiftskirche, für den er mehrere

Entwürfe vorlegte. Bald nach Munggenasts Tod entschied

sich Propst Frigdian Knecht (amt. 1740–1775) jedoch für

einen Neubau der Kirche, mit dessen Ausführung er Franz

Munggenast, einen der beiden Söhne von Joseph Munggenast,

betraute. 1743 wurde mit dem Bau begonnen,

1748 war die Kirche fertig.

Als letztes großes Projekt wurde in den Jahren 1764

bis 1768 der Turm der Kirche umgestaltet (Abb. 365). Mit

dem zweigeschoßigen Aufsatz (Planung: Matthias Munggenast

und Melchior Hefele) fand rund fünfzig Jahre nach

der Grundsteinlegung die bauliche Erneuerung des Stiftes

Herzogenburg ihren Abschluss.

Die Urheberschaft Jakob Prandtauers an der Stiftsanlage

von Herzogenburg ist nie in Zweifel gezogen worden:

Schon die zwischen 1758 und 1775 verfasste Stiftsgeschichte

des Augustiner-Chorherren Augustin Beyer bezeichnet

Prandtauer ausdrücklich als Baumeister des Klosters. 1 Die

eigentliche Forschungsgeschichte zum barocken Neubau

von Herzogenburg, die hier nur in den wichtigsten Punkten

umrissen werden soll, 2 setzt 1910 mit dem Überblick über

1

Architectum sibi Wilhelmus noster adscivit eundem, qui aedificia

Mellicy, ad. S. Floriani in superiori Austria etc. direxit N. Brandauer

e nomine sto Hippolyto virum in arte peritissimum (StBH, Ms. 388,

Augustin Beyer, Monumenta Ducumburgensia Sand Georgiana simul

ac Ducumburgensi, Hs., 1758–1775, 4. Bd., 243). Wohl auf Beyer

basierend führt auch die älteste gedruckte Herzogenburger Stiftsgeschichte

Jakob Prandtauer als Baumeister an (SCHMOLK 1881,

39). In der Literatur des 19. Jahrhunderts wurde Prandtauer nicht

nur die Klosteranlage, sondern auch die Kirche zugewiesen (siehe

z. B. NAGLER 1842, 20 und WURZBACH 1872, 191–192).

2

Die Forschungslage zum Anteil Johann Bernhard Fischers von

Erlach am Herzogenburger Neubau bleibt in diesem Abschnitt

bewusst ausgeklammert, da sie später im Detail referiert wird

(→ S. 352–373).

334


Abb. 381 Stift Herzogenburg, Nordfassade, östlicher Risalit mit dem Hauptportal

überfängt, setzen die Akzente. Die Einfahrt in den Prälatenhof

führt durch den östlichen Risalit (Abb. 381) mit

seinem auf Joseph Munggenast zurückgehenden Portal,

dem Au-Tor (Abb. 374). Zwei von dem Tor auf die Außenkanten

des Risalits zulaufende Mauern rahmen den

Weg. Dabei scheidet die östliche Mauer die Zufahrt von

dem dahinter steil abfallenden Terrain; die westliche

Mauer grenzt die Zufahrt vom Kapitelgarten ab. Die

zwingende Notwendigkeit der Anlage dieses von Besuch

abgeschirmten (Kapitel-)Gartens war daher sicherlich

mitentscheidend für die Gestaltung der Zufahrt. Das Vorhandensein

der Mauer hat für die vor dem Stift stehende

Betrachterin bzw. den vor dem Stift stehenden Betrachter

zur Folge, dass sie bzw. er die wahren Ausmaße der Nordfassade

nicht erfassen kann; nur aus der Ferne ist die

Nordfront des Klosters in ihrer Gesamtheit erfahrbar

(Abb. 379).

Im Unterschied zum Saalrisalit der Ostfassade sind

es an der Nordfassade vor allem die Instrumentierung

und die Fensterverdachungen, die die beiden fünfachsigen

Risalite (Abb. 381) von den Rücklagen optisch abgrenzen,

denn in der Höhe überragen die dreigeschoßigen

Risalite die Rücklagen nur wenig. In das von einer

feinen Nutung überzogene, durch breite Wandvorlagen

gegliederte Erdgeschoß schneiden hochrechteckige, mit

einem Keilstein versehene Fenster ein. Ein kräftiges Ge-

387



DAS AUGUSTINER-CHORHERRENSTIFT

KLOSTERNEUBURG

Einleitung

Zu einem anhand der Quellen nicht klar belegten Zeitpunkt

erhielt Jakob Prandtauer den Auftrag, Pläne für eine

Umgestaltung des Augustiner-Chorherrenstiftes Klosterneuburg

zu erarbeiten. Erhalten haben sich lediglich ein

Grundriss des Erdgeschoßes und ein Grundriss des ersten

Obergeschoßes bzw. Hauptgeschoßes (Abb. 392 und 393). 1

Die beiden Blätter zeigen die gesamte Klosteranlage: Zu

sehen ist ein rechteckiger Komplex mit acht Höfen, deren

Mitte die mittelalterliche, im Inneren barockisierte Stiftskirche

einnimmt. Die Charakteristika des Projekts sind

die drei regelmäßigen Höfe im Westen sowie der behutsame

Umgang mit der alten Stiftsanlage, die Prandtauer

teilweise bewahren und in den Neubau einbinden wollte.

Die Gründe, warum die Planung unausgeführt blieb, sind

nicht bekannt.

Erst 1730, also vier Jahre nach dem Tod Prandtauers,

entschied sich Propst Ernest Perger (amt. 1707–1748;

Abb. 390) für die Umsetzung des Projekts, mit der er

den Fortifikationsingenieur Donato Felice d’Allio betraute.

2 Rasch gelang es d’Allio, sich mit einem eigenen

Entwurf gegenüber der Planung Prandtauers durchzusetzen,

die damit endgültig hinfällig war. Die heute bestehende

Klosteranlage, die in den Jahren 1730–1740

errichtet wurde (Abb. 389), hat also nichts mit Prandtauer

zu tun; sie ist das Werk Donato Felice d’Allios, in

dessen Planung das kaiserliche Hofbauamt unter der

Leitung Joseph Emanuel Fischers von Erlach massiv eingegriffen

hat. 3

Abb. 390 Propst Ernest Perger (amt. 1707–1748), Porträt, Öl auf

Leinwand (Stiftsmuseum Klosterneuburg, Inv.-Nr. GM 296)

Die beiden im Stiftsarchiv von Klosterneuburg verwahrten,

unsignierten und undatierten Grundrisse Jakob

Prandtauers wurden erstmals 1907 von Wolfgang Pauker

Abb. 389 Stift Klosterneuburg, Luftbild

1

Der Bau dürfte wohl, wie es damals meist üblich war, dreigeschoßig

konzipiert gewesen sein: Erdgeschoß, erstes Obergeschoß

(Hauptgeschoß) und zweites Obergeschoß (Mezzaningeschoß).

