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Früher in Siegen

Kindheit in Siegen / Westfalen, Anfang der 1950er- bis in die 1960er-Jahre. Auf dem Rosterberg und in anderen Wohngebieten. Wir konnten noch auf der Straße spielen. Es gab viele Kinder. Fußball und mehr standen auf dem Programm. Bald gab es aber Termine: Schule. Wir gingen noch zur achtklassigen Volksschule, lernten in den ersten Jahren Lesen, Schreiben und Heimatkunde. Es gab noch Kopfnoten. Schöne Kindheit. Das Magazin ist Teil 1 der vom Verlag Buch-Juwel herausgegebenen Reihe.

Kindheit in Siegen / Westfalen, Anfang der 1950er- bis in die 1960er-Jahre. Auf dem Rosterberg und in anderen Wohngebieten. Wir konnten noch auf der Straße spielen. Es gab viele Kinder. Fußball und mehr standen auf dem Programm. Bald gab es aber Termine: Schule. Wir gingen noch zur achtklassigen Volksschule, lernten in den ersten Jahren Lesen, Schreiben und Heimatkunde. Es gab noch Kopfnoten. Schöne Kindheit. Das Magazin ist Teil 1 der vom Verlag Buch-Juwel herausgegebenen Reihe.

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<strong>Früher</strong> <strong>in</strong> <strong>Siegen</strong><br />

Am Rosterhüppel und anderswo<br />

Teil 1 Juli 2015 <strong>Siegen</strong>er Geschichten BuchJuwel<br />

In den 1950er- und -60er-Jahren<br />

Die schöne K<strong>in</strong>der- und Jugendzeit<br />

Manche werden sich er<strong>in</strong>nern, „oben“<br />

am Rosterberg, dem „Hüppel“, von<br />

der oberen Rosterstraße bis über die<br />

Radschläfe, sah es bis <strong>in</strong> die 1960er-<br />

Jahre noch so aus wie rechts, bevor die<br />

<strong>in</strong>tensive Bebauung begann. Wiesen<br />

und Strauchwerk und der nahe Wald<br />

bestimmten das Bild. Am nächsten<br />

war die 1. Radschläfe, e<strong>in</strong> Stück weiter<br />

die 2. Radschläfe mit e<strong>in</strong>em großen<br />

freien bewiesten Platz. Ab und zu<br />

diente er zum Fußballspielen. Von<br />

dort kam man direkten Weges zur<br />

Eisernhardt. Fußballgelände war aber<br />

auch, unterhalb des früheren<br />

„Schäferhundeheims“, die 1.<br />

Radschläfe, trotz des abfallenden<br />

Geländes. Der Ball konnte bis <strong>in</strong> den<br />

nahen Wald kullern. Für K<strong>in</strong>der- und<br />

Jugendzeit ideale Voraussetzungen,<br />

um zu spielen und zu radeln und<br />

natürlich für die obligatorischen<br />

Sonntagsspaziergänge mit den Eltern.<br />

Nach Anfang/ Mitte der 1950er-Jahre g<strong>in</strong>g es<br />

wirtschaftlich langsam wieder bergauf. Die Väter<br />

hatten Arbeit. Das hieß für uns bürgerliche<br />

Familien, bei denen die Väter <strong>in</strong> den nahen<br />

Fabriken, Werkstätten, bei Dienstleistern, im<br />

Handwerk, im Büro, bei Verlagen, Post und Bahn<br />

oder Behörden arbeiteten, aber dennoch, ke<strong>in</strong>e<br />

„großen Sprünge“ machen zu können. Man hatte<br />

se<strong>in</strong> Auskommen: Wohnungskosten und<br />

Lebensunterhalt bestreiten.<br />

Für die meisten war Urlaub, außer bei Großeltern<br />

oder anderen Verwandten, noch viele Jahre ke<strong>in</strong><br />

Thema. Alle<strong>in</strong>erziehende, kriegsbed<strong>in</strong>gt und aus<br />

