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Centurion Germany Spring 2022

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Samurai-Kriegern

Samurai-Kriegern wirkenden Entwürfe „Garbage Gods“ (Müllgötter). Erst wurde verkündet, dass Galerist Jeffrey Deitch nun den Nachlass von Rammellzee vertritt – eine späte Würdigung seines Werks. Deitch war bereits maßgeblich an der Karriere von Keith Haring und Jeff Koons beteiligt und plant nun für diesen Herbst eine Retrospektive in L.A. I n der Frühjahrskollektion 2022 des Londoner Designers Duro Olowu kommt der Afrofuturismus in dynamischer Form zum Ausdruck. Er ließ sich vom Werk des Jazzmusikers Sun Ra inspirieren, der vielen als Pate der Bewegung gilt. Zahlreiche schwarze Designer, darunter Grace Wales Bonner, zeigten sich in den letzten Jahren von Sun Ra beeinflusst. Sie sagt, sie fühle sich von seiner Philosophie der „Ekstase und des Eskapismus, der Neugestaltung oder Neudefinition der Beziehung zur Geschichte“ angezogen. Der 1914 als Herman Poole Blount in Alabama geborene Sun Ra entwickelte passend zu seinen avantgardistischen Kompositionen eine Kunstfigur. Er trug goldene Roben und vermischte Science-Fiction mit altägyptischer Motivik. „Er war seiner Zeit so weit voraus“, schwärmt Olowu. „Sein Einfluss durchzog die 1950er- und 1960er-Jahre, etwa mit seiner nicht geschlechtsspezifischen Kleidung, lange vor dem Glam Rock im London der 1970er-Jahre. Er trug Umhänge und Kettenhemden und erfand sich auch durch seine Wahlheimat Ägypten völlig neu. Er schuf ein Gesamtkonzept um seine Arbeit herum, so wie Prince mit Paisley Park und Elvis mit Graceland. Doch ihm ging es nicht um Kommerz, sondern einzig um Integrität. Dabei begriff er Ägypten als Teil Afrikas und repräsentierte damit ganz Afrika. Auch auf das alte malische Volk der Dogon bezog er sich, denn es hatte einen großen Einfluss auf den Afrofuturismus.“ Seit Langem dient Ägypten als Inspirationsquelle für afrofuturistischen Chic, von den Kostümen für den Film Stargate bis zum Styling der jüngsten Popvideos von Janelle Monáe. Sie begann schon in ihrem Debütalbum The ArchAndroid, Geschichten aus der Sci-Fi-Mythologie zu erzählen, und setzt diese in ihrem neuen Buch The Memory Librari- Afrofuturismus in der Mode hat nichts Minimalistisches an sich. Er ist ein Statement, energiegeladen und kühn. Oben: ein Look des verstorbenen malischen Designers Chris Seydou in der Londoner Ausstellung; Szene aus dem Film Black Panther von 2018 FOTOS FVON OBEN: AFRICA FASHION AT THE VICTORIA AND ALBERT MUSEUM, LONDON, 2 JULY 2022 – 16 APRIL 2023, PHOTO VON NABIL ZORKOT; MARVEL STUDIOS/ENTERTAINMENT PICTURES/ALAMY 52 CENTURION-MAGAZINE.COM

