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4-2023 REISE & PREISE

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BAHNREISEN Bis auf 4.781 Meter Höhe schraubt sich die Andenbahn »Ferrocarril Central Andino« Zugfahren ist die wohl eindrücklichste und entspannteste Art der Fortbewegung. Wir stellen Züge aus aller Welt vor, die – jeder auf seine Art – unvergleichliche Erlebnisse bieten. VON PETER WÜRTH REISEN AUF GLEISEN Fotos: Suzy Bennett, Mark Green / Alamy Stock Photo FERROCARRIL CENTRAL ANDINO – PERU IN SERPENTINEN IN DIE ANDEN DIE STRECKE: Lima–Huancayo FAHRTDAUER: 10–14 Stunden Der schwierigste Teil des Abenteuers ist vermutlich herauszufinden, ob und wann der Zug überhaupt fährt. Noch in den Siebzigern war die Bahn das gängige Verkehrsmittel zwischen Lima und Huancayo. Dann sorgten der Ausbau von Straßen und zuletzt eine Reihe von Erdrutschen auf der Strecke für Probleme. Wenn alles repariert ist, soll zwischen April und November 2024 wieder alle zwei Wochen die Ferrocarril Central Andino die 335 Kilometer ins Hochland fahren. Und diese Zugreise hat es in sich. Die Strecke wurde ab 1869 gebaut, um das Erz aus den Minen in den Anden abzutransportieren. Im Barwagen der »Ferrocarril Central Andino« Der schwierige Bau dauerte 40 Jahre und kostete zahlreiche der 10.000 oft chinesischen Arbeiter das Leben. Von Lima, 150 Meter über Meereshöhe, schleicht sich der Zug durch die endlosen Armenviertel der Stadt, um dann entlang des 70 REISE-PREISE.de 4-2023

