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Lebenszeit Ausgabe Frühjahr 2021

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Einblick Aus dem

Einblick Aus dem liebenden Herzen Claudia Psota möchte trotz Corona der besten Freundin in ihrer letzten Lebensphase beistehen. Über einen Abschied mit Abstand. VON CLAUDIA PSOTA Vor etwas mehr als zwei Jahren hat meine beste Freundin im Alter von 60 Jahren die Diagnose Lungenkrebs erhalten. Das war in einer Zeit, in der wir gemeinsam vor ihrem Haus sitzen, ich ihre Hand halten und ihr Beistand und Kraft für das „Verkraften“ einer solchen Nachricht geben konnte. Sie sorgte für ihre bald 90-jährige Mutter und nach der ersten Chemotherapie war klar, dass sie all ihre Kraft für sich braucht und es zog eine 24-Stunden-Hilfe ein. Ende Sommer 2019 verbrachten wir eine schöne gemeinsame Zeit, natürlich wusste ich, die Erkrankung verkürzt ihr Leben massiv doch für mich war es keine Frage, sie zu begleiten und an ihrer Seite zu sein! Dann kam Corona! Ihre Mutter starb friedlich zehn Tage nach Beginn des ersten Lockdowns daheim. Und ja, der Pastoralassistent im Ort machte eine wunderbare kleine Gedenkfeier am selben Abend im Haus mit ihren Geschwistern rund um das Bett der Verstorbenen. Wir telefonierten viel, sie hatte Schmerzen und wiederkehrende Lungenentzündungen als Zeichen einer allergischen Reaktion auf Chemotherapie und Medikamente. Ich wollte zu ihr, doch gerade bei einer Lungenerkrankung ist die Gefahr zu groß. Beide versuchten wir stark zu sein. Wir haben uns gegenseitig Mut gemacht, anfangs glaubten wir noch daran. Sie, dass es besser wird und ich, dass ich bald bei ihr sein und ihr Leid ein wenig mittragen kann. Doch kaum wollte ich mich auf den Weg machen, wurde das Risiko wieder zu groß. Es gab noch keine Tests für Personen ohne Krankheitsanzeichen und, wer weiß, vielleicht trage ich es in mir und gefährde ihre Lebenszeit. Mein offiziell gewährter Bewegungsraum schloss meine 300 km entfernte Freundin nicht mit ein. Der Sommer zog ins Land, unsere Lieblingsjahreszeit, doch wieder nur Telefonate, das Risiko! „Dann erzählte sie mir am Telefon, dass sie das Gefühl habe, sie sei in zwei Welten, ein bissl hier und ein bissl woanders. Ich habe mich nicht getraut ihr die Frage zu stellen, ob sie sich schon auf den Weg macht.“ Besuch auf der Palliativstation Die Schmerzen wurden stärker, das Palliativteam wurde ins Boot geholt, endlich! Nicht lange und sie lag auf der Palliativstation. Das war unsere Chance, dort war für alles gesorgt und Besuche erlaubt. Ich fuhr in der Früh los. Das Krankenhaus war völlig ruhig, nur im Eingangsbereich Fiebermessen, Fragen nach Symptomen, Händedesinfektion und Maskenkontrolle. Im Zimmer habe ich mir und ihr das Desinfektionsmittel über die Hände gegossen und ihre Hand gehalten. Meine Freundin, ein sehr positiver, kreativer und verbindender Mensch, hat viele Freunde und so gründeten wir in Windeseile eine Freundesgruppe auf WhatsApp. Damit koordinierten wir unsere Besuche zwischen denen der Familie. Es war sehr anstrengend für meine Freundin, wir kamen einzeln und jeder genoss die Zeit mit ihr, auch wenn sie zwischendurch erschöpft einschlief, saßen wir an ihrer Seite. Das Palliative-Care-Team des Krankenhauses machte seine Sache gut und so konnte meine Freundin nach einigen Wochen, der ersten Chemo eines neuen Zyklus und mit einer Schmerzpumpe, wieder heimgehen. Inzwischen war der Herbst ins Land gezogen. Nach der zweiten Chemo zog sie die Reißleine. Sie war fast schmerzfrei und wollte einfach so zu Hause zu Kräften kommen. Ungebrochen erhielt sie sich ihre Zuversicht und Hoffnung. Wir Freunde tauschten uns weiterhin über WhatsApp aus, es gab Videos mit meiner Freundin und Berichte über freudige Ereignisse bei den Besuchen. Mit einigen wenigen hatte ich intensive telefonische Gespräche über unsere Sorgen und Ängste. Meistens wurde geweint und dann doch wieder gehofft. Zwischen zwei Welten Die nächste Corona-Veränderung stand an und beendete wieder die vereinzelten Besuche all ihrer Freunde. Dann erzählte sie mir am Telefon, dass sie das Gefühl habe, sie sei in zwei Welten, ein bissl hier 4 LebensZeit Mobiler Hospizdienst der Caritas der Diözese St. Pölten

