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HELMUT CASPAR<br />
Ich brauche keine Denkmäler,<br />
mein Denkmal ist das Deutsche<br />
„ Reich“ soll Otto von Bismarck<br />
(1815-1898), Reichskanzler und<br />
engster Mitarbeiter von Kaiser Wilhelm<br />
I., gesagt haben. Doch niemand<br />
hielt sich an den Wunsch des<br />
Politikers, dessen Lebensmotto<br />
„Fürs Vaterland verzehre ich mich“<br />
war. Über 30 Bismarckstatuen, -büsten<br />
und -steine wurden ihm zu<br />
Ehren bereits zu Lebzeiten errichtet.<br />
Nach seinem Tod trieb die Bismarck-Manie<br />
mannigfache Blüten.<br />
Schon 1906 zählte man bereits 306<br />
dem „eisernen Kanzler“ gewidmete<br />
Denkmäler aller Art sowie Bismarcktürme,<br />
-säulen und -obelisken.<br />
Überall begegnete man dem in den<br />
Fürstenstand erhobenen Politiker in<br />
Bronze und Stein – stehend, sitzend,<br />
zu Pferde, in Uniform und Zivilkleidung, barhäuptig oder mit<br />
der Pickelhaube auf dem Kopf, als Schmied und Lotse, als kämpferischer<br />
Redner oder als Spaziergänger mit Hund. Unübersehbar<br />
ist die Menge der bunt bemalten Tabakspfeifen, Krüge und<br />
Wandteller, der Klappmesser, Küchenhandtücher und Kissenplatten,<br />
Ruhmesblätter und Ehrendiplome mit dem Bildnis und<br />
Wappen des Reichskanzlers. Dazu kommen<br />
zahllose Medaillen mit dem Bildnis des Kanzlers<br />
– mal mit Helm oder Schlapphut oder ganz<br />
barhäuptig, mal in Uniform oder in ziviler Kleidung.<br />
Der aus der märkischen Provinz stammende<br />
Bismarck kom<strong>mt</strong> als antiker Held mit<br />
nackter Brust daher, als Schmied des Reiches<br />
und als Feldherr zu Pferde, und er wird auch als<br />
Redner vor dem Parlament mit markanten Zitaten<br />
verherrlicht. Geprägtes Metall feiert ihn als<br />
Liebling des Vaterlandes und als Schrecken seiner<br />
Feinde, als Unsterblicher und Titan, als Paladin<br />
Wilhelms I. und „Alldeutschlands Schutzgeist“.<br />
Beliebt waren auch Darstellungen, die<br />
ihn und seinen kaiserlichen Herren beziehungsweise<br />
führende Militärs des kaiserlichen<br />
Deutschland, allen voran Albrecht von Roon<br />
und Helmuth von Moltke, gemeinsam zeigen.<br />
Gottesfürchtig und königstreu<br />
„Seid einig, einig, einig“<br />
Otto von Bismarck, Kanzler und Schmied des<br />
Deutschen Reichs, auf Medaillen<br />
Beim „Kulturkampf“ ging es dem Kanzler darum, den Einfluss<br />
der katholischen Kirche im neuen Deutschen Reich<br />
spürbar zurückzudrängen. Die Karikatur zeigt ihn beim<br />
Schachspiel mit Papst Pius XI., der solchen Bestrebungen<br />
gemeinsam mit dem deutschen Episkopat entschieden entgegen<br />
trat. Der Konflikt wurde erst 1878 beigelegt.<br />
Als Otto von Bismarck von Wilhelm<br />
II. geschasst wurde, widmete<br />
ihm die englische Presse dieses<br />
Abschiedsbild, auf dem der „Lotse“<br />
von Bord geht und der Kaiser<br />
seelenruhig zuschaut.<br />
Zahlreiche Bismarck-Medaillen wurden<br />
bereits 1905 von Julius Eduard Bennert publiziert,<br />