2

Zu Propst Ernest Perger siehe AUSST.-KAT., ERNEST PERGER 1998.

3

WEIGL 1998/2 und WEIGL 1999.

393



DAS AUGUSTINER-CHORHERRENSTIFT

DÜRNSTEIN

Einleitung

Das Augustiner-Chorherrenstift Dürnstein (Abb. 398), seit

seiner Aufhebung im Jahr 1787 eine Pfarre des Stiftes Herzogenburg,

wird auf drei Seiten von dem engen Gefüge

der Stadt Dürnstein umschlossen. Auf der vierten Seite

begrenzt die Donau das Klosterareal. Es ist daher nicht

erstaunlich, dass Propst Hieronymus Übelbacher (amt.

1710–1740; Abb. 480) den bestehenden Komplex lediglich

umgestalten ließ. Unregelmäßigkeiten im Auf- und

Grundriss nahm er bewusst in Kauf.

Auf die schwierige bauliche Situation kam der Propst

auch zu sprechen, als er am 8. Juni 1737 den aus Bamberg

stammenden Architekten Johann Jacob Michael Küchel

durch das inzwischen fertig umgebaute Stift führte. Küchel

berichtet in seinem Reisetagebuch: … und den 8ten

dann auf Dörnstein gegangen, umb das neue Closter und schönen

Thurn zu sehen, welches Gebäu mit gar vielen Fehlern beschuldiget

werden könnte. Der Herr Praelat [...], so übel er zu

Fuß, so hat er doch selbsten alles gezeiget. Die Kirchen ist sehr

reich ausgeziehret. Und das Gebäu nicht von bester Simetrie.

Es ware, wie mir derselbe gesagt, der schlechte Platz, so da

war, schuld. 1

Den Kernbereich des Klosters bildet der Stifts- bzw.

Prälatenhof, der einen annähernd trapezförmigen

Grundriss besitzt (Abb. 399–401). Der Osttrakt, durch

den der Eingang (Abb. 397) führt, und der schmale Südtrakt,

der die Kirche verdeckt, wurden im Zuge der Umgestaltung

des Klosters unter Hieronymus Übelbacher

neu errichtet. Der West- und der Nordtrakt wurden hingegen

lediglich adaptiert. Wer den Stiftshof heute betritt,

ahnt nicht, dass sich etwa hinter der Westfassade

(Abb. 410) das gotische Refektorium (Abb. 402) und hinter

der Nordfassade ein mittelalterlicher Wirtschaftsraum

verbergen. Den Trakten des 14. bis 17. Jahrhunderts wurden

so geschickt neue Fassaden vorgeblendet, dass man

den Eindruck gewinnt, eine Klosteranlage des 18. Jahrhunderts

vor sich zu haben. Nur der in der Barockzeit

für ein Kloster ungewöhnliche zweigeschoßige Aufriss

(sonst sind zumindest drei Geschoße üblich) lässt den

Verdacht aufkommen, dass nicht alles ganz so „neu“ ist,

wie es auf den ersten Blick scheint.

Die Stiftskirche, ebenfalls das Resultat eines Umbaus

unter Übelbacher, liegt samt dem kleinen Kreuzgang im

Süden des Komplexes, direkt an der Donau (Abb. 398).

Im Westen wird die Klosteranlage durch einen hakenförmigen

Trakt erweitert. Er nahm die Zimmer des Konvents

auf, gehörte also zur Klausur.

Sich unter künstlermonografischen Gesichtspunkten

dem Stift Dürnstein zu nähern, ist aus zwei Gründen

eine große Herausforderung: Erstens war Propst Hieronymus

Übelbacher ein ausgesprochen eigenwilliger Auftraggeber,

der sich laufend in die Planung eingeschaltet

und den Künstlern Vorgaben gemacht hat. Zweitens

fehlen nahezu alle mit dem Baubetrieb verbundenen

Archivalien (Verträge, Rechnungen, Pläne etc.). Die

wichtigste erhaltene Quelle aus der Zeit des Klosterumbaus

sind die Schreibkalender Hieronymus Übelbachers,

in die der Propst tagebuchartig Notizen eingetragen

Abb. 397 Stift Dürnstein, Hauptportal

1

Zit. in: GLÜSING 1978, 2. Bd., 15–16. Zu Küchels Reisetagebuch

siehe zuletzt PAULUS 2014, 107–108.

405



WÜRDIGUNG

Einleitung

Das Œuvre Prandtauers ist umfangreich und das Spektrum

an Bauaufgaben, das er bewältigt hat, beachtlich: 1 Er errichtete

Klöster, Pfarr- und Wallfahrtskirchen, Pfarrhöfe,

Kapellen, Wirtschaftsbauten (Lesehöfe, Zehenthöfe,

Schüttkästen, Kelleranlagen etc.), Stiftshöfe, Paläste und

Bürgerhäuser, Schlösser, Gartenpavillons, Kasernen, Brücken

und Straßen. Darüber hinaus lassen sich zwei Altäre

und ein Tabernakel mit ihm in Verbindung bringen. Und

schließlich war er immer wieder auch beratend tätig, erstellte

Gutachten und erledigte Vermessungen, also Arbeiten,

die keinen sichtbaren Niederschlag gefunden haben,

aber bis in unsere Tage selbstverständliche Aufgaben

eines Baumeisters sind.

Auffallend oft wurde Prandtauer mit der Umgestaltung

bestehender Bauten betraut. Die Herausforderungen, vor

denen er stand, waren bei jedem Projekt andere. Jedes

Mal galt es aufs Neue, in Abstimmung mit dem Auftraggeber

und unter Rücksichtnahme auf die bauliche Situation

(Topografie, Grundstücksgrenzen etc.) sowie die finanziellen

Rahmenbedingungen eine maßgeschneiderte

Lösung zu entwickeln. Dass er ein sehr spezifisches, letztendlich

eng umrissenes Formenvokabular hatte, das er

anwandte, sobald es aufwendigere Fassadenlösungen zu

entwerfen galt, war weder ungewöhnlich noch hat das

seine Auftraggeber gestört – im Gegenteil: Sie schätzten

seine künstlerische Handschrift.

