Lass Fallen Anker
Sonderheft 2019 der Deutschen Seemannsmission
Sonderheft 2019 der Deutschen Seemannsmission
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SONDERHEFT 2019 DER DEUTSCHEN SEEMANNSMISSION<br />
Gestrandete<br />
Riesen<br />
Wracks mahnen zu Respekt<br />
und Demut vor der Schöpfung,<br />
sagt der Kreuzfahrtkapitän.<br />
Und sie erinnern an Ausbeutung<br />
und harte Arbeit . . .
STATIONEN SEEMANNSMISSION WELTWEIT SEEMANNSMISSION WELTWEIT STATIONEN<br />
<strong>Anker</strong>plätze<br />
In Deutschland ist die Deutsche Seemannsmission mit 16 Stationen<br />
für Seeleute aus aller Welt da. Zudem engagieren wir uns in 18 Häfen<br />
in Europa, Amerika, Afrika und Asien für die Würde der Seeleute.<br />
Unser Motto: „support of seafarers’ dignity“<br />
IN DEUTSCHLAND<br />
Cuxhaven<br />
Kiel<br />
Sassnitz<br />
WELTWEIT<br />
Amsterdam,<br />
Niederlande<br />
Brunsbüttel<br />
Rostock<br />
Lübeck<br />
Wilhelmshaven<br />
Stade-Bützfleth<br />
Hamburg-Altona<br />
Emden<br />
Bremerhaven Hamburg (Krayenkamp)<br />
Brake<br />
Hamburg-Harburg („Duckdalben“)<br />
Bremen<br />
Rotterdam,<br />
Niederlande<br />
New York, USA<br />
Großbritannien:<br />
Middlesbrough<br />
London<br />
Antwerpen,<br />
Belgien<br />
Mäntyluoto, Finnland<br />
Duisburg<br />
Le Havre, Frankreich<br />
Deutschland<br />
Genua,<br />
Italien<br />
Piräus, Griechenland<br />
Hongkong,<br />
China<br />
Alexandria,<br />
Ägypten<br />
Santos,<br />
Brasilien<br />
Lomé,<br />
Togo<br />
Douala,<br />
Kamerun<br />
Singapur<br />
Valparaíso, Chile<br />
Durban,<br />
Südafrika<br />
Die Adressen finden Sie auf<br />
den Seiten 34–35<br />
2 LASS FALLEN ANKER<br />
LASS FALLEN ANKER<br />
3
EDITORIAL<br />
INHALT<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
2 <strong>Anker</strong>plätze<br />
Seemannsmission weltweit<br />
„Fairer Handel beginnt mit der Erkenntnis, dass auf<br />
4 Editorial<br />
Schiffen Menschen leben.“ Das sagte mir ein ehe maliger<br />
Geschäftsführer der Deutschen Seemannsmission,<br />
nachdem ich gerade meine Stelle in der Geschäftsstelle<br />
TITEL<br />
6 Abwracken in Indien: Sicherer<br />
und sauberer als früher<br />
Pastor Christoph Ernst,<br />
Generalsekretär<br />
der Deutschen<br />
Seemannsmission<br />
in Bremen angetreten hatte.<br />
Dieser Satz begleitet mich seither. Denn viele Menschen<br />
haben zwar eine vage Vorstellung von 400 Meter<br />
langen Containerschiffen, nicht aber davon, was an<br />
Bord eigentlich passiert, wenn bis zu 20 000 Container<br />
von einem Ende der Welt zum anderen bewegt<br />
werden. Geschweige denn davon, wie es am Ende eines<br />
Schiffslebens aussieht und wie es nach ihrem Ableben<br />
mit den gigantischen Stahlkolossen weitergeht. Darüber<br />
10 Faszination Wrack: Kreuzfahrtkapitän<br />
Ulf Wolter erzählt von<br />
seinen Eskapaden<br />
13 Chittagong: Eine Ausstellung<br />
von Christian Faesecke<br />
14 Geistliches Wort: Olav Fyske Tveit<br />
über das Brausen des Meeres<br />
15 Meldungen<br />
16 Interview: Der neue Generalsekretär<br />
Christoph Ernst<br />
berichten wir in diesem Heft.<br />
Ein Job auf einem Hochseeschiff gehört immer noch<br />
zu den gefährlichsten Arbeitsabenteuern überhaupt:<br />
18 Seerecht: Professor Andrew Serdy<br />
über die Regeln auf hoher See<br />
20 Kirchentag: Der Journalist Hans<br />
Leyendecker ist Kirchentagspräsident<br />
Es herrscht ohrenbetäubender Lärm, dem niemand<br />
21 Meldungen<br />
Stand auf dem<br />
Markt der Möglichkeiten<br />
Themenbereich 4:<br />
Arbeit – Arbeitslosigkeit – Armut<br />
Halle 7, Stand 7-J01, Bereich<br />
Westfalenhallen, Innenstadt-West<br />
Die Seemannsmission auf dem Kirchentag<br />
Seafarers’ Night /<br />
Feierabendmahl mit vielen<br />
Gästen. Eine Entdeckungs reise<br />
in die Welt der Schifffahrt<br />
und der Seeleute zum Thema<br />
„Fair übers Meer“ der Deutschen<br />
Seemanns mission.<br />
Am Freitag, 21. Juni, um 19 Uhr<br />
in der Großen Kirche Aplerbeck,<br />
Märtmannstraße 13<br />
entrinnen kann. Die Arbeit ist hochriskant, und die<br />
psychischen Belastungen sind enorm. Die DSM investiert<br />
heute in psychosoziale Betreuung und Notfallversorgung,<br />
ein wichtiger Schritt zeit gemäßer Professionalisierung<br />
unserer Arbeit. Wir freuen uns, auch diese Arbeit hier<br />
vorstellen zu können.<br />
Für viele Menschen ist es heute selbstverständlich, beim<br />