Einblick und ein bissl woanders. Ich habe mich nicht getraut ihr die Frage zu stellen, ob sie sich schon auf den Weg macht. Ihre Geschwister koordinierten die einzelnen Besuche und so durfte ich an ihrem Geburtstag wieder einen Tag mit ihr verbringen. Ich überlegte immer wieder, was noch wichtig sei auszusprechen. Wir erzählten uns viel über unsere gemeinsamen 25 Freundschaftsjahre, ich ließ immer wieder meine Dankbarkeit einfließen und manchmal phantasierten wir uns an den Strand zu ihrem geliebten Wasser im nächsten Sommer. Wir haben Tee getrunken, gelacht, geweint und geschwiegen. Beim Abschied habe ich den Sicherheitsabstand unterschritten, ich habe sie umarmt, sie gedrückt, sie gerochen und ihr ganz nah ins Ohr gesagt, wie sehr ich sie liebe und wie dankbar ich bin, sie als meine beste Freundin zu haben. Eine Woche darauf konnte sie das Bett nicht mehr verlassen, wurde immer schwächer und wieder eine Woche später, nach einem Fieberschub, hat sie kurz vor Weihnachten endgültig unsere Welt verlassen. Keine Möglichkeit der Verabschiedung Auch diesmal versammelten sich ihre Geschwister im Haus und nahmen am Bett von ihr Abschied. Wir Freunde hatten die WhatsApp- Gruppe und das Telefon, hier tauschten wir unseren Schmerz, unsere Trauer und unsere Erinnerungen aus. Bis heute habe ich keinen von ihnen umarmt – wegen Corona! Die Urne mit ihren sterblichen Überresten steht im Haus meiner Freundin und wurde bis jetzt auch von der Familie nicht verabschiedet – wegen Corona!Bis heute gab es noch kein Treffen mit der Familie und Freunden, um sie zu begraben – wegen Corona!Ich habe meine beste Freundin in ihrem letzten Lebensjahr fünfmal gesehen – wegen Corona.Ihre Geschwister planen das Begräbnis für den Zeitpunkt, an dem wir alle wieder zusammenkommen können – nach Corona! Wir Freunde planen ein Gartenfest, dass wir so bunt und lebensfroh gestalten wollen, wie sie war, da holen wir sie wieder in unsere Mitte und feiern das Leben - trotz Corona. Und jetzt? Zwei Monate später bin ich genauso traurig wie am ersten Tag. Ich hänge fest in der Schwellenzeit, ich kann es nicht integrieren, ich kann es nicht begreifen, ich trauere nicht nur, ich leide an den Folgen eines nicht gelebten Verabschiedungsrituals mit allen, die mit ihr verbunden sind – in Zeiten von Corona. styled by mediaStyle, Fotografie: Franz Weinhofer Individuelle Urnen bestattungen im Dunkelsteinerwald Langfristige, würdevolle Grabstätte ohne Verpflichtungen für die Hinterbliebenen! Letzte Ruhe inmitten der Natur Auf unserer Sterneninsel ist die Beisetzung von Sternenkindern kostenlos. Termine für Führungen und Infos auf www.ruhewaldhohenegg.at Persönliche Beratungs gespräche und Führungen können ebenso unter 0664 969 73 41 vereinbart werden. Burg Hohenegg, 3386 Hafnerbach Bezahlte Anzeige April 2021 LebensZeit 5

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