Medical Tribune 06/2021
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53. Jahrgang j Nr.6 j 31. März <strong>2021</strong> Medizin Medien Austria j www.medonline.at j /medonline.at<br />
Diese Woche<br />
Praxisführung 2<br />
Patientenhaben ein Gespür für<br />
ein gutesBetriebsklima<br />
Unter Druck 2<br />
Jeder sechsteLeichtathlet<br />
kennt Suizidgedanken<br />
Digitale Helfer bei Demenz 3<br />
Elektronische Assistenzsysteme,<br />
die mitdenken<br />
Alkaptonurie 4<br />
Wenn die schwarzeSäure<br />
die Knochenzerfrisst<br />
Da bleibt kein Auge feucht 5<br />
Weniger Tränenflüssigkeit durch<br />
schadstoffhaltigeRaumluft<br />
Wenn der Partner zuschlägt<br />
Gewalt in den besten Kreisen<br />
Häusliche Gewalt ist während der<br />
Pandemie zu einem noch größeren<br />
Problem geworden.Auch Ärztinnen<br />
sind nicht davor gefeit, Opfer davon<br />
werden. Forscher haben nun erstmals<br />
systematischuntersucht, welche<br />
Auswirkungen solche Erfahrungen<br />
auf die private und berufliche Situationder<br />
betroffenen Frauenhaben.<br />
21 Kolleginnen fassten Mut und berichteten<br />
von ihrer Lage, ihren Sorgen<br />
und Ängsten. Einige schämten<br />
sich, weil sie die gesellschaftlichen<br />
Erwartungen an eine „starke und<br />
selbstbestimmte“ Medizinerin nicht<br />
erfüllen konnten. Viele taten sich<br />
schwer, professionelle Hilfe in Anspruch<br />
zu nehmen, unter anderem<br />
aus Angst, die konsultierten Kollegen<br />
könnten ihre Schweigepflicht<br />
brechen. Seite 3<br />
Foto: iStock/liza5450<br />
Österr. Post AG WZ 02Z032751 W, Medizin MedienAustriaGmbH, Grünbergstr.15, 1120 Wien,Retouren an Postfach 100, 1350 Wien<br />
Gut gemeint 8<br />
Mitselbstverordnetem<br />
Vitamin Ddie Nieren zerstört<br />
SPECIAL<br />
In der nächsten Ausgabe<br />
SPECIAL<br />
Gastroenterologie<br />
Ein Fall für zwei 9<br />
BeiCED kann es sichlohnen,<br />
Biologika zu kombinieren<br />
FIT statt Kolonoskopie 10<br />
Könnteder Test viele<br />
Spiegelungen ersetzen?<br />
Fluorchinolone 10<br />
Künftig interessant als<br />
Reservemedikamente<br />
HNO/Pneumologie<br />
Seltene Erkrankungen<br />
Endlich eine Diagnose<br />
Eine Patientinlebtelangemit der Diagnose<br />
„Fibromyalgie“.Die habe ihr<br />
aber nicht wirklichgeholfen,berichtetsie.<br />
Erst nachdem im Zentrumfür<br />
Seltene Krankheiten Innsbruck die<br />
Ursache für die unerklärlichen Fieberschübe<br />
ihres Sohnes gefunden<br />
wurde, kam man auch ihren Beschwerden<br />
auf die Spur. Seite 4<br />
Übertherapie vermeiden<br />
Differenzieren bei<br />
der Divertikulose<br />
Bei Patienten mit bekannter Divertikelkrankheit<br />
und abdominellen<br />
Schmerzen wird oft direkt antibiotisch<br />
behandelt. Dabei gilt es<br />
zu differenzieren und beim Verlauf<br />
frühzeitig zwischenkompliziert und<br />
unkompliziert sowie zwischen akut<br />
und chronisch zuunterscheiden.<br />
Je höher beispielsweise die Komorbidität<br />
des Patienten, umso höher<br />
das Mortalitätsrisiko. Mit einer Immundefizienz,<br />
etwa aufgrund einer<br />
Immunsuppression wegen Rheuma,<br />
geht ebenfalls ein erhöhtes Risiko<br />
einher. Kommt es zur freien Perforation<br />
und Blutung,müssendie Kollegen<br />
aus der Chirurgie ran. Seite 9<br />
Ösophagus im Elend<br />
Motilitätsstörung oder GERD?<br />
Eine aberrierende Motilität der Speiseröhre<br />
und die gastroösophageale<br />
Refluxkrankheit (GERD) haben zwar<br />
gemeinsame Symptome wieDysphagie,<br />
Sodbrennen, Regurgitation und<br />
Brustschmerzen –inder Pathogenese<br />
undTherapiebestehen allerdingseinigeUnterschiede.<br />
Dahergiltes, Betroffene<br />
ehrlich über die Aussichten<br />
Zwangspause durch Dermatitis bullosa pratensis<br />
Gartensaison ist abgeblasen<br />
DieerstenSonnenstrahlenbei milden<br />
Temperaturenweckendie Lust<br />
auf Gartenarbeit, gerade auch im<br />
Lockdown.Inden Pflanzen- und<br />
Baumärkten herrscht reges Getümmel.<br />
Vielen Blumenfreunden<br />
der Behandlungsoptionenaufzuklären.<br />
Wer unter M. Crohn oder Colitis<br />
ulcerosa leidet,sollte etwa nicht<br />
nur auf Medikamente vertrauen.<br />
Die Ernährung beeinflusst sowohl<br />
die Symptomschwere als auch das<br />
Komplikationsrisiko. Eine aktuelle<br />
PublikationlieferteineÜbersicht zu<br />
diesen Themen. Seite 12<br />
dürfte jedoch nicht bewusst sein,<br />
dass manche Staude fiese Hautreaktionenhervorrufen<br />
kann. Dabei<br />
gibt eseine ganze Reihe von<br />
Gewächsen, vor denen man sich<br />
in Acht nehmen sollte. Seite 6
2 · 53. Jahrgang · Nr. 6 · 31. März <strong>2021</strong><br />
Jeder Sechste kennt Suizidgedanken<br />
Leichtathlet hat’sschwer<br />
LINKÖPING –Doping, Missbrauch,<br />
Rassismus –imLeistungssport gibt<br />
es viele Baustellen. Der Suizid-<br />
Prävention hat man bisher kaum<br />
Aufmerksamkeit geschenkt.<br />
Dabei wäre das durchaus nötig: Laut<br />
einer Umfrageunter (ehem.) Leichtathleten<br />
desschwedischenNationalkaders<br />
haben 17 %der männlichen<br />
und 14 %der weiblichen Sportler<br />
schoneinmal darüber nachgedacht,<br />
sich das Leben zunehmen. Wie<br />
die Forscher um Prof.Dr. Toomas<br />
Timpka von der Universität Linköping<br />
feststellten, versechsfachte<br />
sexueller Missbrauch dieses Risiko<br />
–allerdings primär bei Frauen. Von<br />
ihnengaben 15 %–und damit dreimal<br />
mehr als vonden Männern –an,<br />
schon einmal sexuell belästigt oder<br />
missbraucht worden zu sein. Ein<br />
weiterer Faktor,der Suizidgedanken<br />
beibeidenGeschlechtern begünstigte,war<br />
der Umgang mit belastenden<br />
Situationen imAlltag.Athletinnen,<br />
die ein niedriges Kohärenzgefühl<br />
mitbrachten,waren vulnerabler.<br />
Jüngeresind womöglich<br />
besondersgefährdet<br />
Bei den Männern machte Vermeidungsverhalten,u.a.<br />
Drogenkonsum,<br />
Suizidgedanken um die Hälftewahrscheinlicher.Körperliche<br />
Misshandlungen,<br />
die bei etwa jedem siebten<br />
Sportler und jeder zwölften Sportlerin<br />
vorkamen, beeinflussten die<br />
Suizidalität dagegen scheinbar nicht.<br />
Sorge bereitet den Autoren, dass<br />
schützende Eigenschaften –mehr<br />
Kohärenzund weniger Vermeiden –<br />
bei Jüngeren noch nicht so gefestigt<br />
sindwie beiÄlteren.Die Teilnehmer<br />
ihrer Studie waren jedoch imMittel<br />
schon 29Jahre alt und damit relativ<br />
erfahren.Möglicherweise seien die<br />
Folgen in Nachwuchsteams alsonoch<br />
größerals hierbeobachtet. DE<br />
Timpka Tetal.<br />
Br JSports Med <strong>2021</strong>; 55: 198–205;<br />
doi: 10.1136/bjsports-2019-101386<br />
Die praktische Frage<br />
Patienten haben<br />
ein gutes Gespür<br />
für das Betriebsklima<br />
Mag. Iris Kraft-Kinz<br />
MEDplan, 1120 Wien,<br />
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Foto: die Abbilderei<br />
Das höchste Kapital eines Unternehmens<br />
sind seine Mitarbeiter.<br />
Und jetzt bitte ich die Leserinnen<br />
und Leser, nicht einzuschlafen oder<br />
weiterzublättern. Leider ist dieser<br />
Spruch zu einer belächelten Phrase<br />
geworden,die gerade vom Team<br />
nicht mehr ernst genommenwird.<br />
Hand aufs Herz: Daran ist in der<br />
Regel die Unternehmensführung<br />
schuld, die es an Wertschätzung und<br />
Leitung fehlenlässt. Dabei sindesoft<br />
kleine Dinge, die Betriebsklima und<br />
Leistungsbereitschaft in der Ordination<br />
entscheidend beeinflussen.<br />
Schlechte AtmosphäreimTeam wird<br />
für Patienten unmittelbar spürbar.<br />
Patienten merken das manchmal<br />
schonamTelefon.<br />
«Geld spielt eine<br />
wichtige,aber keine<br />
dominierende Rolle»<br />
IND-frei in den grünen Bereich<br />
Cholesterin-Resorptionshemmer und Statine von ratiopharm ®<br />
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OP 3inder<br />
Grünen Box<br />
Fachkurzinformationen auf Seite 14<br />
MULTI-AT-00101<br />
Jede Ordinationsleitung muss<br />
daran interessiert sein, dass im<br />
Vorzimmer und an der Rezeption<br />
Menschen arbeiten, die amMorgen<br />
gerneindie Arbeit gehen.Viele Praxischefs<br />
und -chefinnen überlassen<br />
die Teamführung der „guten Seele“<br />
desHauses, der zentralenund langjährigen<br />
Begleiterin imVorzimmer.<br />
Daran ist nichts Schlechtes.<br />
Allerdingsdarf die Weitergabe der<br />
Verantwortung nicht so weit gehen,<br />
dass der Arzt oder dieÄrztin die Namender<br />
eigenenAngestellten kaum<br />
mehr wiedergeben kann. In einem<br />
so kleinen Kosmos wie einer Ordinationsolltedie<br />
Praxisleitung mitten<br />
im Alltag präsent sein.<br />
In Wohlfühlpraxen fühlen sich<br />
nicht nur Patienten wohl, sondern<br />
auch die Mitarbeiter. Geld spielt<br />
dabei eine wichtige,aber keine dominierende<br />
Rolle. Das Gehalt sollte<br />
regional- und branchenadäquat sein.<br />
Bonus-Zahlungen als Motivatoren<br />
erweisen sich immer dann als ineffektiv,<br />
wenn sie zur regelmäßigen<br />
Gewohnheit werden.<br />
Wichtigfür einfunktionierendes<br />
Betriebsklima sind Teamgespräch<br />
und –inlängeren Abständen –Einzelgespräche,<br />
in denen die eigene<br />
Erwartungshaltung, aber auch die<br />
Ziele für die Praxis jedem Mitglied<br />
des Praxisteams verdeutlicht<br />
werden.<br />
Wenn das Team sich mit den<br />
Praxiszielen identifizieren kann,<br />
verringern sich die internen Konflikte.<br />
Kompetenzen werden anerkannt,Aufgabengebiete<br />
abgesteckt<br />
und glimmende Konflikte ausgelöscht.<br />
Damit ist für die Mitarbeiter<br />
die Basis geschaffen, mit dem nötigen<br />
Engagement anden gemeinsamen<br />
Zielen mitzuwirken.
· 53. Jahrgang · Nr. 6 · 31. März <strong>2021</strong><br />
3<br />
21 Betroffene sprechen über ihre Erlebnisse<br />
Ärztinnen als Opfer häuslicher Gewalt<br />
SOUTHAMPTON –Aus Angst, die<br />
Schweigepflicht unter Kollegen<br />
könnte gebrochen werden, behalten<br />
Ärztinnen Gewalterfahrungen<br />
mit ihren Partnern häufig für sich.<br />
Dies hinterlässt nicht nur Spuren<br />
an Körper und Psyche, sondern<br />
wirkt sich zum Teil auch massiv<br />
auf die Arbeit mitPatienten aus.<br />
Vomeigenen Partner verfolgt, geschlagen,<br />
missbraucht: Solche Erfahrungen<br />
kennen keine sozialen<br />
Schichten, sind nicht abhängig vom<br />
Einkommen. Dass auch Ärztinnen<br />
in gutsituiertenVerhältnissenOpfer<br />
von häuslicher Gewalt werden können,<br />
haben Wissenschaftler um die<br />
Allgemeinärztin Dr. Emily Donovan<br />
von der Universität Southamptonerstmals<br />
systematischuntersucht.<br />
In einem Onlineforum für alleinerziehende<br />
Kolleginnen konnten sie<br />
21 Frauen zwischen 32Jahren und<br />
62 Jahren gewinnen, die anschließend<br />
per Telefon über zwanghafte Kontrolle,<br />
Vergewaltigungen durch den<br />
Expartner und die Auswirkungen<br />
dieser Erlebnisse auf das private wie<br />
berufliche Lebensprachen.<br />
Wasdie Forscher dabei erstaunte,<br />
war die Aussagevieler Teilnehmerinnen,<br />
sichfür das Scheiternihrer Beziehung<br />
verantwortlich zu fühlen.<br />
Einige schämten sich, weil sie die<br />
gesellschaftlichen Erwartungen an<br />
eine„starke und selbstbestimmte“<br />
Medizinerin nicht erfüllt hätten.<br />
Andere glaubten, dass sie der Beruf<br />
selbst verwundbar gemacht oder<br />
aber abgestumpft habe. Schließlich<br />
würden Helfende stets das Beste im<br />
Menschen sehen –und so eventuell<br />
blind für die Realität.<br />
Noch schwerer erlebten die befragten<br />
FrauenihreSituation,wenn<br />
der gewalttätige Expartner ebenfalls<br />
Arzt war. Man musste damit<br />
rechnen, eine psychische Krankheit<br />
unterstelltzubekommen, sogarPsychosen.<br />
Drohungen,bei der Ärztekammer<br />
gemeldet zuwerden,weil<br />
man zu„gestört“ sei, um Patienten<br />
zu versorgen, gehörtengenausodazu<br />
wie Sorgerechtsfälle, in denen Kollegen<br />
für den Expartner ausgesagt<br />
hatten.Dieser sei ein wunderbarer<br />
Vaterund könne seine Frau unmöglich<br />
geschlagen haben.<br />
Angst vorBrechen der<br />
Schweigepflicht<br />
Neben solchen drastischen Schilderungen<br />
fiel den Autoren der Studie<br />
auf, dass sichdie betroffenen Ärztinnen<br />
oftmals schwertaten,professionelleHilfe<br />
in Anspruch zu nehmen.<br />
Viele gaben sich selbst<br />
die Schuld<br />
Viele Frauen gaben an,<br />
dass sie sich selbst<br />
für das Scheitern<br />
ihrer Beziehung<br />
verantwortlich fühlen.<br />
Foto: iStock/StefaNikolic<br />
Scham, Erwartungen an eine<br />
starkeund selbstbestimmte<br />
Ärztin nicht erfüllt zu haben<br />
EinGrund dafür wardie Erfahrung<br />
oder die Angst, ihnen würde nicht<br />
geglaubt. Nicht einmal vom eigenen<br />
Hausarzt. Als noch belastender<br />
beschriebeneinigedie Befürchtung,<br />
die konsultierten Kollegen könnten<br />
ihre Schweigepflicht brechen.<br />
Wenn sichdie Tatendes Expartners<br />
herumsprächen, würden die Feindseligkeiten<br />
nur weiter eskalieren –<br />
zulasten der Kinder.Andere Frauen<br />
wolltender Möglichkeitaus dem Weg<br />
gehen,während einer Therapie womöglich<br />
Patientinnen zu begegnen.<br />
Manchmal spielten aber auch ganz<br />
profane Gründeeine Rolle, wenn an<br />
den häufig in der Arbeitszeit stattfindenden<br />
Behandlungsterminen nicht<br />
teilgenommenwerden konnte.<br />
Viele der Teilnehmerinnen hatten<br />
sich aufgrund der Gewalt, die<br />
sie erfahren mussten, nicht krankschreiben<br />
lassen. Und dies, obwohl<br />
sie bemerkten, dass ihnen während<br />
ihrer Tätigkeit zahlreiche Fehler<br />
unterliefen. Einige kassierten deswegen<br />
sogar Beschwerden, weil die<br />
Kollegen nicht verstanden, inwelcher<br />
Stresssituationsichdie Frauen<br />
befanden. Darüber hinaus fiel es<br />
manchen Ärztinnen schwer, Opfer<br />
von häuslicher Gewalt zu behandeln.<br />
Denn diese erinnerten sie an<br />
ihre eigenen Erfahrungen –vor allem,<br />
wenn diese noch nicht lange<br />
zurücklagen.<br />
Ein erheblicher Teil der Betroffenen<br />
kritisierte, dass Ärzte gegenüber<br />
Kolleginnen mit persönlichen<br />
Problemen häufig zu Vorurteilen<br />
neigen. Ihnen fehle beispielsweise<br />
das Verständnis für die Dienstplannöte<br />
alleinerziehender Mütter.Darunter<br />
leiden besonders Ärztinnen,<br />
die sich noch inder Weiterbildung<br />
befinden oder aufgrund der erlebten<br />
Gewaltsituation sozial isoliert<br />
