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prima! Magazin - Ausgabe Juli / August 2020

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IM GESPRÄCH SEBASTIAN

IM GESPRÄCH SEBASTIAN BARTOSCHEK passiert, und die Medien greifen das nicht auf. Das erste, was ich betreiben sollte, ist immer Quellenkritik, und als Nächstes sollte ich mich immer fragen, was die Menschen um mich sagen. Da sollte ich immer Leute haben, die mein Regulativ sind und die ich auch fragen kann. Wenn ich mich dann noch mit einem repräsentativen Querschnitt der Gesellschaft umgebe, dann werde ich Kontra bekommen, und dann ist es wichtig, genau den Leuten zuzuhören, die vielleicht nicht meiner Meinung sind. Was halten Sie für seriöse Quellen, wo man nachschauen kann? Mimikama beispielsweise? Bartoschek: Ja, auf jeden Fall. Mimikama ist ja genau dafür bekannt, dass viele Fakes aufgedeckt werden. Da wird das Ganze überprüft und zwar überparteilich und neutral. Während Bill Gates zum Feindbild mutiert ist, ist Donald Trump, einer der umstrittensten Politiker unserer Zeit, der Held von Verschwörungstheoretikern geworden, der heimlich einen Kinderpornoring bekämpft und die Macht der korrupten Eliten bricht. Wie gibt es das? Bartoschek: Ja, das ist faszinierend. Trump scheint eine Faszination auszustrahlen und eine Projektionsfigur geworden zu sein. Dafür muss man auch verstehen, dass ein Teil der QAnon Bewegung aus einem rechtslibertären Spektrum kommt, das Trumps Wählerschaft repräsentiert. Das heißt, vieles von dem was QAnon verbreitet hat, ist an die Leute gerichtet gewesen, die Trump-Unterstützer sind, und von da aus hat es sich verselbstständigt und weitere Kreise gezogen. Was sind das für Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben? Gibt es da bestimmte Charakteristika? Bartoschek: Was wir wissen ist, dass es quer durch alle Schichten geht. Es sind oft Menschen, die in ihrer Selbstwirksamkeit gekränkt sind. Das heißt, sie selbst erleben sich nicht mehr als diejenigen, die ihr Leben bestimmen, sondern dass irgendwelche anderen Kräfte, irgendwelche Zufälle, irgendwelche Schicksalsschläge ihnen mitgespielt haben. Die Verschwörungstheorien geben ihnen eine Heilserwartung, was man tun muss, um sich zu befreien. Da geben Verschwörungstheorien die Möglichkeit, aus dieser Selbstunwirksamkeit wieder auszutreten. Das ist psychologisch das Motiv, von dem wir wissen, dass es relativ stark ist. Kann es überhaupt gelingen, einen Verschwörungstheoretiker vom Gegenteil zu überzeugen. Bartoschek: Es kann gelingen, wenn jemand noch nicht so tief drinnen und der Widerlegung zugänglich ist. Wenn aber jemand schon relativ tief in das Ganze eingedrungen ist, dann wird das sehr schwierig werden, ihn davon zu befreien. Was passiert dann? Bartoschek: Dann haben wir eine Selbstradikalisierung. Das haben wir in den letzten Jahren in Deutschland im Reichsbürgersegment erlebt. Da haben wir eine Zunahme von rechtsextremen Gewalttaten, von rechtsextremer Selbstradikalisierung. Eine Selbstbewaffnung. Das Ganze ist nicht ohne, wenn man auf das Gefahrenpotenzial schaut. Sie haben im Vorfeld den Artikel in unserer aktuellen Ausgabe gelesen, in dem Redakteurin Nora Schleich mit einem Verschwörungstheoretiker ein Interview führt (siehe Seite 4ff.). Die Rede ist dabei von Kindersex, Kinderund Menschenhandel und dass sogar Menschenfleisch gegessen wird. Das Ganze passiert angeblich in Hollywood. Die Namen Clinton, Gates, Abramovic ´ und Obama scheinen in diesem Zusammenhang immer wieder auf. Was würden Sie René H. sagen? Bartoschek: Zuerst würde ich ihn fragen, was das Glauben an diese Verschwörungstheorien bei ihm konkret ändert. Ich würde ihn fragen: Was