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2020-4 REISE und PREISE

NEUSEELANDS SÜDINSEL

NEUSEELANDS SÜDINSEL Eine Kreuzfahrt im Milford Sound beschert den Teilnehmern Fotomotive en Masse. Die Schiffe fahren u. a. dicht an die senkrecht herabstürzenden Stirling Falls heran (links). Wanderer im Tal des West Matukituki River im Mount Aspiring National Park (rechts) Campertour INS NATURPARADIES Üppiger Regenwald, glitzernde Bergseen, tief eingeschnittene Fjorde, schneebedeckte Gipfel und goldene Strände: Neuseelands Südinsel ist ein wildschönes Naturparadies. Ein Roadtrip durchs Land der Kiwis wird bald wieder möglich sein. VON HELGE BENDL 8 REISE-PREISE.de 4-2020

Fotos: David Kleyn/Ian Dagnall/Cephas Picture Library/Alamy Stock Photo, Helge Bendl N och vor Sonnenaufgang geht es raus aus dem Bett, rein in die Klamotten, ran ans Steuer. Es ist früh, aber die beste Zeit. Weil dann noch Nebelschwaden über Wäldern und Wiesen tanzen und die Traumlandschaften rechts und links der Straße so wirken, als habe sie ein Kulissenmaler eines Fantasyfilms gezeichnet. Das Abendessen gestern, gezaubert auf dem winzigen Zwei-Flammen-Herd, war ein Festmahl: Lachsfilet aus der Pfanne, Kartoffeln, grüner Salat, eine Flasche Chardonnay aus dem Kiwi-Land. Nun aber gibt’s kein ausgiebiges Genießerfrühstück, sondern Kaffee aus der Thermoskanne und einen Schokomuffin. Wer campt, beschränkt sich eben aufs aktuell Wichtige. Heute heißt das: die Fahrt zum achten Weltwunder. 120 Kilometer sind es vom verschlafenen Örtchen Te Anau im Südwesten von Neuseelands Südinsel bis zum Milford Sound, dem einzigen Fjord in der UNESCO-Welterberegion, der mit dem Camper erreichbar ist. Reine Fahrzeit pro Strecke: zwei Stunden. Wer falsch beraten wurde, der reist aus dem noch viel weiter entfernten Queenstown für einen Tagesausflug an, ohne Zeit für Foto-Stopps. Wir aber haben im Camper übernachtet, auf einem der Campsites der Naturschutzbehörde. Kein Strom, nur Plumpsklos, ein Unterstand – das war’s. Doch beim Einschlafen den plätschernden Cascade Creek hören zu können, ist nicht nur die umgerechnet acht Euro wert, sondern auch unbezahlbar schön. Einmal rund um Neuseelands Südinsel? Liebend gerne, doch dafür fehlt die Zeit. Aber wenigstens die wichtigsten Highlights zu erleben, gerne mit zwei Nächten pro Ort, das klappt in gut zwei Wochen. Unsere Route: Von Queenstown durch Central Otago, nach Wanaka und an die wilde Westküste, dann als krönender Abschluss in den Norden, wo Neuseeland an manchen Stellen wie die Südsee aussieht. Die Regionen von Nelson und Marlborough sind in aller Munde, weil hier einige der bekanntesten Weingüter des Landes ihren Sitz haben und im Wasser Muscheln und Lachse gezüchtet werden. In Neuseelands sonnigster Region wollen wir uns auch austoben: Man kann im Abel Tasman National Park zu goldenen Stränden paddeln oder ein paar Kilometer weiter auf dem Queen Charlotte Track die Meeresarme der Marlborough Sounds erleben. Milford Track: Neuseelands berühmtester Wanderweg Jetzt aber, zum Start, der Milford Sound. Gestern hat es noch wie aus Gießkannen geschüttet, auf den Bergspitzen türmt sich der Neuschnee. Doch heute früh hat der große Wolkenschieber den Himmel für die Sonne frei geräumt: Es herrscht Kaiserwetter. Unweit des Bootsterminals werden die Wanderstiefel geschnürt: Eigentlich muss man vier Tage für die 53 Kilometer des Milford Track einplanen, den berühmtesten (und oft lange im Voraus ausgebuchten) Wanderweg Neuseelands. Doch mit einem Guide kann man sich auf ein Teilstück beschränken und die letzte Etappe bei einer Tour in der Kleingruppe kennenlernen. Eine kurze Bootsfahrt über spiegelklares Wasser, ein paar hastige Schritte vom Anleger am Sandfly Point (die lästigen Mücken gibt’s dort wirklich!), und schon wandert man durch eine unberührte Wildnis. Riesenfarne breiten ihre Fächer aus, das Blätterdach uralter Baumveteranen verschluckt das Licht. In der Schattenwelt sprießen Flechten und Moose auf immergrünen Buchen und moderndem Totholz. Die Stromschnellen des Arthur River rauschen, der Wasserfall Giant’s Gate donnert. Das hier ist ein Regenwald, der diese Zuschreibung verdient: Es fällt zehnmal so viel Niederschlag wie in Deutschland. Und es zwitschert und zirpt, kreischt und krächzt, summt und surrt ohne Unterlass. Kein Kiwi (die sieht man ein paar Tage später in einem Nachttierhaus an der Westküste), aber eine ebenfalls flugunfähige Wekaralle scharrt im Unterholz. In den Baumkronen tummeln ➔ Die Straße von Glenorchy nach Queenstown führt entlang des von schneebedeckten Gipfeln gesäumten Lake Wakatipu (großes Bild). Autor und Begleiterin halten Ausschau aus ihrem historischen VW-Bulli (unten) 4-2020 REISE-PREISE.de 9

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