Einkaufen auf „Fair Trade“-Siegel zu achten. Aber „Fair<br />
Trade“ heißt bislang vor allem „Fair Erzeuger“, auch wenn<br />
wir heute mit etlichen Reedern zusammen arbeiten und<br />
der Verband Deutscher Reeder unsere Arbeit fördert. Mit<br />
dieser neuen Ausgabe von „<strong>Lass</strong> fallen <strong>Anker</strong>“ möchten<br />
wir Sie einmal mehr neugierig machen auf unsere Arbeit.<br />
Denn: „Fair übers Meer“ – das geht uns alle an!<br />
Christoph Ernst<br />
Titelbild: Christian Faesecke, Foto: Deutsche Seemannsmission<br />
Fotos: Martina Platte (2), Jürgen Hohmuth, Privat<br />
22 Freiwillige: Erlebnisberichte – Niklas<br />
Kölln aus Brunsbüttel, Hannah Fritz<br />
und Ina Meyer aus Antwerpen<br />
24 Suizid: DSM-Präsidentin Clara<br />
Schlaich über Seelennot auf See<br />
27 Angst: Psychosoziale Notfallver<br />
sorgung kann helfen, sagt<br />
Seemanns pastor Matthias Ristau<br />
28 Douala: Die Seemannsmission in<br />
der größten Stadt Kameruns<br />
30 Genua: Ein Hafen, eine zerbrochene<br />
Brücke, eine italienische Stadt<br />
31 Duisburg: Was, wenn der Rhein<br />
immer flacher wird?<br />
32 Wilhelmshaven: Mehr Hafen, mehr<br />
Schiffe an den Terminals<br />
33 Interview: Drei Fragen an Bischöfin<br />
Kirsten Fehrs<br />
33 Impressum<br />
34 Kontakte und<br />
Ansprechpersonen<br />
24 > 10 > 27 > 22<br />
24 Suizid: Der Blick aufs Schraubenwasser<br />
kann schlimme Gedanken auslösen<br />
10 Titel: Rostige Wracks faszinieren<br />
Seeleute in aller Welt<br />
27 Angst: Manchmal ganz schön trist:<br />
Immer die Container vor der Nase<br />
22 Freiwillige: Hannah und Ina erzählen<br />
aus dem Hafen von Antwerpen<br />
4 LASS FALLEN ANKER<br />
LASS FALLEN ANKER<br />
5
TITEL<br />
TITEL<br />
Den Fortschritt<br />
anerkennen<br />
Von: Ralf Nagel, Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied Verband Deutscher Reeder (VDR)<br />
Eine Werft im indischen<br />
Alang: Hier wird abgewrackt –<br />
und zwar nach europäischen<br />
Sicherheitsstandards<br />
Warum Indien heute ein guter Ort ist, um Schiffe sicher zu recyceln.<br />
Wir sollten die Werften mit internationalen Standards dort unterstützen –<br />
auch, um Zehntausende Arbeitsplätze und Familienexistenzen zu sichern<br />
6 LASS FALLEN ANKER<br />
LASS FALLEN ANKER<br />
7
TITEL<br />
TITEL<br />
Alang – Bilder und Berichte von hier gingen um die<br />
Welt. Die indische Küstenstadt liegt nördlich von<br />
Mumbai am Golf von Khambhat und ist eines der<br />
wichtigsten Zentren der weltweiten Schiffsrecyclingindustrie.<br />
Lange stand die Recyclingindustrie dort und anderswo in der<br />
Kritik, beim Zerlegen der Schiffe Umwelt- und Arbeitssicherheitsstandards<br />
nicht hinreichend zu beachten – zu Recht. Aber<br />
mittlerweile hat sich in Südasien viel geändert.<br />
Ein Grund dafür ist insbesondere das 2009 in der Internationalen<br />
Seeschifffahrtsorganisation IMO verabschiedete<br />
sogenannte „Hongkong-Übereinkommen“, welches internationale<br />
Vorschriften zum umweltgerechten und sicheren<br />
Recycling von Seeschiffen insbesondere für Werften enthält.<br />
Die „Hong Kong International Convention for the Safe and<br />
Environmentally Sound Recycling of Ships, 2009“ (HKC) ist<br />
eine Vereinbarung für weltweite Verbesserungen für umweltfreundliches<br />
Recycling von Schiffen und für die Arbeitsbedingungen<br />
in den Abbruchwerften beziehungsweise Abbruchbetrieben.<br />
Seit Verabschiedung der Konvention setzt<br />
sich die Schifffahrtsindustrie und mit ihr auch der Verband<br />
deutscher Reeder für das zügige Inkrafttreten des Übereinkommens<br />
ein. Denn dann müssten sich alle Beteiligten weltweit<br />
nach diesen Standards richten.<br />
Noch immer aber gilt die Konvention nicht. Sie tritt zwei<br />
Jahre, nachdem folgende Kriterien erfüllt sind, in Kraft:<br />
Mindestens 15 Staaten müssen sie ratifizieren, die mindestens<br />
40 Prozent der Welthandelstonnage und<br />
nicht weniger als drei Prozent Recyclingkapazität<br />
(ge messen am Durchsatz der vergangenen zehn<br />
Jahre, be zogen auf die 40 Prozent der Welthandelstonnage)<br />
repräsentieren. Doch erst acht Staaten,<br />
die nur gut 20 Prozent der Welttonnage repräsentieren, haben<br />
sie bislang (Stand Februar) ratifiziert – Deutschland hat eine<br />
Ratifikation im vergangenen Herbst angekündigt.<br />
77 von den insgesamt etwa 120 Werften in Alang er füllen<br />
