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Beschaffung aktuell 09.2021

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» ENERGIE Olaf Bollmann, Leiter Beschaffung Strategie, Kapazitäts- und Prozessmanagement, Porsche AG „Zukünftig wird Grünstrom zum Standard gehören“ Mit der Forderung an die Lieferanten, auf Grünstrom umzustellen, hat Porsche einen weiteren Schritt getan, um die CO 2 -Emissionen in der Lieferkette zu senken. Beschaffung aktuell nahm diese Ankündigung zum Anlass, um mit Olaf Bollmann, Leiter Beschaffung Strategie, Kapazitäts- und Prozessmanagement, über seine Strategie und die Reaktionen der Lieferanten zu sprechen. »Viele Porsche- Lieferanten sind schon von sich aus auf einem guten Weg. Sie wollen Vorreiter sein, haben die eigene ökologische Verantwortung im Blick.« Seit Juli 2021 fordert der Sportwagenhersteller bei seinen rund 1300 Serienlieferanten den ausschließlichen Einsatz von erneuerbaren Energien zur Fertigung der Porsche-Bauteile ein. Dies gilt für alle Vergaben von Produktionsmaterial für neue Fahrzeugprojekte. Lieferanten, die nicht bereit sind, auf zertifizierten Grünstrom umzustellen, werden im Vergabeprozess von Porsche langfristig nicht mehr berücksichtigt, heißt es in der Pressemitteilung. „Unsere Batteriezellenlieferanten müssen bereits seit 2020 Grünstrom einsetzen. Nun folgt der nächste wichtige Schritt: Auch unsere Serienlieferanten sollen unsere Komponenten komplett mit erneuerbaren Energien produzieren und so die CO 2 -Emissionen weiter verringern. Wir stellen uns der Verantwortung für nachhaltige und transparente Lieferketten“, erklärte Uwe-Karsten Städter, Vorstand für Beschaffung der Porsche AG, in der Pressemitteilung. Porsche hat sich ein ambitioniertes Ziel gesetzt: 2030 soll das Unternehmen über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg bilanziell CO 2 -neutral sein. Momentan ist die Lieferkette des Sportwagenherstellers für rund 20 Prozent der Treibhausgasemissionen von Porsche verantwortlich. Dieser Anteil steigt mit der zunehmenden Elektrifizierung perspektivisch auf rund 40 Prozent bis 2030. Beschaffung aktuell: Welche Lieferanten sprechen Sie mit Ihrer Forderung nach der Nutzung von Ökostrom an? Olaf Bollmann: Perspektivisch alle. Aktuell liegt unser Fokus auf dem Produktionsmaterialbereich. Dort fällt ein großer Teil des CO 2 -Impacts an. Aber generell gilt unser Nachhaltigkeitskonzept auch für relevante Umfänge der allgemeinen Beschaffung – das ist alles, was nicht in unsere Fahrzeuge geht. Also Dienstleistungen, Anlagen, Verpackungsmaterialien oder Büroausstattung, um nur einige Beispiele zu nennen. Wie wollen Sie denn sicherstellen, dass tatsächlich nur Grünstrom bezogen wird? Bollmann: Wichtig sind Vertrauen und partnerschaftliche Zusammenarbeit. Viele unserer Lieferbeziehungen bestehen schon sehr lange. Wir sind im Dialog, erörtern zusammen den Einsatz von Grünstrom. Zudem haben wir klare Anforderungen definiert. In unseren Lastenheften ist genau beschrieben, woraus der Strom gewonnen werden soll, also zum Beispiel aus Solar- oder Windkraft. Atomstrom gehört übrigens nicht dazu. Wir sind optimistisch, dass die Partner unsere Erwartungen erfüllen werden. Das heißt, die Lieferanten legen ihnen entsprechende Zertifikate vor? Bollmann: Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht. Bei unseren Batteriezellenlieferanten klappt das gut. Wir können die Zertifikate sehen und prüfen. Das tun wir stichprobenartig. Genauso, wie die Lieferanten uns zuverlässig mit Teilen beliefern, gehe ich grundsätzlich davon aus, dass sie die Vereinbarungen, die wir im Lastenheft anfragen und vertraglich vereinbart haben, auch einhalten. Wie haben Ihre Lieferanten auf Ihre Forderung reagiert ? Bollmann: Viele Porsche-Lieferanten sind schon von sich aus auf einem guten Weg. Sie wollen Vorreiter sein, haben die eigene ökologische Verantwortung im Blick. Durch unsere Forderung haben sie 48 Beschaffung aktuell » 09 | 2021

