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Edizione Vergani No. 12

Das Vergani Wein- und Genuss-Magazin ist ein Printwerk, bei dem alles darum geht, die Philosophie unseres Traditionshauses kennenzulernen und in die «Vergani Welt» einzutauchen. Wir wünschen Ihnen viel Spass bei der Lektüre.

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Vino e Vita<br />

<strong>Edizione</strong> <strong>Vergani</strong><br />

Nº <strong>12</strong><br />

CHF 13.50


Vino e Vita<br />

<strong>Edizione</strong> <strong>Vergani</strong><br />

Nº <strong>12</strong>


Performance Charged<br />

DER ERSTE MASERATI GHIBLI HYBRID.<br />

Entdecken Sie mehr unter maserati.ch<br />

A<br />

B<br />

C<br />

D<br />

E<br />

F<br />

G<br />

G<br />

Maserati Ghibli Hybrid: Leistung kW (PS): 243 (330) – Hubraum (cm 3 ): 1998 – Zylinder: 4 – Maximales Drehmoment (Nm) / bei Drehzahl (U/min): 450 / 4.000<br />

Kraftstoffverbrauch kombiniert (l/100 km): 9,4 - CO 2-Emissionen kombiniert (g/km)*: 213 - Effizienzklasse: G.<br />

*CO 2 ist das für die Erderwärmung hauptverantwortliche Treibhausgas; Die mittlere CO 2-Emission aller (markenübergreifend) angebotenen<br />

Fahrzeug typen in der Schweiz beträgt 174 g/km.


Wir sind, was wir tun<br />

Schöne Worte, ein Lächeln, das fällt<br />

leicht. Grosse Pläne schmieden, einander<br />

lieben, das Leben ist schön. In guten<br />

Zeiten. In schlechten wird hinterfragt.<br />

Man zögert, wägt ab, sagt ab statt zu.<br />

Nein, nein, nein. Wir holen es ja dann<br />

nach, irgendwann. Eine verfängliche<br />

Devise. Selbstverständlich haben auch<br />

wir uns viele Fragen gestellt in letzter<br />

Zeit. Sollen wir zum Beispiel das vorliegende<br />

Magazin tatsächlich publizieren?<br />

Sollen wir unser neues Grosslager zweifellos<br />

bauen? Können wir wirklich alle<br />

Mitarbeiter halten?<br />

Ein Familienunternehmen zu sein,<br />

das sollte nicht nur auf der Verpackung<br />

stehen. Deshalb haben wir sehr bewusst<br />

alle Fragen nicht nur mit einem «Ja»<br />

beantwortet. Wir sind ebenso selbstbewusst<br />

und gezielt noch einen Schritt<br />

weitergegangen. Gerade zelebrieren wir<br />

das «Ja» mit Ausrufezeichen:<br />

Ja, wir haben uns bewusst für das<br />

diesjährige Magazin entschieden. Die<br />

Feder als Chefredaktor führt neu Andrin<br />

Willi, der als einer der profiliertesten<br />

Gastro-Journalisten des Landes gilt.<br />

Schön, dass seine Handschrift unser<br />

Magazin prägt und prägen wird.<br />

Ja, wir bauen unser Grosslager.<br />

Es soll noch in diesem Jahr fertiggestellt<br />

werden und eine neue Ära in der <strong>Vergani</strong>-<br />

Spedition einläuten.<br />

Ja, wir entlassen keine Mitarbeiter,<br />

sondern bauen unser Team aus, damit<br />

wir für das Wachstum im E-Commerce<br />

gewappnet sind. Sind wir von Sinnen?<br />

In jedem Fall sind wir überzeugt, dass es<br />

keine bessere Investition in die Glaubwürdigkeit<br />

gibt als die Entschlossenheit,<br />

eine Vision tatsächlich umzusetzen, statt<br />

ewig von ihr zu sprechen. Glaubwürdigkeit<br />

ist in einer unsicheren Welt eine<br />

nahezu unbezahlbare Währung.<br />

Danke, dass Sie uns auf diesem Weg<br />

begleiten. Danke, dass Sie uns Ihr Vertrauen<br />

schenken. Darauf stossen wir an.<br />

Mit dem vorliegenden Magazin möchten<br />

wir Sie ein bisschen entführen, ein klein<br />

wenig inspirieren. Kommen Sie mit auf<br />

unsere Reise. Salute!<br />

Gianni mit Flavia und Luca <strong>Vergani</strong><br />

5. Generation<br />

PS: «Il dito», so nennen die Mailänder die Skulptur von Maurizio Cattelan,<br />

die vor der Börse steht und unser Cover ziert. Er nennt sie L.O.V.E.


Amici<br />

UNO<br />

10 Preludio<br />

24 Signature statt Standard<br />

30 Beim Essen bin ich ein Egoist<br />

40 Forscher des Fleischs<br />

48 Ehrliche Leidenschaft<br />

54 In Windeseile aufgefrischt<br />

60 Interview mit Jan E. Brucker<br />

Artigianale<br />

DUE<br />

66 Fabio Viale<br />

74 Auf, Bauer Ziegler<br />

84 Drei Beine und zwanzig Weine<br />

99 Capisco – Cocktail<br />

100 Marcel Gabriel – Weinexperte<br />

Famiglia<br />

TRE<br />

104 Famiglia <strong>Vergani</strong><br />

109 La Tacchina di Natale<br />

110 Alec Doherty für <strong>Vergani</strong><br />

111 Weinset mit Mehrwert<br />

1<strong>12</strong> Stefano Endrizzi<br />

116 Viel ist nichts?<br />

118 Impressum


Preludio<br />

10<br />

«Die<br />

Liebe besteht<br />

zu drei<br />

Vierteln aus<br />

Neugier.»<br />

Bild: Simon Habegger<br />

Zitat: Giacomo Casanova


UNO — Amici<br />

23<br />

UNO


UNO — Amici<br />

24<br />

Signature<br />

statt<br />

Standard<br />

Bild: Torvioll Jashari<br />

Text: Andrin Willi<br />

Auf dem Erfolg ausruhen? Kommt für Damian Hegg, Yves Niedermayr und Adil Pajaziti nicht infrage.


UNO — Amici<br />

27<br />

Punktlandung. Kein Wort beschreibt die erfolgreiche Eröffnung<br />

des Brera Zurigo besser. Dort, wo einst Beat Caduff mit seiner<br />

Wineloft die Geschichte der Zürcher Gastronomie mitgeprägt<br />

hat, scheint sich Innovation eingenistet zu haben. Vom Neustart.<br />

Das Dream-Team um Yves Niedermayr, Damian Hegg und Adil Pajaziti hat sich vom<br />

modernen, modischen und extravaganten Stadtteil namens Brera in Milano dazu verleiten<br />

lassen, ein ebenso urbanes Gastronomiekonzept in Zürich umzusetzen. «Es ist<br />

nicht in fünf Minuten entstanden», präzisiert Yves Niedermayr, auch wenn es aus tiefer<br />

Zuneigung und Überzeugung zur Italianità geboren worden sei. «Damian ist unser<br />

Link nach Italien», erklärt Niedermayr, und da kommt er auch schon, Espresso in der<br />

Hand, Signore Hegg. Seine <strong>No</strong>nna stammt aus Italien. Hegg kümmert sich im Brera<br />

um die Administration, die Gäste und naturalmente um die Bar. Spirituosen sind seine<br />

Leidenschaft. «Meine sind Essen und Gäste», ergänzt Niedermayr. Kombiniert man die<br />

Raygrodski-Bar, die die beiden vor acht Jahren gegründet haben, mit einer Pizzeria,<br />

entsteht Brera Zurigo – einfach gesagt.<br />

«Aber eben; so einfach ist es nicht», sagt Damian und Yves fügt an: «Wir haben<br />

während zwei Monaten viermal die Woche getestet, getüftelt und verworfen, bis wir alle<br />

drei wussten: Das ist es.» Das meint die Pasta. Das meint aber auch eine Pizza, die nicht<br />

römisch und nicht neapolitanisch daherkommt. Das ist ein Teig, der nicht zu dünn<br />

und nicht zu dick, der weich und dennoch knusprig ist. Das sind Signature-Cocktails,<br />

die zum Essen passen und eine <strong>No</strong>-Brand-Bar, gepaart mit bewusster Musik, «die zwei<br />

Striche lauter ist als in einem normalen Restaurant», so Yves. «Wir legen nicht einfach<br />

irgendetwas auf, die DJs und ihre Soundcloud kennen wir. Die Musik ist nicht zu<br />

technoid und auch nicht zu langsam. Sie ist nicht zu laut und nicht zu leise. Künftig<br />

möchten wir freitags und samstags einen DJ auflegen lassen und das Lokal von 18 Uhr<br />

bis 2 Uhr öffnen», sagt er. Den Groove brauchen sie nicht mehr zu erfinden, sie haben<br />

ihn gefunden. Auch dank Ron, Yves’ Bruder, der die Küche leitet. «Wenn wir etwas<br />

Neues planen, interessiert es uns, in die Tiefe gehen zu können. Diesen Prozess möchten<br />

wir gerne mit Menschen umsetzen, die bereit sind, diesen Weg mit uns gemeinsam zu<br />

gehen», so Niedermayr. Ob Barman, Pizzaiolo oder eben Bruder-Küchenchef – sie alle<br />

verbindet dieselbe Leidenschaft für diese neue Form der Gastronomie, die sich weniger<br />

schwerfällig als ein klassisches Restaurant präsentiert und anfühlt.<br />

Für den Gast vereint das Konzept Brera Zurigo verschiedene Lebenssituationen,<br />

und das Thema «Entwirrung» ist in einer komplexen Zeit schwer angesagt. Apéro.<br />

Abendessen. Bar. Cocktails. Sound. Hand in Hand, alles am selben Ort, so geht das<br />

in der neu gestrichenen Loft mit der imposanten Bar. Im Weinkeller übrigens lagern


UNO — Amici<br />

28<br />

nach wie vor grossartige Weine, aber die Philosophie ist eine andere, und der Keller<br />

dient nicht mehr als Vorzeigestück. «Zu gerne variieren wir unser Angebot. Sei es bei<br />

den Flaschenweinen oder im Offenausschank, sei es auf der Speisekarte oder bei den<br />

Cocktails», sagt Yves Niedermayr. Alles, ausser langweilig eben, «aber bewusst reduziert»,<br />

ergänzt Damian.<br />

Gar nicht so einfach, denn die amerikanische Kultur, Cocktails nicht nur vor und<br />

nach dem Essen, sondern auch zum Essen zu geniessen, ist bei uns eher eine Subkultur.<br />

Aber eine, die auf Zuspruch stösst, wenn richtig gemacht. «Auch hierfür haben wir<br />

uns sehr viel Zeit genommen. Für uns ist zentral, dass die Cocktails zum Essen passen<br />

und dass sie italienisch angehaucht sind. So setzen wir zum Beispiel Grappa statt Pisco<br />

ein. Cedro Fizz. Negroni d’Estate. Bellini etwas anders – so klingen unsere Cocktails,<br />

die wie gesagt meistens aus unseren eigenen Blends bestehen», sagt Damian. «Sprich,<br />

wir produzieren unsere eigenen Infusionen und arbeiten selten mit Markenprodukten»,<br />

präzisiert er. Also auch hier: Signature statt Standard. Klar hätte man die Lounge auch<br />

einfach lassen können, und selbstverständlich würde man mehr Platz gewinnen, wenn<br />

man nicht so eine grosse Bar hätte, dann aber ginge dieses Surren verloren.<br />

Ein Buzz, der auch gestandene Caduff-Gäste anzieht. «Sie sagen, das Brera sei ganz<br />

anders, aber sie würden sich dennoch wohl fühlen hier», meint Yves Niedermayr und<br />

führt das auf eine wohl selektionierte Weinauswahl zurück, die auf rund 40 Positionen<br />

Kennern und Newcomern etwas zu bieten hat. «Uns ist es wichtig, auch als Weinlokal<br />

wahrgenommen zu werden. Daher konzentrieren wir uns auf Weine, die man sonst<br />

vielleicht nicht erwarten würde, oder wir servieren auch mal einen teureren Wein im<br />

Offenausschank», sagt er. Und was kommt noch? «Zu gerne würden wir unsere Pizza<br />

künftig mit eigenen, gut angezogenen Kurieren auf alten Velos ausliefern lassen. Im<br />

Moment kann man sie bei uns vorbestellen und selbst abholen oder über die bekannten<br />

Plattformen nach Hause bestellen», sagt er. Schön und gut, aber einen Abend im<br />

Brera kann kein Kurier der Welt ersetzen.<br />

Gut zu wissen<br />

Mehr zum Wermut Helvetico von Damian Hegg und Co.<br />

gibt’s hier: vrmth.com<br />

Der Gastronomie-Mikrokosmos um Niedermayr, Hegg<br />

und Partner gliedert sich im Netz wie folgt: gartenhof.net,<br />

raygrodski.ch, lochergut.net<br />

Brera Zurigo<br />

Kanzleistrasse <strong>12</strong>6<br />

8004 Zürich<br />

+41 44 240 22 55<br />

brera.ch<br />

Di bis Sa ab 18 Uhr<br />

Perfect match: Marco Colelli konzentriert sich im Brera Zurigo voll auf die passenden Cocktails.