ist in deinem Leben dadurch anders geworden, und brauchst du dafür eigentlich diese Verschwörungstheorien? Ich würde nicht einzelne Details aus den Verschwörungstheorien diskutieren, weil dann würden wir stundenlang dasitzen und würden nicht zu einem Punkt kommen, weil er immer wieder einzelne Details nennen könnte, die angeblich irgendwelche Sinnhaftigkeit haben. Ich würde also versuchen, auf diese Metaebene zu wechseln. Man muss schauen, wie kommt man auf dieselbe Grundlage, von der aus wir argumentieren. Und das werden Sie nicht schaffen, wenn er anfängt von Menschenfleisch und Reptilien, Aliens und Kinderpornoringen zu reden. Aber wir haben es bei Verschwörungstheorien nicht mit einer psychischen Erkrankung zu tun? Bartoschek: Es gibt natürlich psychische Krankheiten, bei denen es Paranoia gibt. Beispielsweise die paranoide Schizophrenie. Die ist aber völlig anders ausgestaltet als der normale Verschwörungsglaube. Wie schützen Sie sich selbst, wo Sie ja mit Verschwörungstheorien besonders stark konfrontiert sind. Bartoschek: Ich weiß das gar nicht. Tatsächlich ist für mich immer eine ganz gute Krücke, mich zu fragen, wie viele Menschen müssten für eine Verschwörungstheorie dicht halten und keine Fehler machen? Wenn Sie sich vorstellen, dass irgendwelche Regierungsorganisationen Tausende Menschen umfassen müssten, die alle richtig handeln und keine Fehler machen, dann ist das ja undenkbar. Aber ist es nicht schwierig, eine Grenze zu ziehen zwischen Verschwörungstheorie und der Notwendigkeit einer kritischen Meinung, die auch Systeme hinterfragt? Bartoschek: Man muss und darf auch alles hinterfragen, und es passieren auch viele unschöne Dinge da draußen. Für mich ist der Punkt, wenn ich anfange zu lesen, dass irgendjemand dahinter einen geheimen Mechanismus vermutet. Da werde ich immer vorsichtig. Natürlich gibt es Dinge – wir haben es ja beim Ibiza-Video gesehen – wo Politiker bereit sind, sich zu verschwören. Das gibt es natürlich. Aber dahinter eine größere Steuerung zu vermuten, das ist das, wovor ich mich hüte. Was würden Sie unseren prima! Lesern und Podcast Hörern mitgeben? Bartoschek: Nicht wegzuhören, wenn im näheren Umfeld Verschwörungstheorien verbreitet werden und da die Zivilcourage zu haben und sagen: Nein, so ist es nicht. Und zwar nicht für die Person, die der Verschwörungsgläubige ist, sondern für die Umherstehenden, die noch nicht überzeugt sind. Das ist wichtig. Wir wissen aus Studien, dass das auch funktioniert. 8 JULI/AUGUST 2020 www.prima-magazin.at

Zwischen Fernweh und Heimatliebe Kommentar von Feri Tschank Endlich Urlaubszeit! Kampf dem Fernweh. Über Corona will ich nicht wieder schreiben, zumindest jetzt nicht. Nur so viel, dass ich glaube, die Maskenpflicht abzuschaffen war keine gute Idee, aber wie schon letztes Mal geschrieben, bei diesen guten Vorbildern kann man nichts anderes erwarten. Wenige Tage und es beginnen die großen Ferien. Werden sich die Autokolonnen wieder auf der Südautobahn Richtung Italien oder Slowenien wälzen, oder werden viele der Vernunft gehorchend dieses eine Mal auf einen Meeresbesuch verzichten? Ach, auch mir fällt es schwer, bin ich doch franko-, italo- und leider mit zunehmender Überheblichkeit der Engländer immer weniger anglophil. Als ich zum ersten Mal von der Strada Costiera aus das Meer bei Triest gesehen habe, war es um mich geschehen, und ich war viele, viele Male in Italien. Nicht zuletzt Don Camillo und Peppones wegen, deren Filme ich unzählige Male gesehen habe, und die mir dieses Italien der Lebensfreude, der Feste und Leidenschaft näher gebracht haben. Und in meinem ersten Kinderbuch, das ich noch immer habe, heißt es: Italien ist ein schönes