Im Folgenden werden zunächst die großen Klosterbauten

zusammenfassend in chronologischer Abfolge

betrachtet und Prandtauers Aufstieg zum führenden

Baumeister im Raum des heutigen Nieder- und Oberösterreich

skizziert. Im Besonderen geht es darum, seine

künstlerischen Eigenheiten als Klosterspezialist darzulegen

und die Rahmenbedingungen, unter denen er gearbeitet

hat, zu beleuchten; es wird dabei deutlich werden,

dass ein vielschichtiges Konglomerat an Faktoren

für die Gestaltung der einzelnen Klöster bestimmend

war. Schon vorab ist anzumerken, dass sich im Werk

Prandtauers kaum Entwicklungslinien feststellen lassen. 2

Das heißt: Die Annahme, der Baumeister könnte seine

künstlerische Handschrift sein Leben lang kontinuierlich

weiterentwickelt haben, um nach einem Prozess

des Reifens dann den Höhepunkt in seinem Alterswerk

zu erreichen, greift nicht. So wird im Folgenden auch

kein in sich geschlossenes, sondern vielmehr ein heterogenes

und letztendlich gegenüber dem bisherigen

Kenntnisstand deutlich differenziertes Bild Prandtauers

entstehen.

Abb. 425 Ravelsbach, Pfarrkirche, Einblick

1

Siehe das Verzeichnis → S. 826–839. – Zum Umfang von Prandtauers

Werk hat Franz Barnath 1943 angemerkt: „... versetzt

uns das Lebenswerk eines einzigen gottbegnadeten Künstlers

in Erstaunen! Fast unwahrscheinlich scheint es, dass Prandtauer

eine solche Arbeitsfülle bewältigen konnte“ (BARNATH 1943, 39).

Wie ein Blick auf das Œuvre anderer Baumeister bzw. Architekten

zeigt, ist das Werk Prandtauers allerdings nicht überdurchschnittlich

groß; siehe etwa das Œuvre Domenico Martinellis

(LORENZ 1991), Christian Alexander Oedtls (RIZZI 1981, OPPEKER

2005, 99–142) oder auch Johann Michael Fischers (DISCHINGER

[HG.] 1997).

2

Siehe auch den Hinweis von Renate Wagner-Rieger auf seine

uneinheitliche Stilentwicklung (WAGNER-RIEGER 1964, 263).

429


Abb. 450 Primmersdorf,

Schüttkasten,

zweites Obergeschoß

Abb. 451 Primmersdorf,

Schüttkasten,

erstes Obergeschoß

Abb. 452 Primmersdorf,

Schüttkasten,

Erdgeschoß


Würdigung

gabe, eine profanierte mittelalterliche Kirche in einen

Schüttkasten zu verwandeln; zusätzlich galt es, eine Kapelle

einzurichten. Prandtauer mauerte in den Jahren

1715 bis 1716 den Chor vom Langhaus ab, zog im ehemaligen

Langhaus Zwischenböden ein und veränderte

die Fenster (Abb. 510). Das hohe Satteldach, das bei starkem

Wind immer wieder Probleme bereitet hatte, ersetzte

er durch ein zwischen die Umfassungsmauern eingespanntes

Grabendach. Binnen kürzester Zeit führte er die

Kirche einer neuen Nutzung zu.

Stiftshöfe, Paläste und Bürgerhäuser

Im städtischen Kontext hat Prandtauer für Klöster, Adelige

und Bürger wiederholt Profanbauten errichtet, und zwar

Stiftshöfe, Paläste und Bürgerhäuser. Stiftshöfe dienten

den Prälaten als Wohnung, wenn sie ihren Amtsgeschäften

nachgingen, konnten aber auch vom Konvent und

von Mitgliedern anderer Klöster temporär als Unterkunft

genutzt werden; außerdem dienten sie Künstlern, die für

die Klöster arbeiteten, hin und wieder als Quartier, wenn

sie vor Ort zu tun hatten. Und schließlich waren die Stiftshöfe

auch Verwaltungssitze, wurden für die Lagerung von

landwirtschaftlichen Produkten verwendet und fallweise

auch vermietet. 55 Verwaltet wurden sie von einem Hofbzw.

Hausmeister, der u. a. dafür zu sorgen hatte, dass

Unterkunft und Verpflegung für den Prälaten jederzeit

bereitstanden. Fallweise besetzten die Klöster die Hofbzw.

Hausmeisterstelle mit Künstlern, die auf diesem Weg

Abb. 453 St. Pölten, Palais Kriechbaum

Abb. 454 St. Pölten, Bürgerhaus, Hofstatt 5, Aufnahme vor 1961

(St. Pölten, Stadtarchiv)

ein fixes Einkommen, Wohnung und Werkstätten

hatten. 56 Wohl ab 1722, also in seinen letzten Lebensjahren,

errichtete Prandtauer in Linz für das Kloster Kremsmünster

einen Stiftshof, der zu den prächtigsten seiner

Art gehört (Abb. 460). Da der vorhandene Bestand komplett

abgebrochen wurde, hatte Prandtauer die seltene

Chance, einen Neubau mitten in der Linzer Altstadt zu

errichten. Binnen weniger Jahre entstand eine Vierflügelanlage,

deren Fassaden einem Wiener Adelspalais in

nichts nachstehen; im Zusammenhang mit Prandtauers

Formensprache wird auf den Aufriss im Detail zurückzukommen

sein. Parallel zum Stiftshof in Linz hat Prandtauer

den Kremsmünsterer Stiftshof in Wels (Abb. 822)

adaptiert. Für den Klosterneuburger Stiftshof in Wien hat

er ein Umbauprojekt geliefert (Abb. 832), das allerdings

nicht ausgeführt wurde.

Mit Palastbauten war Prandtauer bereits in seiner frühen

Schaffenszeit befasst, wenngleich nur in untergeordneter

Position: So arbeitete er in den 1690er Jahren als

Geselle von Christian Alexander Oedtl am Bau des Palais

55

In seinem Beitrag über die Münchner „Klosterhäuser“ erläutert

56

→ S. 748.

Norbert Lieb ausführlich die verschiedenen Funktionen (LIEB

1980, 173–178).

