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mav 04.2022

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03 Automation Aktives

03 Automation Aktives Dämpfungssystem des IFW Hannover tritt Schwingungen entgegen Lineardirektantriebe entfalten ihr Potenzial Wer das Potenzial von Lineardirektantrieben ausreizen will, muss Schwingungen aktiv entgegentreten. Das Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) der Leibniz Universität Hannover hat hierfür ein aktives Dämpfungssystem entwickelt. Bild 1: Ruckbegrenztes Beschleunigungsprofil eines Positioniervorgangs. Bild: IFW ■■■■■■ Für Bearbeitungsprozesse mit vielen Richtungswechseln ist ein schnelles Erreichen der maximalen Achsbeschleunigung für sehr kurze Bearbeitungszeiten ausschlaggebend. Die hierfür eingesetzten Werkzeugmaschinen sind daher mit Lineardirektantrieben ausgestattet, die ein schnelles Erreichen der maximalen Achsbeschleunigung ermöglichen. Der hierfür erforderliche hohe Ruck (zeitliche Änderungen der Achsbeschleunigung) der eingesetzten Lineardirektantriebe führt jedoch zu einer breitbandigen Schwingungsanregung der Maschinenstruktur [ALT11]. Als Folge der Maschinenschwingungen wird die Bearbeitungsqualität potentiell gemindert. Daher werden die Achs-Dynamikparameter wie Beschleunigung, Verzögerung und Ruck als Kompromiss zwischen hoher Achsdynamik und hoher Präzision heuristisch begrenzt, sodass keine kritischen Maschinenschwingungen entstehen. Allerdings wird durch diese Reduzierung der Achsdynamik das Potenzial von Lineardirektantrieben nicht voll ausgenutzt, sodass die theoretisch realisierbare Produktivität unerreicht bleibt. Um das Potenzial von Lineardirektantrieben auszunutzen, erforscht das Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) der Leibniz Universität Hannover eine Methode der „aktiven Ruckentkopplung“. Ziel ist die deutliche Steigerung der maximalen Achsdynamik und der erreichbaren Genauigkeit. Der vorliegende Artikel zeigt, wie das Nachgiebigkeitsverhalten einer Vorschubachse durch die aktive Ruckentkopplung aktiv beeinflusst wird. Dynamik oder Präzision? Um Strukturschwingungen zu vermeiden, wird die Sollbahn bzw. Solltrajektorie in der Praxis über die Numerische Steuerung (NC) beeinflusst. Beispielsweise werden Ruckfilter zur Filterung der Lagesollwerte eingesetzt [ALT11, BRE17]. Ein wesentlicher Nachteil der sogenannten Stellgrößenfilter ist hierbei die Reduzierung der Störgrößenunterdrückung aufgrund der sinkenden Phasenreserve. Bei erforderlichen hohen Geschwindigkeitsund Beschleunigungsänderungen (z. B. bei gekrümmten 64 Juli 2022

Werkstückkonturen) kommt es durch die eingesetzten Stellgrößenfilter zu kritischen Abweichungen zwischen Ist- und Solltrajektorie [ZIR06]. Neben der Filterung der Führungsgrößen kann zur softwareseitigen Schwingungsminderung auch ein ruckbegrenztes Beschleunigungsprofil angewandt werden. Der Positioniervorgang wird in der NC in sieben Phasen unterteilt, um die Sollposition zu erreichen [ERK01]. In Bild 1 ist das entsprechende Bewegungsprofil mit Ruck-, Beschleunigungs- und Geschwindigkeitsverlauf dargestellt. Der maximale Ruck j max bestimmt hierbei die Zeit, bis die maximale Beschleunigung a max erreicht wird. Je kleiner der eingestellte maximale Ruck, desto stoßfreier erfolgt die Beschleunigung. Damit die dominanten Maschinenschwingungen nicht angeregt werden, wird der maximale Ruck deshalb begrenzt. Als Folge wird wiederum die maximale Achsbeschleunigung langsamer erreicht, sodass auch die Sollposition später erreicht wird. Für Fertigungsprozesse mit hohen Anforderungen an Präzision und Dynamik sind daher andere Lösungen erforderlich. Aktive Kompensation der niederfrequenten Schwingungen Ein weiterer Ansatz, um die Achsdynamik von Vorschubachsen zu erhöhen und gleichzeitig Maschinenschwingungen zu verringern, ist die Ruck- oder Impulsentkopplung [GÜM14, HES08, MÜL09]. Durch die Integration von Feder-Dämpfer-Elementen und einen wie in Bild 2 dargestellten zusätzlichen Ruckentkopplungsschlitten (REK-Schlitten) zwischen Hauptantrieb und Maschinenstruktur werden die Strukturschwingungen des Maschinengestells bei der sogenannten passiven Ruckentkopplung reduziert. Die zusätzliche Masse und Strukturnachgiebigkeit bedingt eine weitere, zweite Resonanzstelle im niederfrequenten Bereich. Dadurch führen jedoch Schwingungen im Bereich der niederfrequenten Resonanzstelle zu einer erheblichen Auslenkung des REK-Schlittens, sodass der Bauraum der passiv ruckentkoppelten Vorschubachse entsprechend groß dimensioniert werden muss. Um diese Leistungsgrenze der passiven Ruckentkopplung zu überwinden, wird das neuartige Konzept der aktiven Ruckentkopplung am IFW erforscht. Die aktive Ruckentkopplung erweitert die passive Ruckentkopplung um eine im Kraftfluss zwischen Antrieb und Maschinengestell integrierte Aktorik und Sensorik. Hierbei sorgen die Feder-Dämpfer-Elemente in Kombination mit dem REK-Schlitten für die Reduzierung der hochfrequenten Strukturschwingungen des Maschinengestells. Zusätzlich werden die Schwingungen im tieferen Frequenzbereich durch eine modellbasierte Regelung der Kompensationskräfte eines Ruckaktors (Bild 2, links) reduziert. Um die Eigenschaften und Vorteile aktiv ruckentkoppelter Vorschubachsen zu erforschen, wurde am IFW ein Prüfstand mit integrierter aktiv ruckentkoppelter Vorschubachse nach dem in Bild 2, rechts dargestellten Konzept aufgebaut. Präzise positionieren trotz hohen Rucks Die Regelkreisstruktur zur modellbasierten Regelung der Aktorkraft FA ist in Bild 3 dargestellt. Grundlage ist ein mathematisches Mehrkörpermodell des dynamischen Schwingverhaltens der Maschinenstruktur. Die dominanten Starrkörperschwingungen resultieren aus Schwingungen des Maschinengestells bzw. des Maschinenbetts und des REK-Schlittens in X-Richtung. Das Die Autoren Prof. Dr.-Ing. Berend Denkena, Institutsleiter, Dipl.-Ing. Heinrich Klemme, Leiter des Bereichs Maschinen und Steue - rungen, M. Sc. Marcel-Frederic Böhse, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) der Leibniz Universität Hannover Bild 2: Aufbau der ruckentkoppelten Vorschubachse. Bild: IFW Juli 2022 65

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