CI Magazin
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Standpunkt<br />
Das Neue muss mehr<br />
wert sein als das Alte<br />
Elina Vilá und Agnès Blanch haben ihr Estudio<br />
Vila blanch 1999 in Barcelona gegründet. Für diese<br />
Ausgabe des „<strong>CI</strong> <strong>Magazin</strong>s“ haben sie nicht nur im<br />
„Standpunkt“ auf dieser Seite Stellung bezogen und<br />
vehement für einen sorgfältigen und verantwortungsvollen<br />
Umgang mit dem Bestehenden plädiert,<br />
sondern zeigen ab Seite 60 auch sehr konkret, wie<br />
sie eine Altbauwohnung in Barcelona zeitgemäß<br />
gestalten würden<br />
Erfolgreiches Designduo (v.r.):<br />
Elina Vilá und Agnès Blanch<br />
In der Welt der Architektur und Inneneinrichtung ist eine<br />
Übersättigung an Neuerungen eingetreten. Es besteht eine Tendenz<br />
zum übermäßigen Design, alles soll immer wieder neu erdacht, jedem<br />
Projekt ein persönlicher, unverwechselbarer Stempel aufgedrückt<br />
werden. Viele Planer sehen sich als „Künstler“, die mit den von ihnen<br />
entworfenen Städten oder Häusern eine unauslöschliche Spur hinterlassen<br />
müssen. Außerdem wollen die Politiker ihren Wählern gern einen<br />
Gehry oder einen Hadid schenken. Da werden keine Kosten und Mühen<br />
gescheut. Das Unauffällige und Schlichte scheint keinerlei Wert mehr<br />
zu haben. Das Neue ist dagegen zu einem Wert an sich geworden. Die<br />
Kreativen mit einem visuell ausdrucksstarken Stil erschaffen Kultbilder,<br />
die von den Medien immer wieder wiederholt werden.<br />
Wir glauben, dass es wichtig ist, Innovation und Zukunftsplanung<br />
verantwortungsvoll und sorgfältig zu gestalten. Wir müssen den gesellschaftlichen<br />
und technologischen Veränderungen Rechnung tragen,<br />
nicht Modetrends. Das heißt nicht, dass wir dem Neuen ganz entsagen<br />
wollen. Wir verlangen lediglich, dass das Neue mindestens ein Mehr an<br />
Qualität oder einen höheren Wert als das Alte bietet, das es ersetzen soll.<br />
Die Balance zwischen Alt und Neu und die Grenzen unserer Kreativität<br />
müssen auf dem gesunden Menschenverstand beruhen, einer<br />
Vernunft, die vom Respekt vor den vorhandenen Gebäuden, vor unseren<br />
Städten, unseren Kunden und ihren neuen Bedürfnissen und vor allem<br />
von der Wertschätzung unseres Berufsstands getragen wird.<br />
Eine architektonische Gestaltung setzt die Kenntnis der Stadt, des<br />
Stadtbezirks wie auch der angrenzenden Gebäude sowie eine intelligente<br />
Planung, ausgehend vom Bauvorhaben, voraus. Wenn das Ergebnis neue<br />
Maßstäbe setzt, umso besser! Neue Maßstäbe zu setzen ist jedoch nicht<br />
die Prämisse unserer Arbeit, es sei denn, das Bauvorhaben, der Raum<br />
oder der Kunde fordert eine bahnbrechende Lösung.<br />
Wir vom Estudio Vilablanch hören der Wohnung zu: Was sagt uns die<br />
Wohnung? Welche Veränderungen kann die ursprüngliche Bausubstanz<br />
vertragen, ohne dass ihr Charakter verwässert wird? Welche wertvollen<br />
Elemente beinhaltet der ursprüngliche Raum, die erhalten und berücksichtigt<br />
werden müssen?<br />
Wir sind Verfechter einer respektvollen behutsamen Sanierung unse -<br />
rer Altstädte und wollen auf dem kulturellen Erbe aufbauen, das uns<br />
der Gebäudebestand hinterlassen hat. Wir dürfen unsere Städte nicht<br />
sterben lassen. Die Wiederherstellung der Lebensqualität in den alten<br />
Gebäuden ist entscheidend für den Erhalt dieses urbanen Erbes.<br />
Elina VilÁ und Agnès Blanch<br />
Designerinnen und Gründerinnen<br />
estudio Vilablanch<br />
„Wir müssen den gesellschaftlichen und<br />
technologischen Veränderungen Rechnung<br />
tragen, nicht Modetrends“<br />
<strong>Magazin</strong> für Einrichten und Leben 3