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Kaltlblutgeschichten Schwer ans Herz gewachsen

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PFERDESPORT, ZUCHT & HALTUNG IN NORD-NIEDERSACHSEN<br />

Kaltblutgeschichten<br />

„<strong>Schwer</strong> <strong>ans</strong> <strong>Herz</strong> <strong>gewachsen</strong>“


Kaltblut<br />

<strong>Schwer</strong> <strong>ans</strong> <strong>Herz</strong> <strong>gewachsen</strong> ... Geschichten über Kaltblüter<br />

Puschelfüsse & Co. werden immer beliebter unter Pferdeleuten. Ehemals als reine Arbeitshelfer vor Kutsche, Egge und Pflug im Einsatz, sind<br />

Kaltblüter und <strong>Schwer</strong>e Warmblüter mittlerweile in vielen Sparten zu Hause. - Doch nicht nur ihre Vielseitigkeit macht diese Kraftpakete so faszinierend.<br />

Viele Rassen die dem Kaltblut oder <strong>Schwer</strong>en<br />

Warmblut zugerechnet werden stehen / standen<br />

auf der Roten Liste vom Aussterben bedrohter Tierarten.<br />

- Mit dem Ziel weiteren Verlusten entgegen<br />

zu wirken sowie Tradition & Kultur für kommende<br />

Generationen lebendig zu halten, pflegen einige<br />

Liebhaber dieser Rassen für <strong>gewachsen</strong>es<br />

Kulturgut und sorgen dafür, dass immer mehr<br />

Menschen Gefallen an <strong>Schwer</strong>en Pferden finden.<br />

Aus dem hohen Norden stammt z.B. das Schleswiger<br />

Kaltblut. Es ist ein mittelschweres Kaltblutpferd,<br />

welches in der roten Liste als stark<br />

gefährdet eingestuft ist. - Das Schwarzwälder<br />

Kaltblut, das Alt-Oldenburger <strong>Schwer</strong>e Warmblut<br />

sowie das Rheinisch-Deutsche Kaltblut gelten<br />

aktuell als gefährdet. Ihre heutige Verbreitung<br />

und ihre Präsenz verdanken sie einigen wenigen<br />

Einzelpersonen, die sich dem Erhalt der Rassen<br />

verschrieben haben ohne ausschließlich profitorientiert<br />

zu agieren. Fürsprecher bieten den<br />

<strong>Schwer</strong>en Pferden mit wachsender Tendenz eine<br />

Bühne zur Präsenz. - Auf Messen, landwirtschaftlichen<br />

Ausstellungen und Museumstagen haben<br />

Kaltblüter und <strong>Schwer</strong>e Warmblüter mittlerweile<br />

einen festen Platz und zeigen einem breiten Publikum<br />

ihre Vielseitigkeit unter dem Sattel, vor<br />

der Kutsche oder im Arbeitsgeschirr. Auch im Turniersport<br />

lässt so manch ein Pferd-Reiter-Team<br />

seine leichten Mitstreiter im Schatten verblassen.<br />

Doch was macht die Faszination dieser Kraftpakete<br />

wirklich aus? – Ist es die unterschätzte Vielseitigkeit<br />

mit der sie zu begeistern wissen? - Ist<br />

es das Kaliber, gepaart mit nobler und gutmütiger<br />

Ausstrahlung bei überwiegend ehrlichem<br />

Charakter? – Oder ist es eine unerschütterliche<br />

Nervenstärke trotz aufmerksamen Gemüt, welche<br />

bei der Zuchtselektion in vielen Verbänden<br />

noch streng in die Bewertung mit einfließt sowie<br />

bei der Auswahl von Anpaarungen Berücksichtigung<br />

findet? - <strong>Schwer</strong>e Pferde erleben in allen<br />

Sparten eine Zeit der Renaissance und so manch<br />

einem Pferdefreund sind die „Dicken“ schwer<br />

<strong>ans</strong> <strong>Herz</strong> <strong>gewachsen</strong>.<br />

Auf den folgenden Seiten kommen Freunde der<br />

<strong>Schwer</strong>en Pferde zu Wort. - Reiter, Fahrer, Züchter<br />

erzählen uns aus ihrem Pferdealltag, wie<br />

ihnen ihre Pferde schwer <strong>ans</strong> <strong>Herz</strong> <strong>gewachsen</strong><br />

sind und was für sie die Faszination ausmacht.<br />

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Kerstin Berner & Jürgen Stevic aus Kirchlinteln ... Masse hat Klasse ...<br />

Ich komme aus der „ Reiterstadt Verden „, der<br />

Gemeinde Kirchlinteln, da wo das Hannoveraner<br />

Pferd zu Hause ist. Auch war ich irgendwann aus<br />

dem Maß für das Deutsche Reitpony raus<strong>gewachsen</strong><br />

und auf das Hannoveraner Pferd umgestiegen;<br />

schön zu reiten, edles Roß mit manchmal sehr eigenem<br />

Charakter :-) !<br />

In den Jahren 2003 und 2010 habe ich meine Prüfung<br />

zum Fahrabzeichen der Klasse (damals ) IV und<br />

III gemacht. Ein sehr lieber Freund, Jürgen Stevic,<br />

fragte mich 2009, ob ich Lust hätte mit seinen Pferde<br />

an Fahrturnieren teilzunehmen. Ja und dann nahm<br />

die Sache seinen Lauf, Käthe und Rudi wurden angespannt,<br />

soooo viel MASSE hatte ich noch nie vor der<br />

Kutsche gefahren. Jürgen Stevic züchtete seit über<br />

20 Jahren Schleswiger Kaltblutpferde. Vom ersten<br />

Tag an war es um mich und diese tolle Rasse mit dem<br />

einzigartigen Charakter und dem tollen Gemüt geschehen.<br />

Von fast allen im Verein (überwiegend Haflingerfahrer<br />

), wurden wir als Gespann im Fahrsport<br />

immer „nur“ belächelt und gefragt, wann steigst du<br />

mal auf eine andere Rasse um. Da konnte ich immer<br />

nur zurücklachen, denn ich wollte diese Rasse, welche<br />

mir so schwer <strong>ans</strong> <strong>Herz</strong> <strong>gewachsen</strong> war, nie wieder<br />