458


Huberta Weigl

JAKOB PRANDTAUER

1660–1726

Baumeister des Barock

Band 2

MICHAEL IMHOF VERLAG



Übersicht

Übersicht

Kat. 1 Aggsbach Markt: Pfarrhof

Kat. 2 Baden: Schloss Leesdorf

Kat. 3 Bauschitz / Bohušice: Schloss und Garten

Kat. 4 Böheimkirchen: Pfarrkirche

Kat. 5 Brand-Laaben: Pfarrkirche

Kat. 6 Christkindl: Pfarr- und Wallfahrtskirche,

Superioratshaus und Wirtschaftsgebäude

Kat. 7 Dürnstein: Augustiner-Chorherrenstift

Kat. 8 Dürnstein: Keller und Kellerschloss

Kat. 9 Dürnstein: Schüttkasten

Kat. 10 Edelhof: Wirtschaftshof

Kat. 11 Enns: Freihaus des Stiftes St. Florian

Kat. 12 Garsten: Benediktinerstift

Kat. 13 Gleink: Benediktinerstift

Kat. 14 Göttweig: Benediktinerstift

Kat. 15 Goldegg: Schloss

Kat. 16 Haag: Schloss Salaberg

Kat. 17 Hafnerbach: Statue des hl. Zeno

Kat. 18 Haitzendorf: Keller

Kat. 19 Haitzendorf: Pfarrhof, Pfarrkirche,

Gartenpavillon und Wirtschaftsgebäude

Kat. 20 Haitzendorf: Schule

Kat. 21 Heiligenkreuz: Pfarr- und Wallfahrtskirche

Kat. 22 Herzogenburg: Augustiner-Chorherrenstift

Kat. 23 Herzogenburg: Bürgerhaus, Herrengasse 1

Kat. 24 Herzogenburg: Vornbacher Hof

Kat. 25 Hohenbrunn: Schloss

Kat. 26 Jarmeritz / Jaroměřice nad Rokytnou:

Schloss

Kat. 27 Joching: Zehenthof

Kat. 28 Joslowitz / Jaroslavice: Schloss

Kat. 29 Kasten bei Böheimkirchen: Pfarrkirche

und Pfarrhof

Kat. 30 Kilb: Herrenhaus des Stiftes Melk

Kat. 31 Kirchdorf an der Krems: Pfleghof

Neupernstein

Kat. 32 Klosterneuburg: Augustiner-Chorherrenstift

Kat. 33 Kottingbrunn: Schloss

Kat. 34 Krems: Bürgerhaus, Untere Landstraße 2

Kat. 35 Krems: Förthof

Kat. 36 Krems: Kaserne

Kat. 37 Krems / Stein: Mazzetti-Haus

Kat. 38 Krems / Stein: Pfarrkirche

Kat. 39 Kremsegg: Schloss

Kat. 40 Kremsmünster: Benediktinerstift

Kat. 41 Kremsmünster: Jägerhaus

Kat. 42 Kritzendorf: Lesehof

Kat. 43 Lassee: Pfarrkirche und Pfarrhof

Kat. 44 Leitzersbrunn: Schloss

Kat. 45 Linz: Kremsmünsterer Stiftshof

Kat. 46 Linz: Landhaus

Kat. 47 Maierhöfen: Filialkirche

Kat. 48 Maria Jeutendorf: Servitenkloster

Kat. 49 Maria Langegg: Servitenkloster

Kat. 50 Maria Ponsee: Pfarr- und Wallfahrtskirche

und Pfarrhof

Kat. 51 Maria Taferl: Pfarr- und Wallfahrtskirche

und Kuratenhaus

Kat. 52 Mauthausen: Bürgerhaus, Marktplatz 5

Kat. 53 Melk: Benediktinerstift

Kat. 54 Mondsee: Benediktinerstift

Kat. 55 Murstetten: Schloss (sog. Goldburg)

Kat. 56 Myslibořice: Schloss

Kat. 57 Neuhofen an der Krems: Pfarrkirche

Kat. 58 Niederranna: Pfarrkirche und Pfarrhof

Kat. 59 Niederwaldkirchen: Pfarrkirche und Pfarrhof

Kat. 60 Ober-Grafendorf: Pfarrkirche

Kat. 61 Ochsenburg: Schloss

Kat. 62 Paudorf: Hellerhof

Kat. 63 Pottenbrunn: Lusthaus

Kat. 64 Primmersdorf: Schüttkasten und Zehenthof

Kat. 65 Pulkau: Zehenthof (sog. Pöltingerhof)

Kat. 66 Purgstall an der Erlauf: Pfarrkirche

Kat. 67 Rappoltenkirchen: Schloss und Gartengebäude

Kat. 68 Ravelsbach: Pfarrkirche und Friedhofskapelle

Kat. 69 Retz: Pfarrkirche, Pfarrhof und Schüttkasten

Kat. 70 Ried in der Riedmark: Schloss Marbach

Kat. 71 Säusenstein: Zisterzienserstift

Kat. 72 Sallapulka: Pfarr- und Wallfahrtskirche

Kat. 73 Salzburg: Dreifaltigkeitskirche

Kat. 74 Salzburg: Kajetanerkirche

Kat. 75 St. Andrä an der Traisen:

Augustiner-Chorherrenstift

Kat. 76 St. Christophen: Pfarrhof

Kat. 77 St. Florian: Augustiner-Chorherrenstift

Kat. 78 St. Florian / Rohrbach: Kapelle

Kat. 79 St. Gallen: Pfarrkirche

Kat. 80 St. Georgen: Filialkirche

Kat. 81 St. Marienkirchen an der Polsenz: Pfarrkirche

Kat. 82 St. Peter am Wimberg: Pfarrkirche und Pfarrhof

Kat. 83 St. Pölten: Augustiner-Chorherrenstift

Kat. 84 St. Pölten: Brunnen, Rathausplatz

Kat. 85 St. Pölten: Bürgerhaus, Fuhrmannsgasse 14

Kat. 86 St. Pölten: Bürgerhaus, Hofstatt 5

Kat. 87 St. Pölten: Bürgerhaus, Rathausgasse 2

Kat. 88 St. Pölten: Bürgerhaus, Riemerplatz 1

Kat. 89 St. Pölten: Bürgerhaus, Wiener Straße 1

Kat. 90 St. Pölten: Bürgerhaus, Wiener Straße 34

509


Katalog

Kat. 91 St. Pölten: Bürgerhaus, Wiener Straße 36

Kat. 92 St. Pölten: Franziskanerkloster

Kat. 93 St. Pölten: Gasthaus „Zum schwarzen Adler“

Kat. 94 St. Pölten: Haus Jakob Prandtauers

Kat. 95 St. Pölten: Institut der Englischen Fräulein

Kat. 96 St. Pölten: Karmelitinnenkloster

Kat. 97 St. Pölten: Palais Kriechbaum

Kat. 98 St. Pölten: Palais Lassberg

Kat. 99 St. Pölten: Palais Lehmbruckh

Kat. 100 St. Pölten: Palais Montecuccoli

Kat. 101 St. Pölten: Palais Weinhardt von Thürburg

Kat. 102 St. Pölten: Palais Wellenstein

Kat. 103 St. Pölten: Post

Kat. 104 St. Pölten: Rathaus

Kat. 105 St. Pölten: Schwaighof

Kat. 106 St. Pölten: Trautson’sches Herrenhaus

Kat. 107 St. Wolfgang: Pfarrkirche

Kat. 108 Schlierbach: Zisterzienserstift

Kat. 109 Schmida: Schloss

Kat. 110 Seitenstetten: Benediktinerstift

Kat. 111 Sonntagberg: Pfarr- und Wallfahrtskirche

Kat. 112 Stanz: Kapelle

Kat. 113 Steinakirchen am Forst: Schloss Ernegg

Kat. 114 Stetteldorf: Pfarrkirche

Kat. 115 Stollhofen: Pfarrhof

Kat. 116 Thalheim: Schloss

Kat. 117 Toberstetten: Filialkirche

Kat. 118 Unter-Nalb: Pfarrkirche

Kat. 119 Walchen: Schloss

Kat. 120 Wasserburg: Schloss

Kat. 121 Weikendorf: Pfarrkirche und Pfarrhof

Kat. 122 Wels: Kremsmünsterer Stiftshof

Kat. 123 Weyer: Haus, Marktplatz 3

Kat. 124 Weyer: Pfarrkirche

Kat. 125 Wielandsthal: Keller, Kellerschloss und

kleines Kellerhaus

Kat. 126 Wien: Gartenpalais Hocke

Kat. 127 Wien: Klosterneuburger Stiftshof

Kat. 128 Wien: Palais Dietrichstein

Kat. 129 Wien: Palais Hardegg

Kat. 130 Wien: Palais Questenberg

Kat. 131 Wien: Piaristenkloster

Kat. 132 Wölbling: Keller

Kat. 133 Wösendorf: Pfarrkirche

Kat. 134 Wolfpassing: Schloss

Kat. 135 Wullersdorf: Pfarrkirche, Pfarrhof und

Nebengebäude

Kat. 136 Ybbs: Kaserne

Kat. 137 Zellhof: Schloss

Kat. 138 Zwettl: Zisterzienserstift

Kat. 139 ohne Ort: Brücken über Nebenflüsse der Donau

Kat. 140 ohne Ort: Straße von Wien nach Linz

510


Katalog

Kat. 6

Christkindl: Pfarr- und Wallfahrtskirche,

Superioratshaus und Wirtschaftsgebäude

Hochaltar: Neuerrichtung unter Einbeziehung des

„Gnadenbaumes“ • ab 1710 • Abschreibung

Pfarr- und Wallfahrtskirche: Vollendung des Neubaus

nach dem Tod Carlo Antonio Carlones • 1708–1710 •

archivalisch gesichert

Superioratshaus und Wirtschaftsgebäude: Neubauten •

vor 1715 • unsichere Zuschreibung

Auftraggeber: Benediktinerstift Garsten, Abt Anselm Angerer

(amt. 1683–1715)

Mit der Errichtung der Pfarr- und Wallfahrtskirche Christkindl

(Oberösterreich) – einem über kreisförmigem

Grundriss konzipierten, kuppelgewölbten Zentralbau,

den vier Konchen erweitern (Abb. 498 und 499) – wurde

1702 nach einem Entwurf Carlo Antonio Carlones be-

Abb. 498 Christkindl, Pfarr- und Wallfahrtskirche, Grundriss

Abb. 499 Christkindl, Superioratshaus sowie Pfarr- und Wallfahrtskirche


Abb. 506 Dürnstein, Kellerschloss

formanalytisch betrachtet passen einige Detailformen

nicht in die Bauzeit. Nachdem über viele Jahre hinweg

immer wieder der Name Jakob Prandtauers, 68 aber auch

der des Propstes Hieronymus Übelbacher 69 ohne nähere

Begründung ins Spiel gebracht worden sind, hat Fritz

Dworschak 1966 erstmals versucht, unter sorgfältiger Abwägung

verschiedener Argumente die Zuschreibungsfrage

zu klären. Drei Punkte sprechen in seinen Augen für

Prandtauer als Planer des Kellerschlosses: 70 erstens die Tätigkeit

Prandtauers am Förthof (Kat. 35), zweitens die weit

gespannten Ziegelgewölbe, für deren Errichtung ein erfahrener

Baumeister zwingend notwendig gewesen wäre,

und drittens das (im Laufe der Zeit mehrfach erneuerte)

Fresko der Sonnenuhr (Abb. 508), das möglicherweise

rechts im Bild, neben Propst Hieronymus Übelbacher, Jakob

Prandtauer bei einem Glas Wein sitzend zeigt. 71 Zugleich

hat Dworschak auf die aufgefächerten Keilsteine

Abb. 507 Dürnstein, Kellerschloss, Einblick

68

Zum Beispiel BARNATH 1943, 87.

69

„Die ureigenste Schöpfung des Propstes Übelbacher ist das sogenannte

Kellerschlössel ...“ (HOFMANN 1952, 38).

70

DWORSCHAK 1966, 96–97.

71

Die weiteren Personen, die sich hier zu einer geselligen Runde

zusammengefunden haben, sind der Herrschaftsinhaber Konrad

Sigmund Anton Reichsgraf von Starhemberg und der Maler

des Freskos, Wolfgang Ehrenreich Priefer von Miesbach, dessen

Name auf dem Schriftband links genannt wird. Zur Identifizierung

der dargestellten Personen und zum Schriftband siehe zuletzt

AICHINGER-ROSENBERGER 2010/2, 201–202. 1719 freskierte

Wolfgang Ehrenreich Priefer von Miesbach zusammen mit Matthias

Pichler die unterhalb der Dürnsteiner Stiftskirche gelegene

„Totenkapelle“ (KARNER 2010/2, 173–181).