UNO — Veneto 30 UNO — Amici<br />

31<br />

«Beim<br />

Essen bin<br />

ich ein<br />

Egoist.»<br />

Seit zwei Jahren führt der vollendete Gastgeber Federico Freiermuth das Weisse Rössli in Zürich.<br />

Bild: Flavio Karrer<br />

Text: Jan Graber


UNO — Amici<br />

33


UNO — Veneto 35<br />

Federico Freiermuth ist ein vollendeter Gastgeber. Zusammen mit<br />

dem Chefkoch Mathieu Bacon und der Chef de Service Christina<br />

Aigner führt er das Restaurant Weisses Rössli an der Bederstrasse<br />

in Zürich. Der wortwitzige Gastronom mit Familiensinn steckt<br />

voller Ideen.<br />

Wenn einer seinen Hot-Dog-Service «Dogfather» nennt und die Hot Dogs an einem<br />

eigenen Stand in Pathé-Kinos angeboten werden, darf man hinter der Idee schon mal<br />

einen hintersinnigen Kopf vermuten. Wenn dieselbe Person in ihrem eigentlichen Restaurant<br />

den Eingang ins Keller-Séparée mit der Leuchtschrift «Die Stimmung ist im<br />

Keller» versieht, ist definitiv klar, dass in diesem Kopf mehr steckt als nur ein Glückstreffer<br />

in Sachen Wortwitz. Tatsächlich zeigt sich Federico Freiermuth im Gespräch<br />

voller überraschender Bemerkungen. Ein weiteres Amuse-Bouche gefällig? «Ich wollte<br />

mein Leben mit Reisen verbringen. Mein entferntestes Reiseziel ist Sankt Moritz.»<br />

Was natürlich auch ein bisschen geflunkert ist, denn immerhin hat der 33-Jährige den<br />

Grossteil seiner Kindheit und Jugend in Südamerika verbracht und war ein Jahr lang<br />

in Australien unterwegs.<br />

Doch zurück nach Zürich an die Bederstrasse ins Restaurant Weisses Rössli. Seit<br />

zwei Jahren führt Federico das heimelige Lokal mit der zum Séparée umfunktionierten<br />

Kegelbahn im Keller. Federico ist, was man einen Gastgeber mit Herzblut nennt. «Es<br />

gibt mir einen Kick, wenn die Gäste happy nach Hause gehen», sagt er. Dann würden<br />

sie gerne wiederkehren, bald zu Freunden werden und irgendwann fast Familie sein.<br />

«<strong>No</strong>rmalerweise lesen Gäste die Menükarte von rechts nach links: Zuerst den Preis,<br />

danach das Gericht», beginnt er. Dies sei das Gegenteil von genussvoll. «Ich wollte, dass<br />

die Gäste wählen, worauf sie wirklich Lust haben.» Deshalb führt seine Speisekarte<br />

lediglich die Preise für die Anzahl der Gänge auf – egal was man bestellt. Zwei Gänge<br />

kosten etwa 65 Franken, ein Viergänger kommt auf 95 Franken zu stehen. Wasser dazu<br />

gibt’s gratis à discrétion, der abschliessende Kaffee ist ebenfalls offeriert. «Falls jemand<br />

Lust hat, Weiteres aus Mathieus Küche zu probieren, empfehlen wir Zwischengänge»,<br />

sagt Federico. Das Konzept ist beliebt, die Gäste schätzen es, wenn sie nicht Bauchschmerzen<br />

von zu viel rechnen bekommen. Einzig für Mathieus Kalbsbäggli wird etwas<br />

mehr verlangt.<br />

Damit zu Mathieu Bacon, Küchenchef. Der Jurassier ist das zweite Energiebündel<br />

im Betrieb. Ohne Mathieu und die Chef de Service Christina Aigner wäre das Weisse<br />

Rössli nicht derselbe Treffpunkt für Gourmets. Manche Gäste kämen nur wegen Mathieu<br />

hierher, sagt Federico: «Er hat seine eigene Fangemeinde.» Im Gegensatz zu Federico ist<br />

Mathieu tatsächlich um die Welt gereist und gehört zu den erfindungsreicheren Köchen


UNO — Amici<br />

36 37<br />

Zürichs. Er hat das Weisse Rössli auf 14 Gault-Millau-Punkte-Niveau gekocht und für<br />

eine Erwähnung im Guide Michelin gesorgt. (Wobei Federico flunkernd sagt, der eine<br />

Gault-Millau-Punkt gehöre ihm, denn schliesslich habe Mathieu nur 13 Punkte mit<br />

ins Lokal gebracht.) Zwar würden ihn die Punkte stolz machen, sagt Mathieu, spielten<br />

in seinem Wirken aber eher eine untergeordnete Rolle. «Ich koche, was mir Freude<br />

macht.» Stets findet er Wege für ungewöhnliche Kombinationen aus Produkten und<br />

Aromen. Sein Signature-Gericht, die Kalbsbäggli, sind beispielsweise auch wegen der<br />

darin verwendeten Tonkabohnen zum Rössli-Klassiker geworden. «Er überrascht uns<br />

immer wieder mit ungewöhnlichen Gewürzen oder der Verwendung von Früchten»,<br />

sagt Federico. Der Küchenchef selbst will aber nicht alle Lorbeeren auf seinem eigenen<br />

Kopf tragen. «In der Küche sind wir ein Team, wir tauschen uns aus. Hat jemand eine<br />

gute Idee, kommt sie auf die Karte», sagt Mathieu. Inspirieren lässt er sich zudem von<br />

Büchern sowie Instagram- und Facebook-Posts.<br />

Auf neue Trends springen Federico, Mathieu und Christina aber nicht leichtfertig<br />

auf. Zwar hat Federico neben seinem Hot-Dog-Service, den er trotz Restaurant weiterführt,<br />

soeben auch einen Picknick-Service gestartet. «Als passionierter Motorradfahrer<br />

geniesse ich gerne selbst unter freiem Himmel», sagt er. Statt in Körben erhalten die<br />

Kunden das Picknick in ausrangierten Weinkisten, die sie gleich auch als Tischchen<br />

benutzen können. Vom Trend des Foodsharings sind indessen weder er noch Christina<br />

Freunde. Federico: «Ich bin ein Egoist, wenn es ums Essen geht.» Christina bestätigt.<br />

Trotzdem liebe er das italienische Gefühl der Famiglia, das ihn auch mit der Familie<br />

<strong>Vergani</strong> verbindet. «Gianni hat im Chez Fritz geheiratet, wo ich damals tätig war»,<br />

erinnert er sich. Daraus habe sich eine private wie auch berufliche Freundschaft entwickelt.<br />

Das italienische Lebensgefühl äussert sich aber auch beim – Foodsharing. Im<br />

Keller-Séparée kommen die Speisen nämlich als Tavolata auf den überlangen Tisch.<br />

Wie bei einer Tavolata üblich, wird der Food geteilt. Was tatsächlich Stimmung in den<br />

Keller bringt.<br />

Hot Dogs & Picknicks<br />

<strong>No</strong>ch vor seiner Zeit im Weissen Rössli hatte Federico<br />

Freiermuth das Hot-Dog-Angebot «Dogfather» entwickelt<br />

und bietet nach eigenen Aussagen die besten Hot Dogs<br />

der Stadt Zürich an. Tatsächlich sind «Dogfather»-Hot-Dogs<br />

nicht einfach ein Würstchen, das in einem Loch im Brötchen<br />

steckt, sondern tragen Namen wie «El Zeppelino» oder<br />

«Arctic_Dog» und sind ausgewachsene, vielfältig angereicherte<br />

Vollmahlzeiten mit Wurst und Brot. Die «Dogfather»-<br />

Hot-Dogs gibt’s an einem festen Stand im Pathé-Kino in<br />

Spreitenbach, an Street-Food-Events und als Catering.<br />

dogfather.ch<br />

Neu bietet Federico mit seiner Firma Damn Delicious GmbH<br />

auch Picknick-Körbe in ausgedienten Weinkisten an. Ein Teil<br />

der Produkte stammt von farmy.ch. Die Kisten müssen nach<br />

Gebrauch nicht zwingend zurückgebracht werden.<br />

picknick.ch<br />

Kalbsbäggli mit Tonka: Der Jurassier Mathieu Bacon kocht, was (und weil es) ihm Freude macht.


UNO — Veneto 38 UNO — Amici<br />

39<br />

Restaurant Weisses Rössli<br />

Bederstrasse 96<br />

8002 Zürich<br />

+41 44 2<strong>12</strong> 63 00<br />

weisses-roessli.ch<br />

Mo bis Fr: 11.30–14 und 18.30–24 Uhr<br />

Sa: 18.30–24 Uhr<br />

Mai bis Ende September montags geschlossen<br />

Chef im Service: Auch dank Christina Aigner ist das Weisse Rössli, was es ist. Ein Treffpunkt für Gourmets.


UNO — Amici<br />

40<br />

Forscher<br />

des<br />

Fleischs<br />

Bild: Simon Habegger<br />

Text: Jan Graber<br />

Powerpoint-Präsentation am Tisch: Simon Komani zeigt, was er hat.


UNO — Amici<br />

43<br />

In Simon’s Steakhouse wird vor allem eines zelebriert: Dry Aged<br />

Beef. Simon Komani reift die Stücke selbst und experimentiert<br />

mit modernsten Methoden. Manchmal kocht er aber auch einfach<br />

einen Teller Spaghetti, um einen Stammgast glücklich zu machen.<br />

Dass ihn sein eigener Vater eines Tages aus dem gemeinsamen Betrieb werfen würde,<br />

hätte Simon Komani nicht erwartet. Das war 2015. Simon und sein Vater hatten zehn<br />

Jahre gemeinsam das Steakhouse Churrasco an der Glockengasse geführt. Doch dann<br />

trennten sich die Ideen, wie das Restaurant weiterzuführen wäre – und damit auch ihre<br />

Wege. Simon machte sich auf und davon: Er packte die Koffer und bereiste die Welt,<br />

jedoch nicht planlos: Zielgerichtet besuchte er Weltstädte, in denen berühmte Steakhäuser<br />

zu Hause waren, und machte halt in Istanbul, London und natürlich dem Land,<br />

dessen Form mit ein bisschen Fantasie ein Kotelett beschreibt: den USA. Besonders<br />

New York hatte es ihm angetan; es war die Stadt, die ihn am meisten inspirieren sollte.<br />

Voller Ideen kehrte er 2018 zurück. «Auf den Reisen hatte ich gelernt, welchen Einfluss<br />

die Herkunft, die Tierhaltung und das Futter auf den Fleischgeschmack haben»,<br />

erzählt er. Er erkannte auch, wie wichtig es war, vertrauenswürdige Metzger direkt am<br />

Ort der Herkunft zu haben – sei es in Argentinien oder den USA. «Das australische<br />

Fleisch sagt mir geschmacklich weniger zu», erklärt er. Simon wusste auch, dass sein<br />

nächstes Restaurant im Zürcher Niederdorf stehen sollte. Bereits sah er das Interieur<br />

vor sich: Man sollte sich darin fühlen wie in einem amerikanischen Wohnzimmer der<br />

50er Jahre, mit Backsteinwänden, lauschigen Sitzecken aus Samt und dunklem Holz.<br />

Dazu gedämpftes Licht, wie es in Steakhäusern in New York und London zelebriert<br />

wurde. Loft-Style nennt es Simon.<br />

Doch wie an eine Beiz mitten im Dörfli kommen? Dann spielte der Zufall: Er bekam<br />

mit, dass die Pizzeria der Zücher Gastrolegende Tony Navarro am Hirschenplatz<br />

nicht gut lief. So packte Simon den Stier bei den Hörnern und schlug Navarro vor, das<br />

Lokal zu übernehmen. Natürlich lehnte Navarro ab. Und schlug drei Monate später<br />

trotzdem zu. Beim Erzählen der Geschichte lächelt Simon, und aus seinen Augen funkelt<br />

verräterisch das Wissen des gelernten Kochs und langjährigen Gastronomieprofis.<br />

Ihm war klar: Seine Beiz an diesem zentralen Ort würde den Zeitgeist ansprechen.<br />

Was er damals nicht kannte, war die Geschichte des Hauses. Erst später erfuhr er, dass<br />

hier einst Rockbands wie Black Sabbath oder Pink Floyd gespielt hatten. Heute ist das<br />

höchstens noch eine Randnotiz wert.<br />

Keine Nebensache, sondern im Trend liegend ist hingegen das Angebot in Simon’s<br />

Steakhouse: Dry Aged Beef. Das in speziellen, keimfreien Schränken gereifte Fleisch<br />

aus Argentinien und den USA bietet er in allen möglichen Varianten an: als mächtiges


UNO — Amici<br />

45<br />

Porterhouse-Steak, als Bife de Chorizo (Entrecôte), als Rib Eye mit dem klassischen<br />

Fettauge oder als gewichtige Fleischplatte mit unterschiedlichen Stücken für mehrere<br />

Gäste. Das Fleisch stammt von Tieren, die weder mit Hormonen noch Antibiotika<br />

behandelt wurden. «Wir bereiten die Stücke je nach Vorliebe der Gäste auf individuellen<br />

Garstufen zu», versichert er. Ist eine eher mürbe Struktur erwünscht, fällt die Wahl auf<br />

ein Fleisch, das 90 Tage lang im gekühlten Schrank gelagert wurde. Wird es frischer<br />

bevorzugt, kommt ein 30 Tage lang getrocknetes Stück infrage. Statt den Fleischgeschmack<br />

mit Saucen zu verfälschen, bietet Simon zum Gericht lieber unterschiedliche<br />

Salze an: ein Wacholdersalz etwa, ein Blumensalz aus Mallorca oder das hawaiianische<br />

Vulkansalz.<br />

Um die Gäste bei der Wahl zu unterstützen, setzt Simon auf seine Kellner, die das<br />

Fleisch am Tisch zeigen und erklären, um welche Stücke es sich handelt. «Ein Steakhouse<br />

funktioniert nicht, wenn die Service-Crew nicht hinter dem Produkt steht»,<br />

ist er überzeugt. Zum Gastgeben gehöre für ihn, den Gästen ein Familiengefühl zu<br />

vermitteln und für sie da zu sein. Schon als Kind habe er sich immer gefreut, wenn<br />

Besuch kam. «Ich möchte die Gäste glücklich machen», resümiert er. So stellt er sich<br />

für einen Stammgast, der vier bis fünf Mal pro Woche kommt, auch mal selbst in die<br />

Küche und kocht für ihn – Spaghetti. «Man hat ja nicht immer Lust auf Fleisch», meint<br />

er schmunzelnd. Egal ob zu einer ausgewachsenen Fleischplatte oder zu einem Teller<br />