sind. Allerdings fühlte sich auch<br />
ein Teil der Frauen, insbesondere<br />
Fachärztinnen, von ihren Teams<br />
sehr gut unterstützt. Manche gaben<br />
an, dass sie seit Bewältigung<br />
der eigenen Stresssituation mehr<br />
Empathie für Opfer häuslicher Gewalt<br />
empfinden.<br />
PositiveErfahrungen<br />
mit Selbsthilfegruppen<br />
Als hilfreich empfanden die interviewten<br />
Ärztinnen die Unterstützung<br />
in Selbsthilfegruppen wiedem<br />
genannten Onlineforum. Darin erfuhrenviele<br />
zumerstenMal, dasssie<br />
mit ihren Gewalterfahrungen nicht<br />
alleinsind, und konnten so ihreIsolation<br />
überwinden.Auch eine professionelle<br />
Beratung erwies sich für<br />
die Opfer als nützlich, wenn dabei<br />
die Schweigepflicht garantiert war.<br />
Dr.Dorothea Ranft<br />
Donovan Eetal. Br JGen Pract <strong>2021</strong>; 71:<br />
e193–e200; doi: 10.3399/BJGP.2020.0795<br />
MT-interaktiv<br />
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feedback@medical-tribune.at<br />
Elektronische Assistenzsysteme denken mit<br />
Digitale Helfer bei Demenz<br />
KREFELD –Moderne Technik kann<br />
das Leben älterer und dementer<br />
Menschen erheblich sicherer machen<br />
und die Angehörigen spürbar<br />
entlasten. Angefangen bei<br />
digitalenOrtungsgeräten mit Geofencing-Funktion<br />
bis hin zur smarten<br />
Herdüberwachung ist einiges<br />
möglich.<br />
Es gibt eine ganzeReihe technischer<br />
Hilfsmittel, die die Versorgung dementer<br />
Menschen erleichtern und<br />
ihnen ein Leben inder eigenen<br />
Wohnung ermöglichen können.<br />
Die Krux dabei: Die Geräte und<br />
Systeme sind kaum bekannt, auch<br />
nicht bei Ärzten und dem professionellen<br />
Pflegepersonal, schreiben<br />
Helen Spanier von der Alexianer<br />
Klinik für Gerontopsychiatrie und<br />
-psychotherapie in Krefeldund ihre<br />
Kollegen.Sie gebeneinen umfassenden<br />
Überblick über das Angebot an<br />
Unterstützungssystemen,wobei sie<br />
grob zwischen Sicherheitsprodukten<br />
und aktivierenden Geräten und<br />
Hilfsmittelnunterscheiden.<br />
1Produkte, die die Sicherheit des<br />
Kranken gewährleisten sollen: Hält<br />
man sich vor Augen,dass Demente<br />
oft nicht zu Ort und Zeit orientiert<br />
sind, verwundern sogenannteWegoder<br />
Hinlauftendenzender Betroffenennicht.<br />
Für Angehörigeist das eine<br />
enorme Belastung.InsolchenFällen<br />
helfen GPS-basierte Ortungsgeräte.<br />
Alternativ lassen sichProgramme auf<br />
Smartphones hochladen, wodurch<br />
sich diese dann mit einem anderen<br />
Gerätorten lassen. Eine Variantesind<br />
Chips, die der Dementeetwa an einer<br />
Kette trägt. In sogenannten Geofencing-Systemenlässt<br />
sichfestlegen, in<br />
welcher Umgebung sich der Betroffeneeigenständig<br />
bewegenkann, wobeisichstarkbefahreneStraßenoder<br />
Gewässermit einemvirtuellenZaun<br />
umgeben lassen. Verlässt der Kranke<br />
den „erlaubten“ Bereich, erhält die<br />
Kontaktperson eine Nachricht.<br />
So sinnvoll diese elektronischenHelfer<br />
scheinen mögen, sie stellen die<br />
Beteiligtenvor ein ethisches Dilemma.<br />
Denn auch wenn die Systeme<br />
den Patienten schützen,greifen sie<br />
doch massivindessen Selbstbestimmungsrecht<br />
ein.<br />
Menschliche Zuwendung<br />
muss im Mittelpunkt bleiben<br />
Da die Geodaten im Allgemeinen<br />
über das Internet übertragen werden,<br />
ergibt sich zudem die Frage<br />
nach einem ausreichenden Schutz<br />
dieser Informationen. Man sollte<br />
solche Überwachungs- und Ortungssysteme<br />
also nur mit ausdrücklicher<br />
Zustimmung des Patienten<br />
verwenden –aber esliegt im<br />
Wesen seiner Erkrankung, dass er<br />
diese Erklärungen und Absprachen<br />
oftnicht verstehenkann oder wieder<br />
vergessen wird. Die Autoren halten<br />
es daherfür ratsam, sichzuvor beim<br />
zuständigen Amtsgericht kundig zu<br />
machen. Übrigens übernimmt die<br />
Pflegekasse die Kosten<br />
solcher Systeme<br />
nur dann, wenn ein<br />
Hausnotruf installiert<br />
und ein Pflegegrad<br />
festgestellt ist.<br />
Es gibt zahllose weitere<br />
Geräte, etwa Notrufsysteme,<br />
die bei Stürzen<br />
automatisch aktiviert werden.<br />
Ein Herd- und Ofenwächter beugt<br />
verbranntem Essen vorund schützt<br />
vorRauch undWohnungsbränden,<br />
Wassermelder in Badezimmerteppichen<br />
schlagen bei überlaufender<br />
Badewanne an.<br />
GPS-Armbänder<br />
helfenbeim<br />
Finden einer<br />
Person.<br />
Foto: iStock/<br />
goodservice4u<br />
2Systeme, die den Patienten aktivieren,ihm<br />
Interaktion erlauben<br />
und ihn fit halten sollen: Tablet-<br />
Computer helfen, mit anderen zu<br />
kommunizieren oder miteinander zu<br />
spielen.Spezifische Snoezelen-Gadgets<br />
sollendie Sinnesfunktionen anregen<br />
underhalten.Sie ermöglichen<br />
es dem Patientenzudem,sichzuentspannen<br />
und auszuruhen. Oftmals<br />
lässt sich erst mit diesen Geräten<br />
Kontakt zu Menschen mit schwerer<br />
Demenz herstellen.<br />
Aber Vorsicht, warnendie Experten<br />
abschließend: Im Mittelpunkt<br />
dürfe nicht die Technik ansich<br />
stehen, sondern die menschliche<br />
Zuwendung für den Alten und Dementen.Imbesten<br />
Fall schaffen die<br />
genannten technischen Hilfsmittel<br />
den Freiraum und die Zeit dafür.<br />
Dr.ElkeRuchalla<br />
Spanier Hetal. DNP <strong>2021</strong>; 22: 28–34
4 · 53. Jahrgang · Nr. 6 · 31. März <strong>2021</strong><br />
Periodisches Fiebersyndrom durchgenetische Analyse erkannt<br />
«Eine Diagnose ist viel besserals keine»<br />
INNSBRUCK –Ein Fallbeispiel aus<br />
Tirol, in dem ein ganz seltenerGendefekt<br />
einer Frau jahrzehntelang<br />
ungeklärte Schmerzen bescherte<br />
und ihrem Sohn schwereund häufige<br />
Fieberschübe.<br />
„Für mich ist das ein kleines Wunder“,<br />
sagt die 40-jährigeSabineGruberund<br />
fügt nach einerkurzen Pause<br />
lächelnd hinzu: „Nein, eigentlich ist<br />
es ein großes Wunder.“ Die Freude<br />
der Frau aus dem Tiroler Unterland<br />
isteine doppelte, denndie Kooperation<br />
am „Zentrumfür Seltene Krankheiten<br />
Innsbruck“ (ZSKI) hat nicht<br />
nur ihr, sondern auch ihrem Sohn<br />
Andreas entscheidendhelfen können.<br />
Der inzwischen sechsjährige<br />
Andreas litt seit seinem zweiten<br />
Lebensjahr an unerklärlichen Fieberschüben.Diese<br />
kamen plötzlich<br />
und häufig,waren nicht vonanderen<br />
Symptomen begleitet und dauerten<br />
in derRegel eine Woche. Immerwieder<br />
stiegdas Fieberthermometer auf<br />
40, gelegentlich auch auf 41 Grad.<br />
„Am Vormittag geht es ihm noch<br />
super, er hüpft herum und dann<br />
sagt er auf einmal: ‚Mama, mir geht<br />
es nicht gut, ich glaube, ich bekomme<br />
mein Fieber.‘“ 2018 landete die<br />
verzweifelte Mutter bei Dr.Jürgen<br />
Brunner,pädiatrischer Rheumatologe<br />
an der Innsbrucker Uniklinik<br />
für Kinder- und Jugendheilkunde.<br />
„Fiebersymptomespieleninder Medizin<br />
seit ungefähr zehn Jahren eine<br />
immergrößere Rolleund es vergeht<br />
kaum ein halbes Jahr,indem nicht<br />
durch die neuen therapeutischen<br />
Möglichkeiten neue Krankheitsbilder<br />
beschrieben werden“, erläutert<br />
Dr. Brunner. Trotzdem dauerte es<br />
mehr als ein Jahr,bis beim kleinen<br />
Andreas die richtige Spur gefunden<br />
war.„Der entscheidende Punkt ist<br />
das Zuhören,das Zusammensetzen<br />
von Puzzleteilen“,erinnert Brunner<br />
an zentrale ärztliche Tugenden.Anfangs<br />
sei nur das Fieber im Vordergrund<br />
gestanden,eine imKindesalterhäufige<br />
Symptomatik. „AberFrau<br />
Gruber hat einen gewissen Rhythmus<br />
beim Fieber beschrieben und<br />
dann kam einlangenicht bemerkter<br />
Puzzlestein hinzu –die Haut“, berichtetBrunner.<br />
Es ging um geringfügige<br />
Hautprobleme bei Andreas,<br />
die an Neurodermitis erinnerten.<br />
Brunner wandte sich andas von<br />
Prof. Johannes Zschocke geleitete<br />
Institut für Molekulargenetik, der<br />
Prämisse folgend: „Stellt man an die<br />
Genetik dierichtige Frage, bekommt<br />
mandurch diemolekulargenetische<br />
Analyseeine Diagnose.“ BeiAndreas<br />
war das Ergebnis einPeriodisches<br />
Fiebersyndrom aus der Gruppe der<br />
Autoinflammationserkrankungen,<br />
die wiederum ins weite Feld der<br />
rheumatologischen chronisch entzündlichenErkrankungen<br />
gehören.<br />
ZweiSymptome,<br />
eine Ursache<br />
«Der entscheidende Punkt ist<br />
das Zuhören, das Zusammensetzen<br />
von Puzzleteilen.»<br />
Nachdem bei ihrem Sohn die Ursache der Beschwerden gefunden war, konnte bei Frau<br />
Gruber die Diagnose „Fibromyalgie” rasch korrigiert werden.<br />
Foto: Hannes Schlosser<br />
Beim Zuhören hatte Brunner auch<br />
von einer Schmerzerkrankung von<br />
Sabine Gruber erfahren, ander<br />
diese seit dem Volksschulalter litt.<br />
Brunner überwies sie an die von<br />
Dr.Johann Gruber geleitete Rheumatologische<br />
Ambulanzder Uniklinik<br />
für Innere Medizin 2.Mit der<br />
Diagnose vonAndreas in der Hand<br />
war es ein relativ kleiner Schritt für<br />
Sabine Gruber, nach Jahrzehnten<br />
den Grund für ihre Schmerzen zu<br />
entdecken: Siehattekeinetypischen<br />
Symptome, die in eine der vielen<br />
rheumatischen Krankheitsbilder<br />
hineingepasst haben, erläutert Dr.<br />
Gruber (die Namensgleichheit ist<br />
zufällig). „Normalerweise ist die<br />
genetische Untersuchung der dritte<br />
oder vierte Schritt, aber mit der<br />
Diagnosevon Andreas war es naheliegend,<br />
eine solche auch bei Frau<br />
Gruber vorzunehmen.“<br />
Tatsächlich stellte sich heraus,<br />
dass sie denselben Gendefekt wie<br />
ihrSohnhat und ihm diesenvererbt<br />
hatte. „Ich hatte lange die Diagnose<br />
Fibromyalgie, die hat mir nicht geholfen“,<br />
erinnert sichSabine Gruber.<br />
„Ich habe Schmerzmittel bekommen,<br />
die sich auf den Magen schlagen,<br />
dawird man psychisch etwas<br />
mürbe.Esgab bessere und schlechtere<br />
Tage, in der schlimmsten Zeit<br />
auchSuizidgedanken.“<br />
Jetzt hat sie endlich eine abgesicherte<br />
Diagnose und weiß: „Eine<br />
Diagnose zu haben,ist immer besser<br />
als keine.“ Inihrem Fall gilt das<br />
auch deshalb, weil es eine gut wirksame<br />
Therapie gibt.„Wir haben das<br />
Glück zu wissen, was durch diesen<br />
genetischenDefekt verursacht wird“,<br />
sagt Dr.Gruber. Botenstoffe aus der<br />
Gruppe der Zytokine habendie Aufgabe<br />
zwischenden Zellen zu vermitteln.<br />
In diesem Fall geht es um Interleukin<br />
17. Durch den Gendefekt<br />
ist es im Übermaß vorhanden.Die<br />
Medikation mit einem speziellen<br />
Antizytokin kann das Interleukin 17<br />
selektiv hemmen,und Frau Gruber<br />
ist nach jahrzehntelangem Leiden<br />
ihreSchmerzen weitgehendlos.<br />
Grundsätzlichist derEinsatzdieses<br />
Biologikums auch der richtige<br />
therapeutische Ansatz zur Behandlung<br />
des Periodischen Fiebersyndroms<br />
von Andreas. Weil seine Fieberschübe<br />
aber seltener und kürzer<br />
geworden sind, kann derzeit auf<br />
eine Medikation verzichtet werden.<br />
Das trifft auch auf seine vierjährige<br />
Schwester zu, die ebenfalls diesen<br />
Gendefekt hat, wobei sich bei ihr<br />
die Symptome bisherauf eine leichte<br />
Hautproblematikbeschränkt haben.<br />
Wesentlich ist, dass bei Sabine<br />
Gruber die Medikation nicht nur<br />
ihreSchmerzen in Schach hält, sondern<br />
auch verhindert wird, dass die<br />
chronische Entzündung organische<br />
Schäden verursacht. Klar ist, dass<br />
Gendefekte nicht geheilt werden<br />
können, aber durch die Linderung<br />
der Symptome könnenPatienten ein<br />
möglichst normales Leben führen,<br />
betontDr. Gruber.<br />
Die Seltenheit dieses Gendefekts<br />
fasst Jürgen Brunner inZahlen: An<br />
der Innsbrucker Kinderklinik gibt<br />
es eine weitere Familie mit dieser<br />
Erkrankung,österreichweit schätzt<br />
Brunner, dass davonnicht viel mehr<br />
als zehn Familienbetroffen sind.<br />
Explodierendes Wissen zu<br />
seltenen Erkrankungen<br />
Dr. Gruber, der ein Rheumatologe<br />
mit 30-jähriger Berufserfahrung<br />
ist, begeistert sich amgroßen Fortschritt<br />
während der letzten beiden<br />
Jahrzehnte.Unzählige neue Krankheitsbilder<br />
wurden entdeckt, darunter<br />
viele, die den Seltenen Krankheiten<br />
zuzuordnen sind.<br />
Durch die Kooperation am<br />
(virtuellen) ZSKI, internationaler<br />
Datenbanken, der Diskussion auf<br />
Kongressen, gelinge esimmer häufiger,<br />
schlüssige Diagnosen inseinem<br />
Arbeitsfeld auch inzuvor unklaren<br />
Krankheitsbilder stellen zu<br />
können. „Sehr oft können wir dann<br />
auch sehr selektive therapeutische<br />
Möglichkeiten anbieten“,betont Dr.<br />
Gruber.<br />
Zuletzt knüpft Dr.Gruber anden<br />
Gedanken an, den oben bereits sein<br />
Kollege Brunner formuliert hat: „Es<br />
macht einen gutenArzt aus, immer<br />
weiter zu suchen, welche anderen<br />
Möglichkeiten einer Diagnose es<br />
noch gibt. Man muss auf den Patienten<br />
zugehen, exakt zuhören und<br />
dann versuchen, nach bestem Wissen<br />
und Gewissen die körperliche<br />
Ursache zufinden.“<br />
Hannes Schlosser<br />
Die Alkaptonurie wird meisterstspät diagnostiziert<br />
Wenn schwarze Säuredie Knochen zerfrisst<br />
ZÜRICH –Ursache für die Alkaptonurie ist ein seltener Gendefekt. Er führt<br />
dazu, dass sich HomogentisinsäureimKörper anreichert. In Verbindung<br />
mit alkalischen Flüssigkeiten oder Sauerstoff bildet sie ein schwarzes<br />
Pigment, das sich in Knorpel- und Bindegewebe ablagert. Auf Dauer<br />
führt das zu chronischen Entzündungsreaktionen, die Gelenke,Sehnen<br />
und Herzklappen zerstören können.<br />
Obwohl die Erkrankung oft schon<br />
bei Babys durch extrem dunkel gefärbten<br />
Urin in der Windel und bei<br />
jungen Erwachsenen durch dunkle<br />
Stellen inden Bindehäuten sowie<br />
am Nasen- und Ohrknorpel –sogenannteOchronosen–auffällt,<br />
erhalten<br />
manche Betroffene die Diagnose<br />
erstsehr viel später:Wennsie<br />
aufgrund vonGelenkverschleiß oder<br />
Herzklappenvitien operiert werden.<br />
So wie der 70-Jährige, über den<br />
Bettina Johannson und Dr.Martina<br />
Müller vonder Klinik für Orthopädie,<br />
Hand- und Unfallchirurgie am<br />
Ochronosen treten im Rahmen einer Alkaptonurie auf.<br />
Stadtspital Triemli in Zürichberichten.<br />
DerMann hattesichwegen starker<br />
