VDP-BV Leseproben

Aufrufe
vor 3 Jahren

Prüfungswissen Staats- und Verfassungsrecht - Leseprobe

  • Text
  • Verfassungsrecht
  • Grundgesetzes
  • Deutsche
  • Deutschen
  • Bundes
  • Monarchie
  • Handelt
  • Verfassung
  • Gesetz
  • Grundgesetz
  • Bund
Das Staats- und Verfassungsrecht stellt die rechtliche Grundlage des Staates und die ranghöchste „Messlatte“ für jedes staatliche Handeln dar. Ihm kommt inhaltlich eine zentrale Bedeutung im Fachhochschulstudium „Polizei“ zu. Dieses Buch vermittelt in konzentrierter Form die Zusammenhänge und Strukturen des Staats- und Verfassungsrechts. Der Schwerpunkt liegt im Bereich der Wissens- und Verständnisfragen. Die dazugehörigen Antworten sind kurz und problemorientiert und konzentrieren sich auf die Sachprobleme. Die Auswahl und Gewichtung des Stoffes orientieren sich an den Studienplänen der Fachhochschulen des Bundes und der Länder. Inhaltlich gibt der Autor einleitend eine Einführung in das Thema, um sich dann den staatsrechtlichen Grundlagen zu widmen. Der abschließende Teil beschäftigt sich mit den Grundrechten. Ein Literatur- und ein Stichwortverzeichnis runden das Werk ab.

Bundesstaatlichkeit die Kompetenzordnung der Art. 70 ff. umgangen werden könnte (der Bund müsste nur entsprechende völkerrechtliche Verträge abschließen und könnte dann in jeden Bereich der Landesgesetzgebung eingreifen), kann im Bereich der ausschließlichen Landesgesetzgebung die Vertragsschlusskompetenz beim Bund und die Transformationskompetenz bei den Ländern liegen (str.). Es wäre also denkbar, dass der Bund sich völkerrechtlich verpflichtet, dann aber nicht in der Lage ist, diese Verpflichtung innerstaatlich zu erfüllen. Praktisch wird dieses Ergebnis aber durch das sog. Lindauer Abkommen verhindert. Danach holt der Bund zunächst das Einverständnis der Länder ein. Dafür wird dem Bund die Abschlusskompetenz auch im Bereich der ausschließlichen Landesgesetzgebung zugebilligt, und die Länder sind aufgrund ihres vorherigen Einverständnisses verpflichtet, den Vertrag in Landesrecht umzusetzen. Somit hätte der Bund in diesem Fall die Abschlusskompetenz, nicht aber die Gesetzgebungskompetenz, um ein Bundesgesetz zu erlassen. Die Bundesländer sind aber – bei vorheriger Absprache i.S.d. Lindauer Abkommens – aufgrund dieses Abkommens verpflichtet, den Vertrag in Landesrecht umzusetzen. Da es bei der Einbürgerung zu größeren Abweichungen zwischen den Bundesländern kam, soll sie in Zukunft durch gemeinsame Entscheidung der zuständigen Landesbehörde und des Bundesverwaltungsamtes erfolgen. Bestehen gegen diese Regelung verfassungsrechtliche Bedenken? Ja. Im vorliegenden Fall wird die Aufgabenwahrnehmung einer Bundes‐ und einer Länderbehörde nach außen verbunden. Da die getroffene Entscheidung über die Einbürgerung als die gemeinsame Entscheidung erscheint, handelt es sich um einen Fall der Mischverwaltung. Da nach dem Grundgesetz die Kompetenzen von Bund und Ländern grundsätzlich getrennt sind, ist eine solche Mischverwaltung unzulässig. Im Hinblick auf die parlamentarische Verantwortung und das anzuwendende Recht muss deutlich sein, ob eine Maßnahme dem Bund oder einem Land zuzurechnen ist. Weil dies im vorliegenden Fall nicht gegeben ist, ist die Regelung verfassungswidrig. Leseprobe Anmerkung: Zu einer Ausnahme von diesem Grundsatz vgl. aber Frage 52. Nach dem Ergebnis in Frage 50 wird erwogen, dass die Einbürgerung in Zukunft nur von der zuständigen Landesbehörde im Einvernehmen mit dem Bundesinnenminister vorgenommen werden soll. Wie ist diese Regelung verfassungsrechtlich zu bewerten? Bei diesem Vorgehen wird versucht, den Interessen des Bundes durch ein internes Zustimmungsbedürfnis gerecht zu werden. Dabei handelt es sich nicht um eine Form der Mischverwaltung, da lediglich die Landesbehörde nach außen tätig wird. Es ist also eindeutig, wer die Verantwortung trägt und welches Recht anwendbar ist. Der Zustimmung des Bundesinnenministers kommt insofern lediglich interne Bedeutung zu. Somit bestehen gegen diese Regelung keine Bedenken. Anmerkung: Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Kooperation zwischen Bund und Ländern an die Kompetenzordnung des Grundgesetzes gebunden ist. Durch den Ab- 50 51 39