Pasta: Zum Essen gehört für Simon auch ein guter Wein. «Ich beziehe den Grossteil<br />

meiner Weine bei <strong>Vergani</strong>», sagt er. Vor allem den Anima empfehle er gerne, denn<br />

dieser passe perfekt zu den saftigen Dry-Aged-Beef-Stücken.<br />

Diese reift Simon notabene selbst in einem mächtigen, für die Gäste offen einsehbaren<br />

Schrank. «Wir belassen die Stücke immer am Knochen», sagt er. Er halte<br />

wenig von den derzeit vielerorts erhältlichen knochenlosen Stücken, die alle 45 Tage<br />

abgehangen sind. «Der Knochen setzt mikrobiotische Enzyme frei, die erst für den<br />

richtigen Geschmack sorgen», erklärt er. Das Wissen habe er sich selbst angeeignet. Er<br />

spreche mit seinen Metzgern, lese Zeitschriften und reise regelmässig nach New York in<br />

die Epizentren der Fleischzubereitung: ins Peter Luger Steakhouse und ins Wolfgang’s<br />

Steakhouse. Das Neueste seien aktuell in weicher Butter getrocknete Stücke, luftdicht<br />

von der weichen Fettmasse umhüllt. «Ich experimentiere gerade mit dieser Methode –<br />

fürs Churrasco allerdings», ergänzt er. Mit seinem Vater hat er sich nämlich wieder<br />

versöhnt und führt seit dem 1. August neben seinem Lokal auch wieder das Steakhouse<br />

an der Glockengasse.<br />

Dry Aged<br />

Dry Aged Beef ist im Trend. Auf Deutsch wird der Reifeprozess<br />

auch als «Abhängen» bezeichnet. Simon lässt das<br />

Fleisch mit Knochen zwischen 30 und 90 Tagen im Schrank<br />

keimfrei bei konstant 1,5 Grad Celsius und 80 Prozent Luftfeuchtigkeit<br />

über Himalayasalz-Steinen reifen. Der Vorgang<br />

wird konstant überwacht. Beim Prozess bildet sich eine<br />

trockene Schicht, die das Muskelfleisch im Inneren schützt<br />

und zur Ausbildung der Aromen führt. Die mikrobiotischen<br />

Enzyme, die der Knochen abgibt, intensivieren das Aroma.<br />

Die Reifung macht das Fleisch mürbe und die Fasern weicher.<br />

Je nach Dauer verliert das Fleisch zwischen 20 und 32<br />

Prozent an Gewicht. Bei der Butter-Reifung beträgt die Reduktion<br />

etwa zehn Prozent. Um den Verlust zu verkleinern,<br />

werden möglichst grosse Stücke gereift.


UNO — Amici<br />

46<br />

UNO — Amici<br />

47<br />

Selbst ist der Mann, aber im Team macht’s doppelt Spass: Kumar und Molla bürgen für die Qualität.<br />

Simon’s Steakhouse<br />

Niederdorfstrasse 13<br />

8001 Zürich<br />

+41 44 260 56 46<br />

simon-steakhouse.ch<br />

Täglich geöffnet von 11 bis 24 Uhr


UNO — Veneto 48 UNO — Amici<br />

49<br />

Ehrliche<br />

Leidenschaft<br />

Collazzi? Was für ein Wein! Bruno Rampinelli vom Geissmatt in Luzern verwendet keine Angebots-Karte.<br />

Bild: Torvioll Jashari<br />

Text: Jan Graber


UNO — Amici<br />

51<br />

Seit zehn Jahren führen Bruno und Mary Rampinelli die Geissmatt<br />

in Luzern. Die Gäste wählen nicht aus einer Menükarte. Wie in<br />

manchen Ristoranti in Italien gibt es, was auf den Tisch kommt.<br />

Die Beiz ist Brunos Bühne, und Mary führt Regie.<br />

«Salve! Café?» Einige Augenblicke später: «Ecco qua – per piacere!», und zwei wunderbare<br />

Espressi sowie ein Glas Wasser mit einer darin schwebenden knallroten Johannisbeertraube<br />

stehen auf dem Tisch. «Mary kommt gleich», sagt er, «sie spricht noch<br />

mit dem Polizisten, der im Keller Bier braut.» Neben der Terrasse rauschen die Reuss<br />

und ein Gummiboot mit zwei Sonnenanbetern vorbei, ab und zu rattert ein Zug über<br />

die Brücke, der Sommer ist in voller Fahrt. Bremsen lässt sich auch Bruno Rampinelli<br />

nicht: Wenn der Gastgeber des Restaurants Geissmatt in Luzern loslegt, kommt ein<br />

Mitschreibender nicht mehr mit. Bruno erzählt, als gäbe es kein Morgen; derweil sitzt<br />

seine Lebensgefährtin Mary, die sich mittlerweile zu uns gesellt hat, seelenruhig rauchend<br />

dabei und hört zu. Bei Bedarf ergänzt sie einen Satz, aber eigentlich überlässt sie<br />

lieber Bruno das Rampenlicht. «Zusammen sind wir ein Tsunami», sagt Bruno, grinst<br />

und gibt unumwunden zu, das Restaurant sei seine Arena.<br />

Der gebürtige Italiener, der im Bündnerland aufgewachsen ist, und die Sizilianerin<br />

Mary führen die Geissmatt seit mehr als zehn Jahren. Einst wurden im Quartier<br />

Drogen und andere Sehnsüchte gehandelt, während einiger Jahre war die Geissmatt<br />

eine Fixerstube. Bis sich die Stadt dazu entschied, das Quartier aufzuwerten und das<br />

Gastgeber-Paar fragte, ob sie das Restaurant Geissmatt übernehmen wollten. Bruno<br />

und Mary waren bereits bekannte Namen in der Luzerner Gastronomie, vor der Geissmatt<br />

hatten sie zehn Jahre lang das über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Grottino<br />

13/13 geführt. Schon im Grottino suchten Gäste vergeblich nach einer Menükarte: Auf<br />

den Tisch kam, was sich die Gastgeber ausgedacht hatten und was gerade Saison hatte.<br />

«Unser damaliges Konzept schlug ein wie eine Bombe», sagt Bruno.<br />

Dieses Konzept behielten sie in der Geissmatt bei. Die Gäste lieben es. «Zu uns<br />

kommen Geniesser aus Zürich, Basel, der Westschweiz, eigentlich von überallher»,<br />

sagt Bruno. Und Mary ergänzt: «Millionäre, Studenten, Professorinnen, einfach alle.»<br />

Dass die Geissmatt auf Tripadvisor den ersten Platz der Restaurants von Luzern belegt,<br />

sei ihm jedoch egal, sagt Bruno. Ihn störten auch negative Wertungen nicht. «Mir ist<br />

auch nicht jeder Gast sympathisch», sagt er. Entweder man möge, was sie machen,<br />

oder eben nicht. «Offen und ehrlich» nennt er seine Art.<br />

Doch was könnte man eigentlich nicht mögen in der Geissmatt? Aufgetischt wird<br />

den Gästen nämlich ein Viergangmenü für bescheidene 75 Franken. Die Reise führt<br />

zum Beispiel von einem Linsensalat oder den Miesmuscheln an einem Rahmcurry zur


UNO — Amici<br />

53<br />

Vorspeise über ein Pasta-Gericht als zweiten Gang zum Fisch, Braten oder dem Entrecôte<br />

für die dritte Runde bis hin zum abschliessenden Dessert. Auch für Vegetarier<br />

gebe es immer eine Alternative, er begrüsse es aber, wenn vegane Gelüste im Vorfeld<br />

angekündigt würden. «Multikulti» nennt Bruno die Küche mit Einflüssen aus allen<br />

Ecken und Enden der Welt. Er selbst sei zum Beispiel ein grosser Fan des TV-Kochs<br />

Rick Stein. Sie gingen ebenfalls gerne auswärts essen, er lässt sich aus Zeitschriften<br />

inspirieren, aber auch von Gästen. Das «Carpaccio di Salmona à la Claudia» stamme<br />

von einer regelmässigen Besucherin der Geissmatt. Auch experimentiert Bruno zusammen<br />

mit seinem Koch Felice Di Paulo immer wieder in der Küche. «Felice ist zwar<br />

eine launische Diva, aber der beste Koch, den ich je hatte», sagt er.<br />

Bewährt sind auch die Lieferanten, die die Geissmatt mit frischen, saisonalen<br />

Produkten versorgen. Bruno: «Die Pasta beziehen wir ausschliesslich von Safra, der<br />

lokalen Teigwarenfabrik», sagt Bruno. Roger und Charly würden quasi zur Famiglia<br />

gehören. Das Gemüse und die Früchte hätte er schon im Grottino vom Bauern Seppi<br />

Muff bezogen. «Seine Karotten! Seine Erdbeeren! Nur das Beste!» Dem lokalen Metzger<br />

habe er indessen die Liebe aufgekündigt, gibt er zu. Die Qualität habe nicht gestimmt.<br />

Jetzt bestellt er bei Bianchi, obwohl er die Produkte am liebsten aus der Region bezieht.<br />

Auch bei den Weinen darf die Reise etwas weiter gehen. Zu den Provenienzen<br />

gehören ebenso Tropfen aus der Schweiz wie aus Italien, Spanien und den USA. «Von<br />

<strong>Vergani</strong> picke ich die Perlen», meint er grinsend. Besonders der Collazzi von Lamberto<br />

Frescobaldi sei bei den Gästen sehr beliebt. «Reto <strong>Vergani</strong> ist mir richtig ans Herz gewachsen»,<br />

sagt er.<br />

«Ich habe die Gastronomie einfach im Blut», schliesst Bruno. Seine Eltern seien<br />

Gastronomen gewesen – sowohl Vater wie Mutter waren begnadete Köche, ebenso die<br />

Grosseltern. Schon als Fünfjähriger habe er gewusst, dass er Koch werden wollte, sagt<br />

er und blickt zu Mary. Sie zieht an der Zigarette. Sie ist die stille Kraft hinter dem<br />

extrovertierten Zampano. Seit 25 Jahren. «Wenn er mir zu viel wird, schicke ich ihn<br />

zum Fliegenfischen», sagt sie. Bruno: «Ich liebe Fliegenfischen!»<br />

Restaurant Geissmatt<br />

St. Karlistrasse 13A<br />

6004 Luzern<br />

+ 41 41 361 13 13<br />

geissmatt.ch<br />

Di bis Sa: 18 bis 23.30 Uhr<br />

Seit zehn Jahren steht Bruno auf der Beizenbühne, und Mary Rampinelli führt Regie in der Geissmatt in Luzern.


UNO — Amici<br />

54<br />

In Windeseile<br />

aufgefrischt<br />

Bild: Torvioll Jashari<br />

Text: Andrin Willi


UNO — Amici<br />

56<br />

Philippe Roschy und François Baumann haben im Februar dieses<br />

Jahres die Pacht der legendären Auberge aux 4 Vents bei Fribourg<br />

übernommen. Mit Engagement, Respekt und vereinten Kräften<br />

wirbeln die beiden durchs legendäre Gasthaus und bringen es auf<br />

Vordermann.<br />

Boucher-Cuisinier steht auf der Visitenkarte von Philippe Roschy. Dort könnte auch<br />

Directeur stehen oder CEO. Wobei Boucher-Cuisinier mehr über den umtriebigen<br />

Gastro-Unternehmer (41) aussagt, als man denkt. Seit 2011 führt er erfolgreich die<br />

Brasserie Le Boulevard 39 in Fribourg, wo nicht nur Alain Berset gerne einkehrt,<br />

sondern «tout» Fribourg. Die Türen der Metzgerei, die seit 75 Jahren im Familienbesitz<br />

ist, wurden allerdings im Jahr 2015 für die Privatkundschaft geschlossen. Philippe<br />

Roschy betreibt die Metzgerei dennoch weiter. Er nutzt sie als exklusive Produktionsstätte<br />

für die Brasserie. <strong>No</strong>ch bis ins Jahr 2015 und während 40 Jahren übrigens traf<br />

man seine Eltern (Monique und Hubert) mittwochs und samstags an ihrem Stand auf<br />

dem Wochenmarkt an. «Mein Vater war nie krank, auch heute noch steht er mir mit<br />

Rat und Tat zur Seite», sagt Sohn Philippe und lächelt. «Von ihnen habe ich gelernt,<br />

was Arbeit heisst», fügt der zweifache Vater, Metzgermeister und Koch an.<br />

Nicht irgendwo hat er den Kochberuf erlernt, sondern bei Didier de Courten, auf<br />

einem Niveau von zwei Michelin-Sternen und 19 Gault-Millau-Punkten. «Beruflich<br />

und menschlich ein Vorbild», so Roschy. De Courten macht es ihm heuer gleich, denn<br />

per Ende des Jahres will der Spitzenkoch sein Gourmetrestaurant schliessen und sich<br />

voll und ganz auf die eigene Brasserie konzentrieren. Unkomplizierte Qualität kommt<br />

immer gut an, und es scheint auch das Erfolgsrezept von Roschy zu sein, der gemeinsam<br />

mit dem Hotelier François Baumann per Februar dieses Jahres die weitherum bekannte<br />

Auberge aux 4 Vents übernommen hat. Voilà, da stehen wir nun.<br />

In voller Pracht steht vor allem der harmonische Garten, der ums Haus gewachsen<br />

ist. Die uralten Bäume, das Schwimmbad, die Kunst, die Tische, Stühle, Bänke,<br />

buntes Licht; alles erinnert an ein Gesamtkunstwerk – vor 25 Jahren vom 2019 verstorbenen<br />

Filmemacher Res Balzli geschaffen. Ein Ort des kulturellen Austausches, des<br />

Aufeinandertreffens, der Lebhaftigkeit, des Unangepassten, des Ruhigen und Lauten.<br />

Traumhaft schräg und ganz schön mutig, dieser Entscheid, den Roschy und Baumann<br />

seit Februar dort umsetzen. «Wir wollten, dass das bedeutsame Haus von engagierten<br />