Schmerzen im rechten Daumen<br />
und einer Kraftminderung beider<br />
HändeinBehandlung begeben.<br />
DieUntersuchungen ergabeneine<br />
fortgeschrittene Rhizarthrose sowie<br />
ein Karpaltunnelsyndrom. Bei der<br />
daraufhin geplanten Operation<br />
stießen die Ärzte auf grün-schwarz<br />
verfärbteHandwurzelknochen.Auch<br />
das Weichteilgewebe war schwarz,<br />
von der Sehne des M. flexor carpi<br />
radialis fanden sich nur noch Reste.<br />
Rückblickend hätte die Alkaptonurie<br />
vermutlichschon eherdiagnostiziert<br />
werden können. So berichtete<br />
der Patient, bereits in jungen Jahren<br />
Dunkelfärbungen anSkleren und<br />
Ohrknorpel bemerkt und an Nierensteinen<br />
sowie Rückenschmerzen<br />
gelitten zu haben. Zudem hatte er<br />
bereits einige Operationen hinter<br />
Biophoto Associates/PhotoResearchers/picturedesk.com<br />
sich, darunter der Austausch beider<br />
Kniegelenke und eines Hüftgelenks<br />
sowieein zweimaliger Herzklappenersatz.<br />
Auch im Rahmender kardiochirurgischen<br />
Eingriffe seien bereits<br />
Verfärbungen bemerktworden,heißt<br />
es in der Kasuistik. Auf den Grund<br />
ging manden Beobachtungen jedoch<br />
nicht. Dabei kannschon die Messung<br />
vonHomogentisinsäure im Urin einen<br />
wichtigen Hinweis auf die Erkrankung<br />
liefern.<br />
DerProgress lässt<br />
sichaufhalten<br />
Zwar kann man diese nicht heilen,<br />
aber medikamentösdie Beschwerden<br />
der Gelenkentzündungenverringern.<br />
Zudem reduziert Nitisidon dieAnhäufung<br />
von Homogentisinsäure<br />
im Blut um 95 %, so die Autorinnen.<br />
Das verzögere den Beginn und die<br />
Progression der Ochronose. Operationen<br />
an Gelenken oder Herzklappen<br />
werden spätertrotzdem meist nötig.<br />
DieLebenserwartung istnicht beeinträchtigt.<br />
DE<br />
Johannson B, Müller M.<br />
Swiss Med Forum 2020; 20: 584–586;<br />
doi: 10.4414/smf.2020.08492
· 53. Jahrgang · Nr. 6 · 31. März <strong>2021</strong><br />
5<br />
Schadstoffhaltige Raumluft mindert die Produktion von Tränenflüssigkeit<br />
Da bleibt kein Auge feucht<br />
ORLANDO/PROVIDENCE –Bei Menschen<br />
mit trockenem Auge hat die<br />
Umgebung entscheidendenEinfluss<br />
auf die Beschwerden. In geschlossenen<br />
Räumen scheint –andersals<br />
oft angenommen–feuchteLuft die<br />
Probleme eher zu verstärken als<br />
zu lindern.<br />
Neunzig Prozent seiner Zeit verbringt<br />
der Mensch innerhalb geschlossener<br />
Räume. Dort ist er<br />
häufig hohen Konzentrationen von<br />
Feinstaub und anderen Luftschadstoffen<br />
ausgesetzt. Das bleibt nicht<br />
ohne Folgen für die Augen, schreiben<br />
AmyHuang vonder University<br />
of CentralFlorida und ihreKollegen.<br />
steigender Feinstaubbelastung stetig<br />
an. Auch die Entzündungswerte<br />
ändertensich, währenddie Funktion<br />
der Meibom-Drüsen nachließ und<br />
die Produktion von Tränenflüssigkeit<br />
zurückging.<br />
Erstaunlicherweise nahmen die<br />
Beschwerden und der Punktwert<br />
im OSDI mit steigender Raumluftfeuchte<br />
zu. Dies, so merken die<br />
Wissenschaftler an, steht klar im<br />
Widerspruch zuden Ergebnissen<br />
anderer Untersuchungen, die eine<br />
weniger feuchte Luft als Ursache<br />
für das trockene Auge ausgemacht<br />
haben. Die Autoren vermuten deshalb,<br />
dass die erhöhte Luftfeuchtigkeit<br />
innerhalb der Gebäude–anders<br />
als draußen –indirekte Folgen hat.<br />
So dürfte sie die Zeit verlängern, bis<br />
Feinstaubpartikel zuBoden sinken.<br />
Zudem nehmen Größe und Masse<br />
dieserTeilchenzu. Auch Schimmelpilze<br />
finden im feuchteren Umfeld<br />
bessere Bedingungen vor. „Unsere<br />
Ergebnisse deuten darauf hin, dass<br />
die Luftschadstoffe dieStabilität des<br />
Tränenfilms verändernund eine lokale<br />
Entzündung hervorrufen können“,schreiben<br />
die Autoren. Anders<br />
als draußenhabeman es aber selber<br />
in der Hand, wieschmutzig dieLuft<br />
ist, und man kann Belüftung und<br />
Temperatur regulieren.<br />
Wirklich bewiesen seien diese<br />
Zusammenhänge durch die vorliegende<br />
Untersuchung jedoch nicht,<br />
hält dem Dr.Ian J. Saldanha vonder<br />
Brown University School ofPublic<br />
Health in einem begleitenden Kommentar<br />
entgegen. Bisher sei auch<br />
unklar,welche positiven oder negativen<br />
Effekte Raumluftbefeuchter,<br />
Filteranlagen oder spezielle Brillen,<br />
mit denen sich umdie Augen eine<br />
feuchteAtmosphäre aufbauen lässt,<br />
beim trockenenAugehaben. mic<br />
1. Huang Aetal. JAMA Ophthalmol 2020;<br />
138: 867–874; doi: 10.1001/jamaophthalmol.2020.2237<br />
2. Saldanha IJ. A.a.O.;<br />
doi: 10.1001/jamaophthalmol.2020.2236<br />
Funktionder Meibom-<br />
Drüsenlässt nach<br />
Um den Zusammenhang zwischen<br />
der schadsstoffbelasteten Raumluft<br />
und dem trockenenAugezuklären,<br />
haben die Wissenschaftler 97Patienten<br />
imDurchschnittsalter von<br />
58 Jahren über elf Monate hinweg<br />
beobachtet. Sie fanden, dass sich<br />
Feinstaub mit der Partikelgröße<br />
2,5 µm und kleiner negativ auf die<br />
Beschwerden beim trockenen Auge<br />
auswirkt. Feinstaub gilt generell als<br />
Indikator für eine allgemein erhöhte<br />
Luftschadstoffbelastung, etwa<br />
mit Ozon.Sostieg der Wert des sogenannten<br />
Ocular Surface Disease<br />
Index (OSDI), den das Team unter<br />
anderem als Maß für die Intensität<br />
der Augenprobleme heranzog,mit<br />
HOHE QUALITÄT<br />
KLEINER PREIS<br />
MEHR WERT<br />
Migräneund Demenz<br />
Die Aurades<br />
Vergessens<br />
KOPENHAGEN – Ganzneu ist der Zusammenhang<br />
zwischenMigräne und<br />
Demenznicht. Skandinavische Forscherliefern<br />
nunallerdingserstmals<br />
Details darüber,wie groß das Risiko<br />
für die Demenzentwicklung beiunterschiedlichenMigränetypenausfällt.<br />
Ihre Ergebnisse gehen zurück<br />
auf Daten von 62.578 Personen<br />
der Jahrgänge 1935–1956 des dänischen<br />
Nationalregisters. Die mehr<br />
als 10.857 Patientenhatten ihreMigränediagnose<br />
vordem 59. Lebensjahr<br />
in einemKrankenhaus erhalten<br />
und median 18,3 Jahre, bevor eine<br />
Demenz erkannt worden war. Bis<br />
zu einem Alter von 68Jahren bzw.<br />
69 Jahren erkrankten insgesamt 207<br />
Migräniker und 640 GesundeanDemenz.<br />
Für die Migränepatienten lag<br />
das Risikoum50% höher. Dieunter<br />
ihnen, deren Kopfschmerzen voneinerAurabegleitet<br />
wurden,hatten ein<br />
doppeltsohohes Demenzrisikowie<br />
die gesunden Kontrollen (HR 2,11).<br />
Unterdenjenigen ohne Aura lagdie<br />
Rate um 19%höherals beiPersonen<br />
ohne Migräne. Für alle anderen Typen<br />
errechnetendie Forscher eine zusammengenommenum48%erhöhteErkrankungswahrscheinlichkeit.<br />
mf<br />
Islamoska Setal. JHeadache Pain 2020;<br />
doi: 10.1186/s10194-020-01166-7<br />
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Stand der Information: 01/<strong>2021</strong>, AT2101256114
6 · 53. Jahrgang · Nr. 6 · 31. März <strong>2021</strong><br />
Pflanzenmit phototoxischen Inhaltsstoffen verursachen fiese Hautreaktionen<br />
Da ist doch was im Busch!<br />
JENA –Nicht selten führt die<br />
Gartenarbeit an Sonnentagen zu<br />
Hautausschlägen. Das kann übel<br />
ausgehen –zumal dann, wenn die<br />
Pflanzenfreunde spärlich bekleidet<br />
mit bestimmten Gewächsen<br />
hantieren.<br />
Im Sommer ohne Sonnenschutz im<br />
Freien unterwegs? Dass die Folgen<br />
eines solch leichtfertigen Verhaltens<br />
weit über einen Sonnenbrand<br />
hinausreichen können, musste eine<br />
57-jährige Frau auf die harte Tour<br />
lernen. Die Gartenfreundin hatte<br />
sich mit schmerzenden Hautausschlägen<br />
–vor allem an denArmen<br />
und Beinen –in der Notaufnahme<br />
vorgestellt, berichten Christina<br />
Münchhoff-Barker von der Klinik<br />
für Hautkrankheiten am Universitätsklinikum<br />
Jena und ihre<br />
Kollegen.<br />
körperliche Untersuchung zeigte<br />
Bläschen und erythematöse Papeln<br />
an den Armen sowie multiple prall<br />
gefüllte Bullae auf leicht erythematösem<br />
Grund an den Beinen.Dazu<br />
kamen streifenartige Rötungen an<br />
sämtlichen Extremitäten.ImLabor<br />
fiel lediglich ein erhöhtes CRP auf,<br />
alle anderen Werte waren unauffällig.<br />
Als die Kollegen gezielt nachfragten,was<br />
in dem Garten so alles<br />
wachse, nannte die Frau unter anderem<br />
Diptam (Dictamnus albus),<br />
eine Pflanze aus der Familie der<br />
Rautengewächse. Damit war für<br />
die Dermatologen die Sache<br />
klar: Die Pflanzenfreundin<br />
litt an einer<br />
Dermatitis bullosa<br />
Die prall gefüllten,<br />
multiplen Blasen<br />
an den Beinen<br />
machten der Frau<br />
Probleme beim<br />
Gehen.<br />
Sensibilisierende Stoffe in<br />
Doldenblütlern, Maulbeerund<br />
Rautengewächsen<br />
pratensis, auf Deutsch: an einer<br />
Wiesengrasdermatitis.<br />
Diese Erkrankung gehörtzuden<br />
photophytotoxischen Dermatosen.<br />
Dabei wirken bestimmte Pflanzeninhaltsstoffe<br />
als Sensibilisatoren,die<br />
unter dem Einflussvon UV-Strahlung<br />
aktiviert werden und die beschriebenen<br />
Hautveränderungen hervorrufen.Derartige<br />
Substanzen finden<br />
sichvor allembei den Doldenblütlern<br />
(Apiaceae),<br />
etwa dem Riesenbärenklau,<br />
ebenso bei den<br />
Maulbeer- und Rautengewächsen<br />
(Moraceaebzw.Rutaceae). Auch das<br />
Grün derKarotteund die Bergamotte,<br />
ein Zitrusgewächs, enthalten derartige<br />
phototoxische Substanzen.<br />
Lange Ärmel, lange Hosen<br />
und Handschuhe tragen<br />
Die Patientin bekam zunächst intravenös,<br />
danach oral Prednisolon.<br />
Die Ärzte starteten die Therapie mit<br />
50 mg und reduzierten alle drei Tage<br />
um 10 mg.Außerdem punktierten sie<br />
die großenBlasenund bedeckten die<br />
geröteten Hautpartien mit Fusidinsäure-imprägnierter<br />
Gaze.Anfangs<br />
erhielt die Frau zudem eine topische<br />
Therapie mit Kortikosteroiden und<br />
Fusidinsäure, die Reinigung erfolgte<br />
miteiner speziellen antimikrobiellen<br />
Waschlösung.Unter dieser Behandlung<br />
erholte sich die Kranke innerhalb<br />
vonachtTagen so weit, dass die<br />
Kollegen sie nach Hause entlassen<br />
konnten. Vorher legten sie ihr noch<br />
ans Herz, den Kontakt mit phototoxischenPflanzen<br />
zu meiden –und die<br />
Gartenarbeit nicht mehr im Bikini zu<br />
erledigen,sondern dabei langärmlige<br />
T-Shirts, langeHosenund Handschuhe<br />
zu tragen.<br />
Dr.ElkeRuchalla<br />
Quelle Text und Abb.: Münchhoff-Barker C,<br />
Tittelbach J, Elsner P. „57-jährige Patientin mit<br />
Blasen und striatiformen Erythemen an den<br />
Extremitäten“, Dtsch Med Wochenschr 2020;<br />
145: 1795–1798; doi: 10.1055/a-1275-3835<br />
©Georg Thieme Verlag KG Stuttgart,<br />
New York<br />
Diagnose: Dermatitis<br />
bullosa pratensis<br />
Die Frau erzählte, anden beiden<br />
vergangenen TagenimGartengearbeitet<br />
zu haben,lediglichmit einem<br />
Bikini bekleidet und ohne Sonnenschutzmittel.Wenige<br />
Stunden nach<br />
der Arbeit habe sie zunächst Stiche<br />
und Brennen anden Extremitäten<br />
wahrgenommen, am Abend des<br />
zweiten Tages schließlich hätten<br />
sich anden Beinen so pralle Blasen<br />
und einderartigesSpannungsgefühl<br />
entwickelt, dass sie nicht mehr ohne<br />
Probleme habelaufen können.<br />
Die Anamnese, auch die der Familie,<br />
war leer. Die Patientin selbst<br />
litt lediglichaneinem Glaukom,für<br />
das sie Latanoprost-Augentropfen<br />
verwendete.Sonstige Medikamente<br />
nahm sie nicht regelmäßig. Die<br />
Bereitsleichte körperliche Aktivität verhindertMobilitätseinbußen im Alter<br />
Schon wenige Schritte helfen weiter<br />
LA JOLLA –Bewegung hält ältere<br />
Menschen fit, gesund und mobil –<br />
das haben zahllose Studien nachgewiesen.<br />
Allerdings haben sich<br />
die meisten dieser Untersuchungen<br />
zumindest auf moderate,wenn<br />
nicht sogar starke Belastungen<br />
konzentriert. Für solche schweißtreibenden<br />
und atemraubenden<br />
Betätigungen lässt sich aber nicht<br />
jedermann motivieren.<br />
Ein Team der Herbert Wertheim<br />
School of Public Health and Human<br />
Longevity Science der University of<br />
California SanDiego hat dahereinen<br />
anderen Ansatz gewählt.<br />
5.700ältereFrauen über<br />
Jahrehinweg beobachtet<br />
DieAutoren beobachteten mehr als<br />
5.700 Frauen abdem 64.Lebensjahr<br />
(Durchschnittsalter:78,5 Jahre) der<br />
Women’sHealth Initiative.AlleSeniorinnenwaren<br />
zu Beginn der Untersuchung<br />
uneingeschränkt mobil. Sie<br />
stattetendie Studienteilnehmerinnen<br />
mit einem Aktivitätsmessgerät aus,<br />
das die DamenübersiebenTagehinweg<br />
ununterbrochen tragen sollten.<br />
Ausden Aktivitäts- und Bewegungsdaten<br />
berechneten die Forscher das<br />
Ausmaß an leichten körperlichen<br />
Tätigkeiten,die die Frauenjeden Tag<br />
ausführten –etwa Geschirr spülen<br />
und abtrocknenoder leichtere ArbeitenimGarten.<br />
Anhand der erstellten<br />
Profile teilten sie ihre Probandinnen<br />
in vier Quartile ein: Im Quartil1war<br />
die Alltagsaktivität am geringsten,in<br />
Quartil4am höchsten.<br />
Bis zur endgültigen Auswertung<br />
nach durchschnittlich knapp fünf<br />
Jahren gaben 1.277 Frauen an, dass<br />
ihre Mobilität stark abgenommen<br />
habe –dass siealso etwa nicht mehr<br />
einen Häuserblock weit gehen oder<br />
dieTreppen eines Stockwerks steigen<br />
konnten.DieserVerlust an Beweglichkeit<br />
trat bei Frauen des ersten<br />
Quartils am häufigsten auf, bei denendes<br />
viertenQuartils am seltensten.<br />
Auch als die Wissenschaftler<br />
für eine Reihe möglicher Störvariablen<br />
korrigierten –etwa höheres<br />
Lebensalter, Begleiterkrankungen<br />
oder regelmäßigestärkere Belastungen<br />
–blieb dieser Zusammenhang<br />
bestehen. Schonimzweiten Quartil<br />
sank das Risiko für einen späteren<br />
Mobilitätsverlust um relativ 22 %, in<br />
Quartil 4warenessogar 40 %.<br />
Im Haushaltund im Garten<br />
arbeitenreicht aus<br />
Noch stärker ausgeprägt war der<br />
Effekt, wenn man bleibende Mobilitätseinschränkungen<br />
betrachtete.<br />
Das Risiko dafür sank in Gruppe 4<br />
auf fast die Hälfte gegenüber der<br />
Gruppe 1. Es müssen also nicht regelmäßiges<br />
Joggen oder ausgedehnte<br />
Spaziergänge sein, wenn man vorbeugen<br />
und im Alter auf den Beinen<br />