gegen eine andere Rasse tauschen.<br />

Immer Leistungsbereit, gutmütig im Charakter und<br />

trotz ihrer Masse ... einfach große Klasse. Es kam der<br />

Tag des Fahrturnieres, Käthe und ich waren beide<br />

bereit alles zu geben und so sollte es kommen, alle<br />

sollten heute über das Schleswiger Kaltblut Käthe<br />

staunen. Das Feld der Einspänner Großpferde war gut<br />

vertreten, Hannoveraner, Friesen, schweres Warmblut<br />

usw.. Dressur und Kegelparcour waren schon super<br />

gelaufen, am nächsten Tag ging es auf die Geländestrecke<br />

mit vier Geländehindernissen. Käthe war<br />

wie immer top leistungsbereit und auch die Verfassungskontrolle<br />

beim Tierarzt haben wir trotz der mitzuführenden<br />

Masse von 900 kg und tropischen Temperaturen<br />

von 35 Grad ohne Verwarnung hinter uns<br />

gelassen. Andere hatten dort bereits ihre Schwierigkeiten,<br />

auch wegen des Temperamentes ihrer Pferde<br />

und der Hitze. - Letztes Geländehindernis und ich<br />

hörte noch die Stimme von Richter Jörn<br />

Sievers: die Erde bebt, wer kommt da ins<br />

Hindernis gefahren, ja das TEAM KÄTHE.<br />

Am Ende des Turniertages hatte das<br />

SCHLESWIGER KALTBLUT- TEAM KÄTHE<br />

die Nase vorn und wir holten uns den<br />

Titel des Kreismeisters der Einspänner<br />

Großpferde.<br />

Die anderen Vereinsmitglieder waren<br />

sprachlos, wir auch ... aber vor Freude!<br />

Käthe hat uns in den Jahren 2013 und<br />

2014 zwei wundervolle Fohlen geboren,<br />

ihren unerschütterlichen, tollen Charaktern<br />

hat sie an ihre Töchter Karla und<br />

Karlotta weitergegeben. Käthe ist nun<br />

in ihren wohlverdienten Ruhestand gegangen<br />

und genießt ihr Leben auf der<br />

Weide und bei gelegentlichen Reittherapiestunden.<br />

Mähne, Schweif und auch Behang,<br />

genug davon ist an ihm dran.<br />

Es steht ihm gut und gibt ihm Klasse,<br />

in der Pferdeeinerlei und Masse.<br />

Es wiehert froh zu meinem Gruß<br />

mein großer Freund der Puschelfuss.<br />

Freundlich schaut er und es funkeln<br />

die treuen Augen- groß und dunkel.<br />

In diesem Sinne wünsche ich allen viel Spass<br />

mir ihren Pferden - egal welche Rasse - ....<br />

Eure Kerstin Berner und Jürgen Stevic<br />

19


Kaltblut<br />

<strong>Schwer</strong> <strong>ans</strong> <strong>Herz</strong> <strong>gewachsen</strong> ... Geschichten über Kaltblüter<br />

Andrea & Johann Manhard, Birkenhof Einbeck ... Einmal Shire - immer Shire ...<br />