Fachleuten aus Fribourg betrieben wird. <strong>No</strong>us avons l’envie de donner le meilleur de<br />

soi-même», sagt er betont zweisprachig. Ein Handschlag zwischen den beiden habe<br />

genügt. «Wir vertrauen uns.» Schliesslich seien sie in der Stadt gemeinsam beruflich<br />

aufgewachsen.<br />

Typisch Roschy<br />

In erfolgreichen Gastronomiekonzepten findet sich oft<br />

ein Signature-Gericht. In der Auberge aux 4 Vents, so hofft<br />

Roschy, wird es das Filet de Bœuf Rossini werden. Die<br />

Foie gras, die es dazu braucht, stellt der Metzgermeister<br />

mit besten Zutaten her. Vertrieben wird die auserlesene<br />

«Foie gras de canard au Torchon» unter anderem auch von<br />

Manor. Infos: foiegras.ch<br />

Auberge aux 4 Vents<br />

Grandfey <strong>12</strong>4<br />

1763 Granges-Paccot<br />

+41 26 321 56 00<br />

auberge4vents.ch<br />

Di bis Sa: 7 bis 24 Uhr<br />

So: 8.30 bis 18 Uhr


UNO — Amici<br />

58<br />

François Baumann (37) ist ebenfalls kein Unbekannter. Er führt unter anderem das<br />

Hotel Alpha, und wenn Roschy Präsident der lokalen Sektion von Gastro Fribourg<br />

Ville ist, so ist Baumann im Vorstand der lokalen Sektion der Hoteliers. Und genau<br />

so haben sich die beiden Zugtiere auch die Kompetenz in den vier Winden aufgeteilt.<br />

Roschy verantwortet die Gastronomie, Baumann die Hotellerie. Neun individuelle<br />

Zimmer, 80 Terrassenplätze, 40 Restaurantplätze, eine gemütliche Bibliothek, «die man<br />

auch exklusiv mieten kann», und noch viel mehr Entdeckenswertes bietet die Auberge<br />

aux 4 Vents, die man definitiv besser erlebt statt beschreibt, wobei die Geschichte von<br />

Schloss Grandfey kein unbeschriebenes Blatt ist. Im 17. Jahrhundert wurde es von der<br />

Westschweizer Adelsfamilie Boccard als Sommerresidenz und Jagdsitz in Auftrag gegeben.<br />

Der letzte illustre Eigentümer vor Res Balzli war der Zigarettenhersteller und<br />

Parisienne-Gründer Robert Burrus, ein Nachfahre der jurassischen Tabakdynastie<br />

Boncourt. Er kaufte und bezog das «Schloss» 1959 mit seiner Frau und den acht Kindern.<br />

Zurück ins Jetzt. Stammgäste aus der Deutschschweiz kämen nach wie vor viele,<br />

aber auch aus Lausanne und Genf, erzählt Roschy. «Und klar möchten wir, dass die<br />

Fribourger hierherkommen. Sei es zum Kaffee, zum Entspannen oder zum Essen.»<br />

Weit über die Kantonsgrenzen hinaus bekannt ist das Zimmer Nummer drei. Warum?<br />

Na! Weil sich auf einer kleinen Empore, die man über ein Treppchen erreicht, eine<br />

Badewanne auf Schienen befindet. Diese Wanne lässt man sich schön warm ein und<br />

drückt dann den ominösen Knopf. Zack, das Fenster öffnet sich, und die Badewanne<br />

setzt sich in Bewegung, hinaus, hinfort, an die Frischluft. «An den Wochenenden ist<br />

das Zimmer auf ein halbes Jahr im Voraus reserviert», sagt Roschy. Kunststück: Die<br />

Badewannen-Aussicht über die Stadt ist ergreifend. Reduzieren sollte man die Auberge<br />

indes nicht nur auf dieses eine Zimmer, denn jedes einzelne bietet Suchtpotential.<br />

«Ich liebe das Poya-Zimmer, früher hiess es Babylon», sagt Roschy und erklärt<br />

auch gleich warum: «Barock, mit Blick auf die Poya-Brücke und die Altstadt, wo ich<br />

wohne.» Oberhalb der Metzgerei, meint er. Dort geht sein Tag um sechs Uhr morgens<br />

los. Er richtet die Bestellungen für die Brasserie her und liefert sie gleich selbst<br />

aus. «Mittagsservice in der Auberge aux 4 Vents, in der Zimmerstunde spiele ich mit<br />

meinen Kindern Jade und Eden, den Abendservice schmeisse ich dann in der Küche<br />

der Brasserie», resümiert er. «Morgens früh aufstehen, abends spät ins Bett, ich brauche<br />

wenig Schlaf», fügt er an und betont, wie wichtig es sei, dass seine Kinder in der<br />

Auberge auch einfach einmal ins Schwimmbad springen könnten, während er mit den<br />

Gästen spricht. Wer stur zwischen Arbeit und Freizeit trennt, wird das kaum verstehen,<br />

aber um Roschy ist es geschehen. «Wenn man im Garten der Auberge aux 4 Vents zu<br />

arbeiten beginnt, will man nicht mehr weg», sagt er. Das habe seine Tochter Jade, die<br />

jetzt zwölf Jahre alt ist, auch erlickt. Sie habe Freude am Umgang mit den Gästen.<br />

Servieren. Lächeln. Verwöhnen. Gastgeber, das ist man – oder man ist es eben nicht.<br />

Ab in die Wanne: Philippe Roschy und François Baumann führen seit<br />

Februar freudvoll die Auberge aux 4 Vents in Granges-Paccot.


UNO — Veneto 61<br />

Einen Gang zurückschalten kommt für ihn nicht infrage. Ganz im Gegenteil. Ob als<br />

Restaurateur, als Berater oder Geschäftsführer, langweilig wird ihm nach seiner Pensionierung<br />

nicht. Lieber mag er «durchstarten». Ein Gesprächslunch mit Jan E. Brucker im<br />

