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Beschaffung aktuell 7-8.2023

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» BUSINESS TRAVEL Zukünftig sollen die Mitarbeitenden bei SEW-Eurodrive Auslagen einfach mittels App erfassen und zur Abrechnung vorbereiten können. Kosten dafür sind hoch und meistens sitzt eine Person im Auto. Auch hier setzen wir vermehrt auf die Alternative Bahn. Bei Airlines schauen wir auf diejenigen, die ein Nachhaltigkeitskonzept haben oder die Möglichkeit bieten, CO 2 zu kompensieren. Für uns war es wichtig, erstmal Gebote zu machen und keine Verbote. Wir wollen Leitlinien an die Hand geben und motivieren, bevor es letztendlich verpflichtend wird. Messen Sie bei Reisen entstehende Emissionen? Unsere Dienstleister können nachweisen, wie viel CO 2 -Ausstoß wir produziert haben. Wir haben angefangen diese Daten zu sammeln. Bei der Bahn reisen wir als Business-Kunde mit Öko-Strom. Wir werden künftig auch „grüne Hotels“ auf unserer Hotelplattform ausweisen. Möchte der Mitarbeitende in ein nicht-grünes Hotel, muss er eine Begründung eingeben. So haben wir verschiedene Ansätze, die uns momentan bewegen. Es gibt im Unternehmen ein Nachhaltigkeitskomitee, bei dem besonders der Produktionsbereich im Fokus steht. In diesem Komitee wurde aber auch festgestellt, dass die Mobilität der Belegschaft ein wichtiges Thema ist. Deswegen wurden Dienstreisen jetzt auch priorisiert, was das Thema Nachhaltigkeit angeht. Ich und mein Team haben dazu Verbesserungsvorschläge erarbeitet. Wir haben viele Ideen gesammelt und sie bereits dem Nachhaltigkeitsbeauftragten vorgestellt. Das Sicherheitsempfinden hat sich verändert. Wie unterstützen Sie die Belegschaft hier? Wir haben 2019 ein Travel-Risk-Management bei SEW eingeführt. Das war in der Pandemie unsere Rettung, da wir es um Corona-Maßnahmen erweitern konnten. Wenn ein Ticket gebucht wird, laufen die Informationen im Hintergrund in ein Tracking- Bild: Rido/stock.adobe.com System. Dort wird die „Farbe“ des Landes festgelegt. Diese wird aus Sicherheits- und medizinischen Risiken ermittelt. Ein Land, das bei der Sicherheit mit grün bewertet wird und bei Medizin mit orange, erhält im Ergebnis die Farbe Gelb. Für jede Farbe leiten sich dann verschiedene Maßnahmen ab, die automatisiert im Hintergrund generiert werden. Bei der Farbe Grün bekommt der Mitarbeiter ein „Pre Trip Advisory“, eine Länderinformation und -datenbank. Dort kann er sich über gefährliche Regionen, medizinische Hinweise, das nächste Krankenhaus oder Notfallnummern informieren. Auch ein Knigge ist dabei. Bei der Farbe Rot wird ein sogenanntes Risk Assessment erstellt auf dessen Basis entschieden wird, ob der Mitarbeiter reisen soll oder nicht. Während der Pandemie gab es viele rote Länder. Wenn die Reise dann trotzdem durchgeführt wird, greifen etliche Sicherheitsmaßnahmen. Wir haben auch einen Travel Risk Manager outgesourct. Das ist ein Dienstleister, der uns diese Informationen zur Verfügung stellt und im Notfall 24/7 als Kontaktperson agiert. Wenn ich an Erdbeben oder Terror denke, brauchen wir Leute vor Ort, die weiterhelfen und die Menschen schnell aus dem Land holen. Wir haben „Authorized Persons“ die dann angerufen werden und Gelder freigeben können. Da geht es um Sekunden. Ansonsten entscheidet unser Travel Risk Manager bis zu einem festgelegte Betrag selbst, welche Maßnahmen ergriffen werden. Ist das ein Sonderfall oder passiert das häufiger? Das ist eine Ausnahme. Was vorkommen kann, sind Magen-Darm-Probleme, Herzkreislauferkrankungen oder ein Knochenbruch nach einem Sturz. Etwas anderes sind Sicherheitsthematiken wie Überfalle. Da müssen wir unsere Reisenden sensibilisieren. Ab der Risikofarbe Orange bekommen sie eine persönliche Unterweisung. Reist jemand beispielsweise nach Brasilien, checkt der Travel Risk Manager vorher, ob derjenige Vorerkrankungen hat oder Medikamente nehmen muss. Wie ist die Sicherheitslage? Gibt es einen Transfer vom Flughafen? Wie kommt der Mitarbeitende morgens zum Kunden oder zu seiner Baustelle? Auch das Hotel wird überprüft. All diese Dinge werden dokumentiert und zehn Jahre bei uns aufbewahrt, da wir auch hier haftbar gemacht werden können. Ein Beispiel: Wir haben den Mitarbeitenden nicht aufgeklärt, dass er in ein Land reist, in dem Malaria übertragbar ist. Dort erkrankt er und verklagt die SEW. Dann müssen wir nachweisen, dass wir ihn darüber aufgeklärt haben, dass es sich um Malaria-Gebiet handelt. 56 Beschaffung aktuell » 7/8 | 2023