Teil II: Staatsrechtliche Grundlagen schluss von Verträgen oder den Erlass von Gesetzen kann diese Ordnung nicht abgeändert werden. Folglich kann eine (interne) Bindung der Landesbehörden an die Zustimmung des Bundes nur im Bereich der Art. 84, 85 vorgesehen werden, da in diesem Bereich auch Einzelweisungen des Bundes zulässig wären. 52 53 54 Warum war die Einführung des Art. 91e erforderlich? (Vgl. BVerfG in BVerfGE 119, 331) Der Gesetzgeber beabsichtigte, die durch die Bundesagentur für Arbeit gezahlte Arbeitslosenhilfe und die in die Verwaltungszuständigkeit der Gemeinden fallenden Sozialhilfeleistungen durch eine Grundsicherung aus einer Hand zu ersetzen (sog. ALG II/Hartz IV). Dabei sollten Bund und Kommunen als Träger der jeweils von ihnen zu erbringenden Leistungen erhalten bleiben, aber für die einheitliche Wahrnehmung nach außen gemeinsame Arbeitsgemeinschaften bilden. Dies widerspricht jedoch dem Grundsatz der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung, der den zuständigen Verwaltungsträger verpflichtet, seine Aufgaben grundsätzlich durch eigene Verwaltungseinrichtungen, also auch mit eigenem Personal, eigenen Sachmitteln und eigener Organisation wahrzunehmen. Wird dies nicht beachtet, ergibt sich daraus eine Verletzung der Eigenverantwortlichkeit der gemeindlichen Aufgabenwahrnehmung gem. Art. 28 II 1, 2. Folglich war der Gesetzgeber gezwungen, mit Art. 91e die verfassungsrechtliche Grundlage zu schaffen, um die Mischverwaltung zwischen Bund und Ländern in Form der gemeindlichen Selbstverwaltungskörperschaften aufrecht erhalten zu können. Anmerkung: Weitere Fälle der Mischverwaltung finden sich in den Art. 91a–91d (sog. Gemeinschaftsaufgaben). Kann in einem Bundesland wieder ein Monarch als Staatsoberhaupt eingeführt werden? Wenn in einem Bundesland wieder ein Monarch als Staatsoberhaupt eingeführt werden würde, so würde die innerstaatliche Ordnung des Bundeslandes massiv von der staatlichen Ordnung des Bundes abweichen. Durch das in Art. 28 I niedergelegte Homogenitätsprinzip ist aber sichergestellt, dass eine gemeinsame Grundstruktur für Bundesstaat und Gliedstaaten besteht. Die Grundprinzipien des republikanischen, demokratischen, sozialen Rechtsstaates gelten danach auch für die einzelnen Gliedstaaten. Da es sich nur um eine Festlegung auf Strukturprinzipien handelt, verbleibt den Ländern zwar ein großer Spielraum zur Umsetzung, aber das Land überschreitet seine Befugnisse bei der Wiedereinführung einer monarchistischen Staatsstruktur, da dies im offenen Widerspruch zu Art. 28 I steht. Es ist somit nicht möglich, in einem Bundesland wieder einen Monarchen als Staatsoberhaupt einzuführen. Kann das Bundesland P für die Landtagswahlen ein reines Mehrheitswahlsystem einführen? (Vgl. BVerfG in BVerfGE 4, 31) Bedenken gegen die Zulässigkeit könnten sich aus dem Homogenitätsprinzip des Art. 28 I ergeben. Dadurch soll allerdings lediglich gewährleistet werden, dass Bund und Länder eine gemeinsame Grundstruktur haben. Es soll dagegen keine Gleichförmigkeit erreicht werden. 40