anderen Gründen, hatten es damals ebenfalls nicht<br />

leicht. Natürlich gab es auch wie zu allen Zeiten<br />

Anfang der 1960er auf der Radschläfe, Rosterberg. Da gab<br />

es noch ke<strong>in</strong>e Bebauung. Hagebutten und andere Sträucher<br />

säumten teils die Wege. Platz für Spaziergänge und<br />

natürlich zum Spielen. (Alle Fotos: © Verlag/ Autor)<br />

andere mit höherem E<strong>in</strong>kommen, die sich mehr<br />

leisten konnten. Obwohl die K<strong>in</strong>der noch samstags<br />

zur Schule g<strong>in</strong>gen und Väter meist samstags<br />

arbeiten mussten oder auch Schicht- oder Wechselund<br />

teils Nachtdienst hatten, war es im Rückblick<br />

e<strong>in</strong>e eher weitaus stressfreiere Zeit, bedeutend<br />

weniger schnelllebig als heute. Das war - auch im<br />

Rückblick - gut.<br />

Ob man nun am Rosterberg, Fischbacherberg,<br />

Heidenberg, Hammerhütte, Schemscheid,<br />

Wellersberg, Siegberg, Häusl<strong>in</strong>g/ W<strong>in</strong>chenbach<br />

oder Giersberg wohnte: Spielkameraden gab es<br />

genug, weil es überall K<strong>in</strong>der im ähnlichen Alter<br />

gab sowie meist auch ältere und jüngere Brüder<br />

und Schwestern.


<strong>Früher</strong> <strong>in</strong> <strong>Siegen</strong> - Am Rosterhüppel und anderswo 2<br />

K<strong>in</strong>derzeit und gängige Vornamen<br />

Das war nun für alle wunderschön, dass es überall <strong>in</strong> der Straße und auch <strong>in</strong> den Nachbarstraßen K<strong>in</strong>der<br />

ähnlichen Alters, jüngere und ältere, sowie meistens auch noch e<strong>in</strong>en Brüder und/ oder Schwestern gab.<br />

Das eröffnete dem Spiel- und Entdeckertrieb Tür und Tor. Zu den heute weniger gängigen Spielen und<br />

Beschäftigungen gehörte auch, mit Murmeln oder „Klickern“ zu spielen, später auch mit Pfennigstücken,<br />

die möglichst nahe bis an e<strong>in</strong>e Abgrenzung, zum Beispiel e<strong>in</strong>e Mauer, geworfen wurden. Wer am<br />

nächsten dran war, hatte gewonnen. Man nahm die Münzen auf, stapelte sie auf der Oberhand, warf sie<br />

dann leicht hoch und musste sie fangen. Dann gehörten die Pfennige Dir. Sie wurden natürlich wieder<br />

e<strong>in</strong>gesetzt: neues Spiel, neues Glück! Oft haben wir wie andere K<strong>in</strong>der zusammen mit den Eltern<br />

gebastelt. Aus Luftschlangen und „Wasserglas“ entstanden bunte Schalen. Gemalt wurde ebenfalls. Das<br />

machen K<strong>in</strong>der immer noch gerne und schenken das Bild später Mutter oder Vater oder Paten. Schön,<br />

dass es das noch gibt!<br />

Gängige Namen waren früher zum Beispiel Agnes, Anneliese, Barbara, Brigitte, Doris, Edeltraut, Evelyn,<br />

Lieselotte, Maria, Monika, Susanne, Ursula, Ute, Waltraud sowie Axel, Alexander, Bertold, Dieter,<br />

Eberhard, Hans, Harry, He<strong>in</strong>z, Joachim, Jürgen, Karl, Karl-He<strong>in</strong>z, Klaus, Ludwig, Peter, Ra<strong>in</strong>er, Rolf,<br />

Ullrich, Uwe, Wolfgang undsoweiter undsoweiter. Im Alltag wurde vieles verkle<strong>in</strong>ert, von Liesel, Uschi<br />

und Ulla über Susi und Traudel bis zu Alex und Ulli. E<strong>in</strong>ige Jahre waren <strong>in</strong> der „Neuzeit“ viele davon<br />

zugunsten so gennanter „moderner“ Namen außen vor, <strong>in</strong>zwischen führen seit schon seit Längrerem<br />

manche alte Namen wieder die Beliebtheitslisten an. So ändern sich die Zeiten, die E<strong>in</strong>drücke und<br />