Rimac-Flusses Richtung Anden, das Valle del Mantaro und andere grüne Bergtäler abzubiegen. Die nächsten zehn bis 14 Stunden werden spektakulär. Wie lange die Fahrt genau dauert, kann man nie wissen, weil der Zug auf der einspurigen Strecke immer wieder Güterzüge vorbeilässt. Über 58 Brücken, durch 69 Tunnel und enge Schluchten klettert er innerhalb eines halben Tages nach Galera auf eine Höhe von 4.781 Metern. Weil selbst für Haarnadelkurven nicht überall Platz war, gibt es sechs Spitzkehren, zwischen denen der Zug die Fahrtrichtung wechselt. Die Folgen der ungewohnten Höhe und der dünnen Luft ohne längere Akklimatisierung spüren die meisten Reisenden körperlich: heftige Kopfschmerzen, Schwindel und Müdigkeit. Als Gegenmittel offeriert eine Krankenschwester Sauerstoff aus der Flasche. Doch das Leiden lohnt sich: Die Ausblicke auf die Anden sind grandios, die Luft ist unbeschreiblich klar, die Szenerien einzigartig. Gehalten wird nur wenige Male: Zum Beispiel in San Bartolomé, wo die Lokomotive auf der Stelle gedreht wird, in Matucana kann man sich die Füße vertreten und auch etwas zu essen kaufen, in Ticlio gibt es einen kurzen Aussichtsstopp. Den Rang als höchste Zugstrecke überhaupt hat der Zug übrigens 2006 an die chinesische Qinghai–Tibet Railway verloren. KLASSEN, PREISE UND BUCHUNG Es gibt zwei Klassen: die Clase Clásico mit den alten Waggons und die deutlich komfortablere Clase turístico mit Polsterstühlen, Bar, verglastem Panoramawagen und offener Aussichtsplattform. Während der Fahrt werden Getränke und Snacks wie im Flugzeug angeboten. Die Fahrkarten kosteten zuletzt € 100 in der Touristenklasse und € 60 in der 2. Klasse. Informationen, Termine und Buchung über https://ferrocarril central.com.pe. Tickets werden auch über lokale Reiseagenturen angeboten. Mit dem Bus dauert die Fahrt zurück nach Lima nur rund sechs bis sieben Stunden und kostet etwa € 15–25. GUT ZU WISSEN Die Fahrt beginnt um 7 Uhr mit dem Auftritt einer Blaskapelle im Desamparados-Bahnhof von Lima (in dem es KEINE Tickets für den Zug zu kaufen gibt!). Wer Probleme mit dem Herzen, der Lunge oder hohem Blutdruck hat, sollte vor der Fahrt mit seinem Arzt sprechen. In jedem Fall sollte man nur leicht essen, auf Alkohol verzichten und ansonsten viel trinken – am besten Koka-Tee wie die Einheimischen. Der elegante Shinkansen vor der Kulisse des Fuji SHINKANSEN – JAPAN TEMPO UND JAPANISCHE PERFEKTION DIE STRECKE: Tokio–Kyoto FAHRTDAUER: 2 Stunden Wie man im 21. Jh. zeitgemäß mit dem Zug reist, lässt sich im Shinkansen-Hochgeschwindigkeitsnetz in Japan erleben. Die pünktlichsten Langstreckenzüge der Welt rasen auf einem eigenen, 20.000 Kilometer umfassenden Schienennetz kreuz und quer über die Inseln – zum Teil in einem 10-Minutentakt, den andernorts nicht einmal lokale S-Bahnen schaffen. Die Tokaido-Linie etwa führt von der Hauptstadt Tokio nach Osaka mit Stopp in der alten Kaiserstadt Kyoto. Wer von Tokio nach Kyoto oder Osaka fährt, sollte einen Fensterplatz auf der rechten Seite buchen. Wenn der Wettergott es will, zeigt sich dort der heilige Berg Fuji einmal gnädig ohne Wolken. Von Tokio aus erreicht der Shinkansen das 475 Kilometer entfernte Kyoto in nur zwei Stunden. In der Zeit schafft es ein deutscher ICE von Hamburg aus gerade mal ins 250 Kilometer entfernte Göttingen. Der Unterschied zwischen der modernen 14-Millionen-Metropole Tokio und dem traditionellen Kyoto ist enorm. Die Eleganz von Kyoto, seine 1.000 Schreine und historischen Tempelanlagen, der Kaiserpalast und die Teehäuser, die hier noch prächtigere Kirschblüte, die Arbeiten der traditionellen Handwerksmeister und die klassische Kaiseki-Küche – all das sind Gründe, unbedingt mit dem Shinkansen nach Kyoto zu fahren. Schon der Anblick der Lokomotive mit ihrer überdimensional langen Schnauze beamt einen in die Zukunft. Tempo ist alles beim Shinkansen. Die Serie 500 etwa erreicht in der Spitze 320 Stundenkilometer. Der Nach-Nachfolger N700A (NeiTech-Shinkansen Advanced), der als »Nozomi«-Super-Express auf der Tokaido-Linie eingesetzt wird, kann sich um ein Grad neigen und schafft auch in engen Kurven 270 Stundenkilometer. In weniger als zwei Minuten beschleunigt er auf 250. Das alles passiert kaum merklich für den Passagier. An jedem Sitzplatz kann die Temperatur individuell geregelt werden, die Innengeräusche werden maximal gedämpft. Was man dann allerdings hört, ist das Rascheln und Klappern der Bento-(Essens-) Boxen, mit denen die Mitfahrer ihre Reise Lange »Nasen« sorgen für Aerodynamik im Shinkansen zelebrieren. Anders als in normalen japanischen Zügen dürfen die Fahrgäste im Shinkansen nämlich essen. KLASSEN, PREISE UND BUCHUNG Tickets sind online erhältlich. Die Fahrt von Tokio nach Kyoto kostet € 90 oneway. Wer öfter Zug fährt, ist mit dem »JR Rail Pass« für Touristen gut bedient (buchbar z. B. über www.japan-experience.com, 7 Tage in der 2. Klasse € 322). Damit ist auch die Platzreservierung kostenlos. GUT ZU WISSEN Fahrten mit dem Super-Express »Nozomi« und dem »Mizuho« sind derzeit nicht im »JR Rail Pass« enthalten. Der Pass für ganz Japan ist gerade um 70 % teurer geworden, die regionalen Pässe sind von der Preiserhöhung nicht betroffen. Fotos: Hideo Kurihara / Alamy Stock Photo; ColobusYeti / iStockphoto 4-2023 REISE-PREISE.de 71

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