03.11.2016 Aufrufe

lass fallen anker - Ausgabe 04/16

„lass fallen anker - Blätter der Deutschen Seemannsmission“ - Zeitschrift über die Arbeit der Seemannsmission.

„lass fallen anker - Blätter der Deutschen Seemannsmission“ - Zeitschrift über die Arbeit der Seemannsmission.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Erinnerungen | Seemannsheim Khorramshahr<br />

Eine Schiffsbesatzung im<br />

Seemannsheim.<br />

Die kleine Rousseau-Tochter Iriane mit dem schottischen<br />

Schiffsingenieur Alexander W. der am Sonntag generell und<br />

traditionsbewusst mit Schottenrock und weißen Kniestrümpfen<br />

an Bord umher lief.<br />

Das Ehepaar Rousseau gibt<br />

ein Essen für die Mitarbeitenden<br />

und ihre Familien<br />

Die persische Revolution<br />

Ich habe dieses Seemannsheim in Khorramshahr geliebt und unsere<br />

Arbeit dort auch, aber all unser Einsatz und Enthusiasmus konnte<br />

die Persische Revolution nicht aufhalten. Wir erlebten und durchlebten<br />

eine Zeit der Spannung, Angst, Furchtlosigkeit, Schrecken, Mut<br />

und Hoffnung, aber hatten auch das Gefühl und die Gewissheit, wirklich<br />

gebraucht zu werden. Es spornte uns an, nicht aufgeben zu wollen.<br />

Die einzigen Foreigners, für die die Schranke zum Hafen geöffnet<br />

wurde, waren wir.<br />

Bakschisch verweigerten sie plötzlich, aber meinen Marmorkuchen<br />

und Schafskäse mit Zwiebel, Tomaten, Paprika mit Essig und Öl, dem<br />

konnten sie nicht widerstehen.<br />

Gerne würde ich hier anfangen zu erzählen, über unsere Seemannsmission,<br />

über das dortige Personal , über die Seeleute, die internationalen<br />

Seeschiffe, die an der Pier während der Revolution im total abgeschlossenen<br />

Hafen lagen, die Schiffe, die weder beladen noch gelöscht<br />

wurden.<br />

Kurz vor der unsrigen Jahreswende 1978/79 hatte es sich nicht zum<br />

Besseren gewandelt, und Pastor Osterwald fürchtete um unsere Sicherheit.<br />

Die Telefon-Verbindung konnte nur sehr selten und nach tagelangem<br />

Versuchen hergestellt werden, und wir bekamen dann Order,<br />

Schutz im Hafen auf einem europäischen Schiff zu suchen. Es war<br />

gegen Mitternacht, die Silvesternacht.<br />

Die ersten Absagen auf deutschen Schiffen haben wir etwas mutlos<br />

hingenommen, große Bedenken wurden geäußert und dann, so sagte<br />

man uns, der Unterschlupf, den man uns gewehrt, könne ihre eigene<br />

Sicherheit an Bord in Gefahr bringen.<br />

Dann stiegen wir am persischen Militär-Wachposten vorbei, die<br />

Gangway hinauf und hofften auf dem englischen Schiff auf eine positive<br />

Antwort.<br />

„The Krauts are pulling out.“<br />

Die Besatzung des Kühlschiffes “TOWNSVILLE“ von der Rederei<br />

Blue Star Line, beladen mit 7000 Tonnen Hühnern, feierte. Es war ja<br />

die Silvesternacht und ich sehe ihn noch heute vor mir, einen großen<br />

Mann mit dunklem Haar, glattem, freundlichem Gesicht, Anfang 50.<br />

Er stand oben am Geländer, hielt sich mit beiden Händen dort fest und<br />

wankte ein wenig. Ein Offizier mit einem Streifen auf der Uniform,<br />

hatte uns nach oben gebracht und wir konnten dann höflich unseren<br />

Wunsch vortragen. “Wir suchen ein Schiff, auf dem wir bleiben können,<br />

wenn es draußen auf der Straße und im Seemannsheim nicht<br />

mehr so sicher ist für die “Foreigners“. “The Krauts are pulling out”,<br />

rief der Captain frohgemut und dann noch hinterher: “Yes you can<br />

stay as long you want”.<br />

Am nächsten Morgen packten wir das Allernötigste und gingen an<br />

Bord. Vor allem am Dschuma’a, am Freitag, wenn die Moscheen sich<br />

füllten, fühlten wir uns im total abgeschlossenen Hafen sicher.<br />

In der Eigner-Kammer mit den großen Fenstern und der edlen Holzverschalung,<br />

oben neben der Kapitäns-Kammer, verbrachten wir dann<br />

nahezu drei Monate und nur in ruhigen Stunden und Tagen fuhren wir<br />

in die Seemannsmission und schaute nach dem Rechten.<br />

In dieser Zeit habe ich, als einstige Seefahrerin gelernt und begriffen,<br />

was wirkliche Disziplin, Hierarchie an Bord eines englischen Schiffes,<br />

Kameradschaft, Höflichkeit, Anstand und entspannender Humor trotz<br />

schwierigster Lage ist.<br />

Die britische Besatzung war äußerst höflich zu mir und reizend mit<br />

Iriane, sie war das Maskottchen an Bord. Hatten sie doch fast alle Familien<br />

in England und Schottland.<br />

12 • <strong>lass</strong> <strong>fallen</strong> <strong>anker</strong> 4/20<strong>16</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!