Wie handhaben Sie den Umgang mit Kriegs- und Krisengebieten? Generell haben wir für Kriegsgebiete ein Reiseverbot. Anrainerstaaten sind unterweisungspflichtig und es wird geprüft, ob eine Reise notwendig ist. Bei der Risikoeinstufung wird der Vorgesetzte in Kopie genommen und es ist auch schon passiert, dass eine Reise abgesagt wurde, weil die Führungskraft gesagt hat, dass wir eine Fürsorgepflicht für den Mitarbeitenden haben. Man kann natürlich auch selbst entscheiden, dass man nicht reisen möchte. Wie läuft die Reisebuchung konkret ab? Gibt es eine Plattform für die Mitarbeiter? Wir machen das in unserem Bereich zentral für alle Mitarbeitenden. So fällt die Steuerung leichter. Das heißt, wir wählen auch das Verkehrsmittel. Wir geben den Reisenden klare Vorgaben, was gemacht werden darf und was nicht. Wir überlegen aktuell, gewisse Dinge in den Self Service zu geben – zum Beispiel innerdeutsche Bahnfahrkarten. Wir können die Online-Buchungsmaschine so gestalten, dass Richtlinien abgebildet sind. So hat der Mitarbeitende gar nicht die Möglichkeit, gewisse Dinge zu buchen. Ein Hotel ab 400 Euro ist dann zum Beispiel nicht ohne weiteres buchbar. Wenn es trotzdem gebucht werden soll, muss eine Begründung angeben werden. Ein solches Tool haben wir bereits, es steht aber heute noch nicht allen zur Verfügung. Im Moment haben wir einen papiergebundenen Prozess, den wir digitalisieren wollen. Der Reisende kann dann von unterwegs über die App seine Auslagen erfassen und wegschicken. Oftmals hat man Wartezeiten, in denen Mitarbeitende ihre Belege abfotografieren und in das System geben können, um diese gleich zur Abrechnung vorzubereiten. Dann haben sie das Thema vom Tisch und müssen sich im Büro nicht darum kümmern. Mithilfe von smarten Tools wird dann beispielsweise erkannt, dass es sich um einen Parkbeleg handelt, welcher in Mannheim ausgestellt wurde und fünf Euro gekostet hat. Bestätigt man diese Informationen, verbucht das System den Beleg mit dem korrekten Steuersatz. Es geht schneller, einfacher und man muss kein Papier ausdrucken. Davon erhoffen wir uns mehr Mitarbeiterzufriedenheit. Wir haben den Auftrag, das in 40 Ländern zu implementieren und jedes hat eine andere Gesetzgebung. Das ist eine Menge Arbeit. Die ersten drei Länder sind allerdings schon live. Das Thema Künstliche Intelligenz stößt aktuell auf großes Interesse. Sehen Sie im Travel Management Ansätze zur Nutzung von KI? Es gibt schon erste Ansätze wie Online-Reisebüros, die mit Chatbots arbeiten. Für einfache Tätigkeiten werden wir irgendwann vermutlich keine Menschen mehr brauchen. Wir werden uns dann aber umso mehr für die Themen Immigration und Beratung einsetzen. Während der Pandemie sind die Kolleginnen und Kollegen sehr unsicher gewesen. Ich glaube, wenn eine künstliche Intelligenz mit ihnen gesprochen hätte, wäre das nicht gut gegangen. Im Risikomanagement ist immer noch der Mensch gefragt. Beim Erkennen und Auswerten von Risiken stellt es sich anders dar. Wir nutzen einen sogenannten Travel Tracker von einem Assistance-Unternehmen. Das ist eine Länderdatenbank, die sich ihre Informationen aus allen möglichen Quellen beschafft. Hier gibt es zum Beispiel Krisenreaktionszentren in der ganzen Welt. Wir bekommen dann eine Special Advisory, die beispielsweise so klingt: „Achtung! Wahlen in der Türkei, es kann zu Ausschreitungen kommen.“ Im Tracker kann ich dann sehen, wer gerade in der Türkei ist, und eine personalisierte Meldung schicken. Die Reisenden erhalten daraufhin eine Push-Nachricht. Wenn sie sich in einem solchen Fall nicht innerhalb von zwei Stunden zurückmelden, versuchen wir sie anderweitig zu erreichen. So kümmern wir uns mithilfe von KI um die Sicherheit der Reisenden. Gibt es darüber hinaus noch Tools, die Sie im Reisemanagement verwenden? Wir haben einen sogenannten Information Manager, in den alle Buchungsdaten fließen. Damit können wir Analysen und Kennzahlen erstellen. Wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht, kann man dort beispielsweise schauen, wie oft innerdeutsch gereist wurde. Unser Controlling kann mir sagen, welche Reisekosten wir verursacht haben, allerdings nur sehr oberflächlich. Deshalb brauche ich dafür ein eigenes Tool. Das haben wir von unserem Kreditkartenanbieter erhalten. Wir können darin aber auch andere Daten einfließen lassen, wie die persönlichen Kreditkarten und was der Mitarbeitende bar oder mit Karten bezahlt. Diese Informationen können wir dann auswerten und analysieren. Das Interview führte Yannick Schwab, Redaktion Beschaffung aktuell »Jeder denkt, er könne bei Reisen mitsprechen, weil er privat reist und im Internet einen Flug gebucht hat.« Beschaffung aktuell » 7/8 | 2023 57

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