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Versammlungsrecht - Leseprobe

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Das vorliegende Werk verknüpft die Vorteile eines Kommentars mit denen eines Lehr- und Studienbuchs. Durch die themenbezogene Gliederung in 14 Kapitel, das umfangreiche Stichwortverzeichnis sowie zahlreiche Belege aus Rechtsprechung und Schrifttum bietet es eine umfassende Hilfestellung an und ist sowohl zur methodischen Erarbeitung der Gesamtmaterie des Versamm­lungsrechts als auch als wertvolles Nachschlagewerk zur Beantwortung von Einzelfragen geeignet.

Kapitel I •

Kapitel I • Verfassungsrechtliche Grundlagen Zwar schließt Art. 103 Abs. 2 GG die Verwendung auslegungsbedürftiger Begriffe und deren judikative Konkretisierung nicht aus, vom Gesetzgeber zu vertretende Unklarheiten dürfen jedoch niemals zu Lasten der Normadressaten gehen. Ihrem rechtsstaatlichen Schutz dient der strenge Vorbehalt des Art. 103 GG. Jedermann soll vorhersehen können, welches Verhalten strafbar ist, und die Möglichkeit haben, sich daran auszurichten. 25 2.1 IMK-Beschlüsse, Eckpunktepapier und Bund-Länder-Arbeitsgruppe Bereits seit den 1970er Jahren wurde über eine umfassende Novellierung des Versamm lungsrechts diskutiert. Vor dem Hintergrund der Zunahme von Demonstrationen rechtsextremer Gruppen an symbolträchtigen Orten hielt die IMK schließlich eine umfassende Gesetzesänderung für erforderlich. 26 Am 24.11.2000 empfahl sie dem Bundesinnenminister, einen Gesetzentwurf zur Verschärfung des Versammlungsrechts vorzulegen und dabei zugleich das BVersG grundlegend zu novellieren. Zur Klärung der zentralen Frage, ob die Schaffung eines Verbotstatbestandes zur Unterbindung rechtsextremistischer Versammlungen grundsätzlich zulässig sei, holte das Ministerium daraufhin zunächst ein Rechtsgutachten 27 ein, das von der IMK am 6.6.2002 zur Kenntnis genommen wurde. Nach detaillierter Auswertung legte das Bundesinnenministerium am 12.5.2003 ein sog. Eckpunktepapier („ Schily-Papier“ – Stand: 5.5.2003) mit Lösungsansätzen zur umfassenden Novellierung des BVersG vor und regte zugleich die Einrichtung einer länderoffenen Arbeitsgruppe zur fachlichen Vorbereitung eines Referentenentwurfs an. Dem Eckpunktepapier folgte sodann ein erster Diskussionsentwurf der Bund-Länder-Arbeitsgruppe vom 17.11.2003, den die IMK zustimmend zur Kenntnis nahm. Die Einbringung eines auf dieser Grundlage erarbeiteten Gesetzentwurfs unterblieb zunächst im Hinblick auf die noch ungeklärte verfassungsrechtliche Problematik zusätzlicher Verbotstatbestände. Dennoch bat die IMK mit Beschluss vom 18./19.11.2004 das Bundesinnenministerium, das förmliche Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des VersG einzuleiten. Unter dem Eindruck einer für den 8.5.2005 geplanten NPD-Demonstration am Brandenburger Tor 28 in Berlin hat der Bundesgesetzgeber dann jedoch partiell verbesserte Eingriffsermächtigungen gegenüber rechtsextremistischen Versammlungen vorgezogen und das Versammlungsrecht sowie das Versamm- Leseprobe 25 BVerfGE 92, 1; 71, 108 (114); Hecker, in Eser et al., 2019, § 1, Rn. 17; Fischer, 2020, § 1, Rn. 4; ders., 2018, S. 6; Kühl/Heger, 2018, § 1, Rn. 2. 26 Vgl. dazu Brenneisen/Wilksen/Staack/Martins, 2016, Vorb., Rn. 5. 27 Gutachten (n.v.) des ehemaligen Richters am BVerfG Grimm; dazu Battis/Grigoleit, 2005, S. 349; vgl. auch Bull, 2000. 28 Zur symbolischen Bedeutung des Brandenburger Tors siehe Baudewin, 2020, S. 315 (m.w.N.). © VERLAG DEUTSCHE POLIZEILITERATUR GMBH Buchvertrieb, Hilden Brenneisen/Wilksen/Staack/Martins, Versammlungsrecht, 5. Auflage 2020, ISBN 978-3-8011-0889-2

