Aufrufe
vor 11 Monaten

Beschaffung aktuell 7-8.2023

  • Text
  • Fuhrpark
  • Dokumentenmanagement
  • Resilienz
  • Mining
  • Lieferkette
  • Lieferketten
  • Einkauf
  • Beschaffung

» BÜCHER

» BÜCHER High-Tech-Chips und Internetdienste in den Fängen der Politik Der Zweikampf USA versus China Diesen Monat stellt Ihnen Prof. Dr. Robert Fieten zwei Schriften vor, die sich wie Thriller lesen. Sie sind professionell recherchiert sowie hochaktuell und wurden als herausragende Business Bücher in 2022 ausgezeichnet. Sie betrachten insbesondere den Einfluss der Politik auf die Entwicklungen der Hightech-Industrie. Chip War. The Fight for the World’s Most Critical Technology. Chris Miller. Scribner, New York, London u.a. 2022, 431 Seiten, 30 US$, ISBN 978–1668012055 Influence Empire: The Story of Tencent and China‘s Tech Ambition. Lulu Yilun Chen. Hodder & Stoughton, London 2022, 256 Seiten, 31,25 Euro, ISBN 978–1–5293–4685–5 Bild: Scribner Bild: Hodder & Stoughton Die Schrift von Chris Miller, Associate Professor für Internationale Geschichte an der Fletcher School der Tufts University bietet fundierte Einsichten in den Kampf zwischen den USA und China um die Technologieführerschaft bei Mikrochips und um die Kontrolle über die zu ihrer Herstellung benötigten feingliedrigen Liefernetzwerke. Ohne Mikrochips funktioniert in der heutigen Welt nichts mehr: kein Handy, kein Laptop, kein Auto und auch kein Präzisionswaffensystem. Die Chips der jüngsten Generation sind die reinsten Wunderwinzlinge und gelten zu Recht als Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts. Sie stehen im Zentrum des Konfliktes zwischen den USA und China. Miller leuchtet die Hintergründe wissenschaftlich fundiert aus. Mikrochips – die Schlüsseltechnologie Im ersten, recht unterhaltsamen Teil seines Buches stellt er die kauzigen Tüftler und Forscher vor, die Ende der 1950er- Jahre die ersten Transistoren im Silicon Valley entwickelten. Es waren Menschen, die Industriegeschichte machten. Im zweiten größeren Teil analysiert er den schwelenden Konflikt zwischen den USA und China. Das Reich der Mitte braucht im Interesse seiner wirtschaftlichen und geopolitischen Ambitionen den Zugriff auf die Chips der neuesten Generation. Am liebsten würde China diese selbst im eigenen Lande herstellen. Die USA wollen genau dies aber auch im Interesse der Aufrechterhaltung ihrer Technologieführerschaft verhindern. Sie verbieten die Ausfuhr von Mikrochips der neuesten Generation und auch die Ausfuhr der zu ihrer Herstellung benötigten Ausrüstung. Im Ergebnis hat China bisher nicht den Zugang zu den neuesten Chips erreichen können. Dies liegt auch daran, dass es alles andere als trivial ist, Chips zu entwickeln und zu designen, aber auch sie herzustellen. Hierzu sind nur wenige Unternehmen weltweit in der Lage. Über die Entwicklungskompetenzen verfügen die USA, während die höchst anspruchsvollen Fertigungskompetenzen mit sehr speziellem Prozess-Know-how bei Auftragsfertigern den sog. Foundries wie etwa TSMC in Taiwan sowie Samsung in Südkorea liegen. Heute werden laut Chris Miller 91 Prozent aller Hightech-Chips weltweit in Taiwan produziert. Vor diesem Hintergrund wirft Miller die bange Frage auf, wie China die eklatante technologische Lücke zu den USA zu schließen versuchen könnte. Er glaubt nicht, dass China eine groß angelegte Invasion Taiwans initiieren wird, denn die Foundries würden einen harten militärischen Schlag kaum überstehen. Realistischer erscheint Miller daher die Variante, dass China langsam den Druck auf Taiwan immer mehr mit Drohgebärden wie Prof. Dr. Robert Fieten wissenschaftlicher Berater der Beschaffung aktuell, Köln 64 Beschaffung aktuell » 7/8 | 2023