mittlerweile die Vorgaben der HKC. Es hat sich viel verändert,<br />
zum Positiven, wie Delegationen aus Europa in ver gangenen<br />
Jahren, aber auch erst im Februar vor Ort deutlich sehen konnten.<br />
Werftarbeiter tragen heute Schutzkleidung und sind<br />
geschult in Arbeitssicherheit und Umweltstandards. Regelmäßig<br />
trainiert wird der Umgang mit Gefahrstoffen, die inzwischen<br />
nicht nur auf den Werften getrennt und zwischengelagert,<br />
sondern im Nachlauf fachgerecht in einer eigens<br />
ge schaffenen Gefahrgutstelle im Hinterland gesammelt<br />
und verwertet werden. Auf den Werften gibt es Sicherheitsbeauftragte,<br />
die Arbeitsabläufe kontrollieren. Staatliche<br />
Stellen prüfen regelmäßig den Umweltzustand von Wasser<br />
und Strand vor den Werften.<br />
Die Werftbetriebe in Alang mit einem Statement of Compliance<br />
haben sichtbar investiert und mittlerweile sehr hohe<br />
Standards. In vielen Arbeitsbereichen gibt es<br />
betonierte Böden mit Drainagen und Auffangvorrichtungen,<br />
um Teile aus den Schiffen<br />
umweltgerecht zerschneiden und reinigen zu<br />
können. Die Strandberührung abge trennter<br />
Schiffsteile wird auf ein Minimum reduziert,<br />
die meisten Arbeiten werden nicht auf dem<br />
Strand, sondern auf nachgelagerten, versiegelten<br />
Flächen vollzogen. Optisch zeigen<br />
sich die zertifizierten Werften sauber und geordnet<br />
und scheinen mit europäischen Betrieben<br />
auf Augenhöhe zu stehen.<br />
DIE INDISCHE SEITE gewährte den<br />
Besuchern jeweils vollen Einblick in die<br />
Recycling abläufe – nicht nur auf den von<br />
verschiedenen Klassifikationsgesellschaften<br />
mittlerweile auf Übereinstimmung mit den<br />
Standards des Hongkong-Übereinkommens<br />
zertifizierten Werften, sondern auch auf einer<br />
Vielzahl von Recyclingbetrieben, die bislang<br />
auf herkömmliche Weise ohne entsprechende<br />
Statements of Compliance arbeiten. Die<br />
EU-Delegation besuchte vor Ort auch das<br />
zentrale Trainingszentrum für Werftarbeiter<br />
sowie Gefahrgutsammelstellen.<br />
„Die EU handelt in guter Absicht,<br />
aber mit problematischen Folgen“<br />
Also eigentlich alles auf dem besten Weg?<br />
Leider nein – und das Problem liegt ausgerechnet<br />
in Europa. Denn auch die Europäische<br />
Union hat in der jüngeren Vergangenheit gehandelt.<br />
Vielleicht in guter Absicht, aber doch<br />
mit problematischen Folgen.<br />
So hat die EU zum einen eine regionale<br />
Regelung erlassen, die EU-geflaggten Schiffen<br />
ein Recycling nur noch auf solchen Werften<br />
erlauben, die EU-Standards entsprechen<br />
und auf einer speziellen europäischen Liste<br />
geführt werden. Diese Regelung gilt seit Ende<br />
vergangenen Jahres – und würde zum Beispiel<br />
fast die Hälfte der von Deutschland aus<br />
gemanagten Handelsschiffe betreffen, da an<br />
deren Heck die Flagge eines EU-Landes weht.<br />
Die EU-Kommission hält sich noch bedeckt,<br />
inwieweit auch Werftbetriebe außerhalb<br />
Europas auf die Liste kommen können. Zwei<br />
Fotos: VDR<br />
Vorzeigebetrieben in Alang jedenfalls verweigerte die EU<br />
erst kürzlich die Eintragung auf die Liste – eine aus unserer<br />
Sicht sehr schwierige Entscheidung. Indien hat Fort schritte<br />
gemacht, diese gilt es auch in Europa anzuerkennen und Anreize<br />
zu setzen, um solche Werften, die noch keine hohen<br />
Standards erfüllen, ebenfalls auf den Weg zu einer sicheren<br />
und umweltfreundlichen Verwertung von Schiffen zu bringen.<br />
Würde die EU eine Nutzung von Werften generell ausschließen,<br />
die nach der „Beaching“-Methode Schiffe recyceln,<br />
das Schiff also zum Verwerten zunächst wie in Alang auf einen<br />
Strand aufsetzen, wäre gesamt Südasien und damit drei Viertel<br />
aller weltweiten Recyclingkapazitäten von heute auf morgen<br />
für Schiffe unter EU-Flaggen nicht mehr nutzbar.<br />
Aber auch aus einem weiteren Grund wäre es eine falsche<br />
Entscheidung: Angesichts der großen Nachfrage nach Stahl<br />
in den sich entwickelnden asiatischen Volkswirtschaften hat<br />
die Recyclingindustrie eine enorme ökonomische wie auch<br />
soziale Bedeutung in Indien, aber auch in Bangladesch oder<br />
Pakistan. So leben auf dem indischen Subkontinent ganze<br />
Regionen und Wirtschaftszweige, die auf das Schiffsrecycling<br />
ausgerichtet sind, von der Stahlverwertung oder vom Weiterverkauf<br />