526


Abb. 523 Stift Göttweig, Luftbild

18 fl. für einen Klosterplan 99 bezahlte, darf man annehmen,

dass Prandtauers Riß ebenfalls einen Entwurf für eine erste

Um- oder Neubauplanung des Klosters zeigte. 100

Spruchreif wurde die Idee der baulichen Erneuerung

des Klosters letztendlich erst vier Jahre später, und zwar

nachdem am 17. Juni 1718 ein Brand große Teile des Klosters

(Abb. 521) vernichtet bzw. beschädigt hatte. 101 Das

geplante Endergebnis überliefern mehrere Kupferstiche

Salomon Kleiners, von denen die Vogelschau aus dem

Westen besonders beeindruckend ist (Abb. 522). Vergleicht

man die Ansicht Kleiners mit dem bestehenden

Bau (Abb. 523), wird rasch klar, dass von dem, was geplant

war, nur ein Teil ausgeführt wurde.

Kehren wir an dieser Stelle aber nochmals in die Zeit

unmittelbar nach dem Brand im Juni 1718 zurück: Der

Bau war beschädigt und Abt Gottfried Bessel sah sich veranlasst,

mit mehreren Künstlern Kontakt aufzunehmen,

um zu überlegen, was mit dem Komplex geschehen sollte.

Entwürfe lieferten letztendlich Johann Lucas von Hildebrandt,

Balthasar Neumann und Jakob Prandtauer. Die

Risse Hildebrandts haben sich erhalten, während die Projekte

Neumanns und Prandtauers nur durch Zahlungsvermerke

dokumentiert sind. In die Planung eingebunden

war der mit Bessel befreundete Reichsvizekanzler Friedrich

Carl von Schönborn.

Die Chronologie der Ereignisse lässt sich anhand der

Quellen einigermaßen gut nachvollziehen: 102 Im Oktober

1718 war Hildebrandt für eine Woche in Göttweig – wohl

zu ersten Besprechungen. Spätestens am 8. Februar 1719

lagen Entwürfe von ihm vor. Wenig später, am 19. März,

erhielt Balthasar Neumann 18 fl. für einen yberschickten Ris 103 .

Am 4. Mai akzeptierte das Kapitel das Projekt Hildebrandts;

eine Woche später begannen die Aushubarbeiten. Am

22. Mai unterzeichnete Bessel den Vertrag mit Franz Jänggl,

der den Bau im Auftrag Hildebrandts führen sollte. 104 Am

2. Juli erfolgte schließlich die feierliche Grundsteinlegung.

99

Im Zusammenhang mit dem Betrag von 18 fl. wird Johann Baptist

Maderna im Expensbuch Bessels nicht namentlich genannt;

es ist hier lediglich die Rede von einem Ingenieur (StAGö, Cod.

Ser. n. 397, Expensbuch Abt Gottfried Bessels, 152, RITTER 1961,

57). Erst am 23.9.1714 (Bezahlung einer Reise von Wien nach

Göttweig) erwähnen die Quellen den Namen „Maderna“ (RITTER

1961, 57, RITTER 1972, 93–94). – Zur Identifizierung des „Ingenieurs“

als Johann Baptist Maderna siehe BÖSEL / RIZZI 1988, 178,

Anm. 44. Weiterführend zur Tätigkeit Giovanni Battista Madernas

siehe BÖSEL / RIZZI 1988, 159–179 und HAUPT 2007, 463.

100

LECHNER 2000, 783.

101

Zu den Planungen nach dem Brand von 1718 siehe ÖKT KREMS

1907, 445–453, RITTER 1961, RITTER 1972, GRIMSCHITZ 1959, 99–

103, RIZZI 1975, 38–55, RIZZI 1976/1, LECHNER 1983. Eine ausführliche

Bibliografie zu Göttweig bei LECHNER 2000, 818–831.

102

RITTER 1961, insbes. 57–60, RITTER 1972, insbes. 94–99, 109–113.

103

Herrn Ingenieur et Capitain Balthasar Neumann zu Würzburg vor

einen yberschickten Ris um Quittung Nr. 214 12 Reichsthaller id est

18 fl. (zit. in: RITTER 1961, 58).

104

Der Vertrag ist in einer Abschrift überliefert: StAGö, Cod. Ser. n.

90, Diarium Monasterii Gottwicense 1, 78–82 (der gesamte Wortlaut

abgedruckt in: RITTER 1961, 92–94).

537


Katalog

Kat. 66

Purgstall an der Erlauf: Pfarrkirche

Neubau des Chores und der Sakristei, Adaptierung

des Turmes • 1712–1719 • archivalisch gesichert

Auftraggeber: Pfarrer Donhauser von Donhausen 437

1711 ließ Jakob Prandtauer durch einen Boten zwei Kirchenrisse

nach Purgstall an der Erlauf (Niederösterreich)

bringen. 438 Die Risse haben sich nicht erhalten, ein Blick

auf den bestehenden Bau macht aber deutlich, was in den

Jahren 1712 bis 1719 439 geschehen ist: Prandtauer errichtete

einen neuen, zweieinhalbjochigen Chor samt einem

Sakristeianbau im Osten (Abb. 679–681). Die Besonderheiten

des Chores liegen in seinen auf das spätgotische

Hallenlanghaus abgestimmten Dimensionen. Er besitzt

dieselbe Höhe und – mit Ausnahme des ersten querhausartig

erweiterten Jochs – dieselbe Breite wie das Langhaus.

Quadratische Pfeiler tragen ein einfaches, stuckleistengerahmtes

Kreuzgratgewölbe. Durch hohe Rundbogenfenster

fällt Licht von allen drei Seiten in den Chor, der das

Langhaus auf einfühlsame Weise erweitert. Zeitgleich mit

der Errichtung des Chores wurde das Maßwerk der gotischen

Fenster entfernt und der mittelalterliche Turm

(Abb. 682) adaptiert (Ortbänderung, Glockengeschoß,

Turmhelm).

Literatur: SCHACHINGER 1913, 60. – KRONBICHLER 1998 2 , 5,

8. – HUBER / WEIGL (HG.) 2010, 155, Kat. 7.4 (HUBERTA

WEIGL).

