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Polizeiliche Führungslehre - Leseprobe

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Polizeiarbeit ist Teamarbeit. Führung ist dabei der Schlüssel zum Erfolg. Aber wie sieht eine zeitgemäße Führung überhaupt aus – wirksam und akzeptiert? Auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und kombiniert mit den Erfahrungswerten der polizeilichen Praxis entwerfen die drei Autoren ein übergreifendes Führungsverständnis. Im Kern steht ein aktuelles Polizeiliches Führungsmodell, das in seiner Umsetzung dem eigenen Führungshandeln Sicherheit und klare Orientierung gibt. Dies wird auch durch die verständliche Auffächerung der Modellinhalte erreicht: Zunächst leitet ein Praxisfall thematisch ein, dann wird die besondere Bedeutung dieses Führungsaspektes aufgezeigt, danach der wissenschaftliche Stand erläutert und abschließend die Integration in die polizeiliche Führungspraxis anschaulich vollzogen. Mit diesem Buch wird die Polizeiliche Führungslehre konzeptionell weiterentwickelt und strukturiert. Die Polizeipraktikerin und der Polizeipraktiker profitieren hiervon entscheidend, seien sie Führungskräfte oder noch auf dem Weg dorthin: Sie wissen, was in der Führung wichtig ist und wie eine gelingende Führungsbeziehung mit unterstützendem Umfeld aussehen könnte. Dies können sie mit ihrer eigenen Erfahrung abgleichen und verantwortungsvoll den Führungsalltag gestalten – und das auf allen Hierarchieebenen!

Zur Notwendigkeit einer

Zur Notwendigkeit einer polizeilichen Führungslehre 1 Zur Notwendigkeit einer polizeilichen Führungslehre und deren Neubestimmung Sicherheit ist ein Universalgut in der Menschheitsgeschichte. Sie ist gleichermaßen ein individuelles Bedürfnis wie gesellschaftliche Notwendigkeit. Die Legitimation des Staates hängt zwingend von seiner Fähigkeit und seiner Bereitschaft ab, mit Augenmaß Sicherheit für seine Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. 1 Geht es um die sogenannte Innere Sicherheit, 2 so ist die Institution Polizei erster Bezugspunkt für weiterführende Überlegungen. Der Polizei kommt deshalb in unserer Gesellschaft und für den Staat eine besondere Rolle zu. Damit kann es niemandem gleichgültig sein, wie die Polizei 3 agiert, organisiert ist und geführt wird. Dabei unterscheidet sich die Polizei nicht grundsätzlich von anderen Organisationen, aber ihre besondere Rolle in der Gesellschaft sowie die Alleinstellungsmerkmale der Organisation erfordern sehr wohl eine differenzierte Betrachtung. Moderne Anforderungen an polizeiliche Führung sind nicht deckungsgleich mit allen Schlüsselkompetenzen, wie sie für Führungskräfte der Wirtschaft oder anderen Unternehmungen gelten, dies auch vor dem Hintergrund zunehmend digitalisierter Arbeitswelten. Aber dort, wo Gemeinsamkeiten bestehen, muss es darum gehen, wesentliche Handlungsfelder für modernes Führungshandeln und deren Übertragbarkeit auf polizeiliche Führungsprozesse zu adapieren. So ist beispielsweise die im Zusammenhang mit der digitalen Transformation angeführte Fähigkeit, in oftmals mehrdeutigen Situationen (Ambiguität) beidhändig (Ambidextrie) führen zu können, 4 auch im besonderen polizeilichen Kontext notwendig und hilfreich. Nicht nur, aber insbesondere hinsichtlich notwendiger Wertehaltungen und ethischer Maßstäbe, erforderlicher interkultureller Kompetenzen oder den besonderen Rahmenbedingungen für die Implementierung eines Fehlermanagements gelten für die Polizei und ihre Führungskräfte jedoch besondere Bedingungen und Anforderungen. Richtigerweise setzen sich die entsprechenden Gremien der Polizei aktuell mit den besonderen Anforderungen an polizeiliche Führung auseinander 5 und greifen damit Diskussionen auf, die verwaltungsübergreifende Tagungen und Fachkongresse 6 sowie die Fachliteratur 7 unlängst bestimmten. Leseprobe Die Besonderheit der Institution Polizei ergibt sich zunächst aus ihrer Funktion innerhalb der Sicherheitsarchitektur 8 und der daraus folgenden Aufgabenbeschreibung für unser Gemeinwesen; in der englischen Literatur wird die Polizei sogar als zentrale und symbolische Institution des Nationalstaates gesehen. 9 Diese für das Gemeinwesen bedeutsame Stellung hat zu einer umfangreichen Verrechtlichung des polizeilichen Auftrages sowie einer politisch-öffentlichen Kontrolle der Polizei allgemein geführt. Des Weiteren ist sie regelmäßig 1 Vgl. Kinnvall/Mitzen (2017); Frevel (2013). 2 Wird als Sicherheit für Bürger und Staat innerhalb eines Territoriums verstanden, in Abgrenzung zur „Äußeren Sicherheit“, bei der Bedrohungen für den Staat von außerhalb abgewehrt werden. 3 Polizei wird hier als Sammelbegriff für die 16 Länder- und 3 Bundespolizeien in Deutschland verwandt. 4 Vgl. u.a. Steffens (2019). 5 Vgl. UAFEK – Unterausschuss Führung, Einsatz und Kriminalitätsbekämpfung (2018). 6 Vgl. z.B. Kongress „Wehrhafte Demokratie“, Berlin 06.06.-07.06.19; Kongress „Staat und Verwaltung“, Berlin 27.05.-28.05.19. 7 Misgeld & Wojtczak (2019). 8 Wird verstanden als das Zusammenwirken von staatlichen und nicht-staatlichen Organisationen, um die Sicherheit in einem Staat und für den Staat zu gewährleisten. 9 Vgl. Loader & Mulcahy (2003). 15