FOTO AFRICA FASHION AT THE VICTORIA AND ALBERT MUSEUM, LONDON, 2 JULY 2022 – 16 APRIL 2023; ALCHEMY COLLECTION, THEBE MAGUGU, JOHANNESBURG, SÜDAFRIKA, HERBST/WINTER 2021. PHOTO VON TATENDA CHIDORA, STYLING + SET: CHLOE ANDREA WELGEMOED, MODEL: SIO Ein Look aus der Alchemy-Kollektion 2021 des südafrikanischen Designers Thebe Magugu, die diesen Sommer im V&A zu sehen ist an: And Other Stories of Dirty Computer fort. Während die ägyptische Raumfahrt elementarer Bestandteil der künstlerischen DNA des verstorbenen Sun Ra war, kanalisiert Olowu diesen Geist auf abstraktere Art und Weise: mit atemberaubend bunten Zickzack-Mustern auf Blusen, Röcken und Kleidern. Das wirkt, als leitete man Free-Jazz als elektrischen Strom durch traditionelle afrikanische Kente-Stoffe. O lowus Mode vertritt denselben Geist wie die aus dem Senegal stammende Künstlerin und Designerin Selly Raby Kane. Ihre Arbeiten sind Teil der bahnbrechenden Africa-Fashion-Ausstellung, die diesen Sommer im V&A in London gezeigt wird. „Sie ist bekannt für ihre Sci-Fi- und kosmologischen Inspirationen“, erklärt deren Kuratorin Christine Checinska. „Das erkennt man an den unverwechselbar futuristischen Schnitten, gestickten und wattierten Verzierungen, den Locharbeiten und Cartoon-artigen Slogans. Selly erschafft eine ihr gänzlich eigene, mythische, fast surreale Welt.“ Afrofuturismus in der Mode hat nichts Minimalistisches an sich. Er ist ein Statement, energiegeladen und kühn. Häufig integrierte schon der bereits erwähnte Tokioter Designmeister Issey Miyake afrikanische Drucke in seine Arbeit. Tatsächlich existieren verblüffende Überschneidungen zwischen japanischem und afrikanischem Design: Die indigoblau-weiße Batik im nigerianischen Adire-Kunsthandwerk ähnelt der Shibori-Technik aus der japanischen Edo-Zeit. In Miyakes Hauptquartier befasst sich eine ganze Abteilung mit der Erforschung und Entwicklung der Modeindustrie. Es nimmt für sich in Anspruch, das fortschrittlichste Unternehmen der Branche zu sein: Man beschäftigt Mathematikprofessoren ebenso wie Textiltechniker. Die aktuelle Kollektion seines Labels Homme Plissé ist die Krönung seines Genies. Das industriell wärmegefaltete Polyester ist maschinenwaschbar, lässt sich auf kleinstem Raum verpacken und hält jahrzehntelang. Während man japanische Designer für ihre Schwarz-Besessenheit kennt, bringt die neue, von geflochtenen afrikanischen Handwerksobjekten inspirierte Serie Homme Plissé Basket Print visuelle Kraft in ohnehin ausdrucksstarke Silhouetten und Texturen. Im vergangenen November zeigte das New Yorker Met Before Yesterday We Could Fly: An Afrofuturist Period Room. Ein Teil davon erzählte die Geschichte der afrikanischen Diaspora, aber manches widmete sich auch einer anderen Diaspora – der des Seneca Village, heute allen als Central Park bekannt. Bis in die 1850er-Jahre war dies eine überwiegend von Schwarzen bewohnte Stadt innerhalb Manhattans. Dann beschlagnahmte es die Stadt, ähnlich der zur gleichen Zeit stattfindenden „Famine Clearances“ in Irland und der schottischen „Highland Clearances“ im späten 18. Jahrhundert. Für die Eröffnung der Installation entwarfen die Schmuckdesigner Ron Anderson und David Rees, die unter dem Label Ten Thousand Things arbeiten, eine Reihe afrofuturistischer Stücke, darunter goldene Creolen mit kreisrunden Schwüngen aus handgeschliffenem, leuchtend blauem Lapis. „Wir haben viel Zeit mit der Recherche in den altafrikanischen und ägyptischen Räumen des Met verbracht“, erinnert sich Rees. „Wir verwoben Elemente afrikanischer Perlenkunst mit altägyptischen Symbolen.“ Es überrascht nicht, dass die Designer Sun Ra als wichtigen Einfluss nennen: „Wir zogen eine direkte Linie von ihm zu George Clinton und Missy Elliott und erkannten, dass afrofuturistisches Vokabular in der Kultur schon immer relevant war.“ Wie stets beim Afrofuturismus hat auch dieses Werk einen bewegenden Aspekt. „Letztendlich“, erklärt Rees, „wollten wir möglichst eleganten Schmuck erschaffen, um die Erinnerung an das Seneca Village zu ehren. Uns ging es darum, Stücke zu kreieren, von denen wir annahmen, dass die damals vertriebenen Bewohner sie heute tragen würden.“¬ CENTURION-MAGAZINE.COM 53

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