neuen Restaurant seiner Familie.<br />

«Mittelmass widerstrebt mir.»<br />

Sind Sie besser im Aufbauen oder im Aufhören?<br />

Ich beweise ja, dass ich beides kann. Wenn man etwas<br />

über längere Zeit gemacht hat, muss man irgendwann<br />

einmal den Schritt zu Neuem wagen. So richtig aufhören<br />

mag ich aber nicht, weil ich ein passionierter Gastgeber bin<br />

und es mir schwerfällt, auf einen Schlag alles loszulassen.<br />

Also – ein Restaurant eröffnen?<br />

Das Lumière ist eine Family-Affair.<br />

Ihre beiden Kinder Janina und Luis werden das Restaurant<br />

– vis-à-vis dem Widder – operativ leiten. Was<br />

empfinden Sie dabei, wenn Sie quasi vom Mittagstisch<br />

aus direkt auf Ihr ehemaliges Büro blicken?<br />

Viele Freunde und Bekannte können nicht verstehen,<br />

dass ich mir das antue. Ich habe null Probleme<br />

damit und gleichzeitig grösstes Verständnis dafür, dass<br />

man im Widder neue Wege geht. Meine Frau Regula<br />

und ich haben uns abgenabelt, und ehrlich gesagt schaue<br />

ich gerne rüber, aber ich vermeide es noch, das Lokal zu<br />

betreten. Das hat mit Respekt gegenüber dem Freiraum<br />

für die dortige Crew und dessen Führung zu tun. Für uns<br />

geht hier ein neuer Abschnitt los.<br />

Mit ein wenig Wehmut.<br />

Was war, das war, und es war schön. <strong>No</strong> regrets.<br />

So haben Sie im Alter von 66 Jahren die Brucker Hospitality<br />

Consulting GmbH gegründet und dazu die Geschäftsführerrolle<br />

bei Swiss Deluxe Hotels übernommen. Warum<br />

kommt die ruhige Kugel für Sie nicht infrage?<br />

Sie entspricht nicht meinem Naturell. Auch fühle<br />

ich mich noch zu jung. Die Faszination ist immer noch<br />

da und das Betätigungsfeld zu spannend, um es aufzugeben.<br />

Warum sollte ich also aufhören, wenn es doch<br />

Spass macht?<br />

Wollten Sie beide nicht «ausspannen» und «verreisen»?<br />

Wir sind schon verreist, aber wenn man durchstarten<br />

will, muss man auch die Gelegenheit beim Schopf<br />

packen. Ferner glaube ich, Regula hatte Horror davor,<br />

mich daumendrehend zu Hause zu sehen und ihr womöglich<br />

auf den Wecker zu gehen. Ferner beweist sie<br />

selbst, dass sie nicht aufhören mag. Im Lumière sind wir<br />

gleichberechtigte Gesellschafter. Sie ist zudem für die<br />

Administration zuständig, wobei auch sie noch andere<br />

Projekte weiterverfolgt.<br />

Bild: Dominik Hodel<br />

Text: Andrin Willi


UNO — Amici<br />

63<br />

Zu den Swiss Deluxe Hotels gehören 40 der schönsten<br />

Fünfsternehotels der Schweiz, die Vereinigung gibt es<br />

seit 1934. Sie wechseln vom Präsidenten zum Geschäftsführer.<br />

Warum?<br />

Eine berechtigte Frage. Auch das eine Gelegenheit,<br />

die sich nach dem Ausscheiden des bisherigen Geschäftsführers<br />

anerboten hatte. Ich musste mich mit dem<br />

Rollenwechsel zuerst auseinandersetzen, denn jetzt muss<br />

ich mich vertieft mit Themen beschäftigen, die ich früher<br />

ausschliesslich aus strategischer Sicht kannte. Der Blickwinkel<br />

ist operativer. Auch neu für mich ist die Unternehmerrolle.<br />

Ich war mein Leben lang im Angestelltenverhältnis<br />

und konnte jederzeit auf einen grösseren<br />

Mitarbeiterstab zurückgreifen. In einem kleinen Team<br />

ist man gegenseitig aufeinander angewiesen. So muss ich<br />

lernen, meinen Alltag besser, ja anders zu strukturieren,<br />

wobei ich jederzeit auf die kompetente Unterstützung<br />

meiner beiden Mitarbeiterinnen zählen kann.<br />

Was können Ihre Kinder von Ihnen lernen?<br />

Die Vermittlung der Bedeutung von Gastgebertum<br />

und das Verständnis für unseren Beruf schlechthin. Beides<br />

jahrelange Prozesse. Offenbar wirkten die Freude und die<br />

Passion von uns Eltern ansteckend auf sie, denn sowohl<br />

Janina als auch Luis haben das Hotelfach erlernt. Und nun<br />

wagen sie sich in die Selbständigkeit mit einem etablierten<br />

Gastronomiebetrieb. Um auf die Frage zurückzukommen:<br />

die Einstellung zum Beruf.<br />

Paradox, denn Sie selbst haben sich ja die Konkurrenz ums<br />

Lumière geschaffen.<br />

Damals hatten die Kinder jedenfalls Freude, als ihre<br />

crazy Eltern Konzepte wie das AuGust oder die Widder<br />

Garage entwickelten und erfolgreich eröffneten. Ich bin<br />

mir also fast sicher, dass unsere Kinder gerne auf unseren<br />

Rat hören.<br />

Was würden Sie Ihnen nicht empfehlen?<br />

Schwierige Frage. Kaputte Glühbirnen?<br />

Oder anders gesagt?<br />

Ein gastronomisches Erlebnis hängt stark von<br />

kleinen Details ab, und zusammen mit dem Einsatz aller<br />

Beteiligten des Teams kann das Erlebnis für den Gast überdurchschnittlich<br />

ausfallen. Als Geschäftsführer hat man<br />

jedoch auch eine Vorbildfunktion, man wird beobachtet.<br />

Auch das gilt es zu beachten. Und in diesem Zusammenhang<br />

stelle ich fest, dass die jüngere Generation lernen muss,<br />

eine gewisse Ausdauer für etwas zu entwickeln. Wenn man<br />

Spass hat, spielt Zeit keine Rolle mehr. Ich würde ihnen<br />

darum nicht empfehlen, auf die Uhr schauen zu müssen.<br />

Weil Ihre Kinder auch der Generation Ungeduld angehören?<br />

Ja, aber sie wissen zum Glück, wie ihre Eltern ticken.<br />

Unser Beruf hat immer mit Qualität zu tun, egal ob man<br />

eine Berghütte oder ein Fünfsternehotel betreibt. Mittelmass<br />

widerstrebt mir. Das Lumière ist kein Luxusrestaurant,<br />

aber wenn eine Glühbirne kaputt ist, wird das Lokal<br />

seinem Namen nicht gerecht.<br />

Wie betreibt man ein Restaurant erfolgreich?<br />

Indem man sich treu bleibt, sich dem Konzept verschreibt,<br />

es konsequent verfolgt und lebt. Ja, es braucht<br />

eben eine nötige Ausdauer und Geduld, bis ein Konzept<br />

greift. Und es bedingt, dass man seine Hausaufgaben im<br />

Vorfeld gemacht hat. Im Lumière wurden sie immer gemacht.<br />

Man blieb sich treu, und es wäre jetzt falsch und<br />

komplett am Konzept vorbei gewirtschaftet, wenn wir zum<br />

Beispiel ein Wienerschnitzel auf die Karte setzen würden.<br />

Ein erfolgreiches Konzept ist schlank, und es sollte sich<br />

niemand darin verzetteln.<br />

Wenn Sie nochmals wählen könnten: Gastgeber oder<br />

Architekt?<br />

Gut recherchiert! Gastgeber. Eindeutig.<br />

Sie haben in den letzten Jahren immer wieder mit Tilla<br />

Theus zusammengearbeitet. Was kennzeichnet diese<br />

Zusammenarbeit?<br />

Hotelier aus Leidenschaft ...<br />

ist Jan E. Brucker (66) geworden und eben kein Architekt,<br />

wobei ihn auch dieses Feld interessiert hätte. Der gebürtige<br />

Oltner war 1981 bei der Eröffnung des durch die Peninsula<br />

Hotelgruppe geführten Jianguo Hotels in Beijing dabei,<br />

später im Peninsula Hongkong beschäftigt. In der Schweiz<br />

arbeitete er in verschiedenen Hotels, so auch im Victoria<br />

Jungfrau Grand Hotel in Interlaken, wo er seine Frau Regula<br />

(56) kennenlernte. Die beiden führten gemeinsam Hotels<br />

in Merligen, Zermatt und Gstaad. Nach erfolgreicher Neueröffnung<br />

des Swissôtel Berlin im Jahr 2001 durch Brucker<br />

als General Manager leiteten sie von 2001 bis 2020 gemeinsam<br />

das Widder Hotel am Zürcher Rennweg. Ihre beiden<br />

Kinder Janina (29) und Luis (26) übernehmen die Leitung des<br />

Restaurants Lumière in Zürich, gestalterisch werden sie<br />

von ihrer Schwester Gioia (24) unterstützt. Brucker ist Geschäftsführer<br />

der Swiss Deluxe Hotels (swissdeluxehotels.com)<br />

und übt zudem diverse Verwaltungsratsmandate innerhalb<br />

der Schweizer Hotellerie aus.<br />

«Ein gastronomisches<br />

Erlebnis hängt stark von<br />

kleinen Details ab,<br />

und zusammen mit dem<br />

Einsatz aller Beteiligten<br />

des Teams kann das<br />

Erlebnis für den Gast<br />

überdurchschnittlich<br />

ausfallen.»<br />

Wir waren ein sehr gutes, eingespieltes Gespann.<br />

Von ihr konnten Regula und ich viel lernen. Aber sie liess<br />

auch zu, dass wir bei den zahlreichen Um- und Neubauten<br />

sowie Renovationen auch unsere Kreativität und professionelle<br />

Erfahrung miteinbringen konnten. Das war grossartig.<br />

Was haben beide Berufe gemein?<br />

Sie gehen auf Menschen und ihre Bedürfnisse ein.<br />

Kreativität spielt bei beiden Berufen eine wesentliche Rolle.<br />

Und der Sinn fürs Schöne, fürs Ästhetische.<br />

Gastronomie oder Hotellerie?<br />

Ein Mix aus beidem. Im Hotel kommt man als<br />

Gastgeber mit einem weiteren Umfeld in Kontakt, was die<br />

Hotelgäste betrifft. Aber ein Hotel ohne Gastronomie ist<br />

ein seelenloses Haus. Die Gastronomie gibt einem Hotel<br />

das gewisse Flair, sie bringt Leben und Stimmung in die<br />

«Bude».<br />

Was ist Luxus?<br />

In einer schnelllebigen und unsicheren Zeit bekommt<br />

der Begriff eine andere Bedeutung, aber ich finde<br />

die Frage etwas abgedroschen ...<br />

... wie manifestiert sich also die andere Bedeutung von<br />

Luxus?<br />

Die Luxushotellerie, wie wir sie kennen, hat ihre<br />

Berechtigung, und es gibt eine Schicht von Menschen, die<br />

diese Art von Lifestyle schätzt. Mehr und mehr versteht<br />

man den Begriff aber auch in Zusammenhang mit einem<br />

Hotel als Ort des Rückzuges, der Selbstfindung. Das Weniger<br />

wird zum Mehr.<br />

Wie soll ich mir einen Jan E. Brucker im Camper vorstellen?<br />

Gar nicht! Schon das Wort bedeutet für mich Stress.<br />

Ich müsste mich winden und drehen, um Gefallen daran<br />

zu finden. Ich meine, Luxus ist alles, was Freude bereitet,<br />

woraus man Genuss zieht und woran man Gefallen findet.<br />

Und so wird auch der Rückzug, ja die Entschleunigung bei<br />

manchem als Luxus entdeckt. Auch die ganze Thematik<br />

um die Gesundheit gewinnt zunehmend an Bedeutung und<br />

damit einhergehend auch Fitness, Wellness und selbstverständlich<br />

die Ernährung. Hier braucht es konzeptionelle<br />

Anpassungen, neue Arten der gesunden Ernährung, die<br />

aber auch wirtschaftlich umsetzbar sein müssen.<br />

Restaurant Lumière<br />

Widdergasse 5, 8001 Zürich<br />

T +41 44 211 56 65, restaurant-lumiere.ch<br />

Di bis Fr 11.30 bis 14.30 Uhr und 18 bis 23 Uhr<br />

Sa <strong>12</strong> bis 14.30 Uhr und 18 bis 23 Uhr


DUE — Artigianale<br />

65<br />

DUE


DUE — Artigianale<br />

66<br />

«Marmor ist<br />

meine<br />

Leinwand.»<br />

Bild: Alessandro Furchino Capria<br />

Zitat: Fabio Viale


Für den italienischen Bildhauer Fabio Viale ist Marmor «sehr<br />

empfindlich» und wie Papier. Seine riesigen marmornen<br />

Papierflieger unterstreichen diesen Gedanken. «Marmor ist<br />

meine Leinwand, ein weisses, neutrales Material, aus dem<br />

ich alles machen kann», sagt er. «Ein Schlüssel zu allem»,<br />

doppelt er nach. Zu einem Boot, zum Beispiel. Oder zu einem<br />

platten Reifen. Viale hat es geschafft, Marmor akribisch und<br />

radikal neu zu interpretieren – seine «Gioconda» in Styroporoptik<br />

steht Modell dafür. Begonnen hat die Auseinandersetzung<br />

mit dem metamorphen Gestein bereits im Alter von<br />

16 Jahren, seither fesselt ihn das plastische Formen der<br />

rohen Blöcke. Einfach sei seine Karriere aber nicht verlaufen,<br />

den ersten Sommerurlaub habe er sich zum Beispiel erst<br />

im Alter von 31 Jahren erlaubt. «Früher konnte ich mir nur ein<br />

Fahrrad leisten und musste im Sommer für Marmorarbeiter,<br />

Friedhöfe und Restauratoren arbeiten, um neue Kunstobjekte<br />

finanzieren zu können, die regelmässig unverkauft bleiben<br />

mussten», erklärte er in einem Interview anlässlich seiner Ausstellung<br />

«In Stein gemeisselt», die 2018 in München stattfand.<br />

Fabio Viale (45) hat in Turin studiert und das Handwerk der<br />

Bildhauerei in Carrara erlernt. Er lebt und arbeitet in Turin.<br />

Info: fabioviale.it


DUE — Artigianale<br />

74<br />

UNO — Veneto 75<br />

Ulrich Ziegler mag keine halben Sachen. Lieber denkt er weit, tief und gross.<br />

Aber nicht lautstark, eher locker. Mit einem Lächeln im Gesicht und nach einer Suche,<br />

die ihn 30 Jahre beschäftigt hat, stürzt er sich im Pensionsalter ins Wein-Abenteuer<br />

seines Lebens.<br />

Auf, Bauer Ziegler<br />

In Mittagshitze. Juli. Montescudaio. Costa Toscana.<br />

Die Läden sind dicht. Das Dörfchen leer. Vor vierzig<br />

Jahren war Montescudaio in Weinkreisen bekannt,<br />

Bolgheri nicht. Heute ist das Gegenteil der Fall. Beste<br />

Voraussetzungen für einen wie Ulrich Ziegler (64). Aber<br />

eben. Step by step. «Ich habe 30 Jahre nach einem<br />

Weingut gesucht», erzählt er und fügt an, dass er eigentlich<br />

in Deutschland fündig geworden sei. «Kurz vor<br />

dem <strong>No</strong>tartermin bekam ich allerdings Zweifel.» Abgewunken<br />

habe er. Seinen Traum habe er langsam zu<br />

begraben begonnen. Bis zum Tag, an dem der Anruf<br />

kam. Und dann, nach einer kurzen Stippvisite, ging<br />

alles schnell. «Der Ort hat mich berührt, und irgendetwas<br />

hat mich magisch angezogen», sagt er. Das war<br />

2015. Im Frühling 2016 besiegelte er den Kauf des 2006<br />

gegründeten Weingutes Colline di Sopra in der sagenhaften<br />

DOC Montescudaio. Der Ort strahle Ruhe aus.<br />

Sagt er. Doch seit er da ist, bleibt kein Stein mehr auf<br />

dem anderen. «Ich wollte ein bestehendes Weingut, das<br />

zu mir passt, das ich weiter aufbauen kann, an einem<br />

Ort mit Potential. So wurde ich rasch in die Weinbereitung<br />

des Jahrgangs 2015 einbezogen», sagt er noch;<br />

aber mehr noch nicht. «Ein guter Wein muss zeigen,<br />

dass etwas an ihm anders ist. Er muss ein Lächeln ins<br />

Gesicht bringen», fügt er an. Klingt nach Kitsch. Aber<br />

es funktioniert. Und das könne er beweisen. Als ob es<br />

nicht schon Beweis genug wäre, dass ein mit allen Weinen<br />

gewaschener Reto <strong>Vergani</strong> kurzerhand einen Quattroporte<br />

des Autopartners Maserati testete, um die<br />

Strecke von der Zentralstrasse 141 an die Via delle Colline<br />

17 schnell und entspannt hinter sich zu bringen.<br />

Da stehen wir nun, während Ulrich Ziegler bereits<br />

drei Schritte weiter ist. 50 Hektar hat er dazuerworben,<br />

in Montescudaio, auf der anderen Hügelseite<br />

des Weingutes. <strong>12</strong> Hektar davon, mit Blick aufs Meer,<br />

konnten bereits mit Reben bestockt werden. «Bonanza»,<br />

sagt <strong>Vergani</strong>. «Monte Petruzzi», sagt Ziegler. «Der<br />

Boden ist eisenhaltig, nord-westliche Richtung, die<br />

alten Bauern haben bekräftigt, das sei das beste Land<br />

im Ort. Zehn Kilometer vom Meer entfernt», sagt Ziegler,<br />

Ulrich Ziegler hat noch viel vor auf seinem Weingut. → S. 75<br />

Bild: Lukas Lienhard<br />

Text: Andrin Willi


DUE — Artigianale<br />

77<br />

«Der Boden ist eisenhaltig, nord-westliche Richtung,<br />

die alten Bauern haben bekräftigt, das sei das<br />

beste Land im Ort. Zehn Kilometer vom Meer entfernt»,<br />

sagt Ulrich Ziegler.


DUE — Artigianale<br />

79<br />

«Ein guter Wein muss zeigen, dass etwas an ihm anders ist.<br />

Er muss ein Lächeln ins Gesicht bringen.»


DUE — Artigianale<br />

81<br />

und wer ihn kennt, weiss, dass er akribisch auch Bodenanalysen<br />

ausgewertet hat. Die neuen Reben stehen. Im<br />

untersten Teil, auf 50 Metern über Meer, liess er auf<br />

zwei Hektar Viognier pflanzen. Bis auf den obersten<br />

Teil, auf <strong>12</strong>0 Metern über Meer, kamen Syrah, Merlot,<br />

Cabernet Sauvignon und Petit Verdot zu stehen. «Unglaublich»,<br />

sagt <strong>Vergani</strong>. «Die Abendsonne?», fragt<br />

Ziegler.<br />

Einsteigen. Weiterfahren. «Vor einem Jahr habe<br />

ich meine Unternehmung, die Specken Drumag Gruppe,<br />

verkauft, jetzt lebe ich hier und mache die Sache fertig.<br />

Fertig heisst, dass es nie fertig ist, aber genau das macht<br />

mir Spass», erzählt er auf dem Weg zur nächsten Reblage.<br />

Mit 64 und nach einer internationalen Karriere<br />

kommt für ihn der Ruhestand nicht infrage. Aber für<br />

wen macht er das eigentlich? «Für mich», sagt er wie<br />

aus der Pistole geschossen, er habe ja noch ein paar<br />

Jahre zu leben und da wolle er noch etwas bewegen,<br />

Einsaaten. Rigoroser Selektion im Rebberg. Dynamisierung.<br />

Mondphasen. Et cetera. «Ich will gesunde Weine<br />

trinken, und meinen Mitarbeitenden mag ich Rückstände<br />

nicht zumuten», sagt er. Und noch etwas zum<br />

Thema Handarbeit: «Letzten Herbst stand auch ich vier<br />

Wochen am Vibrationstisch und habe Trauben ausgemustert.<br />

Das mache ich nicht mehr mit! Jetzt habe ich<br />

eine optische Selektionsmaschine gekauft», sagt er. Den<br />

folgenden Satz bräuchte er nicht mehr hinzuzufügen.<br />

«Heute sagen die Leute, wir hätten nach vier Jahren das<br />

beste Weingut in Montescudaio geschaffen. Dass das<br />

so schnell geht, ist man sich hier nicht gewohnt», erzählt<br />

er, und da ist es. Das Lächeln im Gesicht. «Wir<br />

nehmen die Sachen in die Hand und machen. Diskutieren?<br />

Ja. Überlegen. Ja. Und dann: Machen.»<br />

Zum Glück sei Gianluca Matia, der langjährige<br />

Kellermeister, der in der Region alle bestens kennt, auf<br />

derselben Linie, denn nicht nur die Rebfläche (sie wird<br />

«Heute sagen die Leute, wir hätten nach vier Jahren das<br />

beste Weingut in Montescudaio geschaffen.<br />

Dass das so schnell geht, ist man sich hier nicht gewohnt.»<br />

anpacken. «Ich baue etwas für die nächsten 30 Jahre<br />

auf», sagt er und fügt an, dass seine Eltern schliesslich<br />

90 Jahre alt seien und ja, nun ja. Am Fusse des zweiten<br />

«neuen» Rebberges ist der Boden ein anderer. Lehm.<br />

Sand. 7 Hektar. Cabernet Franc. Cabernet Sauvignon.<br />

Petit Verdot. «Im Januar gekauft», sagt er, und so langsam<br />

beginnt man ob seinem schwindelerregenden Tempo<br />

zu staunen, denn der Bau einer neuen Weinkellerei steht<br />

an. Zehn Meter tief. Strahlenfreier Barrique-Keller.<br />

Modernes Design. «Einmalig», so Ziegler. Investitionen<br />

so far? Ziegler zeigt sich bedeckt: «Es kostet jedes Jahr.<br />

Immer geht etwas kaputt.» Die Zehn-Millionen-Franken-Grenze<br />

wird er bald knacken.<br />

Auch weil im Juli dieses Jahres noch ein weiterer<br />

Rebberg, diesmal 8 Hektar, dazukommt. «In 5 Jahren<br />

werden wir also verdammt viel zu tun haben», resümiert<br />

er. Vor allem, wenn man weiss, wie hier gearbeitet<br />

wird. Biodynamisch. In Handarbeit. Mit gezielten<br />

sich bis Ende Jahr auf circa 30 Hektar belaufen), auch<br />

das neunköpfige Team wächst, und die Mitarbeitenden<br />

sind Ulrich Ziegler enorm wichtig. «Ich habe eine<br />

Firma im Bereich Fluidtechnik und Elektronik mit 200<br />

Angestellten aufgebaut, und als gelernter ETH-Agronom<br />

habe ich keine Angst, dass wir Colline di Sopra<br />

nicht ordentlich führen können», sagt er und fügt entspannt<br />

hinzu: «Entscheidend ist aber nicht nur das<br />

Terroir.» Er kommt ins Erzählen: «Als ich ankam, sah<br />

ich die sechs Traubensorten und degustierte sie aus dem<br />

Tank. Ich merkte sofort, dass ich etwas anderes machen<br />

wollte. Keinen Blend. Der Önologe ist ausgerastet und<br />

hat seinen Job hingeschmissen. Seither mache ich das<br />

selber. Das geht, du musst einfach wissen, was du<br />

machst und was du willst. Ich bin kein Bordeaux-Fan,<br />

darum will ich auch nicht an einem Blend herumbasteln.<br />

Lieber versuche ich, mit den einzelnen Traubensorten<br />

zu arbeiten und das zu nehmen, was die Sorte bietet.