Land, voll Trauben und Melonen. Orangen pflückt man mit der Hand, auch Feigen und Zitronen. Die Bäuerin mit dem Eselein, die bringt das Obst zur Stadt hinein. Es tönt vom blauen Meeresstrand ein Klang von Mandolinen, Italien ist ein schönes Land, von Sonne warm beschienen. (Hatschi Bratschis Luftballon) Aus der Ferne war die Liebe immer größer als aus der Nähe. Der Kaffee war immer gut, das Essen manchmal, die Leute waren zum Teil freundlich, haben mich aber auch übervorteilt und mir zwei Autoradios, eine Kamera, zwei Koffer, einen Reisepass und noch ein paar Kleinigkeiten ohne mein Einverständnis genommen. Jetzt kommen, laut Zeit, aber die Chinesen und stoßen in eine Lücke, die die Amerikaner nicht mehr Willens sind zu füllen. Während Trump in Lächerlichkeit versinkt, ist seine Regierung auf der Weltbühne unsichtbar. China übernimmt. Italien ist Teil der neuen Seidenstraße, chinesische Investoren werden für Italien immer wichtiger. So sind chinesische Geschäftsleute in Italien unterwegs, um krisengeplagte Firmen zu kaufen. Ein chinesischer Oligarch hat sich den Fußballverein Inter Mailand geleistet, chinesische Banken halten große Anteile an dem Ölkonzern Eni oder Fiat. China schickt Masken und Schutzanzüge, Amerika lässt Flüge nach Italien unterbinden. Don Vito, der Pate, würde sich, wüsste er davon, im Grab umdrehen. Trotzdem werde ich Parmesan dem Tofu vorziehen und meine Liebe zur italienischen Küche, auch wenn von mir selbst zubereitet, ist ungebrochen. Was also tun im Urlaub? Angeblich sind die Hotels rund um Österreichs Seen so gut wie ausgebucht. Schön für sie! Vielleicht wird man ja auch, zumindest für dieses eine Jahr, zum Sommerfrischler. Kauft sich ein paar Wanderschuhe, Rucksack und Stöcke und durchstreift unsere Heimat. Vielleicht kehrt ja dann wieder etwas von unserem verlorenen Nationalstolz zurück. Wir haben die sieben Weltmeere bereist, waren aber noch nie am Bodensee. Wir kennen die Uffizien in Florenz, Notre Dame, das Kolosseum und die Akropolis. Nicht aber das Kunsthistorische Museum, den Stephansdom, die Albertina oder Carnuntum. Wir kennen die italienische, die griechische, die französische und die türkische Küche, waren aber noch nie in einem österreichischen Haubenlokal. Wir haben Winkel und Ecken, Flüsse und Ebenen von einer Schönheit, die bei genauerem Hinsehen und Erleben atemberaubend sind. Wir haben tolle Köche, gutes Bier, großartige Weine und herrliche landwirtschaftliche Produkte. Wir haben gute Luft und eine ziemlich intakte Umwelt und wir können uns, was besonders wichtig ist, ohne den siebenten erfolglosen Italienischkurs absolviert zu haben, untereinander verständigen. Also was genau hält uns davon ab, den heurigen Sommer zu Hause zu verbringen? In Wirklichkeit nix. Sollte es uns aber irgendwo doch nicht gefallen, dann steigen wir ins Auto, den Bus oder die Bahn und sind ein paar Stunden später zu Hause im eigenen Bett. Ach ja, und für Burgenländer, die im eigenen Land in einem Beherbergungsbetrieb für mindestens drei Nächte nächtigen, gibt es 75 Euro. Obwohl, wenn ich meine bescheidene Meinung kundtun darf, es wohl besser gewesen wäre, man findet ein befreundetes Bundesland und tauscht. Jeder Vorarlberger, um eines zu nennen, bekommt 75 Euro, wenn er unseren Neusiedler See, unsere Burgen und Schlösser besucht, und dafür zahlen uns die Vorarlberger für den Besuch des Bodensees und ihrer Berge etwas dazu. Na egal, für die Thermenbesucher ist es alleweil ein Anreiz. Ach ja, und keine Malaria-, Hepatitis-, Typhus- und sonstige Impfungen sind für Heimaturlaub erforderlich. Erholen Sie sich gut! Ihr Feri Tschank JULI/AUGUST 2020 9

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