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Beschaffung aktuell 03.2024

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» MANAGEMENT Dr.-Ing. Thomas Schneider, CPO, ERGO Group AG Was zählt, sind messbare Erfolge Im Gespräch mit Dr.-Ing. Thomas Schneider, CPO bei der Versicherungsgruppe ERGO in Düsseldorf, geht es um Einblicke in den Einkaufsbereich von Versicherungen, insbesondere im Bereich des indirekten Spends. Schneider beleuchtet die Potenziale und Fortschritte, die durch den Einsatz moderner Technologien im Einkauf erzielt werden, und erläutert die Folgen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) in seinem Unternehmen. Bild: Ergo Beschaffung aktuell: Wie sieht die aktuelle Situation im Einkauf bei Versicherungen aus? Was sind die Herausforderungen? Dr.-Ing. Thomas Schneider: In der Versicherungsbranche sind Themen wie Lieferkettenstörungen weniger relevant. Unsere Hauptaufmerksamkeit liegt auf dem indirekten Spend von ERGO, also Ausgaben, die nicht direkt mit Versicherungsleistungen verbunden sind. Während wir beispielsweise bei der Beschaffung von Computer-Hardware geringfügige Verzögerungen erleben, sind unsere Ausgaben hauptsächlich durch Dienstleistungen und Software geprägt. Im Gegensatz zur Industrie sind wir von den bekannten Problemen weniger betroffen. Auch im Bereich Hardware? Im Rahmen des Projekts „New Work“, das die Transformierung unserer Arbeitswelt in eine hybride beinhaltet, haben wir unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Laptops und Monitore zur mobilen Arbeit bereitgestellt. Trotz der allgemeinen Be- Thomas Schneider, Chief Procurement Officer der Ergo Group AG, berichtet in unserem Interview, wie Coupa dem Unternehmen geholfen hat, abteilungs- und funktionsübergreifend die Widerstandsfähigkeit der Wertschöpfungsketten zu gewährleisten. 26 Beschaffung aktuell » 03 | 2024