von Schiffsteilen und Schiffsmobiliar. Allein in Alang<br />
sind direkt bei den Werften 66 000 Menschen angestellt.<br />
Die EU sollte ihren eigenen, hehren Prinzipien folgen, Fortschritte<br />
vor Ort anerkennen und die Entwicklung in der Region<br />
weiter fördern. Es wäre kein gutes Zeichen, würde Europa den<br />
Werftarbeitern von Alang sozusagen die Jobs wegnehmen und<br />
Safety first, das gilt jedenfalls<br />
auf den meisten Abwrackbetrieben<br />
in Alang. Das<br />
Problem, sagt der Autor, liegt<br />
jetzt eher in Europa<br />
ganze Industriezweige boykottieren lassen.<br />
Unser Interesse muss sein, dass sie unter<br />
sicheren, menschenwürdigen Bedingungen<br />
arbeiten und ihre Familien ernähren können.<br />
Natürlich ist nicht alles gut in Alang.<br />
Betriebe, die bislang ohne ein sogenanntes<br />
Statement of Compliance arbeiten, haben<br />
noch einen Weg der Umrüstung und<br />
Um organisation der Werftgelände vor sich,<br />
um die Standards des Hongkong Übereinkommens<br />
zu erfüllen. Dieser Weg sollte aber<br />
auch aus Brüssel unterstützt, nicht erschwert<br />
werden. Ohne ein deutliches Zeichen aus<br />
Europa, die erreichten Veränderungen der<br />
zertifizierten indischen Werften zu honorieren<br />
und zu unterstützen, wird der Schritt zur<br />
Transformation aller Werften in Alang und darüber<br />
hinaus erheblich schwieriger werden.<br />
UNSER FAZIT: Erschwert Brüssel den<br />
Zugang zu indischen Werften, ist damit niemandem<br />
gedient. Die Betriebe in Alang und<br />
anders wo in Asien brauchen Anreize, um dem<br />
Beispiel der bereits zertifizierten Werften zu<br />
folgen. Verbote aus Brüssel sind der falsche<br />
Weg, um Fortschritte an den Stränden und<br />
für die Menschen dort zu fördern.<br />
8 LASS FALLEN ANKER<br />
LASS FALLEN ANKER<br />
9
TITEL<br />
TITEL<br />
„Ich lasse mich locken,<br />
schaue, klettere herum,<br />
lote die Stimmung aus“<br />
Da will ich rauf!<br />
Von: Ulf Wolter, Kapitän<br />
Rostige alte Pötte faszinieren den Kreuzfahrtkapitän.<br />
Man kann von ihnen lernen, sagt er – und betrachtet die Wracks<br />
nicht nur von der eigenen Brücke aus<br />
Fotos: Jürgen Hohmuth<br />
Auf-der-Durchreise-Wracks“, so nenne<br />
ich meine Begegnungen mit den<br />
rostigen Pötten. Wenn einer von<br />
ihnen in der Nähe ist, wenn die Bedingungen<br />
es zulassen, wird der Kurs spontan geändert,<br />
um diesen Plan umzusetzen. Vom eigenen<br />
Schiff aus habe ich schon viele Wracks betrachtet:<br />
aus sicherer Distanz von der Brücke<br />
mit dem Fernglas. Es ist natürlich spannender<br />
und intensiver, mit dem Wrack auf Tuchfühlung<br />
zu gehen. Manchmal gelingt das von<br />
der Landseite oder mit Hilfe eines kleinen<br />
Bootes. An einigen dieser desolaten Schiffskörper<br />
bin ich aufge entert und habe meinen<br />
Fuß an Deck gesetzt. Am liebsten allein,<br />
um ungestört zu sein. Ich bewege mich dort,<br />
neugierig zwar, jedoch stets mit besonderer<br />
Vorsicht und mit Respekt. Eigentlich sind das<br />
ja Orte, an denen ich nichts verloren habe.<br />
Trotzdem stöbere ich weiter und lasse mich<br />
locken von dem, was noch halbwegs existent<br />
und irgendwie zugänglich ist. Hinein<br />
in die Logis, den Maschinen- und Laderaum,<br />
die Brücke, die Bilge, den Kettenkasten, die<br />
Vor allem Rost hält die<br />
„Desdemona“ (links)<br />
noch zusammen.<br />
Der Frachter, 1952 in<br />
Hamburg gebaut,<br />
havarierte 1985 vor der<br />
Küste Argentiniens.<br />
Die „Logos“ bereiste als<br />
Bücher- und christliches<br />
Hilfsschiff die Weltmeere,<br />
bis sie 1988 in<br />
chilenischen Gewässern<br />
auf Grund lief<br />
10 LASS FALLEN ANKER<br />
LASS FALLEN ANKER<br />
11
TITEL<br />
TITEL<br />
Kombüse und vieles mehr von vorn bis achtern,<br />
Spant für Spant.<br />
Fotografieren will ich da gar nicht. Lieber<br />
schärfe ich die eigenen Sinne und kon zentriere<br />
mich auf die Umgebung. Auf meine Art und<br />
Weise. Alles anschauen, herum klettern, die<br />
Stimmung ausloten und aufsaugen. Auch<br />
den Geruch, der ganz eigen ist. Es riecht nach<br />
Schlick, Muscheln und Meer, ein modrigfeuchtes<br />
Milieu, rostig und schlammig zugleich.<br />
Manchmal richtig derb. Ich spüre das<br />
Besondere des Ortes. Und versuche, keinen<br />
unnötigen Lärm zu verursachen, um die<br />