bleiben will,meinen die Autorenzum<br />
Abschluss. Einbisschenim<br />
Haushalt werkeln oder leichte Gartenarbeit<br />
tun es ebenso gut. ER<br />
Glass NL et al. JAMA Netw Open <strong>2021</strong>;<br />
4: e210005; doi: 10.1001/jamanetwork<br />
open.<strong>2021</strong>.000580<br />
Gestörte Höhlenbewohner<br />
Mitantibakterieller Mundspülung<br />
zurückhaltend sein<br />
PLYMOUTH –Wer beim Sport vorn<br />
mitmischen will, sollte den Mund<br />
nicht zu voll nehmen. Zumindest<br />
nicht mit antibakteriellen Spüllösungen,die<br />
die natürliche Mundflorastören.<br />
Währendsichdie Forschung aktuell<br />
am Darmmikrobiom austobt, gerät<br />
eines oft aus dem Blick: Auch in<br />
der Mundhöhle tummelt sich eine<br />
komplexe Lebensgemeinschaft von<br />
Bakterien.<br />
Günstig:ballaststoffreiche<br />
Kost und langes Kauen<br />
Mehrheitlich handelt es sich dabei<br />
um Keime, die beispielsweise Nahrungsbestandteile<br />
metabolisieren<br />
und so die Gesundheit fördern.<br />
Forscher um den Physiologen<br />
Prof. Dr. Raul Bescós von der<br />
Universität Plymouth fanden nun<br />
heraus, dass sich das orale Mikrobiom<br />
auch positiv auf die sportliche<br />
Leistungsfähigkeit auswirkt.<br />
Demnach ziehen Sportler mit<br />
einer gesunden Mundflora den<br />
größten kardiovaskulären Nutzen.<br />
Antibakterielle Mundspülungen,<br />
insbesondere solche mit dem<br />
Wirkstoff Chlorhexidin, sollten<br />
nach Ansicht der Autoren zurückhaltend<br />
und nur nach ärztlicher<br />
Verordnung angewendet werden.<br />
Denn diese können die Komposition<br />
und das Gleichgewicht der<br />
Mundhöhlenbakterien empfindlich<br />
stören.<br />
Werseiner Mundflora also etwas<br />
Gutestun und gleichzeitig seine körperliche<br />
Leistungsfähigkeit inklusive<br />
Herz-Kreislauf-Gesundheit verbessern<br />
möchte,sollte ballaststoffreiche<br />
Nahrungsmittel wie Obst, Gemüse<br />
und Nüsse zusich nehmen, sodie<br />
abschließendeEmpfehlung der Wissenschaftler.<br />
Auch über langes Kauen<br />
freuen sichdie kleinenMundhöhlenbewohner.<br />
JL<br />
Bescos Retal. PharmaNutrition 2020; 14:<br />
100230; doi: 10.1016/j.phanu.2020.100230
· 53. Jahrgang · Nr. 6 · 31. März <strong>2021</strong><br />
7<br />
COVID-19<br />
PosttraumatischerStress: Durch Corona-<br />
Pandemiebei Krebspatienten verbreitet<br />
BARI –Eine Studie zeigt, dass<br />
bei ungefähr einem Viertel der<br />
Krebspatienten Symptome von<br />
posttraumatischem Distress infolge<br />
der COVID-19-Pandemie<br />
vorliegen.<br />
Präsentiert wurde die Studie von<br />
Dr. Domenico Galetta, Giovanni-<br />
Paolo-II-Tumorinstitutvon Bari,am<br />
Weltkongress für Lungenkrebs im<br />
Jänner. Nach Galettas Ansicht zeigt<br />
dies, dass der Schutz vonKrebspatienten<br />
eine wichtige Maßnahme im<br />
Bereichder öffentlichenGesundheit<br />
während der Pandemie seinsollte.<br />
„Die SARS-CoV-2-Pandemie hat<br />
aufgrund der Verringerung vonKrankenhausaktivitäten,wie<br />
z.B. Rückgang<br />
der ambulanten Versorgung,Verringerung<br />
der wöchentlichen Besuche<br />
vonPatienten,Verringerung der verfügbaren<br />
Betten und der Belastung<br />
durchklinischeTätigkeiten,Verschiebung<br />
vonKrebsvorsorgeuntersuchungenund<br />
darüber hinausein erhöhtes<br />
Risikofür schwerwiegende Verläufe<br />
vonCOVID-19, einenenormen Einfluss<br />
auf Krebspatienten gehabt“, beschriebGaletta<br />
den Hintergrund der<br />
vorgestellten Studie.<br />
Das Ziel war, zuuntersuchen,<br />
welchem Grad von Angst, Depression<br />
und posttraumatischem (PT)<br />
Stress Krebspatienten u.a. im Vergleich<br />
zur Normalbevölkerung,<br />
ausgesetzt waren.Die 176 Studienteilnehmer<br />
füllten Fragebögen zu<br />
Angst, Depression und PT Distress<br />
aus(„Hospital Anxietyand Depression<br />
Scale“: HADs und „Impact of<br />
EventScale-Revised“: IES-r).<br />
Ergebnisse<br />
Vonden 176 Teilnehmern, die sich<br />
im April 2020 imKrankenhaus vorstellten,<br />
hatten 77ein Lymphom,<br />
59 ein Lungenkarzinom und 40 ein<br />
Mammakarzinom. Die Patienten<br />
waren im Mittel 57,9 Jahrealt. 55 %<br />
litten unter hohem allgemeinem<br />
Distress, 44,5 %unter ausgeprägtemDepressionen<br />
und58,4 %unter<br />
starken Ängsten.Zusätzlich hatten<br />
23,7 %Anzeichenvon schwerem PT<br />
Distress. Hiervon waren die Frauen<br />
Die Angst, sich im Krankenhaus mit SARS-CoV-2 anzustecken, warinder befragten<br />
Gruppe groß.<br />
Foto: iStock/ViktorCap<br />
stärkerbetroffen (27,3%). 70 %der<br />
Patienten gaben an, dass sich ihre<br />
Sorgen während der Pandemie vergrößert<br />
haben. Dinge, vor denen sie<br />
sich ammeisten fürchteten,waren:<br />
das Risiko einer Infektion imKrankenhaus<br />
(60 %), das Risiko, zuhause<br />
Verwandte anzustecken (52 %),<br />
das Risiko einer Therapieverzögerung<br />
(62 %) und von ihren Lieben<br />
getrennt zu sein (Social Distancing<br />
53 %). Darüber hinaus machte ihnen<br />
die Erreichbarkeit ihres Onkologen<br />
Sorgen (66 %) und auch finanzielle<br />
Probleme (43 %). Bei den Lungenkrebserkrankten<br />
lagendie Wertefür<br />
Depression,Angst und Distress höherals<br />
in der Gesamtpopulation der<br />
Studie. Dies führte Galetta darauf<br />
zurück,dass sich Lungenkrebspatienten<br />
für noch stärker durch CO-<br />
VID-19 gefährdet hielten, dadie<br />
ErkrankungLungenschäden verursachen<br />
kann.Verglichen mit 2018 war<br />
der Distress vonLungenkrebspatienten2020signifikant<br />
erhöht.<br />
Fazit<br />
„In Zeiten der Coronavirus-Pandemie<br />
sollten sobaldwie möglichspezielle<br />
Maßnahmen zur Förderung<br />
despsychischenWohlbefindensvon<br />
Patientendurchgeführtwerden,insbesonderefür<br />
Frauenund Patienten<br />
mit Lungenkrebs“, schloss Galetta<br />
seine Präsentation.<br />
Dr.SusanneKammerer<br />
Catino A, Bafunno D, Romito Fetal.<br />
Psychological Distress in Outpatients with<br />
Lymphoma, Lung and Breast Cancer during<br />
COVID-19 pandemic, Poster Nr FP<strong>06</strong>.04<br />
World Conference on Lung Cancer (WCLC)<br />
der International Association for the Study<br />
of Lung Cancer (IASLC)<br />
ADVERTORIAL<br />
Vitamin-C-Mangel ausgleichen<br />
Im Rahmen von Infektionen wird viel Vitamin Cverbraucht. Entsprechend leiden Patienten mit Pneumonien<br />
oder COVID-19 häufig an einem Vitamin-C-Mangel. Umgekehrt können hochdosierte Vitamin-C-Infusionen<br />
das Immunsystem im Kampf gegen Erreger wie SARS-CoV-2 unterstützen.<br />
Bereits seit Langem ist bekannt,<br />
dass die Vitamin-C-<br />
Konzentrationen inden Immunzellen<br />
zuBeginn eines Infekts<br />
innerhalb von Stunden um etwa 50<br />
Prozent sinken. 1<br />
Früher Einsatz von<br />
Antioxidantien wie<br />
Vitamin C<br />
Aktuelle Studienhaben jetzt gezeigt,<br />
dass einVitamin-C-Mangel einweit<br />
verbreitetes Problem bei Patienten<br />
mit Lungenentzündungen und<br />
kritisch Kranken auf Intensivstationen<br />
ist. 2,3 So auch bei COVID-19-<br />
Patientenmit Atemnotsyndrom auf<br />
der Intensivstation, wie jüngst in<br />
einer spanischen Pilot-Studie festgestellt<br />
wurde: Bei der Mehrheit<br />
der Untersuchten (94,4 Prozent)<br />
lag die Vitamin-C-Konzentration<br />
im Blut unterhalb der detektierbaren<br />
Grenze von 0,15 mg/dl<br />
und damit im Skorbutbereich. 4<br />
Vitamin-C-Blutspiegel (µmol/l)<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Vitamin-C-Blutspiegel bei schweren Infektionen<br />
Junge<br />
Erwachsene<br />
Erwachsene<br />
mittleren<br />
Alters<br />
Quelle: Mod. nach Carr A. Präsentation auf dem Pascoe Naturmedizin Webinar am 30.04.2020<br />
„The role of vitamin Cinpreventing and treating respiratory infections“.<br />
In einem aktuellen Review beleuchtenProf.<br />
GüntherSchönrichvon der<br />
Charité in Berlin und Prof.Yvonne<br />
Samstagvon derUniversität Heidelberg<br />
Interaktionen zwischen SARS-<br />
Pneumonie Sepsis schwere<br />
Sepsis<br />
CoV-2und den Komponenten des<br />
Immunsystems. Dabei gehen sie unter<br />
anderem darauf ein, wie virusinduzierte<br />
Immunreaktionen zu<br />
oxidativem Stress führen,der Organe<br />
schädigt und die Immunantwort<br />
supprimiert. Die Autoren weisen<br />
auf den möglichen Nutzen von Antioxidantienwie<br />
Vitamin Chin und<br />
sprechen sichfür deren frühzeitigen<br />
Einsatz aus. Dadurchließe sicheine<br />
Ausbreitung der SARS-CoV-2-Infektion<br />
und eine Verschlechterung<br />
der Erkrankung unter Umständen<br />
verhindern. 5<br />
Intensivpflichtige<br />
SARS-CoV-2-bedingte<br />
Lungenentzündung<br />
Eine randomisierte Placebo-Pilotstudie<br />
hat bereits Hinweise auf<br />
den Nutzen von hochdosierten<br />
Vitamin-C-Infusionen bei intensivpflichtiger<br />
SARS-CoV-2-<br />
bedingter Lungenentzündung geliefert.<br />
Die Probanden erhielten<br />
innerhalb von 48 Stunden nach<br />
Aufnahme auf die Intensivstation<br />
über einen Zentralvenenkatheter<br />
entweder alle zwölf Stunden 12 g<br />
Vitamin Coder steriles Wasser für<br />
siebenTage.<br />
Da die Pandemie im Beobachtungszeitraum<br />
(vom 14. Februarbis<br />
zum 29. März 2020) schnell eingedämmt<br />
wurde,konnte die für eine<br />
statistische Signifikanzprüfung notwendige<br />
Patientenzahl nicht rekrutiert<br />
werden.Dennoch zeigten sich<br />
deutlich die positiven Effekte der<br />
Vitamin-C-Gabe:<br />
• Trend zueinem kürzeren beatmungspflichtigen<br />
Zeitraum,<br />
• signifikanteVerbesserung der<br />
Sauerstoffversorgung,<br />
• signifikante Reduktion der<br />
Interleukin-6-Konzentration,<br />
• Trend zur Verringerung der<br />
28-Tage-Mortalität bei schwerenVerläufen.<br />
1. Hume R, Weyers E. Scott Med J1973;18(1):3–7; 2. Carr AC et al. Crit Care 2017;21(1):300; 3. Carr AC et al. Nutrients 2020;12(5):1318; 4.Chiscano-Camon Letal. Crit Care 2020;24(1):522; 5. Schonrich Getal. Adv Biol Regul<br />
2020;77:100741. Mit freundlicher Unterstützung von Pascoe Pharmazeutische Präparate GmbH<br />
optimal<br />
ausreichend<br />
unzureichend<br />
grenzwertig<br />
Mangel<br />
Hospitalisierte Patienten mit einer Pneumonie oder einer Sepsis weisen in vielen Fällen<br />
unzureichend hohe Vitamin-C-Blutspiegel oder einen Vitamin-C-Mangel auf.<br />
«Virusinduzierte<br />
Immunreaktionen führen zu<br />
oxidativem Stress»<br />
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oder oral substituiert werden können. Für Erwachsene und Kinder ab 12 Jahren. Sowie: Methämoglobinämie im Kindesalter (auch jünger als 12 Jahre). Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile. Oxalat-Urolithiasis, Eisen-Speichererkrankungen (Thalassämie, Hämochromatose, sideroblastische Anämie), Niereninsuffizienz, Glucose-6-phosphatdehydrogenasemangel/-defekt;<br />
bei Kindern unter 12 Jahren: Hochdosis-Therapie von klinischen Vitamin-C-Mangelzuständen. Zulassungsinhaber: Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH, Schiffenberger Weg55, D-35394 Gießen. Rezeptpflicht /Apothekenpflicht: Rezeptpflichtig und apothekenpflichtig. Pharmakotherapeutische Gruppe: Ascorbinsäure (Vitamin C). ATC-Code: A11GA01. Stand:<br />
<strong>06</strong>/2014. Liste der sonstigen Bestandteile: Natriumhydrogencarbonat, Wasser für Injektionszwecke. Weitere Angaben zu den besonderen Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstige Wechselwirkungen, Fertilität, Schwangerschaft und Stillzeit, Nebenwirkungen sowie ggf. Gewöhnungseffekte sind<br />
der veröffentlichten Fachinformation zu entnehmen.<br />
ENTGELTLICHEEINSCHALTUNG
8 · 53. Jahrgang · Nr. 6 · 31. März <strong>2021</strong><br />
Selbsttherapie mit Vitamin Dbirgt Hyperkalzämiegefahr<br />
Knochenstärker schwächt Niere<br />
DARMSTADT –Vermeintlich harmlose<br />
Nahrungsergänzungsmittel<br />
mit Vitamin Dkönnen für Patienten<br />
schwerwiegende Folgen bis hin<br />
zum Nierenversagen haben. Vier<br />
Beispiele aus einer nephrologischen<br />
Praxis.<br />
Ein 88-jähriger Mann wurde wegen<br />
einer seit Tagen anhaltenden Abgeschlagenheit,<br />
Übelkeit und Erbrechen<br />
stationär aufgenommen. Das<br />
Serumkalzium war mit 3,3 mmol/l<br />
deutlich erhöht, die geschätzte<br />
glomeruläre Filtrationsrate lag bei<br />
19 ml/min/1,73 m 2 .Die Klinikärzte<br />
vermuteten akutes Nierenversagen<br />
beitumorbedingter Hyperkalzämie,<br />
fanden aber kein Malignom.<br />
Ein halbes Jahr lang täglich<br />
50.000IEeingenommen<br />
Dafür fiel ein mit 326 µg/l deutlich<br />
erhöhter 25-Hydroxy-Vitamin-D 3 -<br />
Spiegel auf, berichtet der Darmstädter<br />
Nephrologe Dr. Michael<br />
Zieschang.Die Einnahme entsprechender<br />
Tabletten verneinte der<br />
Patient, räumte aber den Gebrauch<br />
von Nahrungsergänzungsmitteln<br />
ein. Allerdingswäreerbei korrekter<br />
Anwendung nicht einmal auf eine<br />
Tagesdosis von 1.000 IE Vitamin D<br />
gekommen. Der alte Herr musste<br />
die Supplemente also massiv überdosiert<br />
haben.<br />
Beieiner 51-jährigen Brustkrebspatientin<br />
fiel präoperativ eine eingeschränkte<br />
Nierenfunktion auf:<br />
Kreatinin 3,17 mg/dl, Parathormon<br />
erniedrigt, keine Metastasen im<br />
Szintigramm. Die Ärzte vermuteten<br />
akutes Nierenversagen unter<br />
Hyperkalzämie bei vorbestehender<br />
chronischer Insuffizienz. Wie sich<br />
herausstellte, hatte die Frau zur<br />
Selbstbehandlung ihres Mammakarzinoms<br />
ein halbes Jahr lang<br />
täglich 50.000 IE Vitamin Dund<br />
anschließend über drei Monate<br />
hinweg50.000 IE einmal proWoche<br />
eingenommen.<br />
0,25 µg Calcitriol behandelt. Als das<br />
Serumkalzium auf 2,9 mmol/l stieg,<br />
wurde die Behandlung unterbrochen.<br />
Das Kalzium aber kletterte<br />
weiter und erreichte sechs Wochen<br />
nach Absetzen des Medikaments<br />
3,3 mmol/l. Um die Ursache zuklären,<br />
ließ sich der Arzt sämtliche im<br />
Haus vorhandenen Medikamente<br />
in einem Beutel vorbeibringen. Das<br />
Ergebnis dieser„Sackerlprüfung“:<br />
Die Patientin hatte offenbar monatelang<br />
Vitamin-D-Tropfen und<br />
dazu noch einige Multivitaminpräparate<br />
eingenommen –ohne<br />
Rezept.<br />
Dr. Zieschang erinnert abschließend<br />
daran, dass die Einnahme<br />
vonVitamin Dstets einerklaren<br />
Indikation bedarf. Außerdem sollte<br />
der Kalziumspiegel unter der Therapie<br />
in regelmäßigen Abständen<br />
kontrolliert werden.<br />
rft<br />