DUE — Artigianale<br />

82<br />

DUE — Artigianale<br />

83<br />

Das macht hier niemand», erklärt er. Und wir sprechen<br />

von: Sangiovese, Merlot, Syrah, Cabernet Franc, Petit<br />

Verdot, Cabernet Sauvignon, Viognier und Roussanne.<br />

Im Keller sind sie alle gleich, sprich, Ziegler möchte sie<br />

mehr oder weniger gleich ausbauen, und so entstehen<br />

sortenreine Weine voller Tension und Kompaktheit.<br />

Konzentriert, aber nicht üppig, keine schwerfälligen<br />

Alkohol- und Tanninbomben also. «Lieber mag ich den<br />

Burgunderstil implementieren», erklärt er, aber das sagt<br />

sich leicht.<br />

«Nach meiner Studienzeit konnte ich bei DRC<br />

und in der Domaine Leroy unter der Anleitung von<br />

Lalou Bize-Leroy arbeiten. Das übertrage ich jetzt,<br />

35 Jahre später, in die Toscana», fügt er an, ganz unbescheiden.<br />

Im blitzblanken Keller versteht man ihn,<br />

auch wenn er murmelt: «Kaltmazeration. Circa 25 Tage<br />

Mazerationszeit. Abstich. Keinen Presswein. Neue<br />

Icône- Barriques von Seguin Moreau. Batonage. 2 Jahre.<br />

Schwefel erreicht den Wein erst danach, kurz vor dem<br />

Abfüllen und minimal.» Und die Weissweine? «Es ist<br />

anspruchsvoll, hier gute Weissweine herzustellen. Ich<br />

mag keine süffig ausgebauten Vertreter, ich liebe weisse<br />

Burgunder und die Weissweinstilistik des Rhônetals.<br />

Weissweine mit Potential. Viognier ist im Kommen, mit<br />

einer halben Hektare Roussanne machen wir erste Gehversuche»,<br />

erklärt er mit der Pipette in der Hand. Wir<br />

schwenken die Gläser. Und verstehen das Geheimnis<br />

immer noch nicht ganz, wie diese natürliche Konzentration<br />

so frisch daherkommen kann. Im Durchschnitt<br />

werden weniger als 3 dl Wein pro Quadratmeter hergestellt.<br />

«Diese Ertragsmenge kann man mit einem<br />

grossen Chambertin vergleichen», so Ziegler. Ist es das,<br />

was er gefunden hat? Balance?<br />

Ulrich Ziegler mag keine Bordeaux-Weine. Darum werden<br />

bei ihm alle Rebsorten gleich, aber separat und in purezza<br />

vinifiziert. Derzeit im Programm: Sangiovese. Merlot.<br />

Syrah, Cabernet Franc, Cabernet Sauvignon, Viognier, Petit<br />

Verdot, Roussanne. Da staunt sogar Reto <strong>Vergani</strong>.


UNO — Veneto 84 DUE — Artigianale<br />

85<br />

Drei Beine und<br />

zwanzig Weine<br />

Think-Tanks: Lorenz Kern und Daniel Steinle zeigen in Wädenswil gerade, wie moderne Zürichsee-Weine aussehen.<br />

Bild: Torvioll Jashari<br />

Text: Jan Graber


DUE — Artigianale<br />

86<br />

Das Label Dreistand steht für moderne Zürichsee-Weine. Lorenz<br />

Kern und Daniel Steinle erklären, wie die Deutschschweizer<br />

Weinforschung in Wädenswil bleiben konnte und daraus eine der<br />

interessantesten Zürcher Weinmarken entstand.<br />

Betrachtet man die Halbinsel Au aus der Ferne, könnte man leicht monieren, dass es<br />

sich bei diesem Flecken Erde gar nicht um eine echte Peninsula handelt. Sie wirkt wie<br />

ein Stück Land, das etwas weiter ins Wasser hinausragt. Bis man auf diesem Hügel<br />

zwischen Seestrasse und See steht und feststellt, dass hier nicht nur ein eigenes Klima<br />

herrscht, sondern tatsächlich ein wenig Ferieninselgefühl in einem aufsteigt. Vielleicht<br />

gehört die Halbinsel auch deshalb zu den beliebtesten Ausflugszielen des Zürichsees.<br />

Der Ort interessiert uns aber nicht, weil hier Feriengefühle blühen, sondern vor allem<br />

Weintrauben wachsen – diejenigen der blutjungen Weinmarke Dreistand. Hinter den<br />

Dreistand-Weinen steht das ebenfalls nur zwei Jahre alte Weinbauzentrum Wädenswil,<br />

das aus einer <strong>No</strong>tlage entstand.<br />

Denn 2018 entschied der Bundesrat, Agroscope, das eidgenössische Kompetenzzentrum<br />

der Schweiz für landwirtschaftliche Forschung in Wädenswil, zu schliessen und<br />

indes die Weinforschungsaktivitäten der Agroscope in Changins zu konzentrieren. Damit<br />

wäre die Deutschschweiz eines wichtigen Forschungsstandorts für Weinbau verlustig<br />

gegangen. Dass der Weinpionier Hermann Müller-Thurgau 1891 hier in Wädenswil<br />

als erster Direktor des Weinforschungsinstituts fungiert hatte, wog zusätzlich schwer.<br />

Ebenso, dass die Weinschule zugleich verloren gegangen wäre. Um den Standort zu<br />

erhalten, spannten die Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW),<br />

das Weiterbildungsinstitut Strickhof, der Brachenverband der Deutschschweiz mithilfe<br />

von Agroscope zusammen und hoben das Weinbauzentrum Wädenswil aus der Taufe.<br />

Zur neuen Institution gehörten zudem drei Reblagen – eine in Stäfa, eine auf der Halbinsel<br />

Au und eine weitere in Wädenswil. Sie würden die drei Beine für die ebenfalls<br />

neu ins Leben gerufene Weinmarke Dreistand sein.<br />

Während im Weinbauzentrum nun weiterhin an modernen und pilzresistenten<br />

Traubensorten und -klonen, stets mit Blick auf den Umweltschutz, geforscht wird,<br />

kümmert sich ein Trio um die Weinmarke Dreistand: Lorenz Kern und Thierry Wins<br />

als Önologen sowie Daniel Steinle als Vertriebs- und Marketingleiter. Wer also denkt,<br />

die Weinmarke Dreistand sei nur ein Nebenprodukt der Weinforschungsinstitution,<br />

liegt falsch. «Mit der Gründung des Weinbauzentrums wollten wir zusätzlich vom<br />

reinen Forschungscharakter wegkommen und eine eigene vollwertige Weinmarke entwickeln»,<br />

sagt Lorenz Kern. Natürlich würden die Dreistand-Weine durchaus von den<br />

Forschungserkenntnissen profitieren: So ist von Dreistand zum Beispiel ein Rotwein


UNO — Veneto 88 DUE — Artigianale<br />

89<br />

erhältlich, der aus der brandneuen Divico-Traube gekeltert wurde. Die Divico wurde<br />

erst 2013 als eigene Sorte zugelassen; bis die Zulassung einer neuen Sorte erfolgt,<br />

vergehen gerne mal mehrere Dekaden. <strong>No</strong>ch jünger ist ihre Schwester Divona, die es<br />

offiziell erst seit 2018 gibt.<br />

Auch andere moderne Traubensorten finden den Weg in die Dreistand-Flaschen:<br />

der Souvignier Gris etwa oder der Kerner. Die Frage, wie viele verschiedene Weine Dreistand<br />

produziere, lässt Lorenz und Daniel auflachen. «So genau wissen wir es gerade<br />

nicht.» Etwa an die 20 verschiedene Tropfen seien es, schätzt Daniel. «Wir sind noch<br />

im Findungsprozess», ergänzt Lorenz. Davon merkt der Kunde jedoch nichts, denn das<br />

Konzept ist professionell und ausgefeilt. So tragen Dreistand-Weine zum Beispiel ein<br />

Weinetikett, das niemand so schnell vergisst: Auf dem Label prangt ein dominantes<br />

gleichseitiges Dreieck, das für die drei Standorte Stäfa, Wädenswil und Halbinsel Au<br />

steht. Auf 10,5 Hektar insgesamt wachsen Dreistand-Reben, mit 5,5 Hektar hat die<br />

Lage auf der Südseite der Halbinsel Au den grössten Anteil. «Wir produzieren insgesamt<br />

rund 50 000 Flaschen pro Jahr», sagt Lorenz. Zu den Kunden gehörten dank der<br />

engen Zusammenarbeit mit <strong>Vergani</strong> vor allem hochwertige Restaurants, die Interesse<br />

an regionalen Produkten haben. Sie würden darauf achten, für die Region typische<br />

Weine zu keltern: elegante und schlanke Weine. «Echte Zürichsee-Tropfen mit Power,<br />

aber ohne Überladenheit», sagt Daniel. Ganz aufs Forschen und Experimentieren verzichtet<br />

allerdings auch das Dreistand-Trio nicht. «Jedes Weingut, das etwas auf sich hält,<br />

forscht», sagt Daniel. So ernten sie beispielsweise die Trauben zu verschiedenen Zeitpunkten<br />

im Herbst. Sie tüfteln mit unterschiedlichen Hefen, probieren verschiedene<br />

Barriques und Gebinde aus oder lassen die Weine bei unterschiedlichen Konditionen<br />

reifen. «Aktuell testen wir die Vergärung in den neuartigen Kunststoff-, Beton- und<br />

Granit-Eiern», sagt Lorenz. Das gewonnene Wissen werde später auch an die Schweizer<br />

Winzer weitergegeben.<br />

Hinaus aus dem Keller, ab auf die Ferieninsel: Bei einem Rundgang um die Halbinsel<br />

Au weist Lorenz Kern auf die zahlreichen Varietäten hin, die hier wachsen. Der<br />

dichte Kerner gedeiht hier ebenso wie die südafrikanische Pinotage-Traube. Neben<br />

Reihen weissen Souvignier Gris’ stehen Stöcke, an denen kleinen Möpsen gleich die<br />

pummeligen Zweigelt-Trauben hängen. Damit nicht genug: Weil hier auch das Weinbau-Museum<br />

steht, finden Interessierte Trauben aus der ganzen Welt: Insgesamt 190<br />

Sorten werden vor Ort gehegt und gepflegt und bilden somit ein wichtiges Archiv des<br />

Weinbaus. Womit die Halbinsel Au mehr als nur ein Paradies für Ausflügler ist – und<br />

übrigens auch eine echte Peninsula.<br />

Degustation<br />

Jeden Montag, 16 bis 19 Uhr (in Wädenswil)<br />

Alle Weine finden Sie auf vergani.ch<br />

Dreistand<br />

Schlossgass 8, 8820 Wädenswil<br />

+41 44 552 72 10, dreistand.ch


DUE — Artigianale<br />

90<br />

«La vita<br />

è una<br />

combinazione<br />

di pasta e<br />

magia.»<br />

Bild: Douglas Mandry<br />

Zitat: Federico Fellini


UNO — Amici<br />

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UNO — Amici<br />

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UNO — Amici<br />

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99<br />

Capisco<br />

«Bei uns passen die Cocktails zum Food», sagt Damian<br />

Hegg vom Brera Zurigo. Was für ihn einfach klingt,<br />

kann man auch in den eigenen vier Wänden umsetzen,<br />

und so präsentiert Damian Hegg eine abgewandelte<br />

Form des Pisco Sour, den der Head Bartender und<br />

Erfinder des Drinks, Marco Colelli, im Brera unter<br />

dem Namen «<strong>No</strong>n Capisco» anbietet. «Wir verwenden<br />

Grappa anstelle von Pisco», fügt er an, und schon<br />

geht’s los mit dem «Mediterranean <strong>No</strong>n Capisco»:<br />

4 cl Grappa da Prosecco L’Anima di <strong>Vergani</strong><br />

2 cl Zuckersirup<br />

3 cl Zitronensaft<br />

10 Basilikumblätter<br />

2.5 cl Eiweiss<br />

Alle Zutaten auf Eis in einen Shaker geben und<br />

kräftig shaken. Mit einem Strainer passieren und<br />

in einer Coupette servieren. Capito?<br />

Illustration: Alec Doherty<br />

Rezept: Marco Colelli


DUE — Artigianale<br />

100<br />

Trotz Mehrarbeit im Rebberg von bis zu 30 Prozent sind die Vorteile des biodynamischen<br />

Weinbaus für die Böden klar ersichtlich. Doch was hält der Konsument von biodynamischen<br />

Weinen, und wie vermittelt man dieses komplexe Wissen? Am besten mit Begeisterung.<br />