Atmosphäre nicht zu stören. Wer weiß schon,<br />
welche Folgen das haben könnte?<br />
Was für dramatische Szenen mögen<br />
sich an Bord abgespielt<br />
haben, als das<br />
Unglück seinen Lauf<br />
nahm! Man liest und<br />
hört viel Unterschiedliches.<br />
Mythen und<br />
Legenden ranken sich<br />
vom Kiel bis hoch zum<br />
Masttopp. Vom <strong>Anker</strong>,<br />
der nicht hielt, dem<br />
betrunkenen Seemann,<br />
verrutschter Ladung, von lukrativen<br />
Drogengeschäften, Monsterwellen und dichtem<br />
Nebel bis hin zur Selbst versenkung ist<br />
die Rede. Endlos lang ist die Liste. Jedes Wrack<br />
erzählt seine eigene Geschichte von vergangenem<br />
Unglück. Möglichst geräuschlos,<br />
so wie ich kam, verlasse ich den magischen<br />
Ort auch wieder. Ohne Fotos, dafür mit reichlich<br />
Impressionen.<br />
WRACKS, die aus dem Wasser ragen,<br />
rotten häufig weit weg von jeglicher Zivilisation<br />
auf abgelegenen Untiefen oder schwer<br />
zugänglichen Inseln und Küstenabschnitten<br />
vor sich hin. So ist nur wenigen Menschen<br />
der Blick, geschweige denn der direkte Zugang<br />
auf solche rostigen Kähne vergönnt. Das<br />
sind meine Lieblingswracks. Die exotischen<br />
Destinationen an Bord meines Schiffes, weit<br />
abseits vielbefahrener Routen, ermöglichen<br />
mir immer wieder einen Wrackbesuch hautnah,<br />
sofern das Wetter und die Zeit dieses erlauben.<br />
Ein Privileg! Viele von diesen maroden<br />
Schiffskörpern beobachte ich seit einigen Jahren<br />
und erlebe den kontinuierlichen Verfall.<br />
Mitunter bin ich überrascht von der guten Genetik<br />
einiger dieser rostigen Pötte. Sie halten<br />
sich erstaunlich gut, obwohl doch Wasser und<br />
Wetter immerzu an ihnen nagen. Jedenfalls<br />
kehre ich mit gespannter Erwartung immer<br />
wieder gern an solche Orte zurück.<br />
ALS SEEMANN kann ich von Wracks<br />
etwas lernen. Da bin ich mir sicher. Sie lehren<br />
und mahnen mich stoisch, vorsichtig und<br />
verantwortungsvoll mit dem eigenen Schiff<br />
umzugehen. Damit das Schicksal nie brutal<br />
zuschlagen möge, damit ich immer auf dem<br />
rechten Kurs mit ausreichend Wasser unterm<br />
Kiel bleibe. Und dann<br />
„Legenden<br />
ranken sich vom<br />
Kiel bis in<br />
den Masttopp“<br />
Ulf Wolter, Kapitän<br />
geht es bei meinen Wrackbesuchen<br />
auch um Demut<br />
und Wertschätzung<br />
gegenüber dem Meer, diesem<br />
kostbaren und wunderschönen<br />
Element. Da<br />
habe ich Gewissheit!<br />
Das Zusammenspiel<br />
von Meer und fulminanter<br />
Landschaft verleiht den<br />
Wracks oft eine magische Ausstrahlung.<br />
Hinzu kommt der Einfluss von Sonne und<br />
Wolken, das gesamte Wettergeschehen lässt<br />
den reglosen Schiffskörper in besonderem<br />
Licht erscheinen. Manchmal hilft sogar der<br />
Mond mit. Diese Atmosphäre greift Jürgen<br />
Hohmuth auf und vermittelt sie mit seinen<br />
Fotos. Sie sind eindeutig und klar, traurig und<br />
schön zugleich. Es sind Bilder, Stimmungen<br />
und Momentaufnahmen. Man sieht: Es geht<br />
auch um Leben und Tod. Erst durch solche ausdrucksstarken<br />
Aufnahmen versteht man den<br />
Mythos von „Wracks am Ende der Welt“.<br />
Ulf Wolter, 52, früher MS Europa 2, wird jetzt<br />
Kapitän auf dem neuen Expeditionsschiff<br />
„Hanseatic Inspiration“, ebenfalls Hapag-<br />
Lloyd. Er stammt von der Elbinsel Krautsand,<br />
auch sein Vater, Großvater und Urgroßvater<br />
waren Kapitäne. Für das Buch „Wracks am<br />
Ende der Welt“ (2012, vergriffen) hat er den<br />
Text geschrieben. Die Bilder auf diesen Seiten<br />
stammen aus diesem Buch.<br />
Fotos: HL Cruises<br />
Foto: Christian Faesecke<br />
Hinter den Reisfeldern<br />
Rund 150 000 Menschen leben von der Schiffsverschrottung<br />
in Bangladesch nahe der Millionenstadt Chittagong.<br />
Christian Faesecke war dort<br />
Von Weitem erblicke ich<br />
Schiffsbrücken zwischen<br />
den Baumkronen“, erzählt AUSSTELLUNG<br />
Christian Faesecke von seiner Reise<br />
nach Bangladesch. „Die zartgrünen<br />
Reisfelder gehen über in einen Highway,<br />
zu dessen Seiten sich Fabrikhallen<br />
und Hütten miteinander verflechten.“<br />
Auf der Straße angekommen,<br />
entdeckt er in den zahllosen aneinandergereihten<br />
Hütten Verkaufsflächen<br />
für Schiffsbauteile. Da kann<br />
man wirklich alles erwerben, was einmal<br />
an Bord der am Strand demontierten<br />
