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PuK - Prozesstechnik & Komponenten 2021

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Leitartikel Die

Leitartikel Die Kläranlage als Energiezentrum Prof. Dr.-Ing. Eberhard Schlücker Grüner Wasserstoff wird in der Regel aus regenerativ erzeugtem Strom mit Hilfe einer Elektrolyse zelle gewonnen. Eine Elektrolysezelle erzeugt dabei einen Wirkungsgrad von 70–80 %. Damit kommen aus einer Elektrolysezelle drei verschiedene Energieströme: Wasserstoff, Sauerstoff und die Abwärme mit einer Temperatur von bis zu 850 °C, je nach Typ (Abb. 1). Im Falle einer solch hohen Temperatur sollte die entstandene Wärme nicht als nutzlos betrachtet, sondern unbedingt genutzt werden. Möglichkeiten dafür gibt es viele. Sie könnte für die Destillation oder Extraktion von Naturstoffen benutzt werden oder verfahrenstechnische Prozesse betreiben. Aber auch die Nutzung für Heizzwecke ist eine sinnvolle Möglichkeit. Doch wie nutzt man den Sauerstoff? Naheliegend ist der medizinische Sauerstoff. Jedoch fällt bei der Umstellung auf regenerative Energien sehr viel Sauerstoff an. Daher ist die Frage, ob man dieses wertvolle Nebenprodukt auch zur Verbrennung von Stoffen benutzen sollte, durchaus zulässig. Werden Naturstoffe oder auch andere Stoffe mit reinem Sauerstoff verbrannt, so gibt es im Abgas nur noch wenig Stickoxide und man erhält relativ reines CO 2 , das man dann auch leichter für die Methanisierung oder Methanolherstellung gewinnen kann. Weise möglich und würden uns helfen, die Gesamtwirkungsgrade vieler Vorgänge deutlich zu steigern. Ein Beispiel, mit dem eine fast perfekte energetische Synergie möglich ist, ist die Kläranlage. Ganz besonders dann, wenn der Wasserstoff auch noch in der LOHC-Flüssigkeit gespeichert wird und damit als Energiespeicherung für Energiemangelzeiten zur Verfügung steht. Die Einspeicherung des Wasserstoffs erzeugt eine Reaktionstemperatur von bis zu 340 °C. Die Speicherdichte ist 2,1 KWh/Kg und damit mindestens das 5-fache bester zukünftiger Batterien (Abb. 2). Würde man die Einspeicherung ohne Nutzung der Wärme und ohne Einbindung in eine Synergie betreiben, dann wäre der Wirkungsgrad, also von Strom zu Strom, nur ca. 31 %. Betten wir aber diesen Prozess zusammen mit der Elektrolyse in eine Kläranlage ein, dann können wir mehr als 100 % Wirkungsgrad erreichen. Die erste Stufe einer solchen, eher kleinen Kläranlage ist, den Wasserstoff einzuspeichern, den Sauerstoff in den Klärprozess zu schicken und mit der Wärme der Elektrolyse und des Reaktors den Klärschlamm zu trocknen. Mit der dann verbleibenden Restwärme heizen wir Häuser oder brennen im Sommer Alkohol und machen damit Kälte. Dies wäre bereits eine Synergie, die den Wirkungsgrad deutlich steigern würde. Je nach Ausgestaltung wären wir bei etwa 80 %. Betrachten Sie aber bitte bei einer solchen Aussage weitere energieverbrauchende Tätigkeiten (z.B. Holz fällen/ Dies ist nur ein Beispiel für Synergien in der Energieerzeugung und -nutzung. Solche Synergien sind in vielfältiger Abb. 2: LOHC beladen und unbeladen mit den jeweiligen Reaktionsparametern Abb. 1: Die drei Energieströme aus der Elektrolysezelle transportieren, Kohle brechen/transportieren, usw…), dann wäre die Bilanz im Vergleich bereits sehr positiv. Um deutlich zu machen, was ich mit Bilanz meine, möchte ich daran erinnern, was wir alles für den Gewinn von Benzin oder Diesel tun. Wir gewinnen das Eisenerz aus den Gruben, stellen Eisen her, machen daraus Stahl und fertigen anschließend Werkzeuge, Röhren und Maschinen. Rohöl wird gepumpt, transportiert, raffiniert und dann die Endprodukte Benzin und Diesel an Tankstellen geliefert, so dass wir 10 PROZESSTECHNIK & KOMPONENTEN 2021