Vorlieben - wie bei der Mode: Irgendwie und -wann kommt alles wieder.<br />

Am Haus und auf der Straße<br />

Für die Kle<strong>in</strong>eren spielte sich das Leben rund ums Haus ab. Meist <strong>in</strong> den kle<strong>in</strong>en Vorhöfen und Gärten<br />

oder bei Mehrfamilienhäuser-Siedlungen wie am Kl<strong>in</strong>gelschacht, am Fischbacherberg, Wellersberg und<br />

später am L<strong>in</strong>denberg und auch am Rosterberg <strong>in</strong> Wiesenanlagen h<strong>in</strong>ter den Häusern. Ob beim E<strong>in</strong>zeloder<br />

Mehrfamilienhaus: Es gab fast überall Teppichstangen. Die reizten die Jugend dann irgendwann zum<br />

Klettern und Hangeln. Wir spielten also entweder auf der Straße, auf der es so gut wie ke<strong>in</strong>en Verkehr<br />

gab oder vor oder „h<strong>in</strong>ter dem Haus“. Da, wo es Gärten und Obstbäume gab, war das zur Reifezeit vom<br />

späten Frühjahr bis <strong>in</strong> den Herbst zusätzlich <strong>in</strong>teressant: frische Erdbeeren, Stachel- und Johannisbeeren,<br />

Äpfel, Birnen, hier und da auch Pflaumen und Kirschen. Was für e<strong>in</strong>e naturgegebene Fülle! Wir waren<br />

aber angehalten, nur e<strong>in</strong> wenig zu pflücken und zu essen, zum e<strong>in</strong>en zur Vermeidung von Bauchweh, zum<br />

anderen, damit genug zum E<strong>in</strong>kochen und für Marmelade und Gelee, übrig blieb.<br />

Im Sommer stellten manche Eltern e<strong>in</strong> Wännchen mit Wasser raus. E<strong>in</strong>es der früheren üblichen<br />

Z<strong>in</strong>kwännchen. Plastik war noch ke<strong>in</strong> Thema. Da konnten die Kle<strong>in</strong>en dr<strong>in</strong> sitzen und planschen und<br />

zwischendurch mal immer wieder auf die Wiese gehen und spielen oder dort liegen und sich sonnen.<br />

Dafür hatten viele noch solche Zeltplanen mit Ösen, außen farblich im militärisch gedeckten Grün mit<br />

braunen Flecken. Ich er<strong>in</strong>nere mich noch an den typischen, nicht unangenehmen Geruch. Die Planen<br />

waren praktisch. Wir konnten daraus auch e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Zelt bauen und uns dar<strong>in</strong> verkriechen. Das ist doch<br />

für K<strong>in</strong>der fast wie e<strong>in</strong>e Höhle. E<strong>in</strong> Schutz, e<strong>in</strong> Geheimnis.<br />

Schließlich hatten wir schon so viel Spannendes vom Vorlesen und Erzählen der Eltern aus Märchen<br />

gehört, von Hänsel und Gretel bis Peterchens Mondfahrt. Und die meist lustigen Geschichten von<br />

Wilhelm Busch, ja, auch von den bösen Buben Max und Moritz, die so manchen Streich spielten. Auf der<br />

Straße versuchten wir bei Regen, das Wasser zu stauen und aus Papier gefaltete Schiffchen, was uns die<br />

Eltern gelehrt hatten, dar<strong>in</strong> schippern zu lassen. Kle<strong>in</strong>e Papierflieger konnten wir auch bauen.<br />

IMPRESSUM Die Geschichten-Serie „<strong>Früher</strong> <strong>in</strong> <strong>Siegen</strong>“ ersche<strong>in</strong>t seit Juli 2015 im Verlag Buch-Juwel,<br />

Jürgen Weller, Less<strong>in</strong>gstr. 8, D-57074 <strong>Siegen</strong>, www.buch-juwel.de, IHK <strong>Siegen</strong>, Steuer-Nr. 342/5340/0296,<br />

F<strong>in</strong>A <strong>Siegen</strong>. Nach eigenen Anschauungen, nach bestem Wissen, jedoch ohne jegliche Gewähr für Zeiten<br />

und Örtlichkeiten und jetzige örtliche Gegebenheiten. Irrtum vorbehalten. Alle Rechte auf Fotos,<br />

Bildmontagen oder Reproduktionen sowie Texte © bei Verlag und presseweller. Gerichtsstand und<br />

Erfüllungsort D-<strong>Siegen</strong>, <strong>in</strong> 1. Instanz stets das Amtsgericht. Die Serie kann im Internet zum Lesen als<br />

Blättermagaz<strong>in</strong> aufgerufen und auf Anfrage für e<strong>in</strong>en eigenen Ausdruck beim Verlag bestellt werden.