Zieschang M. Arzneiverordnung in der Praxis<br />
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DFP<br />
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Die Ärzte<br />
dachten zunächst an eine<br />
Tumorerkrankung<br />
AlsDrittes berichtetDr. Zieschang<br />
über eine 61-Jährige mit Niereninsuffizienz<br />
unklarer Genese. Das<br />
Kreatininlag bei2,89mg/dl, dasSerumkalzium<br />
war mit 4mmol/l gefährlich<br />
hoch.Alkalische Phosphatase<br />
und Gesamteiweiß waren nicht<br />
erhöht. DiePatientin hattekeinemonoklonaleGammopathie,die<br />
Nieren<br />
waren sonographisch bisauf einzelne<br />
kleine Zysten unauffällig.Aber das<br />
25-Hydroxy-Vitamin-D 3 überstieg<br />
500 µg/l. Nach mehrfachem Nachfragen<br />
berichtete die Patientin, gelegentlichVitamin<br />
Deingenommen<br />
zu haben. Die genaue Dosis blieb<br />
unklar.<br />
Im Zweifel alle Tabletten<br />
und Tropfen zeigen lassen<br />
Eine 78-jährige chronische Dialysepatientin<br />
wurde wegen eines sekundären<br />
Hyperparathyreoidismus mit<br />
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· 53. Jahrgang · Nr. 6 · 31. März <strong>2021</strong><br />
9<br />
Gastroenterologie<br />
SPECIAL<br />
Wie sich eine Übertherapie vermeiden lässt<br />
(K)ein Antibiotikum fürsDivertikel<br />
BERLIN –Die Divertikulose ist<br />
per se keine Krankheit. Erst wenn<br />
Symptome auftreten, ändert sich<br />
das. Am Kongress der deutschen<br />
Gastroenterologenwurde erklärt,<br />
wann Antibiotika angezeigt sind<br />
und wann man ohne auskommt.<br />
EinPatient mit bekannter Divertikulose<br />
entwickelt Schmerzen im linken<br />
Unterbauch. Dann ist eine häufige,<br />
aber falsche Reaktion, sofort antimikrobiell<br />
zubehandeln, erklärte<br />
Prof. Dr. Ludger Leifeld vom St.<br />
BernwardKrankenhaus Hildesheim.<br />
Er betonte:„Die meisten Patienten<br />
brauchen keine Antibiotika.“ Der<br />
Koordinator der alten und neuen<br />
Leitlinie 1 erläuterte, was es bei der<br />
Behandlung vonDivertikelkrankheit<br />
und Divertikulitis zu beachten gilt.<br />
Wichtig ist, das Risiko für einen<br />
komplizierten Verlauf früh abzuschätzen.<br />
Hinweise ergeben sich<br />
schon aus der Anamnese. Je höher<br />
beispielsweise dieKomorbiditätdes<br />
Patienten, umso höher das Mortalitätsrisiko.<br />
Mit einer Immundefizienz,<br />
etwa aufgrund einer Immunsuppression<br />
wegen Rheuma,<br />
geht ebenfalls ein erhöhtes Risiko<br />
einher. Immuninkompetentehaben<br />
häufiger Perforationenund letztlich<br />
aucheinehöhereMortalität,erklärte<br />
Prof.Leifeld.<br />
Leukozytenzahlenzeigen keinesichere<br />
Korrelation zum Verlauf. Für<br />
die Labordiagnostik reichen nach<br />
Auffassung des Kollegen Blutbild,<br />
CRP-Bestimmung und Urinstatus<br />
aus. Einerhöhtes CRP (> 20 mg/dl)<br />
kann beiPatienten mit Divertikulitis<br />
auf eine Perforation hinweisen, bei<br />
einem CRP
10 SPECIAL Gastroenterologie<br />
· 53. Jahrgang · Nr. 6 · 31. März <strong>2021</strong><br />
Die Substanzen sind künftig vor allem als Reservemedikamente interessant<br />
Haben Fluorchinolone in der<br />
Gastroenterologieausgedient?<br />
BERLIN –Fluorchinolone wurden<br />
über viele Jahre hinweg breit<br />
eingesetzt. Heute sieht man sie<br />
aufgrund ihres problematischen<br />
Nebenwirkungsprofils und der<br />
sich verschlechternden Resistenzlage<br />
sehr viel kritischer.Ganz vom<br />
Tisch sind die Gyrasehemmer in der<br />
Gastroenterologie aber noch nicht.<br />
„Man sollte nochmal betonen,dass<br />
die Fluorchinolone schon tolle Antibiotika<br />
sind“, eröffnete Prof. Dr.<br />
Christoph Lübbert von der Klinik<br />
und Poliklinik für Innere Medizin<br />
2amUniversitätsklinikum Leipzig<br />
seinen Vortrag auf der virtuellen<br />
Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft<br />
für Gastroenterologie,<br />
Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten.<br />
Damit bezog ersich<br />
vor allem auf das große Spektrum<br />
an Indikationen, das die Gyrasehemmer<br />
abdecken.<br />
Dochnatürlichhat jede Medaille<br />
aucheineKehrseite: Fluorchinolone<br />
haben spezifische Nebenwirkungen,<br />
die man vonanderen Antibiotika in<br />
dieserFormnicht kennt. So kommt<br />
es unter ihnen gehäuft zu Achillessehnenrupturen.<br />
Bereits beider Zulassungwar<br />
klar,dass sichdie Medikamentenicht<br />
für Kinder eignen,da<br />
sie potenziell die Knorpelentwicklung<br />
beeinträchtigen. Und in den<br />
1990er-Jahren musste man zunehmend<br />
lernen, dass die Substanzen<br />
Clostridioides-difficile-Infektionen<br />
begünstigen, erklärte der Kollege.<br />
Dennoch hätten lange Zeit die guten<br />
Seiten der Substanzgruppe im<br />
klinischenAlltag überwogen. Undso<br />
kam es, dass Ciprofloxacin und Co<br />
eine sehr weiteVerbreitung fanden.<br />
Doch mit der breiten Anwendung<br />
zeigte sich erst das ganzeAusmaß<br />
der Nebenwirkungen,soProf.<br />
Lübbert.Insbesondere die mit Fluorchinolonen<br />
inZusammenhang<br />
gebrachteBindegewebsschwäche im<br />
Sinne einer Kollagentoxizität stellte<br />
sichals eingrößeresProblem heraus,<br />
als man zunächst vermutet hatte.Pro<br />
1.000 Patientenjahre treten unter<br />
Fluorchinolonbehandlung schätzungsweise<br />
3,2Achillessehnenrupturen<br />
auf. Und irgendwann wurde<br />
klar, dass die Bindegewebsproblematik<br />
auchdas Gefäßsystem betrifft<br />
und vorallem thorakale Aortenaneurysmen<br />
und Dissektionen sehr eng<br />
damit assoziiert sind, erklärte der<br />
Referent.<br />
Aus diesen Gründen wurde der<br />
Ruf der Gyrasehemmer immer<br />
schlechter. Besonders inden USA<br />
startetenindirektoder direkt betroffenePatienten<br />
regelrechteAnti-Fluorchinolon-Kampagnen,<br />
in denen<br />
sie die potenziellen Nebenwirkungen<br />
der Substanzen anprangerten.<br />
Das führte letztlich dazu, dass 2016<br />
zuerst die FDAund 2018 dann auch<br />
Fluorchinolon-assoziierte<br />
Bindegewebsschwäche betrifft<br />
auch die Gefäße<br />
die EMA reagierten und entsprechende<br />
Warnungen veröffentlichten.<br />
In derempirischen Therapie<br />
«weitgehend verbrannt»<br />
Das zweite Problem mit den Substanzen<br />
ist die zunehmendeZahlan<br />
Resistenzen. Über fast vier Jahrzehnte<br />
hinweg haben es die Fluorchinolone<br />
geschafft, kaum Resistenzen zu<br />
generieren, sagte Prof. Lübbert.Ab<br />
den frühen 2000er-Jahren änderte<br />
sichdies. Im Jahr 2017 betrugendie<br />
Resistenzraten von Escherichia coli<br />
am Universitätsklinikum Leipzig<br />
23 %für Ciprofloxacin, 20 %für Levofloxacin<br />
und 26 %für Moxifloxacin.<br />
Diese Wertesprechendafür,dass<br />
die Chinolone inder empirischen<br />
Therapie weitgehend verbannt sind,<br />
so das Fazitdes Kollegen.<br />
Bislang gab esinder Gastroenterologie<br />
laut Prof. Lübbert vier<br />
Hauptindikationen für den Einsatz<br />
vonFluorchinolonen:<br />
• Behandlung der bakteriellen<br />
Gastroenteritis (Ciprofloxacin,<br />
Levofloxacin)<br />
• Behandlung desTyphusabdominalis/Paratyphus(Ciprofloxacin)<br />
• Helicobacter-pylori-Eradikation<br />
(Levofloxacin)<br />
• Prophylaxeder spontanen bakteriellenPeritonitis<br />
(Norfloxacin)<br />
Bei der bakteriellen Gastroenteritis<br />
lassensichCipro-bzw.Levofloxacin<br />
nach Ansicht des Referenten problemlos<br />
durchAzithromycin ersetzen.<br />
Eine gute Evidenzliegt allerdings nur<br />
für die Reisediarrhö vor.InStudien<br />
wurde zudem gezeigt, dass Rifaximin<br />
bzw.Rifamycin beiReisediarrhögenauso<br />
gutwirkenwie Ciprofloxacin.<br />
Helicobacter-Eradikation<br />
geht auch ohne Levofloxacin<br />
In der Therapie des Typhus abdominalis<br />
bzw.des Paratyphus haben<br />
Cephalosporine der dritten Generation<br />
die Nase vorne. Diese sind laut<br />
Prof.Lübbert sehrvielbesser als die<br />
Chinolone. Das zeigteu.a. eine randomisiert-kontrollierte<br />
Studie aus<br />
Nepal, in der auch die Autoren zu<br />
dem Schluss kamen, dass Fluorchinolone<br />
zur Typhusbehandlung nicht<br />
mehr eingesetzt werden sollten.Das<br />
Makrolid-Antibiotikum Azithromycinist<br />
beiden invasivenDarminfektionen<br />
nur zweiteWahl.<br />
Auch bei der Helicobacter-pylori-<br />
Infektion kann man auf Chinolone<br />
inzwischen verzichten,erklärte der<br />
Kollege. Denn die Bismut-Quadrupeltherapie<br />
mit Tetracyclin war in<br />
Studien der Levofloxacin-basierten<br />
Behandlung deutlichüberlegen.<br />
In der Sekundärprophylaxe der<br />
spontanen bakteriellen Peritonitis<br />
ist Norfloxacin zwar noch nicht<br />
ganz vom Tisch.Allerdings wird es<br />
auch bei dieser Indikation für die<br />
Chinolone schwieriger, ihren Stellenwert<br />
zubehalten, betonte Prof.<br />
Lübbert.Metaanalysen zeigen,dass<br />
es zwischen der prophylaktischen<br />
Behandlung mit Rifaximin und der<br />
mit Norfloxacin keine wesentlichen<br />
Unterschiede gibt.Und so wird Rifaximin<br />
in der Leitlinie bereits als AlternativezuNorfloxacin<br />
gehandelt.<br />
Übrigens: Zwar eignet sich Ciprofloxacin<br />
prinzipiell auch zur<br />
Behandlung einerCholangitis. Aber<br />
diese könne man ähnlich gut mit<br />
Drittgenerationscephalosporinenin<br />
Verbindung mit anaerob wirksamen<br />
Antiinfektiva behandeln, stellte der<br />
Kollege klar.„Da brauchen wir das<br />
Cipro nicht zwingend.“<br />
In einigenJahren könnte<br />
alles andersaussehen<br />
Mankann sich fragen,obdie Gyrasehemmerüberhauptnocheine<br />
Berechtigung<br />
in der Gastroenterologiehaben.<br />
„Absolut“, betonte Prof.Lübbert –und<br />
zwarals Reservemedikamente.Wenn<br />
man es schaffe, bestimmteSubstanzgruppen<br />
über längere Zeit zurückzudrängen,dann<br />
würdendiese hinsichtlichihres<br />
Resistenzprofils wieder<br />
besser. Diese Strategiefunktioniere in<br />
der Regelgut.Wennman sichindrei,<br />
vier, fünf Jahren die Resistenzdaten<br />
anschaue,„dann werden dieChinolone<br />
wieder besser –dann sind sie<br />
eine wertvolle Reservesubstanz“, so<br />
Prof.Lübbert.Daher seiendie aktuellenVeränderungen<br />
aus seinerSicht<br />
als eineBereicherungdes klinischen<br />
Alltagszusehen. Kathrin Strobel<br />
DGVS Digital (Deutsche Gesellschaft für<br />
Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten)<br />
Test könnte einenGroßteilder Spiegelungen überflüssig machen<br />
FIT statt Koloskopie<br />
CROYDON –Bislang kommt der<br />
immunologische Test auf okkultes<br />
Blut im Stuhl vor allem für das<br />
Darmkrebsscreening zum Einsatz.<br />
Doch sogar bei Patienten, bei<br />
denen der klinische Verdacht auf<br />
eine maligne Erkrankung besteht,<br />
könnte der FIT die Koloskopie oftmals<br />
ersetzen. Denn mit ihm lassen<br />
sich Tumoren ähnlich sicher ausschließen.<br />
Die Darmspiegelung gilt derzeit<br />
als das verlässlichsteVerfahren,um<br />
ein Kolonkarzinom zusichern oder<br />
auszuschließen. Erfahrungsgemäß<br />
haben die meisten der untersuchten<br />
Patienten keinen Darmkrebs –<br />
bei ihnen wäre die Untersuchung<br />
also gar nicht nötig. Ein einfacher<br />
immunologischer Stuhltest (faecal<br />
immunochemical test, FIT) könnte<br />
Abhilfeschaffen.<br />
Mit dem FIT wird die Globinkomponente<br />
von Hämoglobin gemessen,<br />
woraus sich der Blutgehalt<br />
im Stuhl errechnen lässt. Dr.Nigel<br />
D’Souza von der KolorektalchirurgieamUniversityHospital<br />
Croydon<br />
und seine Kollegen haben untersucht,<br />
wie sich der Test bei symptomatischen<br />
Patienten schlägt, denen<br />
eine Koloskopie dringend empfohlenwurde.<br />
Die Forscher schlossen die Daten<br />
von mehr als 9.800 Patienten<br />
in ihre Analyse ein. Bei allen hatte<br />
der jeweilige behandelnde Hausarzt<br />
aufgrund ihrer Beschwerden den<br />
Verdacht auf ein Kolonkarzinom<br />
geäußert und sie zur Koloskopie<br />
überwiesen. Vorher hatten sie einen<br />
FIT durchgeführt.<br />
Bei etwa 97%der Teilnehmer<br />
konnteman mittelsKoloskopie keinen<br />
Tumor nachweisen. Mit dem<br />
FIT ließ sich ein Karzinom ähnlich<br />
sicher wie mit der Spiegelung ausschließen<br />
–zumindest dann, wenn<br />
die Untersucher 2µgHämoglobin<br />
proGramm Stuhl als Schwellenwert<br />
festlegten (Sensitivität 97 %, negativerVorhersagewert99,8<br />
%).<br />
NurPatienten mit positivem<br />
FITder Koloskopie zuführen<br />
DerStuhltest wird das Vorgehen bei<br />
Verdacht auf ein Kolonkarzinom<br />
revolutionieren, schreibt Dr. Muti<br />
Abulafi,Seniorautor der Studie,in<br />
Tumoren lassen sich<br />
ähnlich sicher ausschließen<br />
wie mit<br />
der Darmspiegelung.<br />
Foto: iStock/PhonlamaiPhoto<br />
einer Pressemitteilung. Nicht nur<br />
würde bei einem Großteil der Patienten<br />
eine Koloskopie überflüssig.<br />
Umgekehrtkönnten Kranke, beidenen<br />
der FIT positiv ausfällt, durch<br />
die geringere Nachfrage schneller<br />
Untersuchungstermine für die weitere<br />
Abklärung erhalten. ER<br />
1. D’Souza Netal. Gut 2020;<br />
doi: 10.1136/gutjnl-2020-321956<br />
2. Pressemitteilung –The Royal Marsden<br />
NHL Foundation Trust
· 53. Jahrgang · Nr. 6 · 31. März <strong>2021</strong> Gastroenterologie SPECIAL<br />
11<br />
Postprandiale Beschwerden aufgrund einer mesenterialen Ischämie<br />
Schmerz als Digestif<br />
HAMBURG –Stenosen in den Viszeralarterien<br />
können zu einer chronischen<br />
mesenterialen Ischämie<br />
führen. Fast immer ist die A. mesenterica<br />
superior betroffen. An<br />
das Krankheitsbild sollte man<br />
denken, wenn Patienten über<br />
postprandiale Schmerzen klagen<br />
und andere Ursachen für die Beschwerden<br />
ausgeschlossen werden<br />
können.<br />
Eine chronische mesenteriale Ischämie<br />
wird meist erst spät erkannt.<br />
Das liegt vor allem daran, dass die<br />
symptomatische Erkrankung relativ<br />
selten ist. In einer niederländischen<br />
Studie fand man eine Prävalenz von<br />
0,03 %. Dem steht gegenüber,dass<br />
man in Obduktionen bei 70 %der<br />
über 80-Jährigen stenosierteViszeralgefäße<br />
findet.<br />
Mitunter kommteszu<br />
deutlichemGewichtsverlust<br />
Treten aber Beschwerden auf, so<br />
klagen die meisten der Betroffenen<br />
über postprandiale Schmerzen,die<br />
zwischen 30 Minuten und zwei<br />
Stunden anhalten.Umdiese zuvermeiden,nehmen<br />
die Patienten eher<br />
mehrere kleine Mahlzeiten pro Tag<br />
ein und verzichten auf Fett. Nicht<br />