Schiffe war: Maschinenblöcke, Inneneinrichtungen,<br />
Rollen benutzter Kabel, Navigationsinstrumente, Rettungsringe<br />
und Feuerlöscher. Manchmal sind darauf sogar noch<br />
die verblichenen Namen der einstigen Schiffe zu entziffern.<br />
Christian Faesecke, 1979 in Kiel geboren, ist gelernter Orthopädie-Techniker<br />
und baut seit über zehn Jahren Beinprothesen<br />
für Menschen nach Amputationen. Früh war sein<br />
„Chittagong. Schlachthof der<br />
Schiffe“ heißt die Fotodokumentation<br />
von Christian Faesecke. Sie<br />
ist während des Kirchentags in<br />
Dortmund vom 20. bis 22. Juni in<br />
der Passage der Westfalenhalle,<br />
Innenstadt West, zu sehen.<br />
Am Strand<br />
nahe<br />
Chittagong<br />
wird abgewrackt.<br />
Die Teile kann<br />
man dann<br />
an der Straße<br />
kaufen<br />
Interesse an Reisen in ferne Länder<br />
erwacht. Sie führten ihn zunächst<br />
nach Mittel- und Südamerika, dann<br />
nach Kenia und Dubai und später<br />
nach Indien und Bangladesch. In seinen<br />
Fotoreportagen beleuchtet er<br />
die Hintergründe der globalen Warenproduktion,<br />
die Verwertungskette<br />
und zeigt die Arbeitsbedingungen der<br />
Menschen, die von den Verbrauchern<br />
der Produkte nicht gesehen oder nicht<br />
wahrgenommen werden.<br />
Christian Faesecke hat auch die<br />
Schiffsverschrottung in Bangladesch<br />
dokumentiert, wo Containerschiffe in monatelanger Handarbeit<br />
abgewrackt werden.<br />
Die Ausstellung (auch das Titelbild dieser Ausgabe von<br />
„<strong>Lass</strong> fallen <strong>Anker</strong>“ gehört dazu) wird während des Kirchentags<br />
in Dortmund zu sehen sein. Anschließend können<br />
Stationen der Seemannsmission, interessierte Kirchengemeinden<br />
und Gruppen die Ausstellung ausleihen. <br />
12 LASS FALLEN ANKER<br />
LASS FALLEN ANKER<br />
13
GEISTLICHES WORT<br />
SIMAGNAM ASPELITAS MELDUNGEN AM WASSER<br />
Gott, der du stillst<br />
das Brausen des Meeres,<br />
das Brausen seiner Wellen<br />
und das Toben der Völker.<br />
(PSALM 65,8)<br />
Von: Olav Fyske Tveit<br />
Als Pfarrer auf vier Inseln an der<br />
Westküste Norwegens wurde ich<br />
jeden Sonntag an die besonderen<br />
Existenz bedingungen am Meer erinnert. In<br />
jeder Kirche hing ein Schiffsmodell in der<br />
Mitte des Gebäudes von der Decke herab.<br />
Mindestens zwei wichtige Botschaften wurden<br />
damit ausgedrückt:<br />
Erstens: Das Meer bietet die Möglichkeiten<br />
für das Leben der Menschen an der<br />
Küste und auf See: Essen, Arbeit, Verdienst,<br />
Wohlstand, Kommunikation, Erfahrungen<br />
und das Kennen lernen anderer Kulturen und<br />
Kontinente. Aber Fernweh wird zum Heimweh<br />
mit wachsendem Abstand zur Heimat und zur<br />
Familie. Am Meer lauern auch Gefahren und<br />
manchmal unbekannte Risiken. Menschen am<br />
Meer wissen auch von Katastrophen und Tod.<br />
Zweitens: Das Schiff erinnerte zugleich<br />
daran, dass Gott uns alle als Kirche wie die<br />
Mannschaft eines Schiffes mit an Bord nimmt<br />
und miteinander versammelt. Gott gibt uns<br />
Weggeleit, sagt die Richtung an und führt<br />
das Schiff durch Sturm und Wellen – in allen<br />
Jahren, in allen Zeiten, bei jedem Wetter.<br />
ICH FRAGTE MICH: Wie hängen diese<br />
zwei Botschaften zusammen? Was verbindet<br />
unser tägliches Leben angesichts des Meeres<br />
mit seinen Möglichkeiten und drohenden Gefahren<br />
mit unserem Verhältnis zu Gott, zu<br />
Gottes Liebe, Gottes Schutz, Gottes Rettung<br />
und Heilung in der Kirche?<br />
Dr. Olav Fykse Tveit ist<br />
lutherischer Theologe<br />
und Pastor in Norwegen<br />
und Generalsekretär des<br />
Ökumenischen Rates<br />
der Kirchen.<br />
Ganz oft kamen für mich die Antworten auf<br />
meine Fragen in der Kirche nicht von ausgefeilten<br />
Texten oder dogmatischen Lehren<br />
der Kirche. Antworten leuchteten oft in den<br />
Fragen selbst auf, wenn sie an Gott gerichtet<br />
wurden. Ich fand sie in Gebeten, die die versammelte<br />
Gemeinde sprach, als Gefühl der<br />
Geborgenheit in der Gemeinschaft und in den<br />
Rufen um Hilfe – gerade auch mit den Worten<br />
der Bibel, insbesondere den Psalmen, oder im<br />
Schatz der Lieder und Gesänge der Gemeinde.<br />
Gott hat uns für das Leben in dieser Welt<br />
geschaffen – auch für das Leben am Meer.<br />
Fischern und Seeleuten gibt es das tägliche<br />
Brot. Aber nie und nirgendwo<br />
