Bei Gott! - Beschreiber
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Einparkmanöver<br />
Habib (r.) und sein<br />
Sohn Ismail schieben<br />
und ziehen<br />
einen gerade gekauften<br />
Hammel<br />
über die Schwelle<br />
ihres Hauses<br />
Laster voller Tiere schieben sich durchs<br />
Gedränge. Männer stemmen Hammel<br />
über die Schultern und rennen zu ihren<br />
Mopeds, um den Zentner Schaf daraufzuwuchten<br />
– und zwischen Lenker und<br />
Sitz geklemmt nach Hause zu knattern.<br />
Jugendliche schieben die Schafe wie<br />
Schubkarren vom Markt und verdienen<br />
sich so fünf Dirham, umgerechnet<br />
50 Cent, pro Tag etwa zehn Euro. Im Eilschritt<br />
und unter Gebrüll geht es zum<br />
Auto des Käufers. Oder des Transporteurs,<br />
wie Habib dieser Tage einer ist.<br />
Für 30 Dirham, knapp drei Euro, kutschiert<br />
er die Schafe in seinem Kleintransporter<br />
zu den Familien nach Hause.<br />
Eigentlich verkauft Habib auf dem<br />
Hauptplatz der Medina, der Djemaa el<br />
Fna, Tajine (Schmorgerichte aus dem<br />
Lehmtopf) und Couscous an Touristen,<br />
für Einheimische auch zu einem Sonderpreis.<br />
„Aber die“, sagt er, „können<br />
sich die 120 Dirham für die Tajine kaum<br />
noch leisten.“ Die Stadt ist teuer geworden,<br />
seit der Jetset sie wiederentdeckt<br />
hat. Und die normalen Touristen wurden<br />
rarer. Aus Angst vor Anschlägen,<br />
vor Revolutionen, vor allem aber vor ihren<br />
eigenen Vorurteilen. Habib schließt<br />
seinen Laden aber auch, weil jetzt für<br />
das Hammelfest ein Markt entsteht, mit<br />
dem viele etwas dazuverdienen.<br />
Die Stadt ist voll von Schafen. Schafe<br />
fahren Auto, Schafe fahren Moped.<br />
Schafe blöken von Balkonen. Und aus<br />
Tiefgaragen, die leer geräumt und vermietet<br />
werden. Überall werden Häufchen<br />
von Gras und Heu verkauft, Futter<br />
für die Schafe; und Häufchen von<br />
Salz, Cumin und Grillkohle; und bunte<br />
Kordeln, um die Schafe an den Füßen<br />
zusammenzubinden. Sogar die Supermärkte<br />
verkaufen lebendige Schafe und<br />
haben Kohlebecken und Gasgrills im<br />
Angebot, Hammelfest-Kredite und Gutscheine<br />
für die Armen, Plastikplanen<br />
und Kühltruhen. Denn das Schaf muss<br />
ja irgendwohin, auch wenn es nicht<br />
mehr lebt. Vor dem Supermarché Marjane<br />
klammern sich kleine Kinder an<br />
die Hörner der Schafe, weil sie – jetzt<br />
sofort! – eines mit nach Hause nehmen<br />
wollen. Und Väter rollen die Augen über<br />
den Preis für einen stattlichen Hammel:<br />
einen Monatslohn, mindestens 2500 und<br />
bis zu 8000 Dirham, kann einer kosten.<br />
Je näher der Feiertag kommt, desto<br />
mehr Messerschleifer tauchen an den<br />
noch drei taGe,<br />
dann kehle durch!<br />
Straßenkanten auf. An roten runden<br />
Steinen, die sie mit Radpedalen drehen,<br />
wetzen sie lange Messer. Fünf bis sechs<br />
Millionen Schafe werden am Morgen<br />
des Opferfestes allein in Marokko geschlachtet<br />
– in den Häusern, Höfen und<br />
auf den Dachterrassen der Familien.<br />
Es liegt ein wildes, freudiges Glimmen<br />
in den Augen der Menschen, und man<br />
kann es zum Flackern bringen, wenn<br />
man ihnen „Aïd Mubarak“, ein frohes<br />
Fest, wünscht. Noch drei Tage, dann …<br />
Jeder, den man jetzt trifft, macht diese<br />
Geste und zieht mit der flachen Hand<br />
über die Gurgel: „Kehle durch!“<br />
Sogar die kleinen Kinder in Habibs<br />
Haus beherrschen den typischen Gurgelgriff,<br />
die vierjährige Hiba streicht<br />
über ihre Kehle, deutet auf eines der<br />
sechs Schafe in der Ecke des Hofes und<br />
lacht. Viele Kinder stehen um die Tiere<br />
herum und zeigen stolz, wem welches<br />
gehört. Hiba hat sich Khalid auf die<br />
Hüfte gestemmt. Der ist ein Jahr alt und<br />
wird später, beim Schlachten, als Erster<br />
ein Blutmal abbekommen: in Form<br />
eines roten Bindi, auf die Babystirn<br />
gedrückt. Wenn man die Kinder fragt,<br />
ob die Schafe Namen haben und ob sie<br />
traurig sein werden, wenn die in zwei<br />
Tagen – Kehle durch!? –, dann gucken<br />
sie, als hätten sie nicht verstanden<br />
und lachen wieder. Namen? Für Tiere?<br />
Tränen? Es scheint, als könnten so nur<br />
Fremde fragen. Und zwar Fremde, die<br />
aus einer Welt kommen, in der man<br />
Hunde Schnucki nennt, Schafe nicht auf<br />
Balkone stellt und Fleisch in der Hoffnung<br />
isst, es sei zuvor kein Tier gewesen,<br />
also in Form von Hackepeter und<br />
Gesichtswurst.<br />
Scharfmacher<br />
Kurz vor dem Hammelfest<br />
sind sie<br />
überall: Messerschleifer,<br />
die an<br />
roten runden<br />
Steinen (mit Pedalantrieb)<br />
lange<br />
Klingen wetzen<br />
Mit vieren seiner fünf Geschwister<br />
lebt Habib in diesem Haus am Rand<br />
der Neustadt; macht zehn Erwachsene,<br />
plus die Oma, mit 14 Kindern. Jede der<br />
fünf Familien hat, über vier Stockwerke<br />
verteilt, eine winzige Küche und ein<br />
ein opfer als<br />
lieBesBeweis<br />
Familienzimmer. Zum Schlafen, Essen<br />
und Fernsehen. Dazu Bad, Terrasse, Hof<br />
und einen prächtigen Empfangsraum.<br />
Da lässt Habib jetzt Minztee bringen, ><br />
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