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fng MAGAZIN 5/2021

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Das fng MAGAZIN ist der unabhängige Markenmonitor für den Lebensmittelhandel. Es versteht sich als das Forum qualitätsorientierter und unverwechselbarer Markenhersteller.

VON DREI SEITEN

VON DREI SEITEN BETRACHTET Warum bei uns Wenn wir täglich von neuen Rekordzahlen über Corona- Infektionen hören, über immer mehr Hospitäler, die von übervollen Intensivstationen sprechen, dann können wir uns vorstellen, was im bevorstehenden Winter, spätestens nach den Weihnachtstagen auf uns zukommt. W ir leben in äußerst schwierigen Zeiten, und die Probleme wachsen jenen, die mit deren Lösung betraut sind – so scheint es – über die Köpfe hinaus, nicht nur in Deutschland, auch in vielen anderen Teilen der Welt, die – wie wir alle wissen – längst global vernetzt ist. Im zweitgrößten Hafen Chinas stauen sich die Container nach einem Corona-Ausbruch. Lieferengpässe von dringend benötigten Waren sind die Folge. Schon zwei Drittel der deutschen Industriebetriebe klagt über fehlende Vorprodukte wie Halbleiter oder chemische Grundstoffe, die auch in der Lebensmittelindustrie unerlässlich sind. Reedereien warnen ihre Kunden vor langen Verspätungen, weil sie die Reiserouten ihrer Schiffe ändern müssen. In anderen Häfen des asiatischen Riesenreichs sieht es ähnlich aus. „Das Timing für die Einkäufe zum baldigen Weihnachtsgeschäft lässt sich überhaupt nicht mehr vorhersagen“, erklären einige Reeder. Kaum anders die Situation in den USA. Allein vor Los Angelos und Long Beach hängen so viele Frachter fest, dass ein großer Teil der Waren wohl nicht mehr rechtzeitig zu Weihnachten bei den Bestellern ankommen wird. Die Lage gleicht einem Geduldsspiel, bei dem es wohl keine Sieger gibt. Auch Hamburg – gemessen an den chinesischen Umschlagplätzen – ein eher kleiner Hafen, hatte in diesem Jahr schon erhebliche Probleme, vor allem nach der langen Blockade des Suezkanals. Die Probleme mit der Fracht verursachen hohe Kosten. Die außerordentlich in die Höhe geschnellten Energiepreise befeuern dies noch. Allein seit Oktober 2020 hat sich ein Barrel Rohöl, das sind 159 Liter, um mehr als das Doppelte verteuert. Ein wesentlicher Grund für den steigenden Ölpreis ist die hohe Nachfrage, weil sich die Wirtschaft nach den zunächst drastischen Einschränkungen während der Corona-Pandemie überraschend erholt hat. Ein kostspieliger Kreislauf Der hohe Ölpreis schlägt sich natürlich auch an den Tankschnellen nieder. Diesel und Benzin an den digitalen Tafeln neben den Zapfsäulen zeigen Ziffern an, die man für einen Liter Treibstoff seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen hat. Der Liter Diesel kostet mancherorts schon 1,60 Euro und mehr. Das schraubt die Transportkosten für Warenlieferungen über die Straße in die Höhe. Die Logistikunternehmen geben das Mehr an Ausgaben an ihre Abnehmer weiter, und die wiederum an die nächste Anlaufstelle bis hin zum Ziel – ein kostspieliger Kreislauf. Sorgen hat auch die Verpackungsindustrie. Hersteller von Packstoffen und Packmitteln klagen über eine mangelnde Versorgungslage. Ob Kunststoffe, Holz, Papier oder Karton – die Produzenten sprechen von einer 32 MAGAZIN 5 2021