Leitartikel unsere Fahrzeuge betanken können. Wenn wir dies alles zusammenzählen, dann wäre der durchschnittliche Gesamtwirkungsgrad gerade mal 15%. Also eine ernüchternde Bilanz. Diesbezüglich müssen wir besser werden! Die zweite Ausbaustufe wäre, den Klärschlamm mit reinem Sauerstoff zu verbrennen. Dies geschieht bei relativ hohen Temperaturen, so dass damit, zusammen mit der Elektrolyse-und Hydrierwärme, wirkungsvoll Dampf erzeugt und über Turbine und Generator wieder in Strom verwandelt wird. Möglicherweise kann man von der Nachbarkläranlage preiswert Klärschlamm kaufen und so eine wirtschaftliche Größe der Verbrennung und Stromherstellung erreichen. Gleichzeitig könnte man mit der Verbrennungswärme den Wasserstoff aus der LOHC herauslösen und in Strom wandeln. Man könnte also sowohl durch das Verbrennen als auch durch den Wasserstoff komplett unabhängig vom Netz, Strom herstellen. Die sicher bestehende Restwärme im Bereich unter 100 °C garantiert somit immer noch die Fernwärmeversorgung. Die dritte Stufe wäre die Ergänzung der nun schon größeren Anlage mit einem Salzwärmespeicher. Dieser kann bis 490 °C erhitzt werden und merkliche Wärmemengen speichern. In diesem Salzspeicher bauen wir einen Reaktor ein, der sowohl hydrieren als auch dehydrieren kann. Damit das aber richtig funktioniert, haben wir eine Vakuumpumpentechnik entwickelt, die bei Dehydrieren den Druck deutlich absenkt, unempfindlich für Tröpfchen ist, ja diese sogar herausfiltert und so die Dehydriertemperatur auf ca. 220 °C absenkt, während bei 340 °C hydriert wird. Man kann also mit der Hydrierwärme dehydrieren. Der Salzspeicher könnte damit aber auch als Puffer für den Turbinenbetrieb dienen und so für gleichmäßigeren Betrieb sorgen. Die vierte Stufe wäre dann die Rohstoffrückgewinnung aus dem Klärschlamm. Die Prozesswärme dafür kommt aus den oben diskutieren Wärmequellen und könnte damit für eine Rohstoffrückgewinnung im größeren Ausmaß sorgen. Allem voran sei hier der Phosphor genannt, der bereits in Industrieländern als Mangelware gehandelt wird. Abb. 3: Maximalausbau einer großen Kläranlage mit Zukauf von Klärschlamm zur Verbrennung und Rohstoffrückgewinnung sowie möglicher Erzeugung von Methan und Methanol Abbildung 3 zeigt diesen Maximalausbau, der natürlich so nur in großen Kläranlagen realisiert werden sollte und wenn der Klärschlamm nichts kostet. Dann kämen wir auf Wirkungsgrade von über 100 %. Darüber hinaus kann man, wenn man mit reinem Sauerstoff verbrennt, auch relativ reines CO 2 ernten, mit Wasserstoff zu Methan reagieren lassen und daraus ggf. sogar Methanol herstellen. Aber wie Sie in dem stufenweisen Ausbau erkennen können, wäre auch schon mit deutlich weniger viel erreichbar. Nun stellt sich natürlich die Frage, wie die beladene LOHC sonst noch genutzt werden kann, außer in der Kläranlage zur Stromproduktion zu dienen. Natürlich kann man in Fahrzeugen mit Wasserstoffverbrennungsmotor mit der Motorwärme ebenfalls Wasserstoff freisetzen, den der Motor für den Betrieb braucht. Es ist allerdings auch möglich, mit einer SOFC-Brennstoffzelle, wegen ihrer hohen Abwärmetemperatur das Gleiche zu tun, um so den Wasserstoff freizusetzen, den Sie für den Betrieb des Fahrzeugs brauchen. Eine weitere Chance ist eine LOHC- Tankstelle. Dort passt mit der LOHC drucklos ca. 16-mal mehr Wasserstoff in einen Tank als in einen normalen, üblicherweise an Tankstellen mit 50 bar beladenen Drucktank. Dieser Tank ist preiswerter und bedeutet, da die LOHC unbrennbar ist, eine deutlich höhere Sicherheit. Dort könnte man dann LOHC tanken, wenn die SOFC ins Auto gefunden hat. Bis dahin stellen wir einen Salzspeicher neben den Tank und fördern bei Bedarf an Wasserstoff die LOHC durch den Reaktor im Salzspeicher. So erhält man postwendend Wasserstoffgas, das in Fahrzeuge gepumpt werden kann. Und selbst hier gibt es noch einen synergetischen Ansatz. Mit einem neuen Kompressor kann 95 % der Kompressionsenergie aus dem Kompressor abgeerntet werden und einer anderen Nutzung zugeführt werden (z. B. Heizung). Zusammenfassung Aus den hier aufgezeigten Beispielen wird deutlich, dass eine synergetische Herangehensweise an Energiethemen eine große nachhaltige Chance bietet, das Klimaproblem zu entschärfen und zugleich wirtschaftlich zu bleiben. Eine Kläranlage mit Energiespeicherung, Rohstoffrückgewinnung, Wärme- und Methanliefermöglichkeit (Methanol) wäre ein effizientes dezentrales Energie zentrum. Zugleich bietet das LOHC zusätzlich Möglichkeiten der Energiespeicherung, -bereitstellung und effizienter Nutzung und Transport und dazu noch die Möglichkeit der Langzeitspeicherung in großen Mengen, was es uns erlauben würde, Energie vom Sommer für den Winter zu speichern. Autor: Prof. Dr.-Ing. Eberhard Schlücker, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl für Prozessmaschinen und Anlagentechnik (IPAT), Erlangen, Deutschland PROZESSTECHNIK & KOMPONENTEN 2021 11

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