Back to the roots<br />

Ich war zehn Jahre alt, als ich zum ersten Mal mit dynamisiertem<br />

Wasser in Berührung kam: Meine Mutter hat<br />

das Wasser, das wir zu den Mahlzeiten getrunken haben,<br />

mit Steinen «belebt» – wie sie das nannte. Und ja; auch gut<br />

erinnere ich mich an die Wasserkristall-Fotografien von<br />

Masaru Emoto, die sie uns zur Erklärung, wie sich Dinge<br />

beeinflussen lassen, gezeigt hat. Emoto vertrat die Auffassung,<br />

dass Wasser die Einflüsse von Gedanken und Gefühlen<br />

annehmen und speichern kann. Er beschriftete Wasser<br />

in Flaschen mit positiven und negativen Botschaften, fror<br />

das Wasser ein und beurteilte die daraus entstandenen<br />

Eiskristalle. Worte sind ein machtvolles Werkzeug, das<br />

zum Guten wie zum Schlechten eingesetzt werden kann.<br />

Während meiner Wanderjahre hat sich diese Erkenntnis<br />

immer wieder bestätigt. Verbale Machtdemonstrationen<br />

eines Küchenchefs, aber auch die einfühlsamen<br />

Worte meiner <strong>No</strong>nna, wenn sie mit ihren Pflanzen spricht,<br />

sie mit Emotionen pflegt oder gar mit klassischer Musik<br />

bespielt. Aus eigener Erfahrung wissen wir selbst zu gut,<br />

dass wir uns besser fühlen, wenn uns jemand etwas Gutes<br />

tut oder uns ein Kompliment macht. Liegt es demnach<br />

nicht auf der Hand, dass es Lebewesen und Pflanzen genauso<br />

geht? Dieser Frage bin ich schon vor geraumer Zeit<br />

auf den Grund gegangen. Und ich wollte auch meinen<br />

Studierenden an der SHL, der Schweizerischen Hotelfachschule<br />

Luzern, die Gelegenheit geben, sich mit diesem<br />

Thema auseinandersetzen zu können. So habe ich vor vier<br />

Jahren im Lernfeld Önologie einen Kurs ins Leben gerufen,<br />

der sich mit biodynamischer Landwirtschaft, die<br />

sich genau diesem Spannungsfeld widmet, beschäftigt.<br />

Die Idee der biodynamischen Bewirtschaftung hat ihren<br />

Ursprung in der Anthroposophie von Rudolf Steiner.<br />

Ein zentraler Gedanke, den er bereits vor über 90 Jahren<br />

vortrug, ist das Ideal des möglichst geschlossenen Kreislaufs.<br />

Ein landwirtschaftlicher Betrieb wird als Organismus<br />

betrachtet. Das bedeutet, dass Mensch, Tier, Pflanze<br />

und Boden in einer Wechselbeziehung zueinander stehen.<br />

Sie nehmen voneinander, geben einander aber auch wieder<br />

etwas zurück. Die Grundlage, von der dabei alles ausgeht,<br />

ist ein gesunder Boden. Ein lebendiger Boden verfügt<br />

über eine Vielzahl von Mikroorganismen und Lebewesen.<br />

Ihn zu schützen und zu erhalten, ist das Kernelement<br />

der biodynamischen Bewirtschaftung. Mithilfe der biodynamischen<br />

Präparate, zu welchen auch die mit Mist<br />

gefüllten Kuhhörner zählen, werden pflanzliche und<br />

tierische Abfälle kompostiert und im Folgejahr wieder<br />

zurückgeführt. Die Ausbringung des Kompostes fördert<br />

das Bodenleben und die Humusbildung. Pflanzen, die<br />

auf diesem lebendigen Boden wachsen, sind lebendiger,<br />

vitaler und widerstandsfähiger.<br />

Ein weiteres Element der biodynamischen Wirtschaftsweise<br />

sind die kosmischen Kräfte des Universums.<br />

Vor allem die verschiedenen Planeten unseres Sonnensystems<br />

und deren jeweilige Konstellation nehmen Einfluss<br />

auf das Wachstumsverhalten der Pflanzen. Sie geben vor,<br />

wann sinnvolle Arbeiten zur Stärkung des Organismus<br />

ausgeübt werden sollen. Das Einbuddeln von Kuh hörnen,<br />

das Dynamisieren von Wasser, wie eingangs beschrieben,<br />

oder die Aussaat nur dann, wenn Jupiter in Opposition<br />

Marcel Gabriel (35) ist Restaurationsleiter und Fachdozent<br />

an der Schweizerischen Hotelfachschule Luzern, SHL. Der<br />

Diplomierte Hôtelier-Restaurateuer HF SHL und angehende<br />

Weinakademiker war in herausragenden Hotels und Restaurants<br />

von China über Kanada bis Zürich tätig, bevor er<br />

2016 in Luzern zu unterrichten begann.<br />

zu Merkur steht, sind Praktiken, die ohne vertieftes<br />

Wissen schnell lächerlich klingen können. So ist es nicht<br />

erstaunlich, dass ich häufig gefragt werde, ob die Thematik<br />

der biodynamischen Landwirtschaft beziehungsweise<br />

des biodynamischen Weinbaus nicht einfach ein homöopathischer<br />

Blödsinn sei.<br />

Meine Rückfrage ist immer dieselbe: Ist es denn<br />

so vermessen zu denken, dass beispielsweise der Mond,<br />

der ganze Ozeane mit Ebbe und Flut verschieben kann,<br />

auch einen Einfluss auf Menschen, Tiere und Pflanzen<br />

hat? Schlussendlich soll jedermann und jedefrau für sich<br />

entscheiden, was er oder sie von der biodynamischen<br />

Denkweise hält. Fakt ist, dass ich häufig im Zusammenhang<br />

mit Biodynamie von positiven Veränderungen im<br />

Weinbau höre und dass immer mehr Winzer mit biodynamischen<br />

Mitteln arbeiten, weil sie feststellen, dass<br />

es Reben wie Boden guttut und die Pflanzen robuster<br />

sowie weniger anfällig für Krankheiten sind.<br />

Doch wie erklärt ein Sommelier dieses Universum<br />

seinen Gästen? Biodynamie lässt sich nicht in drei Worte<br />

packen, und so herrschte für geraume Zeit Verwirrung<br />

und Unsicherheit in der Szene. Wer vermitteln will, benötigt<br />

jedoch Kenntnisse. Und die kann man sich mittlerweile<br />

in Master Classes oder Workshops erarbeiten.<br />

Die Profis, die sich tagtäglich mit der Materie «Wein»<br />

auseinandersetzen, wissen mehrheitlich Bescheid, doch<br />

lernt man nie aus auf diesem Feld. Gerade darum wird<br />

es wohl noch lange dauern, bis dieses Wissen beim Endkonsumenten<br />

angekommen sein wird. Ist dieser bereit,<br />

einen höheren Preis für biodynamisch produzierte Weine<br />

zu bezahlen? Muss er das überhaupt? Nicht unbedingt –<br />

Beispiele gibt’s genug.<br />

Auch wahr ist, dass nicht alles, was Gold ist, glänzt.<br />

Natürlich gibt es auch biodynamische Weine, die Fehler<br />

aufweisen oder nicht sauber vinifiziert wurden. Dies<br />

hängt häufig mit der fehlenden önologischen Erfahrung<br />

zusammen. Auch ist die Umstellung von der konventionellen<br />

zur biodynamischen Bewirtschaftung der<br />

Rebberge in den ersten drei Jahren anspruchsvoll. Nach<br />

der anfänglichen Durststrecke verändern sich die Weine<br />

allerdings in der Regel zum Positiven. Stellen biodynamisch<br />

produzierte Weine nun einen Hype dar oder<br />

eine ernstzunehmende Bewegung? Johannes Zillinger<br />

hat mir vor ein paar Jahren gesagt: «Mit dem biodynamischen<br />

Wein ist es wie mit der molekularen Küche:<br />

Sie verursachte zu Beginn einen riesigen Hype. Heute<br />

ist sie ein normaler Inhalt der neuen, modernen Küche.<br />

Die molekulare Küche hat sich eingefügt und ihren Platz<br />

gefunden. Und die Erfahrungen, die wir aus dieser Entwicklung<br />

gezogen haben, sind unendlich wertvoll.»<br />

Genauso wird es mit der biodynamischen Landwirtschaft<br />

sein. Sie wird sich in die heutige Landwirtschaft<br />

einfügen und ihren verdienten Platz finden. Den<br />

Platz, den sie schon vor Jahrzehnten besetzt hatte, als<br />

noch keine Herbizide und Pestizide zur Verfügung standen.<br />

Wir sprechen also nicht von einer neuen Art und<br />

Weise, Reben anzupflanzen und zu vinifizieren. Wir<br />

kehren mit dem biodynamischen Weinbau ganz einfach<br />

zum Ursprünglichen, zum Natürlichen zurück.<br />

SHL Schweizerische Hotelfachschule Luzern<br />

Adligenswilerstrasse 22, 6006 Luzern<br />

+41 41 417 33 33, shl.ch<br />

Text: Marcel Gabriel<br />

Illustration: Alec Doherty


TRE — Famiglia<br />

103<br />

TRE


TRE — Famiglia<br />

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Famiglia<br />

<strong>Vergani</strong><br />

Bild: Archivio <strong>Vergani</strong><br />

Text: <strong>Vergani</strong><br />

<strong>No</strong>nna Marisa <strong>Vergani</strong>, mit dem Rücken zugewandt, zeichnet Curling-Rangierung an Wandtafel, Davos 1950er Jahre


TRE — Famiglia<br />

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Fussballer Reto <strong>Vergani</strong>, 1980<br />

Links <strong>No</strong>nno Carlo & <strong>No</strong>nna Marisa <strong>Vergani</strong> am Silvesterabend, Zürich 1955<br />

Rechts <strong>No</strong>nno Carlo <strong>Vergani</strong> mit einem Freund, 1950er Jahre<br />

18-jähriger Reto <strong>Vergani</strong>,<br />

Ferien Loano 1970er Jahre<br />

Hochzeit Standesamt Reto & Jolanda <strong>Vergani</strong>, Zürich 1985<br />

60ster Geburtstag; <strong>No</strong>nno Carlo <strong>Vergani</strong> mit Sohn Reto <strong>Vergani</strong>.<br />

Im Hintergrund <strong>No</strong>nna Marisa <strong>Vergani</strong> mit Enkelkind, 1983


TRE — Famiglia<br />

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La Tacchina di Natale<br />

Für einen Truthahn, eine<br />

Truthenne von 5 bis 7 kg.<br />

Für die Füllung:<br />

800 g Kalbsbrät<br />

4 Handvoll gemahlenes<br />

Paniermehl<br />

2 Handvoll geriebener<br />

Parmesan<br />

3 Eigelb<br />

200 g gehackte Salami<br />

20 gehackte Baumnüsse<br />

1 Bd. gehackte Petersilie<br />

2 gehackte Knoblauchzehen<br />

20 g Butter<br />

8 Hühner-Bouillonwürfel<br />

Truthahn in einem grossen Kochtopf<br />

(zugenähter Teil nach oben)<br />

während <strong>12</strong>0 Min. in viel Bouillon<br />

sanft köcheln lassen; das Geflügel<br />

muss vollständig mit Bouillon<br />

überdeckt sein. Die Tacchina wird<br />

so zwar «bleich» bleiben, das Fleisch<br />

jedoch umso saftiger sein. Buon<br />

appetito.<br />

Wein-Empfehlung<br />

Brunello di Montalcino DOCG 2015<br />

La Rasina, Toscana<br />

Eintritt seines Sohnes Marco im<br />

Jahre 1997 erlebte sie ihren Aufschwung.<br />

Marco ist ausgebildeter<br />

Önologe und versteht es vorzüglich,<br />

seine neuen Ideen und die<br />

moderne Vinifikation in die Kellerei<br />

einzubringen. La Rasina ist mittlerweile<br />

auf eine Grösse von 45<br />

Hektar angewachsen, wovon 11,5<br />

Hektar mit Reben und 4 Hektar<br />

mit Olivenbäumen bepflanzt sind.<br />

Jährlich werden 15 000 Flaschen<br />

vom Rosso di Montalcino und<br />

30 000 Flaschen vom Brunello<br />

vinifiziert.<br />

Comestibles-Laden <strong>Vergani</strong>, Zentralstrasse 141, 8003 Zürich, 1960er Jahre<br />

Petersilie und Knoblauch kurz und<br />

nicht zu heiss in der Sauteuse<br />

in Butter anziehen. Zum Schluss<br />

etwas Wasser hinzufügen. Die<br />

feste, feuchte Masse mit den restlichen<br />

Zutaten der Füllung in<br />

einer Schüssel gut vermengen. Die<br />

Tacchina sollte gut gesäubert sein,<br />

das Hinterteil entfernt werden.<br />

Vorsichtig füllen und mit «Sternlifaden»<br />

zunähen.<br />

Dieser Brunello di Montalcino<br />

passt perfekt zur Tacchina, weil<br />

seine Aromatik kräftig, aber nicht<br />

übermächtig ist. Rubinrot die Farbe,<br />

vollmundig im Gaumen, tiefgründig<br />

und strukturiert mit viel Frucht<br />

und eleganten Tanninen.<br />

Die Kellerei wurde in den 70er<br />

Jahren von Santi Mantengoli gegründet.<br />

Aber erst mit dem<br />

Brunello di Montalcino DOCG 2015<br />

La Rasina, Toscana, 100% Sangiovese<br />

30 Mt. Ausbau in Barriques<br />

48.80 CHF inkl. MwSt.


TRE — Famiglia 111<br />

Weinset mit Mehrwert<br />

Gross und kunterbunt, manchmal auch klein und fein<br />

oder in schlichten Grautönen wie auf der Seite nebenan –<br />

aber immer mit viel Charme: die liebevollen Illu strationen<br />

von Alec Doherty. Figürliche und farbenstarke Kreationen<br />

sind seine Handschrift, welche auch Marken wie<br />

«The New York Times» oder «The Guardian» schätzen.<br />

Der preisgekrönte Künstler und Illustrator aus London<br />

kreiert nun das neue Plakat-Sujet für <strong>Vergani</strong>. Wir freuen<br />

uns sehr über dieses Engagement. Die Kampagne,<br />

welche ab <strong>No</strong>vember 2020 in der Zürcher Innenstadt zu<br />

sehen sein wird, lässt sich als Hommage an die klassische<br />

Plakatkunst der 1960er Jahre lesen. Mehr wird an dieser<br />

Stelle aber nicht verraten – Sie dürfen gespannt sein.<br />

alecdoherty.com<br />

Alec Doherty für <strong>Vergani</strong><br />

Entstanden in einer <strong>No</strong>tsituation als Anreiz zur gemeinsamen<br />