selten verlieren sie dadurch (deutlich)<br />
an Gewicht. Außerdem können<br />
Durchfall, Obstipation, Gastroparese<br />
und ischämischeGastritisauftreten.<br />
Bei Patienten mit unklaren<br />
Bauchbeschwerden sollten zunächst<br />
häufigere Ursachen durch<br />
gastroenterologische und endoskopische<br />
Abklärung ausgeschlossen<br />
werden,schreibt Prof.Dr. Axel<br />
Larena-Avellaneda,Asklepios Klinik<br />
Altona, Hamburg,ineinem aktuellenÜbersichtsartikel.<br />
Als Hinweis auf die viszerale<br />
Stenose kann bei der Auskultation<br />
ein systolisches Geräusch zuhören<br />
sein. In der Diagnostik besitzt die<br />
farbkodierte Duplexdopplersonographie<br />
eine hohe Sensitivität und<br />
Spezifität. Beieiner hämodynamisch<br />
relevanten >50%igen Stenose am<br />
Truncus coeliacus liegt die systolische<br />
Spitzengeschwindigkeit über<br />
220–250 cm/s –gemessen inAtemmittellage.<br />
Beieiner >50%igen Stenose<br />
der A.mesenterica superior<br />
werden systolischeSpitzengeschwindigkeiten<br />
von>280 cm/s gemessen.<br />
Zur Therapieplanung kommt<br />
heutzutageergänzend die CT-Angiographie<br />
zum Einsatz. Die anatomischenVerhältnisse<br />
lassensichmittels<br />
3D-Rekonstruktion sehr detailliert<br />
darstellen. Sensitivität und Spezifität<br />
der CT-Angiographiebetragen96%<br />
bzw.94%.Dieses Verfahren bietet<br />
eine bessere Bildqualität als der Ultraschalloder<br />
die MR-Angiographie<br />
und stimmt in der Einschätzung<br />
des Stenosegrads ambesten mit der<br />
intraarteriellen digitalen Subtraktionsangiographie<br />
(DSA) überein.<br />
Außerdem machtdie CT-Angiographie<br />
auchVerkalkungen im Bereich<br />
von Anschlussgefäßen sichtbar. In<br />
seiner Klinik wird vor jedem Eingriff<br />
an den Viszeralgefäßen eine<br />
CT-Angiographie durchgeführt,<br />
merkt Prof. Larena-Avellaneda an.<br />
Mittels intraarterieller DSA kann<br />
der Druckgradient ander Stenose<br />
ermittelt werden. Ein Unterschied<br />
von über 10mmHg markiert eine<br />
relevanteVerengung.<br />
Häufig findet sich die<br />
Ursache für die Ischämie<br />
in der A. mesenterica<br />
superior.Bei diesem<br />
Patienten ist der Truncus<br />
coeliacus stenosiert.<br />
Foto: sonographiebilder.de/<br />
Albertinen-KH Hamburg<br />
Passen die Beschwerden des Patienten<br />
und die Bildgebung zusammen,<br />
sollte eine Revaskularisierung erfolgen.Dafür<br />
besteht eine Klasse-I-<br />
Empfehlung,wenn mehrere Gefäße<br />
betroffen sind –was bei fast allen<br />
symptomatischen Patienten der<br />
Fall ist. Bei asymptomatischenVerschlussprozessen<br />
isteineRevaskularisierung<br />
in der Regelnicht indiziert.<br />
OffeneOperationen bringen bessere<br />
Langzeitergebnisse, d.h. weniger<br />
Restenosen, als endovaskuläre Therapieverfahren.<br />
Dennoch werden<br />
Letztere heute wegen ihrer im Vergleich<br />
zum offenen Eingriff geringeren<br />
Morbidität und Mortalität in<br />
den meisten Fällen bevorzugt. Und<br />
für den Fall,dass Restenosenauftreten,<br />
könnendiese problemloserneut<br />
minimalinvasivbehandeltwerden.<br />
DieendovaskuläreTherapie wird je<br />
nach Lage und Morphologie desVerschlusses<br />
über einentransfemoralen<br />
oder den komplikationsträchtigeren<br />
transbrachialen Zugang durchgeführt.<br />
Zu den offenen Techniken gehören<br />
Thrombektomie/Thrombendarteriektomie,<br />
Transpositionvon Arterien<br />
und verschiedeneBypassverfahren.<br />
Rekonstruktionder oberen<br />
Mesenterialarterie<br />
Zielgefäß der endovaskulärenTherapie<br />
ist fast immerdie Arteriamesenterica<br />
superior. Deren Behandlung<br />
bringt meist einen ausreichenden<br />
Effekt, auch wenn weitere Stenosen<br />
bestehen. Viele Gefäßchirurgen bevorzugen<br />
es jedoch,mehrere Gefäße<br />
zu rekonstruieren, auchwennesdafür<br />
keine klinische Evidenzgibt. Auch für<br />
dieoffeneOperation ist die obereMesenterialarteriedas<br />
Hauptzielgefäß.<br />
Unabhängig von der Art der OP<br />
muss der Patient anschließend lebenslang<br />
Thrombozytenaggregationshemmer<br />
erhalten. Nach endovaskulärer<br />
Therapie ist eine duale<br />
Plättchenblockade über drei biszwölf<br />
Monatenötig.<br />
Dr.Angelika Bischoff<br />
Larena-Avellaneda A. internistische praxis<br />
<strong>2021</strong>; 63: 283–295<br />
Seractil ®<br />
Zur symptomatischen Behandlung<br />
von degenerativen Gelenkserkrankungen,<br />
rheumatoider Arthritis sowie unspezifischem<br />
Rückenschmerz.<br />
GPB.GEB 210101<br />
Durotiv ®<br />
Esomeprazol weist eine signifikant<br />
wirksame Prävention gegen Magengeschwüre<br />
bei NSAR-Langzeittherapie (> 6Monate) auf. *<br />
Zwei aus<br />
gutem Haus.<br />
*Scheiman J.M. et al.,<br />
Am JGastroenterol 20<strong>06</strong>; 101:701-710<br />
Fachkurzinformationen auf Seite 14
12 SPECIAL Gastroenterologie<br />
· 53. Jahrgang · Nr. 6 · 31. März <strong>2021</strong><br />
Stau im Ösophagus,Rückfluss in die falsche Richtung<br />
Geänderte Straßenführung<br />
SAN DIEGO –Dysphagie,Sodbrennen,<br />
Regurgitation und Brustschmerzen:<br />
Diese Symptome können<br />
sowohl auf eine aberrierende<br />
Ösophagusmotilität als auch aufdie<br />
gastroösophageale Refluxkrankheit<br />
hinweisen. Pathogenetisch<br />
und in der Therapie gibt es einige<br />
Unterschiede.<br />
Bei Patienten mit<br />
Sklerodermie werden<br />
die Muskelzellen in<br />
der Speiseröhre durch<br />
Bindegewebe ersetzt.<br />
Foto: Science Photo Library/CNRI<br />
Im Mittelpunkt aller primären Motilitätsstörungen<br />
des Ösophagus<br />
stehen Probleme am gastroösophagealen<br />
Übergang,schreiben Dr.Ravinder<br />
Mittal vom Department of<br />
Medicine der University ofCalifornia<br />
in San Diego und Kollegen.Der<br />
Übergang setzt sich aus einer zirkulären<br />
Schicht glatter Muskulatur,<br />
dem unteren Ösophagusphinkter<br />
und darüber gelegenen Zwerchfellanteilen<br />
mit quergestreifter Muskulatur<br />
zusammen. Den Sphinkter<br />
versorgen Nerven aus dem Vagus,<br />
Spinalnerven sowie Neuronen des<br />
Plexus myentericus, die zusammen<br />
den Myotonus regulieren. Zum<br />
Zwerchfellanteil führen phrenische<br />
Nerven, erdient dazu, den Druck<br />
auf die gastroösophageale Verbindung<br />
in bestimmten Situationen<br />
(Inspiration, Husten,Niesen, Beugen<br />
des Oberkörpers) von außen<br />
zu erhöhen und sie dann sicherer<br />
abzuschließen.<br />
Systemische Erkrankungen<br />
alsUrsachen fürden Reflux<br />
Jeder Schluckakt löst eine Relaxation<br />
des oberen und des unteren Ösophagus-Sphinkters<br />
aus sowie eine<br />
Peristaltikwelle, die auf synchronen<br />
Kontraktionen und Relaxationen<br />
der zirkulären und longitudinalen<br />
Muskulatur beruht. Unterstützung<br />
erhält die Peristaltik durch die seitliche<br />
Dehnung der Wand, die der<br />
Speisebolus induziert. Die axiale<br />
Verkürzung über die Längskontraktionen<br />
triggert die vollständige<br />
Relaxation des<br />
unteren Sphinkters.<br />
Störungen der Ösophagus-Motilität<br />
könnenauchsekundär<br />
im<br />
Rahmen systemischer<br />
Erkrankungen auftreten.<br />
Beispielsweise ist<br />
bei 70%der Patienten<br />
mit Sklerodermie die Speiseröhre<br />
beteiligt. Muskulatur<br />
wird durch Bindegewebe ersetzt,<br />
sodass die Peristaltik leidet und der<br />
Druck imunteren Sphinkter abnimmt.<br />
DiePatienten könnenunter<br />
starkemReflux leiden und Strikturenausbilden.<br />
Häufiger sind jedoch primäre<br />
Motilitätsstörungen, die durch<br />
eine Degeneration inhibitorischer<br />
Motoneurone imPlexus myentericus<br />
entstehen. Mittels hochauflösender<br />
Manometrie lassen sich<br />
typische Veränderungen feststellen,<br />
z.B. Schwankungen in der Stärke<br />
bzw.eine verkürzte Latenz distaler<br />
Kontraktionen oder eine gestörte<br />
Relaxationdes unteren Sphinkters.<br />
Bei der Achalasie fehlt die Peristaltik<br />
weitgehend, der Ösophagus<br />
wird unvollständig entleert.<br />
Als Symptome stehen Dysphagie<br />
und Gewichtsverlust im Vordergrund,<br />
Patienten mit distalen Ösophagus-Spasmen<br />
und Hyperkontraktilität<br />
klagen vor allem über<br />
Brustschmerzen.<br />
Die Therapie zielt darauf ab,das<br />
Hindernis des unteren Sphinkters<br />
medikamentös oder chirurgisch<br />
überwindbar zu machen,z.B.durch<br />
endoskopische Injektionvon Botulinumtoxin,<br />
pneumatische Dilatation<br />
oder endoskopische bzw.chirurgische<br />
Myotomie. Bei der Achalasie<br />
gelingt das meist besser als bei den<br />
anderen Motilitätsstörungen.Generell<br />
sprechen Schmerzen schlechter<br />
auf die Interventionen an als andere<br />
Symptome.<br />
An der GERD sind oft<br />
mehrereFaktoren beteiligt<br />
Vorallem die Injektion von Botulinumtoxin<br />
und die perorale endoskopische<br />
Myotomie erhöhen das<br />
Reflux-Risiko. AlsTherapie der Wahl<br />
für die Achalasie gilt daherdie laparoskopische<br />
Myotomie kombiniert<br />
mit einer partiellenFundoplikatio.<br />
Bei der gastroösophagealen Refluxkrankheit(GERD)<br />
liegt eine inkompetente<br />
Antireflux-Barrierevor,<br />
an der mehrere Faktoren beteiligt<br />
sein können: niedriger Tonus, vorübergehendeRelaxationendes<br />
unteren<br />
Ösophagus-Sphinkters und<br />
Achalasie führt<br />
zu Dysphagie und<br />
Gewichtsverlust<br />
eine Hiatushernie. Sie separiert<br />
den Zwerchfellanteil des unteren<br />
Sphinkters vom glattmuskulären<br />
Anteil und behindert damit die<br />
Schlussfunktion. Kommt noch<br />
eine gestörte Peristaltik hinzu,<br />
kann das Refluxat nicht effektiv<br />
inden Magen zurückbefördert<br />
werden und damit der<br />
Schleimhaut länger zusetzen,<br />
sodass sich eine Entzündung<br />
entwickelt.<br />
Adipositas erhöht den<br />
Druck aufden Magen<br />
So kann es aussehen,<br />
wenn ständig<br />
Magensäure in den<br />
Ösophagus gelangt.<br />
Foto: Science Photo<br />
Library/CNRI<br />
Vonden Allgemeinmaßnahmen<br />
hilft GERD-Patienten vor allem<br />
Gewichtsreduktion. Denn eine<br />
Adipositas erhöht den Druck<br />
auf den Magenund es kommt<br />
zu mehr Relaxationendes<br />
Sphinkters.<br />
Im Fokus der medikamentösen<br />
Therapie steht die Säuresuppression,<br />
die den Mageninhalt<br />
weniger aggressiv für die<br />
Schleimhautder Speiseröhre<br />
macht.Spricht<br />
einPatient auf eine<br />
adäquate Säuresuppression<br />
mit<br />
einem Protonenpumpenhemmer<br />
über sechs Wochen<br />
überhaupt nicht an,<br />
sollte man überprüfen,<br />
ob nicht eine andere Erkrankung<br />
vorliegt. Ösophagus-<br />
Manometrie, Endoskopie<br />
oder Impedanz-pH-Metrie<br />
sowieMagenentleerungstests<br />
könnenzur weiteren Klärung<br />
beitragen.<br />
Bei Alarmsymptomen wie Dysphagie,<br />
Gewichtsverlust oder Anämie<br />
ist eine gastroösophageale<br />
Endoskopie indiziert, umBarrett-<br />
Ösophagus, Strikturen oder Krebs<br />
auszuschließen.<br />
Bei Patienten mit bestätigter<br />
GERD ohne relevante gastroösophageale<br />
Motilitätsstörungen kann<br />
eine Fundoplikatio in Betracht gezogen<br />
werden,z.B.wenn refraktäre<br />
Symptome wie eine Regurgitation<br />
vorliegen. Sie kommt auch infrage,<br />
wenn eine moderate bis schwere<br />
GERD mit Aspirationen, Asthma,<br />
rezidivierenden Pneumonien oder<br />
einer Lungentransplantation assoziiert<br />
ist. Dr.Angelika Bischoff<br />
Mittal Retal. NEngl JMed 2020; 383:<br />
1961–1972; doi: 10.1056/NEJMra2000328<br />
Mit LebensstilmodifikationenRefluxrisikosenken<br />
GERD mag Kaffee und Zigaretten<br />
Boston –Wer an gastroösophagealemReflux<br />
(GERD) leidet,kennt die<br />
Tipps: mit dem Rauchen aufhören,<br />
Gewicht reduzieren, sichregelmäßig<br />
bewegen. Bislang gab es keine prospektiven<br />
Daten, um diese und ähnlicheEmpfehlungen<br />
für einengesünderen<br />
Lebensstil zu untermauern.<br />
Ein Team von Epidemiologen um<br />
Dr.Raaj Mehta vom Massachusetts<br />
General Hospital und der Harvard<br />
<strong>Medical</strong> School in Boston hat diese<br />
nungeliefert.<br />
In den Jahren 2005, 2009, 2013<br />
und 2017 befragten sie die Teilnehmerinnender<br />
Nurses’Health StudyII<br />
zum ThemaSodbrennenund Reflux.<br />
Für ihreAnalyseschlossen sie alljene<br />
Befragten aus,die über mindestens<br />
wöchentliche Beschwerden klagten,<br />
an Krebs erkrankt waren, regelmäßig<br />
PPI oder H2-Rezeptorantagonisten<br />
einnahmen oder für die keine ausreichenden<br />
Informationen zur Ernährungsweise<br />
vorlagen. Letztlich<br />
gingen dieDaten von42.955Frauen<br />
zwischen 42und 62 Jahren in die<br />
Auswertungein.<br />
Im Vorfeld definierten die Forscher<br />
einen Score anhand von fünf<br />
Antireflux-Lebensstilfaktoren:<br />
• Normalgewicht<br />
• Status Nieraucher<br />
5Lebensstil-Faktoren<br />
reduzierten zusammen das<br />
GERD-Risikoum50%<br />
• tägliche körperliche Aktivität<br />
über mindestens 30Minuten<br />
• Konsum vonmaximal zwei Tassen<br />
Kaffee,Tee oder Limonadetäglich<br />
• bewussteErnährung mit viel Gemüse,<br />
Obst, Vollkornprodukten,<br />
wenig Fleischetc.<br />
Währendder Nachbeobachtungszeit<br />
von 392.215 Personenjahren traten<br />
9.291 Fälle von GERD auf. Weralle<br />
fünf Antireflux-Lebensstilfaktoren<br />
in sich vereinte, hatte ein um die<br />
Hälfte reduziertes Risiko, an GERD<br />
zu erkranken.Knapp 40%der Fälle<br />
könnten durch das Erfüllen aller<br />
fünf Kriterien verhindert werden,<br />
schreibendie Autoren. kas<br />
Mehta RS et al. JAMA Intern Med <strong>2021</strong>;<br />
doi: 10.1001/jamainternmed.2020.7238
· 53. Jahrgang · Nr. 6 · 31. März <strong>2021</strong> Gastroenterologie SPECIAL<br />
13<br />
Acht Gründe für eine professionelle Ernährungsberatung<br />
Richtig essen bei Crohn und Colitis<br />
WIEN –Die Ernährung beeinflusst<br />
die intestinale Schleimhaut und<br />
dasMikrobiom. Mitdem richtigen<br />
Speiseplan können CED-Patienten<br />
ihre Symptome lindern und das<br />
Komplikationsrisiko senken.<br />
Weraneiner chronisch-entzündlichen<br />
Darmerkrankung (CED)<br />
leidet,sollte nicht nur vom Gastroenterologen<br />
betreut werden. Lihi<br />
Godny von der Division ofGastroenterology<br />
am Rabin <strong>Medical</strong> Center<br />
in Petah-Tikva, Israel,nannte acht<br />
Gründe, warum es sichlohnt,einen<br />
Ernährungsberater mit ins Boot zu<br />