ist unser Leben ohne Risiken<br />
und Gefahren. Auch die<br />
Schöpfung, sagt der Apostel<br />
Paulus im achten Kapitel des<br />
Römerbriefes, leidet mit uns<br />
und hofft auf die Befreiung<br />
durch Gott. Trotz allem: Nie<br />
und nirgendwo sind unsere<br />
Tage ohne Gott, ohne den<br />
hörenden Gott, den Gott, der<br />
uns die Botschaft der Liebe<br />
Christi mit auf den Weg gibt<br />
durch sein Wort, wie es in der<br />
Kirche verkündigt wird.<br />
Du bist nicht allein. Du<br />
bist geliebt, so dass auch du<br />
lieben kannst in dieser Welt.<br />
Auch am Meer.<br />
Foto: Albin Hillert<br />
Fotos: Seemannsheim, 1930, Holzhafen: Staatsarchiv Hamburg, 720-1_00729_19; privat<br />
Die ICMA Weltkonferenz<br />
findet vom 21. bis 25. Oktober<br />
in Kaohsiung in Taiwan statt.<br />
„50 Jahre Zusammenarbeit<br />
für Seeleute, Fischer und ihre<br />
Familien“ heißt das Thema.<br />
Die Internationale Christliche<br />
Maritime Assoziation ist<br />
ein freier Zusammenschluss<br />
von christlichen Non-Profit<br />
Organisationen, die für das<br />
Wohl von Seeleuten in aller<br />
Welt arbeiten. Die ICMA<br />
wurde 1969 gegründet und<br />
repräsen tiert derzeit mehr<br />
als 4590 Seemannsmissionen<br />
und 900 Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter in 125 Ländern.<br />
Während der Konferenz in<br />
Taiwan wird das 50-jährige<br />
Bestehen der Kooperation<br />
gefeiert. Und der Termin für<br />
die nächste westeuropäische<br />
Regional konferenz steht<br />
auch schon fest: 6. bis 8. Mai<br />
2020 in Antwerpen.<br />
Jetzt hat er einen Namen: Der ökumenische<br />
Seemannsclub in Brake heißt nun „ Seamensclub<br />
Pier One“. Gemeinsam haben die Deutsche<br />
Seemannsmission Unterweser und Stella Maris<br />
Bremen Namen und Logo entwickelt. Beide<br />
gewährleisten auch die regelmäßigen Öffnungszeiten<br />
an sechs Tagen in der Woche. Der Club<br />
wurde 2006 eröffnet. Er liegt innerhalb des<br />
ISPS-Bereiches des Braker Hafens. Im Jahr 2018<br />
konnten 2654 Seeleute im Club begrüßt werden.<br />
In der „Fischer- und Schifferstube“<br />
am Hamburger<br />
Fischmarkt begann 1898<br />
die Geschichte der Altonaer<br />
Seemannsmission. Ein<br />
neues Buch erzählt viele<br />
spannende Details: das Wirken<br />
der legendären Seemannspastoren<br />
Jungclaussen, Thun,<br />
Kieseritzky und Osterwald.<br />
Den Kampf gegen die Nazis,<br />
die eigene Seemannskirche,<br />
die Pamir-Katastrophe. Außerdem<br />
viele Facts zur Clubarbeit<br />
in den 1960ern ebenso wie<br />
zur Kreuzfahrerbetreuung in<br />
der Sea farers’ Lounge.<br />
Arnd Ziemer, Leon Ziemer:<br />
Große Elbstraße 132 – wo Seeleute<br />
ankern. Geschichte der<br />
Seemannsmission Hamburg-<br />
Altona, 272 S., 389 Abb.<br />
14 LASS FALLEN ANKER<br />
LASS FALLEN ANKER<br />
15
INTERVIEW<br />
INTERVIEW<br />
„Mehr Fortbildung<br />
und Austausch“<br />
Christoph Ernst ist „der Neue“ – und will sich vor<br />
allem um die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter<br />
in den Stationen weltweit kümmern<br />
Die Gangway ist der<br />
Zugang zum Schiff –<br />
und zu den Seeleuten<br />
Sie sind seit 1. März Generalsekretär<br />
der Deutschen Seemannsmission.<br />
Wie haben Sie<br />
die ersten Wochen im neuen<br />
Amt erlebt?<br />
Christoph Ernst: Es ist für mich alles<br />
ganz neu und Tag für Tag hoch spannend.<br />
Ich bin schon vielen und überaus engagierten<br />
Kolleginnen und Kollegen begegnet, die eine ganz<br />
großartige Arbeit leisten. Ich bin auch dankbar, dass<br />
ich vom Bonus eines Newcomers profitieren darf<br />
und alle noch Geduld mit mir haben, also nicht alle<br />
Heraus forderungen in den ersten Tagen angegangen<br />
werden müssen.<br />
Was sind das für Herausforderungen?<br />
Manchmal wird die Arbeit der Deutschen Seemannsmission<br />
in der Öffentlichkeit zu wenig gesehen, oder<br />
es werden auch kurzsichtige Schlüsse gezogen. So<br />
sind einige Kirchen in Zeiten von Sparbemühungen<br />
nur sehr zögerlich, die Seemannsmission finanziell<br />
zu unterstützen, weil sie meinen, das sei Aufgabe der<br />
Kirchen an der Küste. Aber auch die Waschmaschinen<br />
aus Gütersloh, die in die ganze Welt exportiert und<br />
mit denen natürlich auch Kirchensteuern generiert<br />
werden, kommen nicht ohne Containerschiffe an ihre<br />
Bestimmungsorte. Gerade im Blick auf Öffentlichkeits-<br />