<strong>Früher</strong> <strong>in</strong> <strong>Siegen</strong> - Am Rosterhüppel und anderswo 3<br />

Kle<strong>in</strong>e Vorhöfe und -gärten mit<br />

Mauer und/ oder Zaun abgegrenzt,<br />

bestimmten <strong>in</strong> vielen Straßen das<br />

Bild, hier <strong>in</strong> der Glück-Auf-Straße<br />

am Rosterberg, heute heißt sie<br />

Philippshoffnung.<br />

Kriegel, Verstecken und mehr<br />

Im Sommer waren wir K<strong>in</strong>der beschäftigt. Die jüngeren<br />

sowieso und die älteren hatten endlich lange Sommerferien.<br />

Viele werden sich er<strong>in</strong>nern, dass es zu unserer Zeit so viele<br />

Straßen- oder Draußenspiele gab, dass man schon überlegen<br />

musste, was man denn an diesem oder jenen Tag spielt.<br />

Gängig und e<strong>in</strong>fach waren Kriegel und Verstecken. Musste man<br />

bei Kriegel den anderen e<strong>in</strong>holen und zuerst am „Anschlag“<br />

se<strong>in</strong>, galt es bei Verstecken, den anderen zu f<strong>in</strong>den. Der<br />

„Sucher“ musste erst mit geschlossenen Augen warten, bis sich<br />

die anderen versteckt hatten und „Jetzt“ riefen. Nun konnte der<br />

Sucher loslegen und h<strong>in</strong>ter Mauern und Hecken gucken, bis und<br />

ob er überhaupt die oder den anderen gefunden hatte.<br />

Oft war auch Hock angesagt. Dazu wurde e<strong>in</strong> Feld mit<br />

mehreren Unterteilungen aufgekratzt oder später, als geteert<br />

war, mit Kreide aufgemalt. Mit e<strong>in</strong>em Be<strong>in</strong> <strong>in</strong> die Felder<br />

spr<strong>in</strong>gen. Klar gab es oben am Rand auch Himmel und Hölle.<br />

Das beschäftigte ganz schön.<br />

Ochs am Berge und die nahe Ähl<br />

Bei Spielen stand <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>derzeit ebenfalls „Ochs am Berge<br />

e<strong>in</strong>szweidrei“ auf dem Plan. Wer sich während der Umdrehung des<br />

Spielleiters bewegt hatte, musste ausscheiden. Bei „Vater, wie weit<br />

darf ich reisen“, gab der Spielleiter vor, wie weit man sich auf ihn Fuß<br />

für Fuß zubewegen durfte. Auf die Frage wie oben sagte er dann zum<br />

Beispiel „zwei Schritte“. Vielleicht hatte er ja auch schon Favoriten<br />

oder Favorit<strong>in</strong>nen im Kopf, denen er mehr zubilligte. Wer zuerst bei<br />

ihm oder ihr war, war dann neuer Spielleiter. Abgesehen von allen<br />

möglichen Ballspielen, e<strong>in</strong>schließlich der Federballspielzeit, wo auch<br />

die Erwachsenen mitmischten, war „Räuber und Gendarm“ e<strong>in</strong> großes<br />

Spiel. Es zog sich über mehrere Straßen und durch die vielen Gärten.<br />

Schließlich g<strong>in</strong>g es für die „Gendarmen“ darum, die „Räuber“<br />

irgendwie und -wo zu f<strong>in</strong>den. Riesengeschichte, die viel Spaß brachte.<br />

Als wir etwas älter waren und die Schulzeit bereits begonnen hatte,<br />

durften wir auch <strong>in</strong> den nahen Wald, bei uns die Ähl.<br />

Auf Bäume klettern - wer kommt am höchsten? - , Felshöhlen<br />

erkunden, sich e<strong>in</strong>e Wurzelhöhle suchen und Indianer spielen. Wir<br />

hatte e<strong>in</strong>e große Wurzelhöhe und konnten sie mit Sägespänen polstern,<br />

die uns e<strong>in</strong> benachbarter Schre<strong>in</strong>ereibetrieb überlassen hatte. Toll.<br />

