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Geheimnisse aus Aksum und Nachbargebieten<br />
Diese Bemerkungen sind nur ein erster Versuch, Interpretationshilfen<br />
für die Verschiedenheit der Funde zu geben. Jedenfalls<br />
werden Münzen nur an ganz bestim<strong>mt</strong>en Stätten gefunden,<br />
nicht quer durch Tigray und auch nicht einmal überall in<br />
Aksum und Umgebung. Die Fundstätten sind sicherlich als<br />
Teile eines antiken Netzwerkes von Geldflüssen zu sehen;<br />
einen ersten Interpretationsversuch in diese Richtung habe ich<br />
versucht mit der Deutung der beiden größten Fundstätten<br />
„schlechter“ Münzen im Osten und Westen Aksums als Marktstätten<br />
am Ende der östlichen und der westlichen Handelsstraßen.<br />
Eine solche Mehrzahl von Märkten ergäbe durchaus Sinn,<br />
da von den verschiedenen Handelswegen auch verschiedenartige<br />
Produkte zu erwarten sind (im Osten z.B. Salz). Noch<br />
heute werden an größeren Siedlungen mehrere Märkte mit<br />
verschiedenen Produktspezialisierungen abgehalten.<br />
Weitere Berichte von Fundstätten –<br />
von aksumitischen bis arabischen Münzen<br />
Bisher war nur die Rede von Aksum selbst als Ort von<br />
Münzfunden gemäß lokaler Überlieferung. Es gibt allerdings<br />
weitere bekannte Münzfundstätten, die im kleinen lokalen<br />
Münzhandel gut bekannt sind. Zunächst wollen wir weiter bei<br />
Funden aksumitischer Münzen bleiben. Funde außerhalb Aksums<br />
sind selbst in Tigray recht selten, zumindest muss man<br />
dies aus dem Mangel an Münzangeboten außerhalb Aksums<br />
schließen. Man kann sich also das antike Aksum kaum als überall<br />
„durchmonetarisiertes“ Staatswesen vorstellen. Das Münzwesen<br />
war jedenfalls stark auf Aksum selbst konzentriert. In<br />
Inderta in Ost-Tigray, wo heute nahe einer alten Handelsstraße<br />
vom Roten Meer in das Landesinnere die tigrayische Hauptstadt<br />
Meqele liegt, gibt es Angebote, doch wesentlich seltener,<br />
und gelegentlich auch aus Aksum stammend. 13<br />
Münzfunde werden jedoch, nach meinen Informanten, auch<br />
aus anderen Zentren berichtet, die offenbar in der Antike eine<br />
Rolle für den Außenhandel spielten und sicherlich auch für den<br />
Innenhandel. Im Westen von Aksum gibt es regelmäßig Funde<br />
aus der Umgebung von Shiré Indasellasé, einer recht neuen<br />
Stadt im Westen des Hochlandes, die allerdings in der Nähe antiker<br />
Stätten liegt. Besonders viele Funde scheinen aus dem<br />
nahen May Adrasha zu stammen, einer voraksumitischen und<br />
aksumitischen Stätte, die vor Jahren ausgegraben wurde, so das<br />
Interesse der lokalen Bevölkerung weckte und seither Gegenstand<br />
privater Suchaktionen und kleiner Raubgrabungen geworden<br />
ist. Wegen der starken Tradition in Tigray, antike Ruinenreste<br />
nicht aufzustören, ist jedoch eine starke Raubgrabungstätigkeit<br />
in Tigray sehr selten – das soll hier zur Vermeidung<br />
falscher Vorstellungen angemerkt werden. Diese Gewohnheit<br />
ist teilweise verbunden mit der tief im Land populären<br />
Idee, dass alte Mauerreste möglicherweise auf machtvolle<br />
Boden- oder Felsgeister hindeuten – oder auch mit der verbreiteten<br />
Befürchtung, es sei verboten, da die Regierung Besitzansprüche<br />
haben könnte. Wo aber einmal eine größere Ausgrabung<br />
ohne folgende Sicherung und konsequente Einbeziehung<br />
der lokalen Gemeinden stattgefunden hat, bricht diese Tradition<br />
in sich zusammen. Der größte Teil der Funde, das ist den<br />
Berichten zu entnehmen, wird allerdings von Bauern beim<br />
Pflügen gemacht (vgl. Abb. 3, 4) Man darf wahrscheinlich auch<br />
aufgrund der Münzfunde annehmen, dass May Adrasha der<br />
wichtigste Handelsaußenposten im Kerngebiet Aksums war,<br />
am Rande des westlichen Hochlandes, und damit an der<br />
Schnittstelle zu den Handelsrouten des nördlichen Sudan und<br />
der nördlicher gelegenen Rotmeerhäfen, wie Aidhab.<br />
Abb. 3: Goldmünze des Ezana H.21b (posthum, spätes 4.Jh.), in Privatbesitz,<br />
May Adrasha vor 2008 (M = 1,5:1)<br />
Abb. 4: anonyme Silbermünze H.32 (frühes 5.Jh.), May Adrasha 2001,<br />
Photo Paul Henze (M = 1,5:1)<br />
Im Osten werden Funde regelmäßig aus Ich’maré bei Fatsi<br />
in der historischen Provinz Agame berichtet, nördlich von Addigrat<br />
und an der östlichen Handelsstraße, die das Rote Meer mit<br />
dem Hochland verbindet, am östlichen Rand des tigrayischen<br />
Hochlandes gelegen – und damit offenbar an der östlichen<br />
Grenze des Kerngebietes des aksumitischen Königreiches. Die<br />
orale Überlieferung schreibt Ich’maré ein hohes Alter zu: es soll<br />
bereits lange vor Aksum ein bedeutendes politisches Zentrum<br />
gewesen sein. Tatsächlich sind dort antike Ruinen bekannt, die<br />
bisher aber erst wenig erforscht sind. Die Fundmünzen lassen<br />
jedenfalls daran denken, dass hier das wichtigste nordöstliche<br />
Handelszentrum Aksums gewesen sein dürfte. Von hier aus<br />
wurde der Kontakt zum antiken Hafen von Gebez bei Adulis<br />
(heute Zula) aufrechterhalten, der vor dem Aufstieg von Massawa<br />
der „internationale“ Hafen Aksums war. Von dieser Route<br />
und den damit verbundenen internationalen Handelsplätzen<br />
zeugt die große Zahl an Fundmünzen in Met‘era bei Sen‘afe in<br />
Eritrea, gleich nördlich von Fatsi hinter der heutigen eritreischäthiopischen<br />
Staatsgrenze, sowie etwas weiter nördlich an der<br />
gleichen Route in Qohayto. Letzteres ist eines der bedeutendsten,<br />
bis heute kaum erforschten, antiken Fundplätze der Region<br />
und wahrscheinlich identisch mit dem in antiken griechischen<br />
Quellen genannten Handelsplatz von Coloë.<br />
198 <strong>mt</strong> <strong>11</strong>/<strong>2012</strong>