Die Geschichte einer wundervollen Zusammenführung von Mensch und Tier<br />

Einst in eine Landwirtschaft reingeboren, mit<br />

Rindern, Schweinen, Hunden, Katzen und Pferden<br />

auf<strong>gewachsen</strong>, hatte ich durch knapp 25<br />

Jahre Selbständigkeit im Facility Management<br />

weitest-gehend den Bezug zum Tier verloren,<br />

oder besser gesagt, hatte wohl nur eine längere<br />

Winterpause gehabt. Mit dem Verkauf<br />

meiner Firma erweckte ich scheinbar alle<br />

animalischen Geister die mit mir wohl auf<strong>gewachsen</strong><br />

sind. - Vor einigen Jahren lud mich<br />

dann eine Bekannte zu einer ganz banalen<br />

Kutschfahrt im schönen Bayern ein. Was sich<br />

daraus alles ergab, möchte ich Ihnen gerne in<br />

den folgenden Zeilen erzählen.<br />

Es war noch winterlich kalt, aber ein sehr schöner<br />

und sonniger Tag. Auf dem Gestüt wo die<br />

Fahrt losgehen sollte, arbeitete man schon auf<br />

Hochtouren um die Kutsche bereitzustellen<br />

und die Pferde in ihr Zugkostüm zu stecken.<br />

Dann stellte man mir die zwei Zugpferde vor,<br />

über deren Ausstrahlung, Masse, Kraft, Charme<br />

und Schönheit ich total überwältigt war. Nie<br />

zuvor hatte ich solch eine Pracht von Pferd gesehen,<br />

es waren zwei Shire Hengste mit langer<br />

wallender Mähne und langem Kötenbehang.<br />

Die dann gefolgte Kutschfahrt war alles andere<br />

als langweilig. Robert der Gestütsbesitzer<br />

und Kutscher verlangte alles ab von den eingespannten<br />

28 PS und erzählte uns in seiner<br />

unverblümten Art einen Schwank nach dem<br />

anderen. Nach einer halben Stunde Fahrt<br />

übergab er dann die Zügel wiederum ganz<br />

unverblümt und wie selbstverständlich an<br />

mich. So jetzt fährst du mal weiter ! - Nein ich<br />

war gar nicht aufgeregt und da wir eh schon<br />

so viel Pippi in den Augen hatten vom lachen<br />

gings auch fast noch in die Hose. - Nach gut<br />

einer Stunde fahrt und etwas durchgefroren<br />

kamen wir dann wieder auf den Hof zurück<br />

wo die Pferde ihre Kraftfutterration entgegen<br />

nahmen und glücklich wieder auf ihre Weide<br />

trabten. Danach machte Robert mit mir einen<br />

Hofrundgang, zeigte mir all seine Pferde<br />

und erklärte sehr viel über die Rasse und sein<br />

Tun. Nach fast abgeschlossenem Rundgang<br />

kamen wir zuletzt an einem Offenstall vorbei,<br />

darin standen fünf Pferde. Bis auf einen kamen<br />

alle sofort ganz neugierig an das grosse<br />

Weidetor und begrüssten uns. Nr. 5 stand in<br />

der zweiten Reihe und beobachtete mich.<br />

Robert erzählte mir dann, dass es ein 2 ½-jähriger<br />

gekörter Shire Hengst ist, ohne jegliche<br />

Ausbildung, also roh wie die Natur ihn schuf.<br />

Er kommt aus England und hätte leider noch<br />

nicht den passenden menschlichen Partner<br />

gefunden. Ich ging auf eine andere Seite des<br />

Laufstalls und lehnte mich ganz desinteressiert<br />

auf den Holzbohlen auf und schaute<br />

in die Luft. Es dauerte nicht lang, da kamen<br />

die Pizzatellergroßen Hufe cm für cm näher<br />

auf mich zu und er beschnupperte mich und<br />

genoss regelrecht diesen Erstkontakt. Eine<br />

Woche später war ich stolzer Besitzer des<br />

braunen Shire Hengstes Sir Gallahad, der<br />

seinem Namen alle Ehre macht ! Seither sind<br />

wir ein unzertrennliches und unschlagbares<br />

Team, wo sich jeder auf den anderen verlassen<br />

kann und vor allem vertraut.<br />

Wenige Monate später begann mein Studium<br />

zum Vet.-Physiotherapeuten, da ich<br />

meinen neuen Weg für die Zukunft längst<br />

gefunden hatte. Es sollte eben die Physiotherapie<br />

sowie die Osteopathie sein. Unser<br />

Dozent sagte zu Beginn in die Klasse rein,<br />

dass ab Mittag noch zwei weitere Frauen (es<br />

waren ja nicht schon genug ) dazu kommen,<br />

die Vormittags noch ihre Tierheilpraktikerprüfung<br />

im mündlichen absolvieren müssen.<br />

Nach der Mittagspause ging die Tür auf und<br />

die beiden Frauen betraten das Klassenzimmer.<br />

… Eine davon ist mittlerweilen meine<br />

liebe Frau geworden die ihre Affinität zu den<br />

Tieren genauso teilt wie ich! Die schöne Begleiterscheinung<br />

daran ist natürlich, dass wir<br />

20


uns in unseren Berufsfeldern sehr gut ergänzen.<br />

Somit wissen wir wieder, dass alles im Leben und<br />

jede Begegnung seinen Sinn hat!<br />

Nicht genug der Tiere machten wir im Herbst<br />

einen Ausflug nach Kitzbühl, ebenfalls auf ein<br />

kleines Gestüt. Dort stand – wie kann es anderst<br />

sein - eine Apfelschimmel Shirestute die in windeseile<br />

meiner Frau komplett den Kopf verdreht<br />

hat. Eine Woche später war sie stolze Besitzerin<br />

der Shirestute Joanna. Und wir beide, meine<br />

Frau und ich wissen heute, hätte sie dieses Pferd<br />

nicht geholt, besser gesagt wäre dieses Pferd<br />

nicht zu Andrea gekommen, würde Joanna nicht<br />

mehr leben. Nach kurzer Zeit der Einstallung bei<br />

uns kamen bei ihr die Hufeisen runter und sie<br />

wurde nach und nach ausgeschnitten und auf<br />

Barhuf umgestellt. Während des ganzen Ausschneidens<br />

musste bei ihr Hufkrebs festgestellt<br />