Aber wir fanden unter der Erde e<strong>in</strong> Felsstück, <strong>in</strong> dem man treppenartig<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Höhle steigen konnte. Warum das so war und ist, oder es<br />

jemand angelegt hat, wissen wir bis heute nicht.<br />

Fußball war gefragt<br />

Sportfreunde <strong>Siegen</strong>, Grün-Weiß, E<strong>in</strong>tracht und<br />

mehr: Mit den Eltern spazierten wir zum<br />

Fußballschauen auf den Stadtplatz im Bereich<br />

Schemscheid. Das Stadion war noch nicht gebaut.<br />

Wie für die anderen die<br />

Wälder rund um die <strong>Siegen</strong>er<br />

Berge war für uns am<br />

Rosterberg die Ähl e<strong>in</strong><br />

ständiger Anlaufpunkt.<br />

Selbst spielten wir <strong>in</strong> der Straße. Wenn die Älteren<br />

ihre Spiele austrugen, durften aber oft genug auch<br />

die Kle<strong>in</strong>en mitspielen. Je nach Straße mussten<br />

Tore markiert werden. …<br />

Im Teil 2 widmen wir uns mehr dem Fußball.<br />

Geschichten-Serie „<strong>Früher</strong> <strong>in</strong> <strong>Siegen</strong>“ , Teil 1, Juli 2015 Verlag Buch-Juwel, <strong>Siegen</strong>. Alle Rechte auf Fotos,<br />

Bildmontagen oder Reproduktionen sowie Texte © bei Verlag und presseweller.


<strong>Früher</strong> <strong>in</strong> <strong>Siegen</strong> - Am Rosterhüppel und anderswo 4<br />

K<strong>in</strong>dergarten, Kirchgang und bald Schule<br />

K<strong>in</strong>derzeit, das hieß für manche, aber längst nicht für alle, auch Besuch des K<strong>in</strong>dergartens. Der lag oft <strong>in</strong><br />

der Nähe, bei uns <strong>in</strong> der Gläserstraße unten, damals relativ neu. Da <strong>in</strong> der Regel die Mütter zu Hause<br />

waren und sich um K<strong>in</strong>derbetreuung, Essen und mehr kümmerten, besuchte nur e<strong>in</strong> Teil den<br />

K<strong>in</strong>dergarten. Ich für e<strong>in</strong>ige Wochen. Mit kle<strong>in</strong>er Umhängetasche, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong>e belegte Brotschnitte,<br />

Dong, war und e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Tr<strong>in</strong>kfläschchen, g<strong>in</strong>g es dann zum K<strong>in</strong>dergarten oberhalb der E<strong>in</strong>tracht, der<br />

auch e<strong>in</strong> Außengelände zum Aufhalten und Spielen hatte. Den K<strong>in</strong>dergarten gibt es noch heute. Die<br />

moderne Kita brauchten wir damals noch nicht.<br />

Für uns war es e<strong>in</strong> Pluspunkt, dass schräg gegenüber belgische Soldaten wohnten - damals waren wir<br />

noch Besatzungsland. Manchmal kamen sie an den Zaun und warfen Kaugummi rüber. Gut. So lange wir<br />

noch nicht im Schulalter waren, werden sich vielleicht auch viele Eltern gedacht haben, die K<strong>in</strong>der zu<br />

Hause zu lassen. Dort konnten sie von morgens an mit den anderen spielen. Schön, dass es so war! Die<br />

heute so oft „gepredigten“ Sozialkontakte, das Geme<strong>in</strong>schaftserlebnis, hatten wir noch vor der Haustüre.<br />

Beim Kirchgang, bei uns im Geme<strong>in</strong>dehaus oder <strong>in</strong> der Peter- und Paul-Kirche, kamen viele ebenfalls<br />

wieder zusammen. Sonntagsmorgens g<strong>in</strong>gen wir mit Eltern, Mutter oder Vater, zum Gottesdienst, später<br />

zum K<strong>in</strong>dergottesdienst. Gehörte dazu. Kirchgang, war bei den Evangelischen und Katholischen<br />

angesagt. Mit den verschiedenen Religionen hatten wir <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>derzeit überhaupt ke<strong>in</strong>e Probleme.<br />