Unterstützung und als Ausdruck von Wertschätzung<br />

haben sich die Weinsets innert kürzester Zeit<br />

zum Hit gemausert. Und sie generieren Mehrwert für<br />

alle Beteiligten: Kunden, Winzer, Weinhändler, Gastronomen<br />

und Geschäftspartner. Ja, der Frühling 2020<br />

war eine Herausforderung. Volle Keller. Stille Winzer.<br />

Leere Gaststuben. «Handeln war angesagt», sagt Gianni<br />

<strong>Vergani</strong>. «Wir wollten eine Möglichkeit bauen, die alle<br />

miteinbezieht, die konkrete Arbeit schafft und gleichzeitig<br />

einzahlt auf Konto und Selbstwert. Wir suchten,<br />

wie man so schön sagt, ein Win-Win-Win-Angebot für<br />

alle Involvierten», präzisiert er.<br />

Also wechselte die <strong>Vergani</strong>-Truppe in den Forza-<br />

Modus, legte den Schalter um und schaltete auf Ideensuche.<br />

Der Spirit eines Start-ups wirbelte durch den<br />

altehrwürdigen Weinkeller. «Wir waren hochmotiviert,<br />

unkonventionell und kreativ, und es entwickelte sich ein<br />

ganz spezieller Drive», beschreibt Gianni <strong>Vergani</strong> den<br />

Push. Die Idee eines Weinsets mit Mehrwert nahm Gestalt<br />

an, die Weinpakete «Segreto» und «Deguset» lieferten<br />

Vorlage und Erfahrungswerte. Der Einbezug der<br />

Gastronomie verlangte aber nach einem anderen Ansatz.<br />

«Wenn man vom Gastronomen her denkt, brauchte es<br />

in dieser Situation vor allem etwas in die Kasse. Mit<br />

dem Kauf eines Gutscheins kommt Geld ins System.<br />

Wir haben uns entschlossen, die Gutscheine den Gastronomen<br />

abzukaufen und als Geschenk an die Kunden<br />

weiterzugeben.» Das Angebot: Der Kunde erhält zum<br />

Weinpaket – eine Selektion von 6 oder <strong>12</strong> Weinen aus<br />

kleinen Familienbetrieben – einen Gutschein im Wert<br />

von 55 Franken, einlösbar in seinem Lieblingsrestaurant.<br />

In kürzester Zeit wurde das Ganze festgezurrt<br />

und online publik gemacht. Die Programmierer arbeiteten<br />

Tag und Nacht, damit der Kunde das Restaurant<br />

seiner Wahl zum Weinpaket einfach anklicken kann.<br />

Nach nur zwei Wochen ging das Projekt «Füreinander»<br />

live. Und durch die Decke. Weinsets mit Mehrwert, ein<br />

durchschlagender Erfolg. Bei <strong>Vergani</strong> bewirkte er, dass<br />

alle Mitarbeiter aus der Kurzarbeit zurückgeholt werden<br />

konnten. Aus dem Projekt ist ein interessantes Geschäftsfeld<br />

geworden, das Aufmerksamkeit erregt und<br />

laufend neue Partnerschaften an Bord bringt. Namhafte<br />

Unternehmen wie Victorinox oder Tod’s waren mit dabei.<br />

Das Ziel einer Win-Win-Win-Situation ist mehr<br />

als erfüllt: Die Weinbauern und <strong>Vergani</strong> steigern den<br />

Weinverkauf, die Gastronomen füllen ihre Stuben, und<br />

die Geschäftspartner finden neue Fans. Und die Kunden<br />

erhalten ein ganzes Paket voller Wein, Genuss und eben:<br />

Zugabe.<br />

vergani.ch/fuereinander<br />

Bild: Alec Doherty<br />

Text: Domenica Flütsch


TRE — Famiglia<br />

113<br />

Stefano Endrizzi<br />

Bild: Flavia <strong>Vergani</strong><br />

Text: Domenica Flütsch


TRE — Famiglia<br />

115<br />

In der Weinwelt wäre er ein klassischer Blend: eine gelungene<br />

Mischung und ein rundes Zusammenspiel von ganz unterschiedlichen<br />

Werten, Weinen und Welten. Und damit eine perfekte<br />

Ergänzung fürs Team <strong>Vergani</strong>.<br />

Stefano Endrizzi ist so etwas wie ein Kaleidoskop: Jeder neue Blickwinkel bietet ein<br />

neues Bild, gebaut aus vielen bunten Einzelteilchen, die sich immer wieder anders formieren,<br />

aber mit jedem Schütteln ein neues, spannendes Gesamtwerk bilden. Nicht,<br />

dass der einnehmende Innerschweizer geschüttelt werden sollte. Das würde nämlich<br />

seine fein eingestellten Antennen durchwirbeln, was wirklich schade wäre, denn sein<br />

«Gspüri» für die Zwischentöne, für das Feine und das Zwischen-den-Zeilen lesen sind<br />

entscheidende und reizvolle Puzzlesteinchen im Endrizzi-Kaleidoskop. Sie machen ihn<br />

zurückhaltend und diplomatisch. Aber nicht nur; der gelernte Koch und Hotelprofi ist<br />

genauso herzlich, lebhaft und spontan. Denn er hat auch viel Italianità abbekommen,<br />

von seinen Vorfahren aus dem Trentino, seinem Sprachaufenthalt im heiss geliebten<br />

Florenz und natürlich auch durch sein Mitwirken bei der Squadra <strong>Vergani</strong>. Wie bei<br />

einem Blend also macht es die Mischung aus, bei Stefano Endrizzi ist sie das Zusammenspiel<br />

von EQ und IQ, von Bodenhaftung und Highclass, von Strategie und Praxis<br />

und von Zuhören und Mitmischen.<br />

Bei <strong>Vergani</strong> mischt Stefano Endrizzi seit 2018 mit. Das sympathische Weinhaus<br />

lernte er als Geschäftsführer der Wöschi Wollishofen kennen. Als er sich dazu entschied,<br />

etwas Neues zu suchen, informierte er Lieferanten und Partner über seinen<br />

Weggang. Gianni <strong>Vergani</strong> lud ihn zum Aperitivo, und nach einer kurzen Bedenkzeit<br />

war Stefano Endrizzi erfolgreich überzeugt und mit an Bord.<br />

Sein Rucksack war bereits gefüllt: Den Grundstein für seine Faszination am<br />

Gastgebersein legten wohl die Gene und das Aufwachsen in einer Wirtsfamilie, die<br />

Kochlehre im Zuger Restaurant Zum Kaiser Franz verfeinerte seine Genusswelt. Der<br />

einjährige Militärdienst als Durchdiener lehrte ihn Disziplin, Strategie und Durchhaltewillen<br />

und forderte danach eine Denkpause. Stefano machte sich auf nach Australien<br />

und tourte fünf Monate durch das riesige Land und lernte vor allem, mit sich selbst<br />

auszukommen. Es war das totale Kontrastprogramm zum Militär. Die Australier haben<br />

ihn beeindruckt: «Sie sind offen, herzlich und spontan, gastfreundlich und unkompliziert,<br />

das hat mich stark geprägt.» Die Hotelfachschule in Luzern schlussendlich formte<br />

ihn zu einem begeisterten Hotelkadermann in allen Bereichen und mit spannendem<br />

Beziehungsgefüge, seine Praktika führten in imposante Betriebe wie das Schauenstein<br />

Fürstenau oder das Giardino Ascona. Dabei hat er sich nicht in erster Linie ein Netzwerk<br />

geknüpft, sondern Freundschaften gebaut. Denn immer sind es die Menschen,<br />

die ihn binden und motivieren, das ist auch bei <strong>Vergani</strong> so. «Das Ausschlaggebende<br />

war die Stimmung, das Zwischenmenschliche. Das hat schnell gefunkt. Und es passt<br />

für mich wie die Faust aufs Auge.» Hier ist Stefano Endrizzi für das Kundensegment<br />

Hotellerie und die Region Innerschweiz verantwortlich und fungiert als Kommunikator<br />

in den sozialen Medien. Und als besonnener Sparringpartner für das ganze Team<br />

mit Ideen, Coachings und Inputs. Sein nächstes Steinchen im Kaleidoskop? Er ist in<br />

Weiterbildung fürs CAS in Marketing und Kommunikation. Den Schnauf dazu wird<br />

er haben, davon zeugt sein Durchhaltewillen als Ironman-Triathlet. Und noch etwas:<br />

Er ist wohl der Einzige im Team, der nach seinem Eintritt kein Genussbäuchlein zugelegt<br />

hat.<br />

«Das Ausschlaggebende war die Stimmung,<br />

das Zwischenmenschliche. Das hat schnell gefunkt.<br />

Und es passt für mich wie die Faust aufs Auge.»


TRE — Famiglia<br />

116<br />

Viel ist nichts?<br />

Mehr ist immer mehr. Wachstum, damit kennt sich jeder<br />

Winzer aus, es ist ja quasi sein Kerngeschäft. Wobei – so<br />

weit die unbequeme Wahrheit – der Weinkonsum auch<br />

in der Schweiz tendenziell rückläufig ist. So oder so.<br />

100 Millionen Euro reservierte der italienische Staat<br />

am 13. Mai dieses Jahres vorsorglich. 100 Millionen,<br />

die an Winzer gehen sollten, damit diese ihren Ertrag<br />

(DOC und IGT) mittels Grünlese freiwillig um mindestens<br />

20 Prozent gegenüber der durchschnittlichen<br />

Ernte der letzten fünf Jahren reduzieren. Welch Anreiz!<br />

100 Millionen fürs Nichtstun. Und dabei bleibt es nicht,<br />

da kommt künftig noch eine Menge hinzu. Grünlese.<br />

Und was geschieht mit den vollen Kellern, sprich mit<br />

jenen Weinen, die bereits herumlagern und nicht verkauft<br />

wurden? Krisendestillation. Ein Armutszeugnis.<br />

Insbesondere weil man gleichzeitig grossflächig ins<br />

Marketing investieren will respektive muss. Die grosse<br />

Menge Wein soll weg, und alle Massnahmen zusammen<br />

stützen den Preis und fördern den Absatz, so die<br />

Theorie. Könnte man das auch als krassen Eingriff in<br />

die freie Marktwirtschaft bezeichnen? Nein, nein! Ganz<br />

und gar nicht. Auch in der (West-)Schweiz werden viele<br />

Winzer ihren Wein nicht los. Corona? Corona! Sicher<br />

nicht, weil die Qualität etwa nicht stimmen könnte.<br />

Sicher nicht, weil man am Konsumenten vorbeiproduzieren<br />

würde. Nein. In der Schweiz, vor allem im<br />

Wallis, sieht man das Problem eben vor allem in jenen<br />

ausländischen Billigweinen, die mit Exportzuschüssen<br />

der EU zusätzlich verbilligt werden. Da kann man in der<br />

teuren Schweiz einfach nicht mehr mithalten.<br />

Bern muss zu Hilfe eilen. «Zehn Millionen<br />

Franken, um aus teurem Wein billigen zu machen»,<br />

kommentierte die «Zeit». Und weiter: «Pro Liter Wein<br />

aus kontrollierter Ursprungsbezeichnung erhalten<br />

Winzer zwei Franken Subventionen, um ihn zu Tafelwein<br />

zu deklassieren.» Ich denke, dass dies heuer zu<br />

relativ zahlreichen teuren – also nur vermeintlich billigen<br />

– Fonduefertigmischungen führen wird. Für die<br />

Winzer, die bereits Subventionen empfangen, aber auch<br />

nur ein Wermutstropfen. Die einen fordern Protektionismus,<br />

während die anderen mit mehr Qualität und<br />

Innovation zu überzeugen versuchen. Nachdenken<br />

bleibt jedem selbst überlassen. Mich beruhigt, dass<br />

Winzer, die ihrer Linie, ihren Preisen und sich selbst<br />

treu geblieben sind, anscheinend kein Absatz- und kein<br />

Mengenproblem haben. Der gute Geschmack reguliert<br />

sich von alleine. Und der schlechte? Ihn soll man unterstützen?<br />

Vielleicht ist viel eben doch zu viel.<br />

Illustration: Alec Doherty<br />

Text: Andrin Willi


Impressum<br />

118<br />

Ausgabe <strong>12</strong> — 2020<br />

Herausgeber:<br />

Famiglia <strong>Vergani</strong><br />

Auflage:<br />

13’000 Ex. pro Ausgabe<br />

Erscheinung:<br />

1 × pro Jahr<br />

Druck:<br />

Stämpfli AG<br />

Korrektorat:<br />

Iris Spalinger<br />

Autoren:<br />

Andrin Willi, Jan Graber,<br />

Marcel Gabriel, Domenica Flütsch,<br />

Gianni <strong>Vergani</strong><br />

Fotografen:<br />

Alessandro Furchino Capria, Simon Habegger,<br />

Torvioll Jashari, Flavio Karrer,<br />

Lukas Lienhard, Flavia <strong>Vergani</strong><br />

Illustration:<br />

Alec Doherty<br />

Design & Art Direction:<br />

Charles Blunier & Co.<br />

<strong>Vergani</strong> + Co. AG<br />

Zentralstrasse 141, 8003 Zürich<br />

T +41 44 451 25 00, info@vergani.ch<br />

vergani.ch<br />

ISSN 2673-2599

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