Abb. 679 Purgstall an der Erlauf, Pfarrkirche, Chor, Einblick

653


Abb. 794 Steinakirchen am Forst, Schloss Ernegg

Den Zustand des Schlosses vor der Umgestaltung durch

Prandtauer überliefert der 1672 erschienene Kupferstich

von Georg Matthäus Vischer (Abb. 793). Gut vorstellbar,

dass unter der Leitung Prandtauers nicht nur die Fenster

verdacht, sondern auch die Schießscharten zugemauert

und die Fassaden neu verputzt wurden. Wann die beiden

Rundtürme mit Zeltdach abgebrochen wurden, die auf

dem Vischer-Stich noch zu sehen sind, ist unklar. Die auf

Pfeilerarkaden ruhende Altane sowie die Dachgaupen

wurden nach dem Brand des Jahres 1836 errichtet. 713

Auftraggeber der Umgestaltung durch Prandtauer war

Franz Joseph Graf von Auersperg (1682–1749). Dieser

könnte den Baumeister über seinen Bruder Wolf Ehrenreich

Graf von Auersperg (1671–1723) kennengelernt haben,

der seinerseits Mitglied jener Kommission der Niederösterreichischen

Stände war, für die Prandtauer ab

1695 mehrere Brückenentwürfe (Kat. 139) geliefert hat. 714

Aus stilistischen Gründen (Detailgestalt der Fensterverdachungen)

sind die Arbeiten Prandtauers am Schloss Ernegg

in die Zeit zwischen ca. 1710 und 1726 zu datieren.

Kat. 114

Stetteldorf: Pfarrkirche

Neubau • ab 1716 • Abschreibung

Auftraggeber: Johann Julius Graf von Hardegg

In seinem Überblick über die Bautätigkeit der Familie Hardegg

vom 15. bis in das 18. Jahrhundert hat Karl Keck auch

kurz die Pfarrkirche von Stetteldorf (Niederösterreich) erwähnt

und angemerkt, der 1716 begonnene Bau wäre von

Johann Jakob Castelli nach Plänen Jakob Prandtauers ausgeführt

worden. 715 Tatsächlich geht die Pfarrkirche (Abb. 795

und 796) jedoch, wie die von Wilhelm Georg Rizzi publizierten

Quellen deutlich machen, auf einen Entwurf Johann

Jakob Castellis zurück, 716 den der Bauherr, Johann

Julius Graf von Hardegg, zeitgleich auch im benachbarten

Schmida (Kat. 109) beschäftigte. Die Bauleitung lag in den

Händen des Bau- und Maurermeisters Johann Pauli. 717

Literatur: RIZZI 1976/3, 25–26. – KECK 1989, 256.

731


Verzeichnis nach Autorschaft

Verzeichnis nach Autorschaft

Archivalisch gesicherte Werke

Kat. Objekt Maßnahme Datierung Auftraggeber

116 Thalheim: Schloss, Skulpturen Neuanfertigung vor Juli 1692 Albert Ernst Graf von

Gurland

94 St. Pölten: Haus Jakob Prandtauers Neu- oder Umbau vermutlich

ab 1692

Jakob Prandtauer

35 Krems: Förthof Adaptierungs arbeiten 1693 Augustiner-Chorherrenstift

Dürnstein

19 Haitzendorf: Pfarrhof Umbau 1694–1700 Augustiner-Chorherrenstift

Herzogenburg

72 Sallapulka: Pfarr- und Wallfahrtskirche Adaptierungs arbeiten 1695 Augustiner-Chorherrenstift

Herzogenburg

139 ohne Ort: Brücken über Nebenflüsse

der Donau (Erlach, Melk, Pielach,

Traisen, Url und Ybbs)

Planung (nur zum

Teil ausgeführt)

1695–1696 Niederösterreichische

Stände

18 Haitzendorf: Keller Neubau 1696 Augustiner-Chorherrenstift

Herzogenburg

125 Wielandsthal: Keller Erweiterung 1696–1697 und

1703–1704

Augustiner-Chorherrenstift

Herzogenburg

60 Ober-Grafendorf: Pfarrkirche,

Hoch altar (nicht erhalten)