Die Schulzeit kommt<br />

Die Zeit des relativ unbeschwerten Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>derse<strong>in</strong>s<br />

geht dah<strong>in</strong>. Irgendwann ruft die Pflicht. Das<br />

heißt: Schulbesuch. Bei uns g<strong>in</strong>gen die<br />

evangelischen K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> die Diesterwegschule an<br />

der Rosterstraße, die katholischen <strong>in</strong> die<br />

Hammerhütte-Schule an der Koblenzer Straße.<br />

Beides waren Volksschulen, ausgelegt auf acht<br />

Schuljahre. Je nach Wohnung waren die Schulen<br />

ganz oder zum<strong>in</strong>dest noch relativ nah. Man g<strong>in</strong>g<br />

zu Fuß.<br />

Der erste Schultag - mit Kirchgang - war und ist<br />

auch heute noch etwas Besonderes. Die Eltern<br />

waren dabei, und für uns stand die bunte Schultüte<br />

mit e<strong>in</strong> paar Süßigkeiten und anderem im<br />

Vordergrund. Natürlich gab es auch e<strong>in</strong>en<br />

Lederranzen für die Schulutensilien. Die<br />

„E<strong>in</strong>schulung“ selbst g<strong>in</strong>g schnell vorbei. Am Tag<br />

kamen teils auch Paten und Großeltern.<br />

In Reih und Glied<br />

Der „Ernst des Lebens“ begann am zweiten<br />

Schultag. Schnell wurde uns klargemacht, dass man<br />

nicht so e<strong>in</strong>fach <strong>in</strong>s Schulgebäude geht. Wir<br />

mussten uns am Schulhof <strong>in</strong> Reih und Glied<br />

aufstellen. Dann g<strong>in</strong>g es nach „Freigabe“ <strong>in</strong> den<br />

Klassenraum mit den Holzbänken und der großen<br />

Tafel. Im Ranzen waren noch die Schiefertafel und<br />

Durch diesen E<strong>in</strong>gang s<strong>in</strong>d schon viele K<strong>in</strong>der<br />

gegangen. Zu unserer Zeit war die Diesterwegschule,<br />

Foto aus 2012, e<strong>in</strong>e Volksschule.<br />

der Griffel und e<strong>in</strong>iges mehr. Stillsitzen. Lehrer<strong>in</strong><br />

und/ oder Lehrer kennenlernen. Zum Glück gab es<br />

auch Pausen. Großer Schulhof.<br />

Heute noch vielen aus jenen Zeiten bekannt werden<br />

zum Beispiel Saubers Martha, Lehrer Scholz,<br />

Mohr, Rektor Jansen und später Rektor Dickel se<strong>in</strong>.<br />

Unsere Klasse hatte es mit Fräule<strong>in</strong> Schütz und<br />

Fräule<strong>in</strong> Haider zu tun.<br />

Geschichten-Serie „<strong>Früher</strong> <strong>in</strong> <strong>Siegen</strong>“ , Teil 1, Juli 2015 Verlag Buch-Juwel, <strong>Siegen</strong>. Alle Rechte auf Fotos,<br />

Bildmontagen oder Reproduktionen sowie Texte © bei Verlag und presseweller.


<strong>Früher</strong> <strong>in</strong> <strong>Siegen</strong> - Am Rosterhüppel und anderswo 5<br />