sieben Jahre nach dem Tod des Kanzlers.<br />
Zu den 357 Medaillen kamen später in einem<br />
zweiten Teil des Katalogs weitere Stücke, was<br />
auf die große Beliebtheit des Themas bei damaligen<br />
Sammlern deutet. Vielen Medaillen<br />
und anderen „Erinnerungstalern“ mit immer<br />
den gleichen Köpfen, Wahlsprüchen und Wappen<br />
sieht man an, dass sie zum<br />
Zwecke des schnellen Gelderwerbs<br />
von fixen Medaillenverlegern hergestellt<br />
und vertrieben wurden,<br />
hingegen können nur wenige Stücke<br />
als wirklich gelungene Kunstwerke<br />
angesprochen werden. Interessant<br />
ist auch, dass von großen, als<br />
Wandschmuck bestim<strong>mt</strong>en Medaillen<br />
und Plaketten verkleinerte Ausgaben<br />
hergestellt wurden. Manche<br />
bekamen schon vom Hersteller<br />
Henkel und Ösen und konnten so<br />
als Schmuck verwendet werden.<br />
Als früheste Prägung nennt<br />
Bennert eine Medaille zur Eröffnung<br />
des Landtages am 26. Januar<br />
1850, in dem Otto von Bismarck<br />
den Kreis Westhavelland vertrat.<br />
Er wird hier neben zahlreichen anderen<br />
Abgeordneten als „v. Bismark-S.“<br />
erwähnt. Der Politiker und Gutsherr nannte sich zeitweilig<br />
unter Bezug auf seinen Geburtsort und Wohnsitz Bismarck-Schönhausen,<br />
wo heute ein kleines Museum an ihn erinnert.<br />
Mitunter wurde Bismarcks Name, wie hier, falsch geschrieben.<br />
Eine Zinnmedaille von 1870 auf den Krieg gegen<br />
Frankreich bildet König Wilhelm I. von Preußen, den Kronprinzen<br />
Friedrich (Kaiser Friedrich III.) und<br />
den Prinzen Friedrich Karl sowie Bismarck<br />
und General von Moltke ab. Auf der Rückseite<br />
greifen deutsche Truppen an. „Das ganze<br />
Deutschland stim<strong>mt</strong> mit Jubel ein – ein donnernd<br />
Hoch der braven Wacht am Rhein“ lautet<br />
beiderseits die Inschrift.<br />
Der Deutsch-Französische Krieg und sein<br />
für die Herstellung der deutschen Einheit unter<br />
preußischer Führung so wichtige Verlauf<br />
brachten weitere Bismarck-Medaillen hervor,<br />
die während der deutschen Besetzung von Paris<br />
hergestellt und verkauft wurden. Unter diesen<br />
Jetons mit Bildnissen des Fürsten Bismarck<br />
auf der Vorderseite sowie Porträts führender<br />
Politiker der französischen Republik bilden<br />
Spottmedaillen eine Ausnahme. Eine zeigt Wilhelm<br />
I., Napoleon III. und Bismarck „an<br />
Schandpfählen in Bußgewändern“, wie Eduard<br />
Bennert bemerkt. Manche Medailleure waren<br />
unsicher, was den offiziellen Titel Wilhelms I.<br />
betrifft. Immer wieder wird er auch auf Bismarck-Medaillen<br />
als „Kaiser der Deutschen“<br />
und nicht, wie es der Kanzler gegen den Willen<br />
seines Herrn durchgesetzt hatte, deutscher<br />
Kaiser genannt, was schon ein Unterschied<br />
war. Andere Medaillen der frühen Kanzlerschaft<br />
Bismarcks beziehen sich auf den 1873<br />
inszenierten Kulturkampf. Auf einer undatierten<br />
Prägung drängt Germania mit Bibel und<br />
188 <strong>mt</strong> <strong>11</strong>/<strong>2012</strong>