werden, der uns fast ein ganzes Jahr vor eine<br />

herausfordernde tägliche Aufgabe gestellt hat.<br />

Nur gut dass wir uns gegenseitig immer wieder<br />

aufgefangen haben und Mut zugesprochen haben,<br />

denn da waren wirklich sehr schlimme Momente<br />

dabei. Nun sind wir glücklicherweise an<br />

einem Punkt angekommen wo wir sagen können<br />

„überstanden“! Sie wird zwar immer mehr<br />

Pflege und Fürsorge an den Hufen brauchen als<br />

andere Pferde, aber allein dies geschafft zu haben,<br />

spornt einen an und freut einen täglich mit<br />

ihr wieder richtig arbeiten zu können, zu reiten,<br />

Kutsche fahren, …<br />

Und das End von der Geschicht, kauft Euch keinen<br />

Shire nicht. Da wird man so bös angefixt,<br />

das ist verrückt und sehr verflixt. - Nun haben<br />

wir auf unserem Hof in Niedersachsen unser<br />

eigenes kleines Gestüt mit mittlerweilen fünf<br />

Shire Horses und erwarten für nächstes Jahr unsere<br />

ersten eigenen Fohlen auf dem Birkenhof in<br />

Einbeck. Am 11. und 12. Juni möchten wir gerne<br />

alle Interessierten zu unserem Hoffest in 37574<br />

Einbeck einladen. Die Programmvorschau finden<br />

Sie vorab bereits auf unserer Internetseite:<br />

www.birkenhof-einbeck.de<br />

www.birkenhof-einbeck.de<br />

... lädt ein zum Hoffest<br />

am 11./12. Juni 2016<br />

Birkenhof-Einbeck GmbH • Birkenweg 23 • 37574 Einbeck<br />

Andrea & Johann Manhard • Fon 05561 / 9 41 70 71<br />

www<br />

die mobile<br />

Pferdewaage.com<br />

Wer sein Pferd liebt - der wiegt !<br />

Wiegetermine und BCS (Unterhautfettbewertung). Termine: Arndt Denecke 0172 / 56 78 193<br />

Alica Lührs mit Eisprinz ... Ein Freund fürs Leben ...<br />

Hier erzähle ich ein wenig aus dem Leben von meinem<br />

7-jährigen Rheinisch-Deutschem Kaltblutwallach Eisprinz<br />

und mir.<br />

Von Anfang an war klar, es muss ein Kaltblut sein. - Warum? ...<br />

Das kann ich so genau gar nicht erklären. Jeder der einmal ein<br />

Kaltblut live im gestreckten Galopp vorbei donnern sah, kann<br />

mich da verstehen - ein unglaubliches Gefühl. Als ich ihn zu<br />

mir holte, war er ein 4-jähriger Hampelmann mit geschätzten<br />

900kg der meine Geduld sehr auf die Probe stellte, seinen eigenen<br />

Kopf hatte, keinen Respekt kannte und mir meine Nerven<br />

geraubt hat. Aber das Kämpfen hat sich gelohnt! Bei mir ist er<br />

nun Reitpferd und wir wachsen mit jeder Herausforderungen<br />

weiter zusammen.<br />

Wer nun sagt: „Kaltblüter sind keine Reitpferde, die gehören vor<br />

den Bierwagen“, hat noch nie ein gut ausgebildetes Kaltlbut gesehen.<br />

Nach einer Reitstunde merkt man dann auch spätestens<br />

dass ein Kaltblut sich nicht mit einer Karotte zufrieden gibt sondern<br />

mit 2 Kilo Minimum. Da schlägt der Sattler auch schonmal<br />

die Hände über dem Kopf zusammen, bei der Kammerweite.<br />

Ich habe in den drei Jahren mit Eisprinz schon eine Menge<br />

erlebt, viele Rückschläge verkraftet, aber auch sehr viele wunderschöne<br />

und atemberaubende Augenblicke genossen. Die<br />

Meinung des robusten und störrischen Kaltblut kann ich nicht<br />

unterstützen - reine Erziehungssache. Selten habe ich ein Wesen<br />

gesehen welches solch eine Rücksicht auf seinen Menschen<br />

nimmt und dabei so sensibel ist. - Mit Eisprinz Züchter stehe ich<br />

heute noch in Kontakt Ich habe mein Pferd, meinen Fels in der<br />

Brandung gefunden, der mir jeden Fehler verzeiht und die selbe<br />

Sprache spricht. Ein Freund fürs Leben!<br />

Alica Lührs<br />

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Kaltblut<br />

<strong>Schwer</strong> <strong>ans</strong> <strong>Herz</strong> <strong>gewachsen</strong> ... Geschichten über Kaltblüter<br />

Sabrina Kaupat mit Eric ... einfach eine coole Socke ...<br />

So machten wir uns wieder auf den weiten Weg nach Hause.<br />

Während der Fahrt rief mich eine Bekannte an, dass sie<br />

ein Süddeutsches Kaltblut am Hof haben. Kurz entschlossen<br />

traf ich mich mit meiner Bekannten und wir fuhren zu<br />

einer Weide. Dort stand Eric - eigentlich genau das Gegenteil<br />

von dem, was ich wollte - aber irgendwie hatte er was.<br />

Das <strong>Herz</strong> entschied sich für ihn und ich habe es bis heute<br />

nicht bereut.<br />

Eric geht mit mir durch Dick und Dünn. Auch alleine im<br />

Gelände bringt ihn nicht aus der Ruhe. Er liebt die Bodenarbeit<br />

und beherrscht bereits einige Zirkuslektionen. Das<br />

springen bereitet ihm auch Freude. In der Dressur gibt er<br />

sich Mühe und zeigt für seine Rasse ein großes Talent. Ich<br />

reite ihn egal ob mit Gebiss, gebisslos oder nur mit Halsring.<br />

Meine Ziele sind, dass Eric und ich immer mit Freude<br />

und Eifer an die Arbeit gehen und es uns beiden Spaß<br />

macht. Und dass wir uns in der Dressur verbessern.<br />

Vor knapp einem Jahr habe ich angefangen nach einem Pferd zu suchen. Eigentlich sollte<br />

es ein Tinker werden, weswegen ich mir mehrere Tinkerzüchter aus dem Internet herrausgesucht<br />

habe. - Als wir auf dem ersten Hof ankamen, hatte der Züchter unseren Termin<br />

einfach vergessen. - Weitere Besuche bei unterschiedlichen Züchtern blieben ebenfalls ohne<br />