Bild: Porsche noch mehr Rückenwind, um Nachhaltigkeit in ihren eigenen Organisationen weiter voranzutreiben. Ich kann mir vorstellen, dass auch andere Hersteller nachziehen und ihre Lastenhefte auf Grünstrom ausrichten werden. Für den Lieferanten ist der konsequente Einsatz erneuerbarer Energien also durchaus ein Wettbewerbsvorteil. Wie viele Lieferanten haben schon von sich aus auf grünen Strom umgestellt? Bollmann: Wir haben unsere rund 1300 Serienlieferanten dazu befragt. Das Ergebnis spricht für sich: Bereits ein Drittel nutzt über 50 Prozent erneuerbare Energien. Weitere 20 Prozent der Lieferanten setzen schon zwischen 25 und 50 Prozent erneuerbare Energien ein. Wichtig ist: Unsere Partner nehmen das Thema ernst. Jetzt kommt es darauf an, am Ball zu bleiben und die Geschwindigkeit dieser Entwicklung weiter zu erhöhen. Das besprechen wir in unseren Lieferanten-Dialogen. Gab es vorher schon proaktiv von den Lieferanten den Hinweis, dass sie grünen Strom nutzen, um sich positiv von Mitbewerbern abzuheben? Bollmann: Ja, das kommt vor. Nachhaltigkeit ist ein entscheidender Faktor in der Vergabe – nicht nur bei der Nutzung von grünem Strom. Ich erinnere mich an einen Lieferanten, der aktiv mit der Nutzung eines geschlossenen Wasserkreislaufs in seinem Betrieb warb. Eine tolle Initiative. Sie sehen: Es geht darum, wie generell mit der Energie umgegangen wird. Andere Lieferanten nutzen die im Produktionsprozess entstehende Wärme, um das Werk zu heizen. Die Partner haben erkannt, dass das auch Alleinstellungsmerkmale sein können, um sich positiv im Wettbewerb zu positionieren. Generell beobachte ich einen Paradigmenwechsel: Früher ging es ausschließlich um Kosten und Qualität. Heutzutage ist die Betrachtung vielschichtiger, die Lieferanten präsentieren auch ihre Nachhaltigkeitssicht. Darüber kann man sich differenzieren. Und das berücksichtigen wir in unserem Vergabeprozess natürlich. Was hat denn jetzt die höchste Priorität? Bollmann: Eine gute Frage. Generell sind alle Vergabesituationen individuell. Unsere Beschaffer bewerten immer ein Set verschiedener Kriterien. Dazu gehören Kosten, Qualität sowie diverse Parameter für die Versorgungssicherheit. Zusätzlich das Thema Nachhaltigkeit. Das Zusammenspiel dieser Faktoren muss für uns passen. Wie werden Sie reagieren, wenn wichtige Lieferanten nicht mitziehen? Bis zu wie viel Prozent akzeptieren Sie höhere Kosten? Bollmann: Es geht bei uns um Vergaben für neue Fahrzeugprojekte, die einen längeren Vorlauf haben. Klar ist: Das ist ein Lernprozess. Einige Lieferanten ste- Olaf Bollmann von der Porsche AG setzt bei der Forderung nach Grünstrom auf eine enge Zusammenarbeit mit den Lieferanten. Beschaffung aktuell » 09 | 2021 49

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