In die heutige Grundschule<br />

Spandauer Schule (l<strong>in</strong>ks), früher<br />

Häusl<strong>in</strong>gschule und Jung-Still<strong>in</strong>g-<br />

Schule, <strong>in</strong> der Mart<strong>in</strong>-Luther-Straße,<br />

g<strong>in</strong>g auch die nächste Generation,<br />

neben anderen K<strong>in</strong>der aus der<br />

W<strong>in</strong>chenbach. Die Schule geht<br />

geschichtlich noch weiter zurück:<br />

Ehemals (seit Ende des 19.<br />

Jahrhunderts) war hier die über die<br />

Grenzen h<strong>in</strong>aus bekannte<br />

Wiesenbauschule, später bekannt als<br />

Ingenieurschule, angesiedelt. Diese<br />

zog dann wiederum <strong>in</strong> den Neubau<br />

an der Dr.-Ernst-Straße um, nun seit<br />

Jahrzehnten die „Realschule am<br />

Häusl<strong>in</strong>g“.<br />

E<strong>in</strong>gewöhnung und neue Bekanntschaften<br />

Mit dem Schulgang kam auf uns viel<br />

Neues zu: feste Zeiten, an denen man<br />

da zu se<strong>in</strong> hatte und an denen man<br />

gehen durfte. Hatten so e<strong>in</strong>ige bereits<br />

Grundwissen <strong>in</strong> Lesen, Schreiben<br />

und Rechnen und wussten die<br />

Uhrzeit abzulesen, so wurde das nun<br />

vertieft. Nach und nach.<br />

Bilder-Lesebücher nach dem Motto:<br />

„Das ist Hans mit se<strong>in</strong>em Hund<br />

Waldi“. Hans geht mit Waldi auf die<br />

Wiese“. Wir lernten Buchstaben,<br />

irgendwann das ABC. Wir schrieben<br />

bald kle<strong>in</strong>e Wörter, lernten nach und<br />

nach Druck- und auch Schreibschrift.<br />

Rechnen: Das Addieren hieß bei uns<br />

noch „Zusammenzählen“, das<br />

Subtrahieren „Abziehen. Waren drei<br />

Kästchen (3) aufgemalt + zwei<br />

Kästchen (2), ergaben sich fünf<br />

Kästchen (5). Das konnte man noch<br />

an e<strong>in</strong>er Hand abzählen.<br />

Natürlich wurde auch geme<strong>in</strong>sam<br />

gesungen, wurden Lieder gelernt, die<br />

wir noch nicht kannten. K<strong>in</strong>derlieder,<br />

die bis heute im Ohr kl<strong>in</strong>gen. Malen<br />

gehörte ebenfalls zum Programm.<br />

Trotzdem waren wir froh, wenn die<br />

Kl<strong>in</strong>gel schrill zur Pause ertönte.<br />

Ke<strong>in</strong>e Frage, noch viel schöner war es, wenn sie so um die<br />

Mittagszeit rum zum Schulschluss rasselte.<br />

Große Klassen und Neues<br />

Weit über 40 K<strong>in</strong>der, das war relativ normal. Es gab später<br />

auch schon Klassen mit über 50. Wir s<strong>in</strong>d daran nicht<br />

verzweifelt. Aber man musste ja auch alle nach und nach<br />

kennenlernen. „Aus welcher Straße kommst Du?“ Es<br />

entstanden neue Freundschaften.<br />

Die Obenstruth-Schule auf dem Wellersberg war ehemals e<strong>in</strong>e<br />

so genannte Kapellenschule. Reiche Geschichte.<br />

Geschichten-Serie „<strong>Früher</strong> <strong>in</strong> <strong>Siegen</strong>“ , Teil 1, Juli 2015 Verlag Buch-Juwel, <strong>Siegen</strong>. Alle Rechte auf Fotos,<br />

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<strong>Früher</strong> <strong>in</strong> <strong>Siegen</strong> - Am Rosterhüppel und anderswo 6<br />

Langsam lesen lernen<br />

In der Schule mussten wir natürlich das Lesen lernen,<br />

auch wenn wir es von zu Hause schon e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es<br />

bisschen konnten. Es gab e<strong>in</strong>e „Lesefibel“. Bei uns war<br />

das „Leo und die andern“. Heute würde ich nach<br />

me<strong>in</strong>em Rechtschreibeverständnis „Leo und die<br />

anderen“ schreiben .Schön aufgemacht mit Bildern<br />

und e<strong>in</strong>fachen Sätzen. Aus der Er<strong>in</strong>nerung heraus war<br />