etwa einer Blockade erhöht. Die Lage bleibt in jedem Fall angespannt und dürfte auch Einkäufern noch schlaflose Nächte bereiten. Web-Kommunikation – Made in China Die lesenswerte Schrift von Lulu Yilun Chen, die bei dem Wirtschaftsinformationsdienst Bloomberg Chinas Internetunternehmen unter die Lupe nimmt, analysiert sehr fundiert die Erfolgsgeschichte von Tencent aber auch den Gegenwind, der dem Unternehmen seitens der Staatsführung in jüngster Zeit heftig entgegenbläst. Tencent ist bei den Sofortnachrichtendiensten, sozialen Netzwerken, Onlinemedien, der interaktiven Unterhaltung und dem Netzhandel tätig und ist mittlerweile das in puncto Börsenkapitalisierung wertvollste chinesische Unternehmen. Die Autorin stellt den Gründer Ma Huateng, genannt Pony, vor. Er startete in 1998 und entwickelte das Unternehmen vom Underdog unter vielen zum Powerhouse. Die imposante Entwicklung wurde nicht zuletzt möglich dank der Kommunistischen Partei Chinas, die aus Angst vor einer zunehmenden Kritik an ihrer Politik der Meinungsunterdrückung schon vor Jahren westliche Plattformen und Dienste wie Facebook, Google, WhatsApp oder Twitter rigoros ab- und damit ausschaltete. Tencent füllte das entstandene Vakuum daraufhin mit eigenen Angeboten. Heute gilt das Unternehmen mit seinem sozialen Netzwerk QQ, eine der zehn meistbesuchten Websites weltweit, als chinesisches Facebook bzw. mit dem Messenger-Dienst WeChat als chinesisches WhatsApp und gilt als Pionier des globalen mobilen Internet. Das Buch bietet sehr wertvolle Einsichten in die herausfordernden Rahmenbedingungen von Internetunternehmen in China. Die staatliche Aufsicht sitzt stets mit im Boot und kontrolliert Content und Infrastruktur. Wer in China Geschäfte machen will, darf bei der KP nicht in Ungnade fallen. Beide Bücher machen eines deutlich: Die Politik greift immer stärker in das unternehmerische Handeln ein. Auf diese neue Realität müssen sich die Unternehmen und speziell auch die Supply Manager einstellen. (rf) Afrika und die Geschichte Der amerikanische Journalist und Autor Howard W. French erzählt Teile der Weltgeschichte neu: Von unvorstellbar reichen frühmittelalterlichen Kaisern, die mit dem Nahen Osten und darüber hinaus Handel trieben, über Stammesfürsten des Kongo, die den europäischen Mächten im 17. Jahrhundert die Stirn boten, bis hin zu den ehemaligen Sklaven, die die Haitianer aus der Leibeigenschaft befreiten. Afrika hatte mehr Einfluss auf die Entwicklung der Welt als ihm die bisherige Geschichtsschreibung zugestand. Frenchs Meinung nach begann der Irrtum über die Rolle Afrikas damit, dass in der uns bekannten Geschichtserzählung über die Suche eines Seewegs nach Indien die Gier der portugiesischen Eroberern nach afrikanischen Schätzen unterschätzt wurde. French verdeutlicht, dass die Portugiesen in Wahrheit vom Gold in Westafrika und von dem Bestreben, den einflussreichen Maghreb zu umgehen, getrieben wurden, mit ihren Schiffen Richtung Süden zu segeln. Ganz wichtig ist French auch, die Bedeutung der Sklaven für die Entwicklung der modernen Welt: „Der atlantische Sklavenhandel und die Massen produktion von Zucker und Baumwolle, die er ermöglichte, waren zweifellos entscheidend für den Aufstieg Europas und der Vereinigten Staaten.“ Darüber könnte man zumindest diskutieren. (sas) Afrika und die Entstehung der modernen Welt. Eine Globalgeschichte. Howard W. French Klett-Cotta, Stuttgart, 2023 Hardcover, 512 Seiten, 35,00 € ISBN: 978–3–608–98667–9 Bild: Klett-Cotta Blue Skies T.C. Boyle Carl Hanser Verlag, München, 2023 Hardcover, 400 Seiten, 28,00 € ISBN: 978–3446276895 Bild: Hanser Der Planet wehrt sich Der Countdown zur Apokalypse läuft: Kalifornien geht in Flammen auf, Florida wird von Überschwemmungen geplagt. Der Klimawandel ist da und die Menschen müssen damit umgehen. Der Erfolgsautor T.C. Boyle hat mit seinem neuesten Roman „Blue Skies“ ein sehr unterhaltsames Buch über den Klimawandel vorgelegt, ohne dabei die Auswirkungen auf die Welt zu beschönigen. Witzig, absurd, satirisch und provokant aber immer realistisch. Mein Tipp für Ihre Sommerlektüre. Unfassbar komisch beschreibt T.C. Boyle, wie seine Figuren in unserer Gegenwart um ihre Leben und ums Überleben kämpfen – und sich an den Gedanken des Weltuntergangs gewöhnen. Witzig und prophetisch, auch wenn einem dabei gelegentlich das Lachen im Halse stecken bleibt: „Der Planet stirbt, siehst du das nicht?“, wirft Cooper seiner Mutter vor, die ihre Küche gehorsam auf frittierte Heuschrecken umstellt. Heftige Diskussionen gibt es auch mit Schwester Cat. Sie hat sich als Haustier einen Tigerpython namens Willie angeschafft, die sie sich wie ein glitzerndes Juwel um die Schultern hängt. Die Frage nach dem Verhältnis zur Umwelt geht wie ein Riss durch die Familie, bis eines Nachts die Schlange aus dem Terrarium verschwindet. (sas) Beschaffung aktuell » 7/8 | 2023 65

Beschaffung Aktuell