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Centurion Germany Spring 2022

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S Schon immer hat sich

S Schon immer hat sich die Mode von der Zukunft inspirieren lassen, vom Sci-Fi-Flash bei Paco und Pierre in den 1960er-Jahren bis zur dystopischen Couture von Marine Serre im Paris der 2020er-Jahre. Eines der klassischen Elemente der damaligen Zukunftsfantasien ist das blendende Weiß, von den oberschenkelhohen Lacklederstiefeln bis zu den Cardin-Jumpsuits und – natürlich – den Gesichtern der Models. Der Afrofuturismus stellt diese Zukunftsvision auf den Kopf und macht insbesondere im Kontext von Black Lives Matter deutlich, dass auch andere Zukunftsszenarien und Realitäten existieren, in ihrer Fantasie erdacht von schwarzen Künstlern, Musikern und Designern. Und die können ebenso ästhetisch wie politisch sein. Zunehmend fließt diese Futurologie nun auch in die Mode ein. Afrofuturismus als Stil ist etwas, das alle, wer auch immer sie sind und wo sie sich in der Welt befinden, tragen und feiern können. Die Ästhetik und die Bewegung selbst taufte der weiße US-Journalist Mark Dery erst in den frühen 1990er-Jahren in seinem Essay Black to the Future. Seit den Anfängen des Internets analysiert Dery die Netzkultur und ist begeisterter Fan von Science-Fiction schwarzer Autoren. Ursprünglich galt der Afrofuturismus als ausgeklügeltes Barometer darüber, wohin sich die schwarze Kultur entwickeln wird und was das Endprodukt sein könnte. Nun ist er unter anderem zur Massenunterhaltung geworden: So war etwa der Marvel-Film Black Panther ein durch und durch afrofuturistisches Abenteuer. Doch die Dinge reichen viel weiter zurück. Im letzten Dezember trat Grace Jones bei ihrem Auftritt im Rahmen der Londoner Dior-Männermodenschau im bedrohlichen Androiden-Look auf den Laufsteg. Der Blickfang: ein von Stephen Jones entworfener reflektierender roter Helm, der den größten Teil ihres Gesichts mit leuchtenden LED-Augen bedeckte. Très Terminator! Für Jones nichts Neues – galt sie doch bereits in den frühen 1980er-Jahren als Afrofuturistin. Damals trat sie in einem körpernahen Acryl-Brustpanzer und Metallic-Bustier von Issey Miyake auf. Heute gehört dieser Entwurf zu den ikonischsten Stücken von Miyake und brachte im vergangenen Jahr bei einer Auktion von Kerry Taylor in London 32.000 Pfund ein. M ode und Musik sind ein unzertrennliches Paar, auch bei einer der beliebtesten Ikonen des frühen Hip-Hop, Rammellzee. Er kreierte zur gleichen Zeit, als Jones Miyake modelte, Elektrobeats und visuelle Kunst. Seine Arbeiten im Rap und auf Vinyl sind Kult, vor allem der von Kunst-Superstar Jean-Michel Basquiat produzierte Song Beat Bop. Auch seine tragbaren Skulpturen begeistern noch heute. Wie Leigh Bowery verwandelte er sich selbst in ein Kunstobjekt, indem er Ganzkörperanzüge entwarf, die jeden Zentimeter seiner Haut bedeckten. Er nannte die wie eine Kreuzung aus Transformers und FOTOS VON OBEN: BOB KING/REDFERNS/GETTY IMAGES, TCD/PROD.DB/ALAMY; VORHERIGE DOPPELSEITE VON LINKS: AFRICA FASHION AT THE VICTORIA AND ALBERT MUSEUM, LONDON, 2 JULY 2022 – 16 APRIL 2023, FOTO: © SANLÉ SORY/TEZETA, COURTESY DAVID HILL GALLERY; KEETJA ALLARD 50 CENTURION-MAGAZINE.COM

FOTO MPI140/MEDIAPUNCH/IMAGO Schauspielerin und Sängerin Janelle Monáe bei einem Auftritt im Fillmore Miami Beach im Rahmen ihrer Dirty Computer Tour 2018; gegenüber, von oben: Grace Jones in einem mittlerweile ikonischen Issey-Miyake-Brustpanzer; Sun Ra in seinem Film Space Is the Place von 1974 CENTURION-MAGAZINE.COM 51

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