34 Krems: Bürgerhaus,

Untere Landstraße 2

14 Göttweig: Benediktinerstift,

Gotthard-Kirche und Brunnen

Neuerrichtung 1699 Augustiner-Chorherrenstift

St. Pölten

Gutachten 1700 Michael Hieronymus Aster

Aufsicht 1700–1701 Benediktinerstift Göttweig

69 Retz: Pfarrkirche, Turm Kostenvoranschlag

bzw. Planung

1701 Augustiner-Chorherrenstift

St. Pölten

75 St. Andrä an der Traisen: Augustiner-

Chorherrenstift, Stiftskirche, Turm

Neugestaltung des

Turmabschlusses

1701/02 Augustiner-Chorherrenstift

St. Andrä an der

Traisen

121 Weikendorf: Pfarrkirche, Gewölbe Sicherungsarbeiten 1702 Benediktinerstift Melk

53 Melk: Benediktinerstift, Stiftskirche Neubau 1702–1715 Benediktinerstift Melk

111 Sonntagberg: Pfarr- und Wallfahrts -

kirche

Neubau ab 1706 Benediktinerstift Seitenstetten

67 Rappoltenkirchen: Gartengebäude Lieferung von zwei

Kostenvoranschlägen

vor 1707 und

1707

Johann Adam Graf von

Questenberg

51 Maria Taferl: Kuratenhaus Neubau ab 1707 Johann Philipp Graf von

Lamberg

51 Maria Taferl: Pfarr- und Wallfahrts -

kirche, Dachstuhl und Kuppel

Erneuerung ab 1707 Johann Philipp Graf von

Lamberg

787


Verzeichnis nach Autorschaft

Kontextbedingte Zuschreibungen

Kat. Objekt Maßnahme Datierung Auftraggeber

83 St. Pölten: Augustiner-Chorherrenstift,

Stiftskirche, oberstes Geschoß

des Südturmes

83 St. Pölten: Augustiner-Chorherrenstift,

Stiftskirche, Hauptportal

Neugestaltung 1693 vollendet Augustiner-Chorherrenstift

St. Pölten

Umgestaltung um 1693 Augustiner-Chorherrenstift

St. Pölten

8 Dürnstein: Keller Neubau 1693–1702 und

ab ca. 1709 bis

spätestens 1714

19 Haitzendorf: Wirtschaftsgebäude Neubauten vermutlich ab

1694

Augustiner-Chorherrenstift

Dürnstein

Augustiner-Chorherrenstift

Herzogenburg

19 Haitzendorf: Pfarrkirche Umbau ab 1697 Augustiner-Chorherrenstift

Herzogenburg

69 Retz: Pfarrhof Neubau 1698–1701 Augustiner-Chorherrenstift

St. Pölten

69 Retz: Schüttkasten Neubau 1698–1702 Augustiner-Chorherrenstift

St. Pölten

75 St. Andrä an der Traisen: Augustiner-

Chorherrenstift, Klosteranlage

Um- bzw. Wieder -

aufbau

zwischen 1698

und ca. 1714

Augustiner-Chorherrenstift

St. Andrä an der Traisen

43 Lassee: Pfarrhof Neubau 1699 Benediktinerstift Melk

75 St. Andrä an der Traisen: Augustiner-

Chorherrenstift, Stiftskirche

Adaptierungen im

Innenraum

wohl zwischen

1699 und

1701/02

Augustiner-Chorherrenstift

St. Andrä an der Traisen

121 Weikendorf: Schüttkasten Neubau kurz vor 1700 Benediktinerstift Melk

135 Wullersdorf: Nebengebäude Neubauten erstes Jahrzehnt

des 18. Jahrhunderts

Benediktinerstift Melk

121 Weikendorf: Meierhof und Stadl Neubau 1700/01 Benediktinerstift Melk

53 Melk: Benediktinerstift, Sommer -

sakristei

Umbau 1701 Benediktinerstift Melk

135 Wullersdorf: Schüttkasten Neubau 1702–1703 Benediktinerstift Melk

29 Kasten bei Böheimkirchen: Pfarrkirche kleinere Adaptierungsarbeiten

und

Anbau einer Sakristei

zwischen 1702

und 1710

Augustiner-Chorherrenstift

St. Pölten

29 Kasten bei Böheimkirchen: Pfarrhof Wiederaufbau 1704 vollendet Augustiner-Chorherrenstift

St. Pölten

92 St. Pölten: Franziskanerkloster,

Gartengebäude

Neubau um 1705 Franziskanerkloster

St. Pölten

43 Lassee: Pfarrhof Wiederaufbau

nach Brand

ab 1706

Benediktinerstift Melk

64 Primmersdorf: Schüttkasten Neubau wahrscheinlich

1706–1712

Augustiner-Chorherrenstift

Herzogenburg

793



PLANVERZEICHNIS

Das folgende Verzeichnis umfasst 64 Pläne (abgekürzt: P),

alphabetisch nach Orten aufgelistet und durchlaufend

nummeriert. Von den Beschriftungen wurden nur die

zeitgenössischen transkribiert, und das auch nur insoweit

sie noch lesbar waren. Um die Beschriftungen als Quellenzitat

auszuweisen, sind sie kursiv gesetzt.

Neben den Beschriftungen werden bei jedem Blatt die

Abmessungen, die Zeichentechnik, der Maßstab und der

Verwahrungsort samt Signatur angeführt. Die Maßstäbe

sind entweder in Klaftern oder in Schuh angegeben, beides

gängige Längenmaße der Barockzeit. 1 Fehlt der Zusatz

„Klafter“ oder „Schuh“ auf den Rissen, wurde im Folgenden

die Abkürzung „E“ für „Einheiten“ hinzugefügt.

Bei einem Baumeister wie Jakob Prandtauer, der einen

großen Betrieb führte und zeitgleich stets mehrere große

Projekte realisierte, liegt die Vermutung nahe, dass er

nicht alle Entwürfe selbst gezeichnet hat. 2 So hat denn

auch Gertraut Schikola die beiden Klosterneuburger

Grundrisse (Abb. 392 und 393) als „nicht von seiner

Hand“ 3 eingestuft und Wilhelm Georg Rizzi hat den Aufriss

der Melker Stiftskirche (Abb. 77) der „Werkstatt“ zugewiesen.

4 Trotz genauer Analyse der Pläne ist es mir nicht

möglich gewesen, einzelne Hände zu unterscheiden bzw.

eine solide Trennung zwischen eigenhändigen Zeichnungen

und Werkstatt-Zeichnungen vorzunehmen 5 – mit einer

Ausnahme: Von den zwölf im Niederösterreichischen

Landesarchiv erhaltenen Brückenentwürfen stammen

sechs sicher nicht von Prandtauer (Abb. 871–873, 876,

877 und 882); vor allem die Farbigkeit unterscheidet sie

klar vom Rest des Plankonvoluts. Es handelt sich um Ko-

Abb. 884 Jakob Prandtauer, Entwürfe für die Stifte Melk, Kremsmünster, Klosterneuburg und St. Florian

1

Ein Klafter entspricht heute 1,897 Metern, ein Schuh bzw. ein

Fuß misst 0,316 Zentimeter (VERDENHALVEN 1968, 31 und 24,

mit dem Hinweis auf lokale Unterschiede).

2

Siehe etwa Balthasar Neumann, mit dessen Baubüro sich 1987

eine Ausstellung beschäftigt hat (AUSST.-KAT., NEUMANN 1987;

siehe ergänzend auch HANSMANN 2009, 303–304). Neumann

stellte seine Zeichner nicht fest an, sondern bezahlte sie nach

geleisteten Tagschichten; beispielsweise lassen sich für den

Bau der Würzburger Residenz, seinem Hauptwerk, zwischen

1722 und 1741 insgesamt zwanzig Zeichner mit Namen fassen

(MUTH 1987, 90). Auch Johann Lucas von Hildebrandt beschäftigte

Zeichner, von denen Johann Weribert Gottfried

von Person namentlich fassbar ist. Er lieferte Zeichnungen

für den Neubau des Stiftes Göttweig, die er auch signierte (RIT-

TER 1961, 61; zu den Zeichnern Hildebrandts siehe auch GRIM-

SCHITZ 1959, 159).

3

SCHIKOLA 1959, 3.

4

AUSST.-KAT., 900 JAHRE BENEDIKTINER 1989, 240, Kat. 27.26 (WIL-

HELM GEORG RIZZI).

5

Vgl. dazu auch die Ausführungen von Hans Lembruch und Gabriele

Dischinger zu den Zeichnungen des in München ansässigen

Baumeisters Johann Michael Fischer: „Nicht zuletzt aber

sprechen auch Zahl und Vielfalt der von Fischer mit eigener

Hand ausgeführten Pläne und die Tatsache, daß er, Meister eines

großen Baubetriebs, selbst untergeordnete Zeichenaufgaben

übernahm, statt sie einem Mitarbeiter zu überlassen, eindeutig

gegen die Vermutung, es habe in seinem Unternehmen ein

ständiges Zeichenbüro mit spezialisierten Zeichnern gegeben“

(LEMBRUCH / DISCHINGER 1997, 32). Lembruch und Dischinger

konnten allerdings anhand der Wasserzeichen der Pläne nachweisen,

dass die ständig vor Ort auf den Baustellen tätigen Poliere

ebenfalls zeichnerisch tätig waren.

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