Teil 2 noch weitaus schöner, schließlich g<strong>in</strong>g es da<br />

Weihnachten zu. Zu unserer Zeit war ja noch um<br />

Ostern Schuljahreswechsel. Irgendwelche Politiker<br />

haben das verändert. Das Lesenlernen klappte gut mit<br />

den „Fibeln“.<br />

Beim ersten Zeugnis hatten wir Erstklässler es noch<br />

gut. Zuerst gab es nur e<strong>in</strong>en H<strong>in</strong>weis wie „Hans hat<br />

e<strong>in</strong>en guten, befriedigenden oder ausreichenden<br />

Anfang gemacht“.<br />

Die Zeugnisse, bei den K<strong>in</strong>dern auch „Giftblätter“<br />

genannt, veränderten sich dann. Es gab Noten. Da<br />

versuchte man schon, sich e<strong>in</strong>igermaßen anzustrengen,<br />

um hier und da „Gut“ oder „Befriedigend“ zu<br />

erreichen. Aber zum<strong>in</strong>dest noch „Ausreichend“. Wie<br />

das Wort sagt, reichte das leistungsmäßig aus. Möglich<br />

waren aber auch „5“ und „6“, „Mangelhaft“ und<br />

„Ungenügend“. Das wollte nach Möglichkeit niemand<br />

haben.<br />

Mit „Leo und die andern“ aus dem He<strong>in</strong>ke-<br />

Verlag, begann für uns <strong>in</strong> der Schule die<br />

Zeit, Lesen zu lernen. Im zweiten Teil g<strong>in</strong>g<br />

es <strong>in</strong> die Herbst- und W<strong>in</strong>terzeit.<br />

Verkle<strong>in</strong>erter Titel/ Titel: He<strong>in</strong>ke-Verlag.)<br />

Zusammen nach Hause gehen<br />

Mehr K<strong>in</strong>der, das hieß e<strong>in</strong>ige neue Bekanntschaften<br />

und Freundschaften. Das merkte man dann auf dem<br />

Pausenhof. Je nach dem, wann zu Hause Mittagessen<br />

angesagt war, machte man nach Schulschluss auch<br />

e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Umweg, um noch über dies und das zu<br />

sprechen oder sich zum Spielen zu verabreden.<br />

Manche Schulkameraden wohnten am Rosterberg,<br />

andere auch <strong>in</strong> der Ziegeleistraße und im Bereich<br />

Hammerhütte.<br />

Spielen stand erst am frühen Nachmittag auf dem Plan.<br />

Bei den meisten hieß es zu Hause: „Erst die<br />

Schularbeiten machen“. Wusste man nicht weiter,<br />

halfen schon e<strong>in</strong>mal die Eltern oder die älteren<br />

Geschwister. War alles fertig, wurde der Ranzen für<br />

den nächsten Tag gepackt, und dann g<strong>in</strong>g es endlich<br />

raus!<br />

Von Klasse zu Klasse wurde das Lernprogramm<br />

umfangreicher, und auch die Hausaufgaben brauchten<br />

mehr Zeit. Aber zum Spielen reichte die Freizeit.<br />

Alles noch mit Kopfnoten<br />

Zu den Schulfächern gehörte neben anderem<br />

auch Heimatkunde. „Wo entspr<strong>in</strong>gt die Sieg<br />

und durch welche Orte verläuft sie?“ Das<br />

hatte man dann irgendwann „dr<strong>in</strong>“, und so<br />

ver<strong>in</strong>nerlicht, dass man es heute noch<br />

aufzählen kann. Der weitere Ausbau des<br />

geografischen Wissens setzte sich später mit<br />

„Erdkunde“ fort.<br />

Nun galt es aber nicht nur, <strong>in</strong> den Fächern<br />

günstige Noten zu erzielen. Die so genannten<br />

Kopfnoten waren ebenfalls wichtig:<br />

Betragen, häuslicher Fleiß, Teilnahme am<br />

Unterricht. Fielen diese Noten schlecht aus,<br />

gab das ke<strong>in</strong> gutes Bild. Wir lernten uns<br />

damit aber e<strong>in</strong>e gewisse Diszipl<strong>in</strong> an, die<br />

allerd<strong>in</strong>gs später <strong>in</strong> der Zeit der Pubertät auch<br />

e<strong>in</strong>mal vor die Hunde g<strong>in</strong>g.<br />

Nach vier oder fünf Jahren fiel die weitere<br />

Schul-Entscheidung. Mehr <strong>in</strong> Teil 2.<br />

Geschichten-Serie „<strong>Früher</strong> <strong>in</strong> <strong>Siegen</strong>“ , Teil 1, Juli 2015 Verlag Buch-Juwel, <strong>Siegen</strong>. Alle Rechte auf Fotos,<br />

Bildmontagen oder Reproduktionen sowie Texte © bei Verlag und presseweller.

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