Erfolg. Auf dem letzten Hof, den wir angefahren sind, waren die Tinker sehr klein, ich schaute<br />

ich mir dort einen wunderschönen Kaltblüter an und fand ihn toll. Es brauchte nicht lange bis<br />

meine Entscheidung fest stand ihn zu kaufen. Knapp eine Woche später sind wir zur Ankaufsuntersuchung<br />

losgefahren. Der Tierarzt kam, alles war gut ... bis zur Beugeprobe. Sprich wir<br />

kauften ihn nicht. Ich war natürlich sehr enttäuscht.<br />

Meiner Meinung nach ist Eric das tollste Pferd, weil er einfach<br />

eine coole Socke ist für sein Alter, ihn kann einfach<br />

nichts aus der Ruhe bringen egal was passiert. Ebenfalls<br />

liebe ich an ihm, dass er im Gelände für ein Kaltblut untypisch<br />

flott unterwegs ist, er liebt es um die Wette zu Galoppieren.<br />

Wenn ich mit ihm Bodenarbeit mache versteht er<br />

unheimlich schnell was ich von ihm möchte. Wegen dieser<br />

Gründe ist er einfach der Beste und ein Leben ohne meinen<br />

Dicken könnte ich mir nicht mehr vorstellen.<br />

Sabrina Kaupat<br />

Julia Franken mit Desperado ... Ein Freiberger goes West ...<br />

Im Jahr 2004 änderte sich mein Leben mit der Geburt eines<br />

kleinen Hengstfohlens. Die Mama Marion war schon länger<br />

meine Reitbeteiligung und so wurde Desperado in meine Arme<br />

geboren. Von diesem Tag an wurde jede freie Minute im Pferdestall<br />

verbracht! So haben der junge Desperado und ich als<br />

13-Jährige alles zusammen gelernt und entdeckt. - Mittlerweile<br />

ist der „<strong>Schwer</strong>e“ unser Fels in der Brandung am Löhbusch. Liebevoll<br />

wird er von Reitschülern auch „die Maschine“ genannt,<br />

denn egal was <strong>ans</strong>teht, Desperado ist immer leistungsbereit<br />

und zögert nie, auch nicht in fremden oder neuen Situationen.<br />

Egal ob als Therapiepferd für Menschen mit Behinderung, Unterstützung<br />

beim Lehren der ersten Schritte in der Westernreitweise<br />

für Ein- und Umsteiger oder Angstreitern oder auch bei stundenlangen<br />

Ausritten, er ist immer voller Freude und Eifer dabei!<br />

Foto Johannes Maring<br />

Alles was er heute kann, habe ich ihm beigebracht, von der Halfterführigkeit<br />

und dem Hufe geben bis hin zu Traversalen, Sliding<br />

Stop, Spin und dem fliegenden Wechsel. Neben dem Alltag ist<br />

der Turniersport eine große Leidenschaft von uns beiden. Auch<br />

dort zeigt er sich als super Allroundtalent und wir sind in den<br />

verschiedensten Disziplinen auf EWU Turnieren erfolgreich und<br />

setzen uns gegen Quarter oder andere westerntypische Rassen<br />

durch. Nicht selten werde ich dort angesprochen, was für ein<br />

tolles Pferd ich doch habe, er gewinnt einfach die <strong>Herz</strong>en vieler<br />

durch seinen besonderen Charme! Und ich habe großes Glück,<br />

dass ich auch seines gewinnen konnte.<br />

Julia Franken, Reitanlage am Löhbusch - 27624 Geestland<br />

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Alice Lütjens mit Moni ... Kaltblüter sind eine Lebenseinstellung ...<br />

