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mav 07-08.2017

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TRENDZukunft der

TRENDZukunft der Mobilität macht, indem er das Verhalten der Fußgänger im Blick hat und richtig interpretiert. mav: Menschen beherrschen solche Situationen nur unvollkommen, sonst würde es nicht immer wieder zu Unfällen kommen. Muss ein automatisiertes Fahrzeug tadellos sein oder darf es Fehler machen? Reuter: Es ist erstaunlich, mit welcher Gelassenheit Menschen Situationen einschätzen und dementsprechend mit ihrem Auto oft zu schnell unterwegs sind. Kaum jemand berücksichtigt im dichten innerstädtischen Treiben, dass ganz unvermittelt ein Radfahrer aus einer Lücke heraus schießen könnte. Autonome Fahrzeuge werden sich zunächst strikt an gesetzliche Vorgaben halten und defensiver unterwegs sein als die meisten Autofahrer. Dadurch kann es vorkommen, dass sie mitunter etwas langsamer fahren, wodurch sich die Lenker nicht automatisierter Wagen behindert fühlen könnten. Sind dann eines Tages alle Fahrzeuge automatisiert, gibt es technische Möglichkeiten, den Verkehr wieder zu verflüssigen. Ein Beispiel hierfür ist das sogenannte Platooning, bei dem Fahrzeuge mit sehr geringen Sicherheitsabständen fahren können. Durch die Verwendung von zusätzlichen Kommunikationseinheiten und einem technischen Steuerungssystem wird die Verkehrssicherheit dabei nicht beeinträchtigt. Das „Hirn“ des autonomen Wagens verarbeitet Sensordaten, modelliert das Umfeld, interpretiert die Verkehrssituation und steuert das Auto. Bild T. Klink mav: Bei immer mehr Elektronik und Software im Auto wächst die Gefahr des Datenmissbrauchs. Werden Hacker-Angriffe zum neuen Problem im Straßenverkehr? Reuter: Was da auf uns zukommt, ist ein weites Feld. Gerade gibt es eine Ausschreibung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zu IT-Sicherheit und automatisiertem Fahren, an der sich auch unser Institut mit einer Projektskizze beteiligt. Wir wollen untersuchen, wie man verhindert, dass Sensoren von außen gestört werden. Einfaches Beispiel: Eine Kamera kann durch einen starken Scheinwerfer geblendet werden. Anderen Sensoren könnten Objekte vorgegaukelt werden, die gar nicht existieren. Andererseits könnte jemand verfälschte Daten in den Wagen schicken. Hier die Quellen dingfest zu machen und automatisch richtig zu reagieren, ist eine gewaltige Herausforderung. mav: Gegenwärtig erkennt man zwei Strategien für das automatisierte Fahren. Konventionelle Autohersteller integrieren nach und nach immer mehr Funktionen, um das Auto evolutionär weiterzuentwickeln. Unternehmen wie Google und Apple, die bisher mit Autos nichts am Hut hatten, versuchen, mit revolutionären Produkten Marktanteile zu erobern. Wie beurteilen Sie das? Reuter: Für die Realisierung von automatisiertem Fahren auf Autobahnen ist die evolutionäre Weiterentwicklung der heutigen Fahrerassistenzsysteme aufgrund der überschaubaren Komplexität eine sinnvolle Herangehensweise. Das automatisierte Fahren im Stadtverkehr unterscheidet sich jedoch sehr stark von den Szenarien, für die heutige Assistenzsysteme optimiert sind. Da bietet es sich folglich an, disruptive Techniken zu untersuchen – also komplett neue Lösungsansätze. Wenn man sich jedoch die Studien und Veröffentlichungen der konventionellen Autohersteller ansieht, erkennt man, dass diese ebenfalls disruptiven Ansätzen nachgehen. Ich sehe deshalb weiter sehr gute Perspektiven für die deutschen Automobilbauer. Sichtbar durch Multi-Objekt-Tracking: Die Fußgänger, die im Blickfeld von Lasersensoren sind, erscheinen auf dem Video leuchtend grün. Bild T. Klink mav: Wie lange dauert es, bis echtes autonomes Fahren in deutschen Innenstädten möglich ist? Was schätzen Sie? Reuter: 10, vielleicht sogar 15 Jahre könnte das schon noch dauern. mav: Mit Ihren Kenntnissen und Talenten hätten Sie auch in einem Automobilkonzern Karriere gemacht. Was hat Sie bewogen, als Hochschulforscher an der Uni zu bleiben? Mehr Gehalt hätten Sie in der Industrie. Reuter: Das ist völlig richtig. Im Rahmen meiner Doktorarbeit haben sich jedoch sehr viele neue Forschungsfragen aufgetan, die ich gerne angehen würde. Durch die Position als Juniorprofessor habe ich an der Universität Ulm die Freiheiten, auf diese Forschungsfragen sowie neue Erkenntnisse zusammen mit meinen wissenschaftlichen Mitarbeitern direkt einzugehen. mav: Sie haben eine Stiftungsjuniorprofessur – die im Normalfall sechs Jahre lang von der Daimler AG finanziert wird. Wie frei sind Sie bei Ihrer Forschung wirklich? Reuter: Es handelt sich um eine Stelle, die so beschaffen ist wie andere Professorenstellen: Es gibt keinerlei auferlegte Einschränkungen. Klar, dass ich gelegentlich ein zusätzliches Projekt habe, das in Kooperation mit einem Industrieunternehmen läuft. Die Erkenntnisse aus Industrieprojekten werden vor der Veröffentlichung dem Unternehmen vorgestellt und von diesem anschließend freigegeben. Messdaten werden möglicherweise simuliert – also künstlich erzeugt –, damit ein spezifisches Sensor-Knowhow des Auftraggebers nicht nach außen dringt. Doch in jedem Fall dürfen wir die von uns wissenschaftlich erarbeiteten Zusammenhänge an der Universität weiterverwenden. Eine Einschränkung bei der öffentlichen Publika - tion gibt es weder für mich noch für meine Mitarbeiter. ■ 40 Juli/August 2017

+ Innovation in der spanenden Fertigung 07/08-2017 Innovative Fertigungsstrategien in der Automobilindustrie Juli/August 2017 41

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