ichte über Einschränkungen bei der Hardware-Verfügbarkeit und Problemen mit Halbleitern haben wir bisher keine signifikanten Auswirkungen festgestellt. Wie ist der Einkauf bei der Ergo organisiert? Wir haben unsere Struktur optimiert: Früher gab es getrennte Abteilungen für IT und Nicht-IT-Sourcing sowie für den operativen Einkauf. Jetzt haben wir einen klaren Ansatz: Eine Abteilung fokussiert sich auf den strategischen Einkauf, einschließlich großer Einzelverträge. Der taktischoperative Einkauf, unser primärer Kundenkontakt, kümmert sich um alle Anfragen. Bei komplexeren Bedarfen arbeiten beide Abteilungen eng mit dem strategischen Einkauf zusammen. Eine separate Abteilung ist für Digitalisierung, Performance und Governance verantwortlich. Durch den Einsatz von IT-Tools, insbesondere Coupa, reduzieren wir administrative Aufgaben. Das gibt uns Raum, proaktiv Verhandlungen zu führen und das beste wirtschaftliche Ergebnis zu erzielen. Aber trotz Effizienzgewinnen durch Technologie steigen auch unsere Aufgaben in Bezug auf Systemaufbau und Governance-Anforderungen. Es ist also kein einfaches „weniger Arbeit durch IT“, sondern eher eine gezielte Umverteilung und Vertiefung unserer Aufgaben. Spielt das Thema Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz eine Rolle? Als in Deutschland ansässiges Unternehmen mit über 3000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind wir verpflichtet, den Anforderungen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes nachzukommen. Wir sind ein international agierendes Unternehmen und müssen mögliche Risiken für Menschenrechtsverletzungen im Blick haben. Das Risiko von Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen ist zwar relativ gering, ein Restrisiko bleibt aber immer. Das Gesetz ist stark auf produzierende Unternehmen mit international ausgerichteten Lieferketten fokussiert – zum Beispiel Textil- oder Fahrzeughersteller. Beim Einkauf sind wir als Versicherer durch die Art zu der beschaffenen Güter und Dienstleistungen nur in einzelnen Kategorien einem erhöhten Risiko von Menschenrechtsverletzungen bei unseren Lieferanten ausgesetzt. Hier werden Einzelfallprüfungen durchgeführt. Vergangenes Jahr haben wir dazu ein umfangreiches Projekt durchgeführt, um die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen und entsprechende Berichte zu erstellen. Trotz der Komplexität, insbesondere bei unseren über 400 Tochterunternehmen weltweit, haben wir von über 25.000 Lieferanten nur ganz wenige identifiziert, bei denen genaue Überprüfungen erforderlich waren. Wie haben Sie das organisiert? Um den Aufwand für 25.000 Lieferanten zu bewältigen, haben wir die einzelnen Landesgesellschaften gebeten, uns eine »Trotz Effizienzgewinn durch Technologie steigen auch unsere Aufgaben in Bezug auf Systemaufbau und Governance- Anforderungen.« Liste ihrer Kreditoren zuzusenden. Gemeinsam mit einem Beratungshaus haben wir diese Daten dann durch verschiedene Datenbanken analysiert. Für zukünftige Herausforderungen nutzen wir ein Modul von Coupa namens RPM für das Risikomanagement der Lieferanten. Dieses System wird mit einem Dienstleister verknüpft. Unsere Lieferanten sind zu 90 Prozent in Deutschland geschäftsansässig. Der geringe Anteil aus dem EU-Ausland oder anderen Ländern stellt eher eine bürokratische Herausforderung dar. In Anbetracht aktueller Diskussionen über Entbürokratisierung wäre eine spezifischere Ausrichtung auf Branchen, die mit Rohstoffen zu tun haben, aus meiner Sicht sinnvoll und wünschenswert. Welche Tools nutzen Sie im Einkauf? Wir setzen Coupa-Core ein, hauptsächlich zur Unterstützung unseres strategischen Beschaffungsprozesses, also im Bereich Source-to-Contract. Dabei geht es um alle Aspekte unserer Ausschreibungsverfahren. Allerdings verwenden wir es auch sehr erfolgreich für E-Auctions. Zudem nutzen wir das Contract-Life-Cycle-Management. Jede Ausschreibung mündet in einen Vertrag oder einen Rahmenvertrag. Der zweite Hauptprozess betrifft Purchase-to-Pay, beginnend bei der Purchase Order oder dem Purchase Request bis hin zur Rechnungsbearbeitung. Wie ist die Akzeptanz inhouse? Wir haben im Jahr 2019 mit der Implementierung begonnen, sind seit der Mitte des Jahres 2022 vollständig in Betrieb und sind sehr zufrieden damit. Das Schöne ist, dass relational alle Prozesse miteinander verknüpft sind. Wenn ich eine Bestellung einsehe, erhalte ich detaillierte Einblicke: Wer hat sie initiiert? Die gesamte Abwicklung und die verschiedenen Genehmigungsebenen sind lückenlos dokumentiert. Durch eine Erweiterung sehe ich nun auch, welche Beträge bereits beglichen wurden. Es gibt eine direkte Verbindung zu den jeweiligen Rechnungen und einen Bezug zum Vertrag. Bei der Ansicht des Vertrags kann ich nicht nur weitere bestehende Verträge desselben Lieferanten einsehen, sondern auch den Ursprung dieses Vertrags über eine spezifische Ausschreibung, also ein Sourcing-Event, nachvollziehen. Das System bietet eine umfassende Informationsbasis, die im Vergleich zu unseren vorherigen Methoden einen enormen Fortschritt darstellt. Für unsere Einkaufsbedürfnisse deckt es nahezu alle Anforderungen ab. Welche Ergebnisse und Verbesserungen konnten Sie messbar erzielen? Der wesentliche Unterschied liegt in zwei Hauptdimensionen: der Einsparung und der Prozesseffizienz. Beim Ansatz Sourceto-Contract profitieren wir von der Systemunabhängigkeit gegenüber ERP-Systemen im Vergleich zum komplexeren Purchase-to-Pay-Prozess. Durch klare Ausschreibungen und die Implementie- Beschaffung aktuell » 03 | 2024 27

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