Ein Kaltblut? - Die fressen viel, äppeln viel und machen alles kaputt!<br />

Über ein Jahr lang hatte sich in meinem <strong>Herz</strong>en<br />

ein Pferd angekündigt. Ich wusste einfach, dass<br />

ein Pferd in mein Leben treten wird, obwohl ich<br />

seit bereits zwanzig Jahre nicht mehr ritt und<br />

keinen Kontakt zu Pferden hatte. In meiner Vorstellung<br />

sah ich ein altes Pferd aus schlechter<br />

Haltung, das womöglich vor einer Schlachtung<br />

gerettet werden muss. So einem Pferd wollte ich<br />

mich annehmen und ihm noch ein paar schöne<br />

Jahre schenken.<br />

Ohne konkret zu suchen begann ich nach Pferderassen<br />

zu recherchieren. Der Optimalfall war ein<br />

Pferd, das in sich ruht, nicht schreckhaft ist und<br />

nicht gleich seine sieben Sachen zusammenpackt<br />

und die Flucht nach vorne antritt, wenn ein<br />

Blatt an einem Baum schief hängt. Unweigerlich<br />

endete die Suche immer beim Kaltblut, weil es<br />

genau mit diesen Eigenschaften beschrieben<br />

wird. Man liest von einer immensen Gelassenheit,<br />

fast phlegmatischem Charakter, der den Kaltblüter<br />

ursprünglich zugedachter Aufgabe entsprach;<br />

das Arbeitspferd! Man stößt auf Fotos und Videos<br />

von Kaltblütern in schier nervenaufreibenden Situationen,<br />

in denen sie jedoch stets Ruhe bewahren<br />

und mit ihrer Nervenstärke und Freundlichkeit<br />

überzeugen. Ein traumhafter Typ Pferd! Für<br />

mich stand fest, dass es ein Kaltblut sein muss!<br />

Bald darauf lernte ich eine junge Frau kennen,<br />

die sich zur Aufgabe gemacht hatte, Kaltblutfohlen<br />

vor der Schlachtung zu retten und sie in gute<br />

Hände zu vermitteln. Im September beginnt die<br />

schreckliche Zeit, in der die Kaltblutfohlen als Absetzer<br />

zu den berüchtigten „Schlachtfohlenauktionen“<br />

tr<strong>ans</strong>portiert und versteigert werden.<br />

Die Fohlen, eben ihrer Mutter entrissen und roh,<br />

werden Todesängsten und langen Tr<strong>ans</strong>porten<br />

ausgesetzt. Viele darunter sind im Alter von nur<br />

drei bis vier Monaten. Die Käufer, die bei den Auktionen<br />

mit Viehtr<strong>ans</strong>portern vorfahren, sind über<br />

neunzig Prozent Schlachter. Die Mehrzahl der<br />

Fohlen müssen nach den Auktionen ihre letzte<br />

Reise nach Italien, Frankreich, Polen, Deutschland,<br />

Österreich und andere Länder antreten, um dort<br />

geschlachtet zu werden. Die junge Frau namens<br />

Elisa fuhr 2013 zu einer der größten Auktionen in<br />

Salzburg und erstand zwei Noriker Rappstuten,<br />

die bereits mit drei Hufen im Grab standen. Eine<br />

der Stuten fand bald liebe Menschen, die sie bei<br />

sich aufnahmen. Die zweite Stute hatte nicht so<br />

viel Glück. Keine seriösen Anfragen gab es für sie.<br />

Ihr Anblick auf den Fotos verzauberte mich, aber<br />

für mich kam ein Fohlen nicht in Frage. Tage und<br />

Wochen vergingen, in denen das Fohlen auf „ihre<br />

Menschen“ wartete. „Sie wartet auf dich!“, meinte<br />

eine Freundin lächelnd, jedoch wurden meine<br />

Zweifel nicht weniger. Dennoch entschloss ich<br />

mich meine Freundin Elisa zu besuchen und mir<br />

das Pferdekind anzusehen. Nach zwei Stunden<br />

Fahrt war ich aufgeregt und gespannt und konnte<br />

es nicht erwarten sie zu sehen. Nach kurzem<br />

Weg zur Koppel sah ich sie dann das erste Mal. Inmitten<br />

weiterer geretteter Haflingerfohlen stand<br />

23


Kaltblut<br />

... <strong>Schwer</strong> <strong>ans</strong> <strong>Herz</strong> <strong>gewachsen</strong> ... Geschichten über Kaltblüter<br />