holen:<br />
Das Interesse vonCED-Patienten<br />
anErnährungsfragen ist<br />
1.<br />
besonders hoch.InUmfragen wünschen<br />
sich 65%deutlich mehr Informationenzudem<br />
Thema.<br />
Die Ernährung beeinflusst über<br />
2. verschiedene Mechanismen die<br />
entzündlichen Vorgänge bei CED<br />
direkt oder indirekt über das Mikrobiom.Sowirkt<br />
sichz.B.einefett- und<br />
zuckerreiche sowie eine ballaststoffarme<br />
Ernährung eher ungünstig auf<br />
die Schleimhautund die Becherzellen<br />
aus. Emulgatoren,Carragen, Gluten,<br />
fettreiche Lebensmittel und Alkohol<br />
erhöhen die Darmpermeabilität. Zu<br />
einerDysbiose könneneine fett- und<br />
zuckerreiche Ernährung, Gluten,<br />
Emulgatoren,Taurine und ein geringerBallaststoffgehalt<br />
beitragen.<br />
Über die Ernährung lässt sich<br />
3. die Therapie eines akuten M.<br />
Crohn günstig beeinflussen. BeiKindernund<br />
JugendlichenwirdimakutenSchubeines<br />
M. Crohninden europäischenLeitlinien<br />
zur Induktion<br />
der Remission eine ausschließliche<br />
enterale Ernährung mit speziellen<br />
Formula-Diäten empfohlen. Auch<br />
bei Erwachsenen kann dies im akuten<br />
Schub sehr effektiv sein, sagte<br />
die Expertin. Für die Zukunft sind<br />
auch personalisierte, anverschiedene<br />
Krankheitsstadien angepasste<br />
Ernährungskonzeptedenkbar.<br />
Die richtige Ernährung kann<br />
4. zur Symptomkontrolle beitragen.<br />
Dies gilt für spezifische Beschwerden<br />
wieintestinale Stenosen,<br />
Fettmalabsorption oder Nierensteine,<br />
die besondere Anpassungen der<br />
Ernährung erfordern. Gut symptomatisch<br />
wirksam bei CED ist auch<br />
die Low-FODMAP*-Diät. Sie ist<br />
aber auf die Dauerschwerdurchzuhalten.<br />
Bei CED wurde für Unter-,<br />
5. Mangel- oder Überernährung<br />
gezeigt, dass Komplikationen zunehmen,<br />
die Mortalität steigt und<br />
die Lebensqualität abnimmt. Diesen<br />
Risiken kann man durch eine<br />
frühzeitige Ernährungsberatung<br />
vorbeugen.<br />
Eine perioperativeErnährungstherapie<br />
gewährleistet,dass der<br />
6.<br />
Patientmit optimalenVoraussetzungenzur<br />
Operationkommt. Postoperativ<br />
sollte die Therapie fortgesetzt<br />
werden,umdie Rekonvaleszenzzeit<br />
zu verkürzen und das Komplikationsrisiko<br />
zureduzieren.<br />
Mit einer gesunden Ernährung<br />
lässt sich–z.B.infamiliär<br />
7.<br />
vorbelasteten Familien –das CED-<br />
Risikosenken. Empfohlenwirdeine<br />
Spezielle Formula-Diät kann<br />
akuten Schub lindern<br />
mediterrane Kost mit einem hohen<br />
Anteil an Obst, Gemüse und Lebensmitteln,<br />
die reich anOmega-3- und<br />
Omega-6-Fettsäuren sind.<br />
Nichtzuletzt kann eine Ernährungsberatung<br />
den Patienten<br />
8.<br />
die Freude amEssen zurückgeben<br />
und damit deren Lebensqualität erhöhen,<br />
erklärte Godny.<br />
Viele Patienten haben die Erfahrung<br />
gemacht, dassEssenihreSymptome<br />
verschlimmern kann, sodass<br />
die Nahrungsaufnahme häufig<br />
angstbesetzt ist. In speziellen<br />
Koch-Workshops lernen Betroffene,<br />
was sie gefahrlos<br />
essenkönnen. MW<br />
UEG Week Virtual 2020<br />
(United European Gastroenterology)<br />
*Die Abkürzung FODMAP<br />
steht für: Fermentierbare<br />
Oligosaccharide, Disaccharide,<br />
Monosaccharide und<br />
Polyole<br />
Achten Sie auf Schmerzen<br />
im linken Unterbauch?<br />
Jeder fünftePatient mit einer<br />
Divertikel-Erkrankung weist<br />
Symptome einer Entzündung auf.<br />
C<br />
oli<br />
di<br />
min ®<br />
Rifaximin<br />
Ihr [lokales] Darm-Antibiotikum<br />
Dosierung bei unkomplizierter Divertikelerkrankung:<br />
Colidimin 400 mg /2x1/7–10 Tage pro Zyklus<br />
1Pistoia M.A. et al. (2004), Eur Rev Med Pharmacol Sci; 8,283–287<br />
1<br />
Fachkurzinformationen auf Seite 14<br />
GPB.COL 190101
14 · 53. Jahrgang · Nr. 6 · 31. März <strong>2021</strong><br />
Enalapril 1A Pharma5mg–Tabletten, Enalapril1APharma10mg–Tabletten,Enalapril 1A Pharma 20 mg -Tabletten.Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Enalapril 1A Pharma 5mg–Tabletten: 1Tablette enthält 5mgEnalaprilmaleat. Sonstige Bestandteile:1Tablette enthält 129,8 mg Lactose-Monohydratund Spuren an Natrium (als Natriumhydrogencarbonat). Enalapril 1A Pharma<br />
10 mg –Tabletten: 1Tablette enthält 10 mg Enalaprilmaleat.Sonstige Bestandteile: 1Tablette enthält 124,6 mg Lactose-Monohydrat und Spuren anNatrium (als Natriumhydrogencarbonat). Enalapril 1A Pharma 20mg–Tabletten: 1Tablette enthält 20 mg Enalaprilmaleat. Sonstige Bestandteile: 1Tablette enthält 117,8 mg Lactose-Monohydrat und Spuren an Natrium (als Natriumhydrogencarbonat).<br />
Wirkstoffgruppe: Pharmakotherapeutische Gruppe: ACE –Hemmer,rein. ATC-Code: C09AA02. Anwendungsgebiete: Behandlung der Hypertonie. Behandlungder symptomatischen Herzinsuffizienz. Prävention der symptomatischen Herzinsuffizienzbei Patienten mit asymptomatischer linksventrikulärer Dysfunktion (linksventrikuläre Ejektionsfraktion [LVEF] ≤35%). Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit<br />
gegen den Wirkstoff,einen der genannten sonstigen Bestandteile dieses Arzneimittelsoder einenanderen ACE-Hemmer; Anamnestisch bekanntes angioneurotisches Ödem, ausgelöst durch eine vorangegangene Therapie mit einemACE-Hemmer; Hereditäres oder idiopathisches Angioödem;zweites und drittes Trimemenon der Schwangerschaft; Die gleichzeitigeAnwendung von Enalapril 1A Pharma mit<br />
Aliskiren-haltigen Arzneimitteln ist bei Patienten mit Diabetes mellitus oder eingeschränkter Nierenfunktion (GFR
· 53. Jahrgang · Nr. 6 · 31. März <strong>2021</strong> Gastroenterologie SPECIAL<br />
15<br />
Schwierige Differenzialdiagnose bei chronischer Diarrhö<br />
Montezuma bleibt hartnäckig<br />
FREIBURG –Hält der Durchfall beim<br />
Patienten mehr als vier Wochen an,<br />
kommt eine Vielzahl von Ursachen<br />
in Betracht. Ist es Morbus Crohn,<br />
Darmkrebs oder ein hartnäckiger<br />
Endoparasit? Anamnese, Blut-,<br />
Stuhl- und Atemtests helfen, die<br />
richtige Richtung zu finden.<br />
Chronische Durchfallerkrankungen<br />
unterteilt man in osmotische und<br />
sekretorische Diarrhöen. Letztere<br />
unterscheiden sich je nachdem, ob<br />
es eine inflammatorische Komponente<br />
gibt oder nicht. Auch Medikamente<br />
sind gar nicht selten<br />
für Diarrhöen verantwortlich, vor<br />
allem klassische Zytostatika, aber<br />
auch so„harmlose“, teils frei verkäufliche<br />
Substanzen wie nichtsteroidale<br />
Antiphlogistika.<br />
Seit Checkpoint-Inhibitoren in<br />
die Onkologie eingeführt wurden,<br />
müssenSie außerdem an eineAutoimmunenteritis<br />
denken.Eine sorgfältige<br />
Medikamentenanamnese bringt<br />
in diesen Fällen Klarheit,schreiben<br />
Dr.CarmenMonasterio vonder Klinikfür<br />
Innere Medizin II am Universitätsklinikum<br />
Freiburg und Kollegen.<br />
Sekretorische entzündliche<br />
Diarrhöen<br />
Als „red flags“ für sekretorische<br />
entzündliche Diarrhöen gelten<br />
Blut im Stuhl, unbeabsichtigter Gewichtsverlust<br />
und/oder Fieber.Hier<br />
braucht es eine ausführliche Diagnostik,<br />
einschließlichausführlicher<br />
Labors und Endoskopie. Eine der<br />
häufigsten Ursachen sind chronisch<br />
entzündliche Darmerkrankungen<br />
(CED) wie M.Crohn und Colitis<br />
ulcerosa, bei denen (blutige)<br />
Durchfälle, Gewichtsverlust und<br />
Bauchschmerz als Leitsymptome<br />
auftreten.<br />
Bei jedem Schub nach<br />
C. difficile fahnden<br />
Zudem entwickelt etwa jeder zweite<br />
CED-Patient Symptome außerhalb<br />
des Darms, z.B. an der Haut,<br />
den Augen oder den Gelenken.Die<br />
Diagnose lässt sich endoskopisch<br />
sichern. Bei dem ersten und jedem<br />
folgenden Schub muss mittels<br />
Stuhlkultur eine bakterielle Superinfektion<br />
(Clostridioides difficile)<br />
ausgeschlossen werden. Optimalerweise<br />
überweist man Patienten<br />
bei Verdacht auf eine chronischentzündliche<br />
Darmerkrankung an<br />
einen erfahrenen Gastroenterologen<br />
oder an ein entsprechendes<br />
Zentrum.<br />
Eine CED-Attacke wird systemisch<br />
und lokal mit 5-Aminosalicylaten<br />
bzw. Kortikosteroiden<br />
behandelt. Wirken Letztere nicht,<br />
könnte eine Zytomegalievirus-<br />
Infektion hinter den Beschwerden<br />
stecken. Ansonsten eignen sich bei<br />
steroidrefraktärer CED unter anderem<br />
Biologika (TNF-Hemmer oder<br />
Interleukin-12/23-Antikörper), JAK-<br />
Inhibitoren, Tacrolimus oder Ciclosporin.<br />
In der Erhaltungstherapie<br />
kommen Thiopurine, Methotrexat<br />
oder verschiedene Biologika zum<br />
Einsatz – auf Kortikoide wird<br />
verzichtet.<br />
Minderperfusionsbedingte<br />
Kolitis auch bei Läufern<br />
Nicht immer ist die Pandemie schuld, wenn Klopapier gehamstert wird. Foto: iStock/Lazy_Bear<br />
Lässt sich keine Erhöhung der Entzündungsmarker<br />
(Calprotektin<br />
und C-reaktives Protein) im Stuhl<br />
nachweisen, können wässrige sekretorische<br />
Durchfälle auf eine<br />
mikroskopische Kolitis hindeuten.<br />
Diese manifestiert sich mitunter als<br />
lymphozytäre oder kollagene Form<br />
und betrifft Frauen i.d.R. häufiger<br />
als Männer.<br />
Bei Patienten mit Gefäßerkrankungen<br />
kann aucheine ischämische<br />
Kolitis auftreten, egal ob durch okklusive<br />
oder nicht-okklusive Minderperfusion.<br />
Es folgen Entzündung,<br />
Bauchschmerz bzw. blutige<br />
Diarrhöen. Eine intestinale Minderperfusion<br />
liegt auch der „Runners<br />
Diarrhea“ zugrunde.<br />
Nicht zuvergessen sind chronische<br />
Infektionen,die mitunter auch<br />
für lang andauernden Durchfälle<br />
sorgen können. Daher sollten die<br />
Patienten unbedingt nach kürzlich<br />
stattgefundenen Reisen gefragt werden:<br />
Parasiten wie Giardia lamblia<br />
oder Entamoeben sind unwillkommene<br />
Mitbringsel. Aber auch ohne<br />
Touristik könnenViren und Bakterien<br />
für die Symptome verantwortlichsein,<br />
etwa beieinerHIV-Kolitis<br />
oder selten bei der Darmtuberkulose.<br />
Ein Morbus Whipple äußert<br />
sichebenfalls über gastrointestinale<br />
Beschwerden.<br />
Sekretorische nicht-entzündliche<br />
Diarrhöen<br />
Besteht bei Patienten mit bei sekretorischen<br />
nicht-entzündlichen<br />
Diarrhöen ein onkologischer Verdacht,<br />
ist eine Hormondiagnostik<br />
selten nötig. Als Ursache kommen<br />
eher große villöse Adenome als<br />
Präkanzerosen oder manifeste Kolonkarzinome<br />
in Betracht, weniger<br />
neuroendokrine Tumoren.<br />
Chologene Diarrhöen treten auf,<br />
wenn die Gallensäureimterminalen<br />
Ileum nicht ausreichend resorbiert<br />
wird und im Kolon Flüssigkeitssekretion<br />
und Motilität anregt. Meist<br />
geht diesen Durchfällen eine langstreckigeEntzündung<br />
oder Resektion<br />
des terminalen Ileums voraus –<br />
ggf. auch eine Cholezystektomie.<br />
Durchfälle,ein Reizthema<br />
Die Vermutung lässt sich über die<br />
empirische Behandlung mit einem<br />
Gallensäurebinder verifizieren –<br />
eine chologeneSymptomatik sistiert<br />
darunter quasi über Nacht.<br />
Osmotische Diarrhöen<br />
Osmotische Diarrhöen lassen sich<br />
relativ gut abgrenzen: Sie treten<br />
nahrungsabhängig auf, weil bestimmte<br />
Bestandteile im Darm<br />
nicht aufgenommen werden können.<br />
Nachts oder während einer<br />
Fastenperiode haben die Patienten<br />
keine Beschwerden. Daher hilft ein<br />
Ernährungstagebuch bei der Identifikation.<br />
Bei Zöliakie finden Sie im Blut<br />
IgA- bzw. IgG-Antikörper gegen<br />
Transglutaminase und Gliadin, die<br />
für die lymphozelluläreEntzündung<br />
verantwortlichsind. Diese sorgt bei<br />
vielen Patientenzusätzlich für einen<br />
Eisenmangel.Goldstandardzur Diagnosesicherung<br />
ist die Endoskopie.<br />
Etwas anders sieht die Situationbei<br />
der nicht-antikörpervermittelten<br />
Beim Reizdarm-Syndrom (RDS) kommen Umweltfaktoren, Dysbiose und Barrierestörung<br />
zusammen. Dieresultierende Entzündungbleibtzwarsubklinisch, störtaber dasautonome<br />
und viszerale Nervensystem. Als weitere Faktoren in diesem Setting gelten bakterielle<br />
Fehlbesiedelungen, die durch den Reizdarm begünstigt werden, sowie die mit dem RDS<br />
assoziierte verringerte Gallensäureresorption im terminalen Ileum. Bevor man ein RDS<br />
vom Diarrhö-Typ diagnistiziert, solltenDifferenzialdiagnosen eingehend abgeklärt werden.<br />
Weizensensitivität bzw. Glutenunverträglichkeit<br />
aus. In diesen<br />
Fällen scheinen Amylase-Tryptin-<br />
Inhibitoren der Auslöser zusein,<br />
die die Toll-like-Rezeptoren triggern.<br />
IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergien<br />
sind bei Erwachsenen<br />
verhältnismäßig selten und meist<br />
auf Kreuzallergienzurückzuführen,<br />
schreiben die Autoren.<br />
Störungen der Kohlenhydrataufnahme<br />
lassen sich z.B. mit<br />
H2-Laktose/Fruktose-Atemtests<br />
nachweisen. Eine Kohlenhydratmalabsorption<br />
ist allerdings nicht<br />
nur auf eine genetisch bedingte reduzierteLaktase-Expressionoder<br />
einennicht<br />
funktionsfähigenGLUT5-<br />
Transporter zurückzuführen.<br />
Sie kann auch imRahmen einer<br />
Zottenatrophie oder Dünndarmentzündung<br />
auftreten oder durch<br />
eine bakterielle Fehlbesiedelung<br />
ausgelöst werden –indiesem Fall<br />
kommt es durch die beschleunigte<br />
Darmpassage häufig zu falsch positivenH2-Atemtests.<br />
Im Allgemeinen<br />
hilft bei den osmotisch ausgelösten<br />
Diarrhöen nur der Verzicht auf das<br />
Nahrungsmittel oder zumindest eine<br />
Einschränkung, etwa bei Laktasemangel.<br />
Bei Fehlbesiedelungen erfolgt<br />
eine Antibiotikatherapie.<br />
Die exokrine Pankreasinsuffizienz<br />
äußert sich mit chronischen<br />
Durchfällen, Blähungen und Gewichtsverlust.<br />
In der Vorgeschichte<br />
finden sich meist rezidivierende<br />
Pankreatitiden und imLabor ist<br />
die Elastase im Stuhl erniedrigt,<br />
die oft genannte Steatorrhö tritt<br />
meist erst in späten Stadien auf.<br />
Ist die Diagnose über einen Funktionstest<br />
(Sekretin-Test) gesichert,<br />
erhält der Patient Pankreatin. Da<br />
die häufigen Entzündungen auch<br />
einen Risikofaktor für ein Pankreaskarzinom<br />
darstellen, sollten<br />
Sie das ausschließen, ebenso<br />
wie eine begleitende endokrine<br />
Pankreasinsuffizienz (Diabetes).<br />
Die Behandlung erfolgt mit<br />