Zur Notwendigkeit einer polizeilichen Führungslehre (gesellschafts-)politisch ambitionierten Einflussversuchen unterschiedlichster Stoßrichtungen ausgesetzt. Die Bedeutung einer funktionsfähigen und legitimierten Polizei für einen demokratischen Rechtsstaat ist offensichtlich. Peter Manning, ein anerkannter US-amerikanischer Polizeiwissenschaftler, formuliert es wie folgt: „The police as an organization and policing as a practice are embedded in the supporting institutions of a democracy, and can sustain or erode the quality of democratic life“ 10 . Die Aufgabe der Polizei in Deutschland besteht gemäß dem verfassungsmäßigen Auftrag in der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. In den letzten Jahren hat sich aber gezeigt, dass der politische Begriff „Innere Sicherheit“ in Deutschland stets aufs Neue verhandelt werden muss. 11 Sicherlich – Gefahrenabwehr, Kriminalitätskontrolle sowie Verkehrssicherheit sind die Stichworte, die den Rahmen der polizeilichen Tätigkeiten definieren. 12 Entscheidend ist jedoch, wie dieser Rahmen inhaltlich ausgefüllt wird und wo die Grenzen der Zuständigkeit gezogen werden. Die formale Zuständigkeit für die polizeilichen Aufgaben ist vor allem auf die Länder konzentriert. 13 Sie findet allerdings auf der Bundesebene mit der Bundespolizei und dem Bundeskriminalamt sowie in der Verpflichtung zur Zusammenarbeit des Bundes und der Länder eine bedeutsame Erweiterung. Insgesamt wird so eine notwendige Vernetzung zu einer wirksamen Sicherheitsarchitektur erreicht, in deren Kontext die zunehmende Verantwortung und Ausweitung der Aktivitäten der Kommunen nicht vergessen werden dürfen. 14 Aber auch die Europäisierung oder Globalisierung von Aufgaben der Inneren Sicherheit werfen seit Ende des 20. Jahrhunderts immer wieder Grundsatzfragen auf und zwingen zur Neuausrichtung der Strategien sowie zu verändertem Handeln im operativen Bereich. Zu denken ist beispielsweise an die Veränderung der räumlichen Struktur der Kriminalität (Kriminalgeografie), die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Polizeien oder an die Europäisierung sowie Globalisierung der Politikgestaltung der Inneren Sicherheit. Es wird dabei auf die brüchigere oder je nach Sichtweise flexibler werdende Grenzlinie zwischen Innerer und Äußerer Sicherheit verwiesen, die das Völker- und Verfassungsrecht sowie das Polizei- und Militärrecht durchzieht. 15 Beispiele dafür sind die Terrorismusbekämpfung durch Spezialeinheiten der Bundeswehr (klassischerweise eine staatsanwaltschaftliche und polizeiliche Aufgabe) oder die Auslandseinsätze der Bundes- und Länderpolizeien im Rahmen internationaler Friedensmissionen der VN (Vereinte Nationen), der EU (Europäische Union) oder der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa), die der Herausbildung polizeilicher Kompetenzen im jeweiligen Einsatzland dienen, teilweise gar exekutive Aufgaben im Ausland zum Gegenstand haben (z.B. Kosovo EULEX). Ob eine Europäisierung der Außen- und Sicherheitspolitik in stärkerem Maße als bisher erfolgen soll, rückt immer mehr in den Fokus. 16 Und die Diskussion darüber, ob die Sicherheit überhaupt noch in die Kategorien Inneres und Äußeres (und Soziales) aufzuteilen ist, ist ebenfalls im Gange. Conze Leseprobe 10 Manning (2010), S. VII. 11 Vgl. u.a. Kreissl et al. (2008); Fischer & Masala (2016); Frevel (2018); Möllers & van Ooyen (2019). 12 Siehe ausführlicher: Waldmann (2007), S. 23 f.; Denninger (2018). 13 Vgl. u.a. Groß et al. (2008); Behrendes (2013). 14 Siehe ausführlicher u.a.: Kreissl (2008), S. 31 f.; Gusy (2010); Endreß (2013). 15 Vgl. Knelangen (2008 und 2014); Krumbein (2012); Möllers & van Ooyen (2008), S. 27. 16 Vgl. als ein Beispiel Gahler & Moos (2017). 16