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Radiata2014(3)

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Mario Schweiger aus dem

Mario Schweiger aus dem Boden und zeugten vielerorts von der tatsächlichen Populationsdichte. So konnten im Frühjahr zwischen Ende April und Ende Mai bei entsprechendem Wetter während einer zwei- bis dreistündigen Exkursion am Vormittag an geeigneten Standorten bis zu 25 Landschildkröten beobachtet werden. Das Geschlechterverhältnis lag dabei, ohne genaue Zahlen ermittelt zu haben, bei etwa 1:1. Auch mehrere juvenile bis subadulte Exemplare (7–10 cm CL) konnten beobachtet werden. Schlüpflinge des Vorjahres wurden dagegen nur selten entdeckt, mit Ausnahme der im folgenden Abschnitt geschilderten potenziellen Eiablageplätze der Weibchen, an denen im Vergleich zu anderen Habitattypen Schlüpflinge signifikant häufiger auftraten. Paarungsaktivitäten waren in den Monaten April und Mai während der ganzen täglichen Aktivitätsphase zu beobachten. Die Eiablage bzw. das Ausheben von Nistgruben wurden ab Mitte Mai, ausnahmslos nach 16.00 Uhr, beobachtet, wenn die Temperaturen bereits „erträglicher“ waren. Die Gelege werden in voller Sonnenexposition vergraben. Möglicherweise vermeiden die Weibchen durch die späte Tageszeit eine Überhitzung. Zur Eiablage scheinen die Schildkrötenweibchen an den Fuß der Hügel zu wandern. Diese Annahme wird einerseits durch die dort angetroffenen grabenden Weibchen, die im Vergleich zu anderen Lebensräumen höhere Anzahl ausgegrabener Gelege, aber auch durch das regelmäßige Auffinden von Schlüpflingen oder einjährigen Jungtieren bekräftigt. Als Grund für ein derartiges Verhalten nehme ich an, dass das in den allgegenwärtigen Erosionsrinnen (oft auf den oben erwähnten Schneisen) zu Tal strömende Wasser in den tiefer liegenden Senken größere Pfützen oder selbst kleine Tümpel bildet. Auch wenn diese schon kurz nach der Frühjahrsregenzeit oder heftigeren Gewittern wieder austrocknen, dürfte doch die Feuchtigkeit im Boden länger gespeichert werden und so den Schlupf der Jungtiere erleichtern. Außerdem konnte ich im Herbst an diesen Stellen noch frisches Grün entdecken, selbst wenn im Umland alles verdorrt war, was meine Theorie bezüglich der höheren Bodenfeuchte bestätigt. In den von mir besuchten Schildkrötenlebensräumen konnten folgende Amphibien und Reptilien als Begleitherpetofauna festgestellt werden: Am häufigsten traten Ruineneidechse (Podarcis siculus) und Mauereidechse (Podarcis muralis) auf, gefolgt von der Westlichen Smaragdeidechse (Lacerta bilineata fejervaryi – Unterartstatus teilweise nicht anerkannt). Häufigste Schlangenart war die Gelbgrüne Zornnatter (Hierophis viridiflavus viridiflavus), gefolgt von der Vierstreifennatter (Elaphe quatuorlineata quatuorlineata) und der Aspisviper (Vipera aspis francisciredi). Abb. 22. Lebensraum in der küstennahen Toskana; eine Feuerschneise mit dichtem Bewuchs von Zistrosen (Cistus monspeliensis und Cistus albidus). 32 RADIATA 23 (3), 2014

Beobachtungen an Testudo hermanni in der Toskana (Italien) Abb. 23. Sich im Halbschatten sonnende Testudo hermanni hermanni; Pflanzen: Westlicher Erdbeerbaum (Arbutus unedo) und Weißliche Zistrose (Cistus albidus). Nur vereinzelt konnte die Äskulapnatter (Zamenis longissimus), noch seltener die Girondische Glattnatter (Coronella girondica) nachgewiesen werden. Nicht direkt im Lebensraum der Schildkröten, aber auf benachbarten Wiesen, Agrarflächen und deren Rainen leben die Italienische Blindschleiche (Anguis veronensis) und die Erzschleiche (Chalcides chalcides). Sind Tümpel, Bäche oder Wassergräben vorhanden, können die Schwanzlurche Triturus carnifex (Alpenkammmolch) und Lissotriton (vulgaris) meridionalis (Südlicher Teichmolch), die Erd- (Bufo bufo) und die Balearen-Wechselkröte (Bufotes balearicus) sowie der Italienische Laubfrosch (Hyla intermedia) und Wasserfrösche (Pelophylax sp.), aber auch die beiden Wassernattern Natrix natrix helvetica (lanzai) (Ringelnatter) und die Würfelnatter (Natrix tessellata) beobachtet werden. Als Nesträuber konnte ich Stachelschweine (Hystrix cristata; Schweiger 1992) beobachten, die Schildkrötengelege plünderten. Die Anzahl der im Umfeld der von welchem Prädator auch immer ausgehobenen Nistgruben gefundenen Eier (bzw. deren Fragmente) schwankte zwischen zwei und vier, weshalb auf eine entsprechende durchschnittliche Gelegegröße in diesem Gebiet geschlossen werden kann. Ob die Stachelschweine auch die Schildkröten selbst als Nahrung betrachten, konnte nicht festgestellt werden, aber zumindest bezüglich der Jungtiere vermutet werden. Als Raubfeind ist neben anderen Tieren auf jeden Fall das allgegenwärtige Wildschwein (Sus scrofa) zu nennen. Interessanterweise stieß ich fernab von besiedelten Gebieten auf Wildschweine mit Ohrmarken. Derartige Tiere sah ich regelmäßig in Zuchtgehegen. Ob es sich bei den frei lebenden Exemplaren um „Flüchtlinge“ oder um „übrig gebliebene“ zur Jagd ausgesetzte Tiere handelt, kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Mir wurde jedenfalls berichtet, dass gezüchtete Wildschweine im Gelände freigelassen werden, um Jägern ein „natürliches Jagderlebnis“ zu bieten. Neben den genannten Prädatoren kommen im Lebensraum als natürliche Feinde Greifvögel sowie Fuchs und Dachs in Betracht. Beide konnten von mir im Gelände beobachtet werden. Welcher dieser Räuber aber für die zahlreich anzutreffenden verletzten Landschildkröten verantwortlich ist, wurde bisher nicht untersucht. Die festgestellten Verletzungen, mehr oder minder gut verheilt, reichten von deutlichen Bissspuren, die oftmals bis in den knöchernen Teil des Panzers reichten, bis zum Fehlen einer oder mehrerer Gliedmaßen. Wo liegt die Grenze, ab der eine Schildkröte derartige Verletzungen nicht mehr überlebt oder durch die Verstümmelungen soweit eingeschränkt ist, dass sie ihren lebensnotwendigen Bedürfnissen wie beispielsweise der Nahrungsaufnahme RADIATA 23 (3), 2014 33

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