Föderalismusreform I lungsstrafrecht in einem parlamentarischen Kraftakt verschärft. 29 Neben der Modifizierung des § 130 StGB („ Volksverhetzung“ 30 ) ist durch das Änderungsgesetz vom 24.3.2005 31 die generalklauselartige Bestimmung des § 15 VersG ergänzt worden. Normzweck war ausweislich der vorliegenden Gesetzesmaterialien 32 allein die Ergänzung der hoheitlichen Eingriffsbefugnisse, um gegen rechtsextremistische Versammlungen effektiver vorgehen zu können. Nach Inkrafttreten dieser Änderung ist das Vorhaben einer Generalrevision seitens des Bundes mit Rücksicht auf die Verhandlungen über die Verlagerung der Gesetzgebungszuständigkeit auf die Länder nicht weiterverfolgt worden. 33 Mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.8.2006 („Föderalismusreform I“ 34 ) wurde das Versammlungsrecht sodann aus der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes entlassen. Mit dem Gesetz zur Zusammenführung der Regelungen über befriedete Bezirke für Verfassungsorgane des Bundes vom 8.12.2008 wurde lediglich noch der Schutz des Deutschen Bundestages, des Bundesrates und des Bundesverfassungsgerichts bundesrechtlich durch die Einrichtung befriedeter Bezirke sichergestellt. 35 Im Hinblick auf die Beschlusslage der IMK ist der aktualisierte Entwurf eines Gesetzes im Vorfeld der Schaffung von Landesversammlungsgesetzen als Beratungsgrundlage für die Länder (VersGE, Stand: 20.11.2006 36 ) mit Schreiben vom 8.12.2006 den Innenstaatssekretären und -räten der Länder übersandt worden. Der Entwurf verfolgte das Ziel, den im Versammlungsgeschehen seit Inkrafttreten des BVersG im Jahr 1953 eingetretenen rechtlichen und tatsächlichen Entwicklungen gerecht zu werden. Insbesondere sollte die seit der Entstehungszeit des BVersG immer stärker ausdifferenzierte Rechtsprechung unmittelbar im Wortlaut des Gesetzes ihren Niederschlag finden. 37 2.2 Föderalismusreform I Im Jahr 2003 setzten Bundestag und Bundesrat eine Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung ein. Zielstellung war die Erarbeitung von Vorschlägen, mit denen die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von Bund und Ländern verbessert, die politischen Verantwortlichkeiten deutlicher zugeordnet sowie die Zweckmäßigkeit und Effizienz der Aufgabenerfüllung gesteigert werden sollten. Allerdings scheiterte diese Kommission letztlich im Jahr Leseprobe 29 Zur Kritik daran vgl. Kutscha, 2007, S. 1; Brenneisen/Wilksen, 2006, S. 265; Enders/Lange, 2006, S. 105; Poscher, 2005, S. 1316; Battis/Grigoleit, 2005, S. 349 und Dietel/Gintzel, 2005, S. 282. 30 Siehe dazu Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Eser et al., 2019, § 130, Rn. 22a; Fischer, 2020, § 130, Rn. 23. 31 BGBl 2005 I, S. 969. 32 BT-Drucksache 15/5051, S. 1. 33 Brenneisen/Wilksen/Staack/Martins, 2016, Vorb., Rn. 6. 34 BGBl 2006 I, S. 2034. 35 BGBl 2008 I, S. 2366; dazu Dietrich, 2010, S. 683. 36 Anhang III. 37 Brenneisen/Wilksen/Staack/Martins, 2016, Vorb., Rn. 7. © VERLAG DEUTSCHE POLIZEILITERATUR GMBH Buchvertrieb, Hilden Brenneisen/Wilksen/Staack/Martins, Versammlungsrecht, 5. Auflage 2020, ISBN 978-3-8011-0889-2