VON DREI SEITEN BETRACHTET alles teurer wird angespannten Rohstoffsituation und extreme Preiserhöhungen. Ausbleibende Kunststofflieferungen haben bereits zu Einschränkungen der Produktions- und Lieferfähigkeit geführt. Jetzt setzen zum Teil kräftige Preissprünge bei Kunststoffen die mittelständischen Verarbeiter noch weiter unter Druck. Weniger gutes Wetter, eine geringere Ernte, eine dezimierte Anbaumenge und plötzlich steigende Nachfrage. Das sind die wesentlichen Gründe dafür, dass Weizen, Gerste, Raps, Hirse und diverse andere Getreidearten im September ein Drittel teurer waren als vor Jahresfrist. Zentrale Drehscheibe für den Getreidehandel in Nordeuropa ist der Hamburger Hafen. Der Verein der Getreidehändler an der Hamburger Börse äußerst sich besorgt über diese Preisentwicklung. Vor allem deshalb, weil die Selbstversorgung Deutschlands bei Agrarrohstoffen stark abnimmt. Im Getreidewirtschaftsjahr sei Deutschland auf einen Nettoexport von nur noch zwei Millionen Tonnen gekommen. Die Welternährungsorganisation FAO beobachtet seit geraumer Zeit steigende Preise bei praktisch allen Agrarrohstoffen. Besonders ausgeprägt, so sagt die FAO, ist dieser Trend bei Ölsaaten, wo das Preisniveau gegenüber 2020 die doppelte Höher erreicht hat. Angeheizt wird diese Entwicklung auch von der intensiven Nachfrage der Hersteller von Bio-Kraftstoffen. Wie sieht es mit anderen Grundnahrungsmitteln für unser tägliches Leben aus? Bei Butter wird eine Preissteigerung von 40 Prozent prognostiziert, auch Kartoffeln sind teurer geworden, Milch, viele Fleischprodukte, selbst Getränke. Der Kreislauf unserer gegenwärtigen internationalen Problematik schließt alle Bereiche ein. Der Betreiber eines griechischen Restaurants in Hamburg ist zerknirscht. „Alle Zutaten für die Gerichte auf meiner Speisekarte sind immens teurer geworden“, sagt er, „Gemüse um die 30 Prozent, Fisch um etwa 20 Prozent, und alles, was ich mir aus meiner Heimat besorgen muss, kostet schon allein wegen des Transports deutlich mehr.“ Ähnlich ein Gastronom, der vornehmlich Fleischkreationen auf seiner Karte führt. „Fleisch in der Qualität, die wir unseren Gästen offerieren, hat sich in kurzem Zeitraum enorm verteuert. Was wir anbieten, ist hochwertige Importware. Da schlagen schon die Transportkosten mächtig zu Buche. Gemessen daran sind Preissteigerungen für Gemüse und Obst fast verkraftbar.“ Aber eines haben beide Unternehmer gemeinsam: Sie können nur einen kleinen Teil ihrer Kostensteigerungen an die Gäste weitergeben. Gekämpft wird um jeden Cent Die Preise für die Waren in den Supermärkten – dies weiß natürlich jeder – werden zwischen Hersteller und Handel festgelegt. Gekämpft wird um jeden Cent. Gegenwärtig verlaufen die Gespräche mal wieder sehr zäh. Denn etliche Hersteller verlangen hohe Preisaufschläge, wollen also ihre explodierenden Produktionskosten weitergeben. Handelsketten sperren sich gegen diese Forderungen, weil sie ihren Kunden derartige Preisschocks ersparen möchten und müssen. Ein weiterer Grund für den schwierigen Verlauf der Verhandlungen ist, dass der Handel mit solch starken Umsätzen wie im vergangenen Jahr, als die Gastronomie total darniederlag, im laufenden Jahr nicht rechnen kann. Das lässt für die Verbraucher nichts Gutes erwarten. Wenn keine Einigung zustande kommt, werden sie in ihrem Supermarkt demnächst die Produkte ihrer Wahl möglicherweise nicht mehr in den Regalen finden, und wenn doch, dann mit höheren Preisen versehen. Im vergangenen Jahr hat die vom Ernährungsministerium eingesetzte Borchert-Kommission – benannt nach dem ehemaligen Agrarminister Jochen Borchert – Empfehlungen für mehr Tierwohl im Schweine-, Kuh- und Hühnerstall abgegeben. Kern sind sowohl Investitionshilfen für die Bauern wegen der Umstrukturierung ihrer Höfe als auch ein Ausgleich für ihre dann steigenden laufenden Kosten bis zu 90 Prozent. Die bisherige Ministerin Julia Klöckner hat die Empfehlungen bis heute nicht umgesetzt. Nun fordern Landwirte, Fleischindustrie und Handel die künftige Bundesregierung auf, dies zügig nachzuholen. „Sonst erleben wir in Deutschland das Ende der Nutztierhaltung“, heißt es. Denn die Umsetzung der Forderung nach besseren Lebensbedingungen für Nutztiere können die Bauern finanziell nicht allein stemmen. Schon jetzt klagen viele Bauern, dass sie vom Handel zu wenig Geld für ihre Erzeugnisse erhalten. Der Handel wiederum argumentiert, dass er seinen Kunden keine zu hohen Preise aufs Auge drücken kann. Und der Verbraucher stöhnt, dass er für ein Ei in Bio-Qualität nicht selten schon um die 50 Cent auf den Ladentisch legen muss. Zurzeit plant die EU-Kommission, die Einfuhr von Produkten wie Soja, Palmöl oder Rindfleisch zu verbieten, wenn sie nachweislich von gerodeten Flächen in Südamerika stammen. Das ist gewiss ein hehres Ziel, aber zugleich eine große Herausforderung für Industrie und Handel. Sollte dies durchgesetzt werden, können sich die Konsumenten schon auf den nächsten Preisschub einstellen. fng-magazin: Der Markenmonitor für den Lebensmittelhandel 33

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