E-Paper

Aufrufe
vor 2 Jahren

2020-4 REISE und PREISE

NAMIBIA Land der drei

NAMIBIA Land der drei Wüsten Im Süden Namibias reiht sich ein Naturwunder an das nächste – von der Wüste Kalahari über die Schluchten des Fish River Canyon bis zu den Dünen des Sossusvlei. An der Mündung des Orange River ist nach mehr als 80 Jahren Besuchsverbot die Diamantenstadt Oranjemund geöffnet. VON OLIVER GERHARD 68 REISE-PREISE.de 4-2020 Endlich wieder auf der Piste: Kurz nach dem Ende der Asphaltstraße bei Stampriet setzt Entschleunigung ein, jenes typische Namibia- Gefühl beim Dahingleiten über eine der Schotterstraßen, die bis in die entlegensten Winkel des Landes führen. Im Tal des Trockenflusses Auob, der sich nur alle paar Jahre mit Wasser füllt, geht es in Richtung Südosten durch die Ausläufer der Wüste Kalahari. Erodierte Felsen ragen wie Buhnen in die Landschaft, Pferde weiden unter Akazien. Gärten, Palmen und Zypressenhaine umgeben die verstreuten Farmen. Manche Anwesen strahlen Wohlstand aus: mit eigener Kirche, Schule und den Häuschen der Landarbeiter. Hin und wieder überholt man Eselskarren, auf denen sich Familien mit Kind und Kegel drängen. Später verläuft die Strecke quer zu den Dünen, die wie Wellen eines erstarrten Meeres den Weg versperren. In stetigem Schaukeln fährt man Achterbahn, entgegenkommende Autos tauchen auf und ab wie Schiffe auf rauer See. Dann folgt ebenes Land, die Augen sind geblendet vom Weiß einer Salzpfanne. Die ersten Köcherbäume säumen die Piste, Vorboten der Aloenwälder, die nur in dieser Region vorkommen. Spaziergang zwischen Köcherbäumen Der Süden Namibias ist an Abwechslungsreichtum kaum zu übertreffen: im Osten die Kalahari mit ihren roten Sanddünen, in der Mitte die Steinwüste rund um die Schluchten des Fish River, eines der größten Canyons der Erde. Und im Westen die Wüste Namib, deren Dünen erst am Atlantik auslaufen. Hier mündet auch der Orange River, der mit knapp 2.200 Kilometern längste Fluss im südlichen Afrika. Mehrere Farmen entlang der Piste in

Nicht ganz auf Augenhöhe: Park - ranger und Erdmännchen begegnen sich im Wüstensand (unten links). Faszinie - rendes Lichtund Schattenspiel in den Dünen des Sossusvlei (großes Bild) Fotos: Oliver Gerhard (2), John Warburton-Lee Photography/Alamy Stock Photo, kavram/Andrew M. Allport/Shutterstock Auf den Sandpisten im Süden Namibias sind Fahrzeuge mit Allradantrieb die beste Wahl Oryx-Antilopen kommen mit den kargen Lebensbedingungen in den Trockengebieten Südnamibias gut zurecht (links). Blick auf den Orange River während eines Stopps auf dem Weg zur Küste nach Oranjemund (rechts) Richtung Keetmanshoop bieten die Möglichkeit, in Köcherbaumwälder einzutauchen. »Wir haben 5.000 dieser Bäume auf unserem Land«, sagt Giel Steenkamp an der Mesosaurus Fossil Site. Der betagte Namibier führt höchstpersönlich zu Fossilien und Spuren aus der deutschen Kolonialzeit: den Gräbern zweier Soldaten, die 1904 in den Hinterhalt von Pferdedieben gerieten. Der Farmer hebt eine Steintafel an und fördert ein versteinertes Skelett zutage. »Schnauze und Schwanz sind schon wege - rodiert«, sagt er. »Wir haben den Mesosaurus vor rund 30 Jahren beim Anlegen der Piste gefunden.« Seitdem geben sich die Paläontologen bei ihm die Klinke in die Hand. Nach der Tour lässt Steenkamp seine Besucher alleine den Köcherbaumwald erkunden. Der Legende nach nutzten Buschmänner die faserigen Äste als Köcher für ihre Pfeile. Im Südwinter stehen die Bäume in voller Blüte, wie gelbe Blumensträuße ragen sie aus dem steinernen Meer. Safari am Fish River Canyon Nun ist es nicht mehr weit bis zum Fish River Canyon, doch das Naturwunder macht es spannend bis zum Schluss: Erst beim Erklettern der Stufen am Main Viewpoint bricht die karge Steinwüste abrupt zur größten Schlucht Afrikas ab, rund 160 Kilometer lang, bis zu 27 Kilometer breit und an manchen Stellen rund 550 Meter tief: eine atemberaubende Symphonie in Stein, rau, wild, zerklüftet. Hell’s Bend heißt die Windung des Fish River, die man von hier überblickt. Ein Meer aus Spitzen und Felsstürzen, Abgründen, Plateaus und Geröllhalden. Nur wenige Wanderer pro Tag dürfen in die Schlucht absteigen zu einem mehrtägigen Trekking, bei dem sie die komplette Ausrüstung und jeden Liter Wasser mit sich tragen müssen. Wer diese Strapaze scheut, kann im Gondwana Canyon Park wandern oder auf Safari gehen. Das private Schutzgebiet, zu dem Teile des Fish River Canyons gehören, entstand durch die Zusammenlegung von einem Dutzend Farmen. »Wir haben alle Zäune innerhalb des Parks abgebaut und Tierarten ausgewildert, die vor Ankunft der Weißen hier lebten«, erklärt der Chefranger. Hier leben heute wieder Gnus, Kuhantilopen, Zebras und Giraffen. Raubtiere wie Leoparden und Hyänen folgten von ganz alleine. Bei einer geführten Offroad-Tour an den Rand des Canyons entdeckt man Bergzebras; Klippschliefer wuseln an den Hängen und Antilopen ergreifen die Flucht. Tierbegeg - nungen, die man fernab des wildreichen Etosha-Nationalparks nicht vermuten würde. Reise in die verbotene Stadt Der Lauf des Fish River begleitet auch die weitere Route Richtung Süden. In Serpentinen führt die Piste durch Haufen aus gigan - tischen Steinkugeln. Dann, nach Tagen in der Wüste, überrascht plötzlich eine neue ➔ 4-2020 REISE-PREISE.de 69

© 2023 by REISE & PREISE