das Pummelchen, labte sich am Heu und ich<br />

konnte mich Gedanken an ein schwarzes Schaf<br />

nicht erwehren. „Ist sie das?“, fragte ich hingerissen.<br />

Ich trat näher an sie heran und begrüßte sie<br />

vorsichtig, worauf sie in der Hoffnung etwas Essbares<br />

entdeckt zu haben mit einem herzhaften<br />

Biss in meinen Schuh reagierte. Auf ihrer Flanke<br />

war noch die Nummer zu sehen, die man ihr bei<br />

der Auktion auf das Fell gesprüht hatte. Die Entscheidung<br />

war gefallen. Moni, das Norikerkind<br />

mit schlechtem Start ins Leben, war mein Pferd!<br />

Es galt nur noch meinen Mann davon zu überzeugen,<br />

dass die Anschaffung eines Pferdes allein<br />

seine Entscheidung ist.<br />

Als ich meinem zukünftigen Hufschmied und<br />

lieben Freund von unserer Anschaffung erzählte,<br />

meinte er entsetzt:“ Ein Kaltblut? Die fressen<br />

viel, äppeln viel und machen alles kaputt!“. Wie<br />

sehr er recht behalten sollte, konnte ich damals<br />

nicht erahnen! Es begann die mühevolle Suche<br />

nach einer Fohlenweide im Umkreis von Wien,<br />

wo meine Moni in Gesellschaft Gleichaltriger die<br />

nächsten zwei Jahre verbringen konnte. Es war<br />

eine nicht lösbare Aufgabe, wie sich herausstellte.<br />

Elisa begann langsam darauf zu drängen, dass<br />

ich Moni abhole. Sie brauchte den Platz, um andere<br />

Pferdekinder vor dem Tod retten zu können,<br />

aber ich fand keine annehmbare Aufzuchtmöglichkeit<br />

für Moni. Alle drei Wochen fuhr ich vierhundert<br />

Kilometer, um mein Pferdekind zu besuchen.<br />

Sie entwickelte sich gut und schon bald<br />

zeigte sich ihre Intelligenz und Eigenständigkeit.<br />

Ihr entging nicht, dass eine Tür vom Paddock in<br />

die Futterkammer führte und dass Menschen immer<br />

wieder mit Futter aus diesem Raum traten.<br />

Also beschloss sie diese Quelle des Glücks für<br />

sich zu entdecken. Eines Tages bekam ich Nachricht<br />

von Elisa, die da schrieb:“ Moni hat die Tür<br />

zur Futterkammer eingetreten und sich am Futter<br />

bedient!“ Doch das Wenden und Rausgehen<br />

stellte sich als Herausforderung in dem engen<br />

Raum für Moni dar. Trotz ihrer misslichen Lage<br />

blieb sie ruhig und wartete auf ihre Rettung. Im<br />

Sommer lebte sie mit den anderen Fohlen und<br />

Stuten auf einer kleinen Weide, die nur durch<br />

Elektrozaun gesichert war. Bei meinen Besuchen<br />

legte ich ihr ein Halfter an und wir unternahmen<br />

erste, kurze Spaziergänge. Ich führte sie unweit<br />

der Koppel zu einem Platz, an dem saftiger Klee<br />

wuchs. Dieses Plätzchen speicherte sie <strong>ans</strong>cheinend<br />

sofort in ihrem Köpfchen, denn es dauerte<br />

nicht lange und ich bekam wieder Nachricht von<br />

Elisa:“ Moni ist trotz Elektrozaun ausgebrochen!“<br />

Sie wurde just an jenem Plätzchen gefunden, an<br />

dem der Klee wuchs! Leider entwickelte Moni<br />

aus diesem Erfolgserlebnis eine Strategie, denn<br />

ab sofort häuften sich zum Leidwesen von Elisa<br />

ihre Ausflüge. Auf der Koppel stand den Pferden<br />

ein großes Weidezelt zur Verfügung. Elisa berichtete<br />

wieder: „Moni hat es irgendwie geschafft das<br />

Weidezelt kaputt zu machen!“ Auf der Koppel<br />

spazierte seelenruhig eine völlig gelassene Moni<br />

mit dem Zelt im Schlepptau. Die Seile waren um<br />

ihr Hinterbein gewickelt und sie schleifte das<br />

völlig zertrümmerte Zelt hinter sich her. Es war<br />

unklar, wie sie das geschafft hatte und ein unbeschreibliches<br />

Glück, dass nicht mehr passiert<br />

war. Erstaunlich, dass sich Moni durch den Zwischenfall<br />

nicht aus der Ruhe bringen ließ und in<br />

Panik geriet. Trotz der unangenehmen Vorfälle<br />

stieg meine Begeisterung und Bewunderung für<br />

dieses schlaue und innovative Pferdchen immer<br />

mehr, obwohl sie intensiv und erfolgreich an<br />

ihrem schlechten Ruf arbeitete. Schon bald erreichte<br />

mich eine neue Nachricht:“ Du musst sie<br />

sofort holen! Ich halte das nicht mehr aus! Sie hat<br />

schon wieder den Elektrozaun nieder getrampelt<br />

und alle Pferde sind frei herum gelaufen!<br />

Ich tr<strong>ans</strong>portiere sie nach Wien und stelle sie vor<br />

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deine Tür!“ So unendlich dankbar ich war, dass<br />