Pankreatin-Präparaten.<br />
Dr.ElkeRuchalla<br />
Monasterio C, Hartl C, Hasselblatt P, Dtsch<br />
Med Wochenschr 2020; 145: 1325–1336;<br />
doi: 10.1055/a-0944-8523<br />
Antiretrovirale Therapie ohne Einfluss auf Condylombildung<br />
Viele HIV-Patienten mit Feigwarzen entwickeln ein Analkarzinom<br />
WASHINGTON,D.C.–Nahezu jeder<br />
sexuell aktive Erwachsene kommt<br />
im Lauf seines Lebens mit humanen<br />
Papillomaviren (HPV) inKontakt.<br />
Diese Infektionen gelten gemeinhin<br />
als harmlos und bilden sich oft<br />
spontan zurück. Einige dieserViren<br />
allerdings verursachen anogenitale<br />
Warzen –wegen ihrer Form auchals<br />
Feigwarzen bezeichnet –,die Jahre<br />
später zu Plattenepithelkarzinomen<br />
unter anderem von Zervix, Penis,<br />
Vagina und Anus führenkönnen.<br />
Die Zahl von Analkarzinomen<br />
nimmt derzeit zu, und zwar stärker<br />
als die Inzidenzvieleranderer Malignome.<br />
Als Risikofaktoren für diese<br />
Tumorengilt unter anderem einunzureichend<br />
arbeitendes Immunsystem<br />
–Patienten mit HIV-Infektion<br />
bilden demnacheine Risikogruppe.<br />
Dr.JustinArnold von der George<br />
Washington University School<br />
of Medicine and Health Sciences in<br />
Washington und seine Kollegen haben<br />
den Verlauf der HPV-Infektionenbei<br />
diesenPatienten über einige<br />
Jahre hinweg verfolgt. Die Wissenschaftler<br />
nahmen zwischen Jänner<br />
2011 und Mai 2017 mehr als 6.500<br />
HIV-Infizierte inihre Auswertung<br />
auf, etwa drei Viertel davon waren<br />
Männer. Zunächst ermittelten die<br />
Forscher,wie vielePatienten im Studienzeitraum<br />
Anogenitalwarzen entwickelten.<br />
Zum anderen bestimmten<br />
sie, wie häufig Analkarzinome<br />
auftraten.<br />
Bei 383 (5,9 %) fanden sich früher<br />
oder später anogenitale Warzen.<br />
Auffallend war,dass es sichdabei eher<br />
um jüngereMännerhandelte,die Sex<br />
mit Männern hatten und bei denen<br />
der Nadir der CD4-positiven Zellen<br />
deutlich niedriger lag als bei den<br />
Männern ohnedie Warzen.Die Dauer<br />
der HIV-Infektion, eine hochaktive<br />
antiretrovirale Therapie und Nikotinkonsum<br />
(der sichinfrüherenStudien<br />
verdächtig gemachthatte) zeigten dagegen<br />
keinen Einfluss darauf, ob die<br />
Warzen auftratenoder nicht.<br />
HIV-Positive regelmäßig<br />
onkologisch untersuchen<br />
In Laufeder Studiediagnostizierten<br />
die Ärztebei fast jedem zwanzigsten<br />
Patientenmit Feigwarzen(4,4 %) ein<br />
Analkarzinom. Unterden Warzenfreien<br />
warenesdreivon Tausend. Alsdie<br />
Forscher diegenannten Störfaktoren<br />
berücksichtigten,zeichnete sich ein<br />
auf mehrals das Zwölffacheerhöhtes<br />
Risiko für ein anales Karzinom ab,<br />
wenn Anogenitalwarzen vorgelegen<br />
hatten.Die behandelnden ÄrztesolltenihrePatienten<br />
also entsprechend<br />
beraten, schließendie Wissenschaftler.<br />
Zudemplädierensie für eineentsprechende<br />
regelmäßigeTumorvorsorge<br />
bei HIV-Positiven im Sinne eines<br />
Screenings, analog zum Zervixkarzinombei<br />
den Frauen.<br />
ER<br />
Arnold JD et al. JAMA Dermatology <strong>2021</strong>;<br />
doi: 10.1001/madermatol.2020.5252
16 · 53. Jahrgang · Nr. 6 · 31. März <strong>2021</strong><br />
Medizin und ich von Abis Z<br />
Ist «kein Sport»vielleichtauch Mord?<br />
Von<br />
Dr.Ulrike Stelzl<br />
Kassenärztin für<br />
Allgemeinmedizin in<br />
Graz<br />
Ichhab’echtGlückgehabt. EinJahr<br />
vorCoronaund allden Maßnahmen<br />
habe ich nach über fünfundzwanzig<br />
Jahren Karate den Kampfsport<br />
zumindest vorübergehend auf Eis<br />
gelegt. Einerseits, weil einige Verschleißteile<br />
im Körper nach weniger<br />
Strapazen, aber mehr Wartung<br />
geschrienhaben undich noch nicht<br />
reif und bereit für den Einbau von<br />
Ersatzteilen war. Andererseits wollte<br />
ich nach langen Arbeitstagen endlich<br />
einmal frische Luft schnappen<br />
und nicht den so vertrauten ranzig<br />
schweißgammeligen Geruch eines<br />
alten Turnsaals.<br />
Twie Trainingspläne<br />
Foto: Furgler<br />
Auch der ewiggleiche Pilzrasen in<br />
der Dusche danebenwurde mir immermehrzuwider.Und<br />
nicht zuletzt<br />
wollte mein erschöpftes Hirn am<br />
Abend nicht wieder mit Menschen<br />
kommunizieren und noch weniger<br />
wollte eskomplizierte und komplexe<br />
technische Abläufe verstehen<br />
und üben.Also nix wie raus in die<br />
freie Natur oder halt zumindest in<br />
die nicht so ganz freie und ziemlich<br />
verbaute Wohngegend und gehen,<br />
laufen, walken. Immer weiter und<br />
weiter, bis der Kopf leer wird und<br />
die Lungefrei. Schön einenFuß vor<br />
den anderen setzen und dabei genau<br />
nichts denkenmüssen.<br />
Anstatt Reaktions- und Schnellkrafttraining<br />
mache ich jetzt Qi-<br />
Gong daheim. Ganz sanft und<br />
langsam, konzentriert und bewusst<br />
atmend. Und das Ganze auf meinem<br />
durch die Fußbodenheizung<br />
angenehm warmen Küchenboden.<br />
Statt Pilzrasen inder Schuldusche<br />
gibt es nachher ein warmes Bad in<br />
der blitzsauberen Badewanne, vom<br />
Göttergatten liebevoll geputzt. Statt<br />
Dehnung bis zum Querspagat arbeiteich<br />
michdurch die Dutzenden<br />
Übungen,die sichmeine Physiotherapeutin<br />
ausgedacht hat, um mich<br />
«Hieund da rede ich mit dem<br />
einen oder anderen Baum, weil<br />
mir die Sozialkontakte fehlen,<br />
aber sonst geht’smir gut.»<br />
zu quälen. Auf einem großen, alten<br />
Handtuch auf unserem dicksten<br />
Teppich.<br />
Sobald dieses aufgebreitet ist, erscheint<br />
oft wie aus dem Nichts das<br />
Katertier, in der festen Meinung,<br />
dass dieses gemütliche Plätzchen<br />
extra für seine Hoheit ausgerollt<br />
wäre, und legt sich lang ausgestreckt<br />
mitten drauf. Und quäkt: „Knuffeln!<br />
Jetzt!“ Diesem Befehl kann ich mich<br />
natürlich nicht widersetzten und so<br />
kann es sein, dass ich bei lautem,<br />
gleichmäßigem Schnurren einfach<br />
einschlafe. Vorallem,wenn der Tag<br />
ein harter und anstrengender war.<br />
Aber dasVieh kann soentspannend<br />
schnurren, und meine Pulsfrequenz<br />
sinkt dann auf fünfzig.Ich geh mal<br />
einfach davon aus, dass das auch<br />
gut für meine Gesundheit ist.<br />
Ich habe Glück gehabt. Mein<br />
ganzes Leben habe ich viel Sport<br />
gemacht. Zusammen mit anderen<br />
Menschen. Karate,Tanzen,Fußball<br />
und Leichtathletik als Jugendliche.<br />
Jetzt, alt und doch noch nicht ganz<br />
klapprig,bin ichbeimSport zum Eigenbrötlergeworden.<br />
KeinenAugenblick<br />
zufrüh. Denn außer, dass mir<br />
«Ich merkebeim Liebsten<br />
an Muskulatur und<br />
Körperhaltung: Der hat ein<br />
bisschen abgebaut im<br />
letzten Jahr.»<br />
manchmal die ewiggleiche Strecke<br />
schon zum Hals raushängt, hat sich<br />
fürmichbewegungstechnischnichts<br />
geändert. Hie und da rede ich mit<br />
dem einen oder anderen Baum, weil<br />
mir die Sozialkontakte fehlen,aber<br />
sonst geht’smir gut.<br />
Mein Liebster hat es da schon<br />
schwerer. Karatemeister mit Leib<br />
und Seele, vermisst er das Dojo, das<br />
Training und die Menschen. Die<br />
Konsequenz, der Ehrgeiz und der<br />
Biss, die ihn biszum 6. Dan gebracht<br />
haben, lassensichinseinemFallleider<br />
absolut nicht auf irgendeine Art<br />
der Ausdauerbewegung übertragen.<br />
Ganz im Gegenteil.Esnervt ihn. Das<br />
hilft ihm aber nicht wirklich, denn<br />
an den meisten Tagen der Woche<br />
muss er mit. Und zusätzlich gibt’s<br />
Stabilisierungsübungen auf Matte<br />
und Kippbrett, und ich überlege<br />
mir immer wieder kleine Parcours<br />
im Alltag. Koordinationsübungen<br />
beim Schuhe-Anziehen, Aufräumen,<br />
Zähneputzen usw.<br />
Oder wir üben, über den unerwartet<br />
zwischen die Beine wuselnden<br />
Kater zustolpern, ohne uns das<br />
Genick zubrechen.Trotzdem merke<br />
ich beim Liebsten an Muskulatur<br />
und Körperhaltung: Der hat ein<br />
bisschen abgebaut imletzten Jahr.<br />
Vonder Wirkung auf die Psyche,<br />
wenn die Jobs als Trainer plötzlich<br />
weg sind, rede ich gar nicht.<br />
Bei meinen Patienten haben<br />
sich zwei Hauptgruppen herauskristallisiert.<br />
Die eine Gruppe, die<br />
der Waldschrate, Schitourengeher,<br />
Läufer und Wanderer, strotzt<br />
vor Lebenskraft und Gesundheit.<br />
Oder schafft eszumindest relativ<br />
gut, die Auswirkungen von Homeoffice,<br />
Jobverlust, Homeschooling<br />
und Dauerberieselung mit panikauslösenden<br />
Nachrichten zu<br />
neutralisieren.<br />
Die andere Hauptgruppe ist jedoch<br />
leider die Größere. Das sind<br />
all die, die ihre Fußballmannschaft<br />
vermissen oder so hart im<br />
Fitness-Studio gearbeitet hatten,<br />
um einigermaßen indie Gänge zu<br />
kommen. Die, die nicht verstehen,<br />
warum sie nicht Tennis spielen dürfen<br />
(so weit kannst jaecht nicht<br />
spucken oder Aerosole verteilen).<br />
Die aus dem Wirbelsäulenturnen,<br />
den Workouts und all den anderen<br />
Kursen, mit deren Hilfe sie sich<br />
bewegen konnten. Die, die einen<br />
Fixermin brauchen, um sich aufzuraffen,und<br />
Menschen, mit denen<br />
sie Sport machen können. Diese<br />
Gruppe hat ordentlich zugelegt: Kilos,<br />
Triglyceride, Nüchternglucose<br />
und auch Blutdruck. Diese Gruppe<br />
schläft auch oft schlechter, hat<br />
Wirbelsäulenprobleme und leidet<br />
psychisch mehr unter dem Alltag.<br />
Und diese Gruppe bekommt ordentlich<br />
Nachwuchs. Stille Kinder,<br />
übergewichtig und patschert.Ohne<br />
Bewegung und sowieso ohne Sport.<br />
Und all das zum Schutz unserer<br />
Gesundheit.<br />
MT-interaktiv<br />
Sagen Sie uns Ihre Meinung:<br />
feedback@medical-tribune.at<br />
2020 gab es mit215 FSME-Fällen ein Rekordhoch in Österreich<br />
Auf die Zecken nicht vergessen<br />
WIEN –InCovid-19-Zeiten mit viel<br />
Freizeitgestaltung in der Natur<br />
und wenig Auslandstourismus ist<br />
es wichtig, die Auffrischung der<br />
FSME-Impfung imBlick zu haben.<br />
2019 gab esin Österreich 108 Hospitalisierungen<br />
aufgrund vonFSME,<br />
2018 waren es 154 Fälle. Klimatische<br />
Bedingungen und das durch Covid-19<br />
veränderte Freizeitverhalten<br />
samt vermehrtem Urlaub in Österreich<br />
dürften im Vorjahr die Ursachen<br />
gewesen sein, dass 215 Fälle<br />
gemeldet wurden.<br />
Hotspot war 2020 Tirol mit 51<br />
Fällen, gefolgt von Oberösterreich<br />
mit 50 Fällen. Bei drei Personen ist<br />
die Erkrankung tödlich ausgegangen,<br />
wie Dr.Rudolf Schmitzberger,<br />
Leiter desImpfreferats der ÖsterreichischenÄrztekammer<br />
berichtete.<br />
Bei 105 Patienten (49 Prozent)<br />
wurde in Österreich vergangenes<br />
Jahr eine schwere Erkrankung festgestellt,<br />
beidem dasZentralnervensystem<br />
(ZNS) stark in Mitleidenschaft<br />
gezogen wurde.20Patienten<br />
wiesen eine besonders schwereVerlaufsform<br />
(eine akute Entzündung<br />
des Gehirns oder der Nerven des<br />
Rückenmarks) auf. 90 Prozent von<br />
ihnenwaren über 50 Jahrealt.<br />
„Die hohen FSME-Fallzahlen<br />
2020 beweisen, dass man bei der<br />
FSME-Impfung nicht nachlässig<br />
werden darf“, warnte auch Univ.-<br />
Prof.Dr. HerwigKollaritsch,Facharzt<br />
für Spezifische Prophylaxe<br />
und Tropenmedizin. „Die beiden<br />
Impfungen gegen FSME und gegen<br />
Covid-19 kommen sich nicht in die<br />
Haare“,beruhigteKollaritsch. Empfohlen<br />
wird bei den beiden Impfungen<br />
ein Abstand von 14 Tagen,<br />
aber nicht wegen möglicher Wechselwirkungen,sondern<br />
nur,umim<br />
ZweifelsfallImpfreaktionenauf eine<br />
der beiden Vakzine unterscheiden zu<br />
können. Zu beachten sei,dass sich<br />
das Impfintervall mit dem Alter<br />
verkürze. „Das hat einen einfachen<br />
Grund: ÄltereMenschenhaben nach<br />
der Impfung eine geringereImmunantwort<br />
als jüngere. Das bedeutet,<br />
dass diese besonders darauf achten<br />
müssen, das Impfintervall korrekt<br />
einzuhalten“, stellt Kollaritschfest.<br />
Auch heuer gibt es eine FSME-<br />
Impfaktion. Sie dauert bis Ende<br />
August. „Die Krankenkassen gewähren<br />
Zuschüsse, die beim Kauf<br />
des Impfstoffs inder Apotheke sofort<br />
abgezogen werden“, berichtet<br />
Dr. Gerhard Kobinger, Präsidiumsmitglied<br />
der Österreichischen<br />
Apothekerkammer. Die Impfstoffe<br />
für Erwachsene kosten in diesem<br />
Zeitraum um rund 14 Euro, jene<br />
für Kinder um rund 15 Euro weniger.Zusätzlich<br />
gäbe esZuschüsse<br />
der diversen Kassen. APA/red<br />
Covid-19-Schwerekorreliert nicht mitden Folgen<br />
Auch milden Verlauf ernst nehmen<br />
DUBLIN –Viele Menschen, die Covid-19<br />
überstanden haben, fühlen<br />
sich noch lange danach krank und<br />
kurzatmig. Doch pathologische<br />
Korrelate in der Lunge sind selten,<br />
auch bei anfangs schwerer<br />
Infektion.<br />
Irische Ärzte beobachteten 153<br />
Patienten über 75Tage. Sie führten<br />
Röntgenaufnahmen und einen<br />
Sechs-Minuten-Gehtest durch,<br />
bestimmten Entzündungsmarker,<br />
prüften den Grad der Erschöpfung<br />
nach Belastung und fragten nach<br />
Beschwerden.Knapp die Hälfte der<br />
Teilnehmer (48 %) war wegen Covid-19<br />
stationär behandelt worden,<br />
12 %auf der Intensivstation. Nach<br />
über zehn Wochen gaben 62%an,<br />
sichnochnicht wieder völlig gesund<br />
zu fühlen. Sieklagten vorallem über<br />
Fatigue, allgemeines Krankheitsgefühl<br />
und Dyspnoe. 47%erfüllten<br />
die Kriterien für eine Fatigue. Im<br />
Sechs-Minuten-Gehtestschafften die<br />
CoronapatientenimMittel460 Meter–weniger<br />
als Gesunde, aber mehr<br />
als Menschen nach akuter Lungenschädigung<br />
oder mit pulmonaler<br />
Vorerkrankung.<br />
Trotz leichterSymptome<br />
gründlich überwachen<br />
Überraschenderweise zeigten die<br />
Röntgenbilder nur bei 4%Auffälligkeiten<br />
der Lunge, schreiben Dr.<br />
Liam Townsend vom St. James’s<br />
Hospital inDublin und Kollegen.<br />
Und: Keiner der pathologischen<br />
Befunde korrelierte mit der Krankheitsschwere.<br />
Die Autoren folgern,<br />
dass auch Infizierte mit leichtem<br />
Verlauf der gründlichen Überwachung<br />
und Rehabilitation bedürfen.SpezielleRisiken<br />
für pulmonale<br />
Fibrose scheinenvon Covid-19 aber<br />
nicht auszugehen.<br />
abr<br />
Townsend Letal. Ann Am Thorac Soc <strong>2021</strong>;<br />
doi: 10.1513/AnnalsATS.202009-1175OC49