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Beschaffung aktuell 7-8.2022

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TITEL » C-Teile-Management Bild: Keller & Kalmbach Dr. Florian Seidl ist geschäftsführender Gesellschafter der Keller & Kalmbach GmbH. Dr. Florian Seidl, geschäftsführender Gesellschafter, Keller & Kalmbach, im Interview Die Analyse wird immer wichtiger Seit 1979 ist Dr. Florian Seidl Geschäftsführer der Keller & Kalmbach GmbH. Wie er die letzten Jahre erlebt hat und wie moderne Analyse- Tools sowohl dem C-Teile-Spezialisten als auch seinen Kunden dabei helfen, den derzeitigen Herausforderungen zu begegnen, erzählt er im Gespräch mit der Beschaffung aktuell. Dabei standen auch die Impressum: Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e. V. (BME) Themen Frankfurter Nachhaltigkeit Straße 27, 65760 und Eschborn, Digitalisierung Tel. 06196 5828-0, auf Fax der –299, Agenda. E-Mail: info@bme.de, Internet: www.bme.de 38 Beschaffung aktuell » 7-8 | 2022

Beschaffung aktuell: Herr Dr. Seidl, Keller & Kalmbach hat neun Standorte in Deutschland und ist international an neun weiteren vertreten. Wie erleben Sie diese volatilen Zeiten? Dr. Florian Seidl: Gesamtwirtschaftlich befinden wir uns in einer schwierigen Gemengelage. Der Umgang mit enormen Preissteigerungen auf dem Markt für Verbindungs- und Befestigungstechnik sowie die Aufrechterhaltung einer stabilen Lieferkette sind für uns die größten Herausforderungen. Wenn man unsere Kundensegmente in Deutschland näher betrachtet, so kann man sagen, dass die Auftragslage in der Automobilindustrie zwar gut ist, die Teileverfügbarkeit aber hier ein großes Problem darstellt – sei es die Chipkrise, die uns seit Monaten begleitet oder der Ausfall von Bordnetzproduzenten durch den Ukrainekrieg. Das führt zu Produktionsausfällen und das spüren auch die Zulieferer. Zudem ist bei der Weitergabe von unumgänglichen Preisanpassungen an Kunden für uns alle Fingerspitzengefühl in der Kommunikation gefragt. Positiv ist für uns, dass die Auftragslage in einer unserer Fokusbranchen, dem Maschinenbau, bis ins Jahr 2023 sehr gut ist. Unsere Kunden sind hier sehr positiv gestimmt. Auch im Hinblick auf die Bahnindustrie, die wir ebenfalls versorgen, blicken wir mit Zuversicht in die Zukunft. Inwiefern spüren Sie die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf Ihr Geschäft? Seidl: Wir haben vor fünf Jahren mit der Versorgung unserer Industriekunden in Russland begonnen und haben für die lokale Betreuung einen Standort in Jekaterinburg eröffnet. Die durch den Ukrainekrieg erlassenen Sanktionen haben dazu geführt, dass wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Russland nicht unterstützen können und sie aktuell auf sich alleine gestellt sind. Zudem sorgt der Krieg einkaufsseitig für steigende Energie- und Rohstoffpreise und führt zum Teil zu weiteren Ressourcenengpässen, z. B. bei Eisenerz, Nickel oder im Rohstahlbereich. Welche Art von Gütern beschaffen Sie und wo liegen Ihre Einkaufsmärkte? Seidl: Wir versorgen unsere Industriekunden weltweit mit Verbindungselementen, die wir nicht nur genormt einkaufen, sondern auch für spezifische Anforderungen in Form von Sonder- und Zeichnungsteilen produzieren lassen. So lassen wir Dreh- und Frästeile, Stanz- und Biegeteile sowie Fließpressund Kunststoffteile in allen Werkstoffen, Güteklassen und mit jeder Oberfläche bzw. Beschichtung herstellen. Daneben beliefern wir unsere Kunden mit Befestigungstechnik, Werkzeugen, Industriebauteilen und einer großen Palette an weiteren C-Teilen wie beispielsweise chemisch-technische Produkte. Unsere Beschaffungsmärkte befinden sich in Europa und Asien. Durch die Lieferengpässe, die mit der Ukrainekrise zusammenhängen, sowie die Einführung der Anti-Dumping-Zölle auf Verbindungselemente aus China haben wir unser Lieferantenportfolio erweitert und Partner in anderen Ländern gefunden, die unsere hohen Qualitätsstandards abbilden können. In Anbetracht der sehr langen Lieferzeiten aus Fernost haben wir auch neue Beschaffungsquellen in Osteuropa aufgebaut. Diese liefern schneller, aber nicht zu den preislich günstigen Konditionen wie Fernost. Wie sehr waren Sie von Engpässen betroffen? Und welche Auswirkungen hatte das auf Ihre Kunden? Seidl: Covid-bedingt gibt es noch immer Störungen der weltweiten Lieferketten, die sich durch die Entwicklungen in China weiter verstärkt haben – der Lockdown in Shanghai hat zu einem Frachtschiffstau im größten Hafen der Welt geführt. Wir arbeiten allerdings eng mit unseren Partnern in China zusammen und haben Verschiffungen unserer Ware teilweise auf andere Häfen verlegt. Daneben führen die Anti-Dumping-Zölle auf Stahlschrauben und Stahlscheiben zu einer weiteren Verknappung der für Europäer nutzbaren Produktionskapazitäten, was die Preise noch einmal in die Höhe treibt. Insgesamt stellen wir fest, dass Einschränkungen und Verknappung aber zu neuen Ideen und innovativen Lösungen führen können. So haben wir unsere Strategie hinsichtlich der Bezugsquellen für Produkte tiefgreifend überarbeitet und, wie schon erwähnt, neue Lieferanten aufgebaut. So bleiben wir handlungsfähig und können zielgerichtet in die Supply Chain eingreifen. Zudem haben wir die Digitalisierung in den vergangenen Monaten mit Hochdruck vorangetrieben und setzen auf tiefgreifende datenbasierte Analysemöglichkeiten, um verschiedene Szenarien zu simulieren und Lieferengpässen und -verzögerungen vorzubeugen. So konnten wir unsere Kunden zu jeder Zeit zuverlässig versorgen. In Gesprächen signalisieren sie immer wieder, dass sie den Einsatz unserer Advanced Analytics Tools als sehr hilfreich wahrnehmen, da dadurch frühzeitig eingegriffen wird, wenn absehbare Engpässe auftreten. Zum Beispiel auf Basis von Prognosen, die sich in die falsche Richtung entwickeln. Wie haben sich die Einkaufspreise für Keller & Kalmbach entwickelt? Inwieweit müssen Sie diese an Ihre Kunden weitergeben? Beschaffung aktuell » 7-8 | 2022 39

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