Moni ein ganzes Jahr lang bei Elisa verbringen<br />

durfte, wusste ich dass die Zeit gekommen war<br />

sie zu mir zu holen. Die Belastung wurde für Elisa<br />

zu groß. Ich fand einen netten Einstellbetrieb,<br />

in dem auf artgerechte Haltung viel Wert gelegt<br />

wird. So kam der Tag, an dem ich mein Pferdekind<br />

im Alter von eineinhalb Jahren abholte. Als<br />

sie aus der Koppel geführt wurde, begannen die<br />

anderen Pferde laut zu wiehern und ihr nachzurufen<br />

und auch sie antwortete und drehte sich<br />

immer wieder zu ihnen um. Die Pferde wussten,<br />

dass der Moment des Abschiedes gekommen<br />

war. Es war wieder einer jener Momente, in denen<br />

uns Menschen bewusst gemacht wird, wie<br />

viel mehr Tiere wissen und spüren, als wir erahnen.<br />

Moni stieg nach kurzem Zögern in den Anhänger<br />

und wir fuhren nach einem sehr emotionalen<br />

Abschied los. Nach unserer Ankunft im<br />

neuen Stall ließ sie sich ruhig ausladen und in<br />

ihr neues Zuhause führen. Ich rechnete mindestens<br />

mit Nervosität und Unruhe, aber Moni hielt,<br />

was das Kaltblut verspricht. Ihre Gelassenheit<br />

versetzte mich einmal mehr ins Staunen. Nach<br />

ein paar Tagen wurde Moni in ihre zugewiesene<br />

Stutenherde integriert. Die mir vorhergesagte<br />

Rangniedrigkeit als Jungtier blieb allerdings aus,<br />

weil die Leitstute sie adoptierte und unter ihren<br />

Schutz stellte. Moni machte somit eine Blitzkarriere<br />

an die zweite Stelle in der Rangordnung der<br />

Gruppe. Die Wochen vergingen, Moni hatte sich<br />

gut eingelebt und verbrachte den Sommer in einer<br />

großen Koppel. Das schlaue Mädchen hatte<br />

beobachtet, wie die Menschen den Eingang zur<br />

Koppel öffneten. Zwei Holzbalken mussten zur<br />

Seite geschoben werden! Als ich eines Tages<br />

zum Stall fuhr, sah ich sie außerhalb der Koppel<br />

am Wegrand stehen und grasen! Eine Radfahrerin<br />

stand offensichtlich verunsichert daneben<br />

und starrte sie an. Das Koppeltor stand offen!<br />

Ich bremste scharf, stieg aus und lief zu meinem<br />

Pferd! Die Radfahrerin rief mir entgegen:“ Darf<br />

dieses Pferd außerhalb der Koppel sein?“ „Nein!“,<br />

antwortete ich, „ Das darf sie nicht!“.<br />

Moni war die Aufregung sichtlich gleichgültig<br />

und fraß genüsslich weiter. Nachdem ich sie wieder<br />

in die Koppel geschubst hatte, versteckte ich<br />

mich und beobachtete sie. Der Verdacht, den ich<br />

hegte, bestätigte sich. Schon nach kurzer Zeit<br />

begann Moni sich gegen die Balken des Tores<br />

zu lehnen und sie mit ihrer muskulösen Brust<br />

zur Seite zu schieben. „Unfassbar schlau“, dachte<br />

ich, aber nicht akzeptabel. Also wurde das<br />

Tor wegen Moni extra gesichert. Im Winter verbrachten<br />

die Pferde die Nächte in Boxen, was für<br />

Moni eine Umstellung bedeutete. Bisher kannte<br />

sie ausschließlich Offenstallhaltung. Die Langeweile<br />

in der Box war unerträglich groß und so<br />

begann das Pferdekind sich selbst zu beschäftigen.<br />

Immer wenn mir bei meiner Ankunft im Stall<br />

jemand schnellen Schrittes und ernster Miene<br />

entgegen kam, wusste ich, dass Moni wieder etwas<br />

angestellt hatte. „Moni hat den ganzen Stall<br />

geflutet!“, wurde mir vorgehalten! Meine Besorgnis,<br />

dass sie Schwierigkeiten mit der Pferdetränke<br />

haben wird, da sie bisher nur Wassertröge kannte,<br />

stellte sich als wirklich unbegründet heraus.<br />

Sehr schnell verstand sie den Mechanismus der<br />

Tränke und zwar so gut, dass sie die ganze Nacht<br />

den Hebel betätigte und ihre und die angrenzenden<br />

Boxen flutete. Ein anderes Mal kam mir<br />

bei meiner Ankunft im Stall eine Einstellerin entgegen<br />

und meinte beschwörend:“ Die Moni ist<br />

so schlimm! Die weiß bereits, wie stark sie ist!“.<br />

Nicht schon wieder! Was war diesmal wieder<br />

geschehen? Auf die Antwort musste ich nicht<br />

lange warten, denn schon kam die Stallbesitzerin<br />

auf mich zu! Moni hatte, als sie geführt wurde,<br />

beschlossen in eine andere Richtung zu gehen<br />

und schlug so unglücklich ihren Kopf zu Seite<br />

und auf die Wange der Dame, dass deutliche eine<br />

Rötung zu sehen war! Es war vollbracht! Moni’s<br />

Ruf war auch in diesem Stall ruiniert! Ich könnte<br />

seitenlang über weitere Zwischenfälle berichten,<br />

die sie verursacht hat. Viel wichtiger ist aber hervorzuheben,<br />

wie unglaublich schlau dieses Pferd<br />

ist und dass sie Strategien entwickelt. Ich habe<br />

ihr beigebracht Schuhbänder mit ihren Zähnen<br />

zu öffnen, Hauben vom Kopf zu ziehen, mit dem<br />

Kopf zu nicken, zu flehmen und viele andere Zirkuslektionen.<br />

Sie lernt erstaunlich schnell, wenn<br />

man imstande ist sich ihr verständlich zu machen.<br />

Die „Sieben Spiele“ von Pat Parelli haben<br />

wir absolviert und ein klein wenig führt sie auch<br />

den „Spanischen Schritt“ aus. Meine „Dicke“ ist<br />

mittlerweile drei Jahre alt und ich verliebe mich<br />

in ihre Rundungen jeden Tag aufs Neue! Ihre Rubensfigur<br />

ist kein Hindernis für Seitengänge über<br />

eine Hindernisstange und die Eleganz ihres Trabs<br />

lässt mich immer wieder ins Schwärmen geraten.<br />

Sie ist kein einfaches Pferd und hinterfragt meine<br />

Führungsqualität in unserer Zweimannherde<br />

jedes Tag aufs Neue und fordert mich enorm. Es<br />

gab Zeiten, in denen mir zum Heulen war, aber<br />

wenn sie mich mit einem Wiehern begrüßt und<br />

mir ihre Zuneigung schenkt, könnte ich nicht<br />

glücklicher sein. Für mich ist sie das eleganteste,<br />

schönste, schlaueste, gelassenste und liebste<br />

Pferd auf der Welt! Darf man das Wesen eines typischen<br />

Kaltblutes erleben, wird man von seinem<br />

ruhigen und lieben Charakter überzeugt, sollte<br />

es in seiner Innovativität aber niemals unterschätzen.<br />

Sie sind Pferde, die mit uns Menschen<br />

durch dick und dünn gehen, aber sie bestehen<br />

auf Fairness, Ehrlichkeit und Liebe! Kann es bessere<br />

Lehrmeister für uns geben? Kaltblüter sind<br />

eine Lebenseinstellung und ich bin jeden Tag dafür<br />

dankbar, dass meine Norikerstute Moni mein<br />

Leben mit mir teilt!<br />

Alice Lütjens<br />

Be + Box<br />

Urlaub rund ums Pferd<br />

Telefon: 04231 - 9665-0 Fax: 04231 - 9665-66<br />

www.bettundbox.de<br />

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