und Aufklärungsarbeit gibt es also viel zu tun.<br />
Was war Ihre Motivation, dieses neue Amt<br />
anzutreten?<br />
Kirche muss sich dort positionieren, wo sie Außenwirkung<br />
erzielt. Sie muss sich gerade um die kümmern,<br />
die vielleicht mit Kirche erst mal gar nichts zu tun haben.<br />
Diese Schnittstelle zwischen Kirche und Gesellschaft<br />
war mir immer besonders wichtig, und die<br />
Arbeit der Deutschen Seemannsmission ist genau<br />
an dieser Schnittstelle angesiedelt. Die Seeleute, die<br />
wir betreuen und die unter schwierigsten Bedingungen<br />
arbeiten, sind häufig keine deutschen Staatsbürger.<br />
Trotzdem haben wir für sie eine besondere<br />
Verantwortung, denn unser Wohlstand als Exportnation<br />
wäre ohne die Seefahrt undenkbar. Im Binnenland<br />
macht sich doch kaum jemand bewusst, dass<br />
90 Prozent des Welthandels über die Ozeane abgewickelt<br />
werden. Gerade deshalb muss die Fürsorge für<br />
die Seeleute, die mit ihrer harten und gefährlichen<br />
Arbeit fernab ihrer Familien unseren Lebens standard<br />
mit ermöglichen, selbstverständlich sein. Dafür<br />
stehen wir als Seemannsmission.<br />
Stammen Sie selbst von der Küste?<br />
Nein, ich bin in Görlitz in der Oberlausitz aufgewachsen<br />
und habe die ersten 25 Jahre in der DDR gelebt. In<br />
den vergangenen neun Jahren war ich als Referent der<br />
Evangelischen Kirche in Deutschland für die deutschsprachigen<br />
Gemeinden in Nord- und Westeuropa zuständig.<br />
In dieser Region gibt es einige Stationen der<br />
Deutschen Seemannsmission, die mit den deutschsprachigen<br />
Gemeinden verbunden sind, insofern gab<br />
es Kontakte. Auch davor hatte ich ein ausgeprägtes<br />
ökumenisches Interesse, das mag an meiner Kindheit<br />
und Jugend in der vergleichsweise engen DDR liegen.<br />
Ich war von 2003 bis 2010 Pfarrer der deutschsprachigen<br />
Gemeinde in Ottawa in Kanada, und während<br />
meines Studiums verbrachte ich ein Jahr im kalifornischen<br />
Berkely, wo ich jeden Tag von der Dachterrasse<br />
des Wohnheims aus die Containerschiffe unter der<br />
Golden Gate Bridge hindurchfahren sah. Den Hamburger<br />
Hafen habe ich erst viel später kennengelernt.<br />
Wie sind Sie überhaupt zur Theologie<br />
gekommen?<br />
Nicht ohne Umwege. Ich komme aus einem behüteten<br />
ostdeutschen Pfarrhaus, war daher nicht<br />
in der Staatsjugend FDJ, habe auch keine Jugendweihe<br />
mitgemacht und wurde dann in der DDR auch<br />
nicht für eine zum Abitur führende Schule vorge<br />
Fotos: Martina Platte<br />
„Mit ihrer harten<br />
und gefährlichen Arbeit<br />
sichern die Seeleute<br />
unseren Lebensstandard“<br />
schlagen. Da ich ohnehin ein eher praktisch veranlagter<br />
Mensch bin, habe ich eine Tischlerlehre gemacht<br />
und danach auch als Tischler gearbeitet. Später wollte<br />
ich doch noch etwas anderes machen und wurde<br />
erstmal „Filmmissionar“ beim Evangelischen Jungmännerwerk<br />
Magdeburg.<br />
Was hat man sich denn darunter vorzustellen?<br />
Das bedeutete, dass ich praktisch jeden Tag in einer<br />
anderen Kirchengemeinde in der DDR einen Film vorgeführt<br />
habe. Das hieß „Filmfeierstunde“, es begann<br />
immer mit einem Kirchenlied und endete nach dem<br />
Film mit Gebet und Segen. Nur so galt es als gottesdienstliche<br />
Veranstaltung, für die man keine staatliche<br />
Genehmigung brauchte. Ich war immer drei Wochen<br />
auf Tour und hatte dann eine Woche frei. So habe ich<br />
jeden Tag ganz unterschiedliche Gemeinden kennengelernt.<br />
Schließlich habe ich dann doch nach langem<br />
Zögern angefangen, am Theologischen Seminar in<br />
Leipzig zu studieren. Im fünften Semester kam die<br />
Wende, und da ich ostdeutsche Kirchen zur Genüge<br />
kannte, bin ich zum Studium nach Bochum gegangen<br />
und wurde später Pfarrer in der westfälischen Landeskirche,<br />
bevor es mich nach Kanada verschlug.<br />
Wo sehen Sie in nächster Zeit Ihre<br />
vordringlichen Aufgaben als Generalsekretär?<br />
In erster Linie sehe ich es als meine Aufgabe, mich<br />
um die Menschen zu kümmern, die als Haupt- und<br />
Ehrenamtliche in unseren Stationen weltweit Dienst<br />
tun. Wir sollten für sie verstärkt Möglichkeiten der<br />
Fortbildung und des Austauschs schaffen, denn es ist<br />
ein wirklich schwerer, anspruchsvoller und zu weilen<br />
auch einsamer Dienst. Wir denken im Zeitalter der<br />
Digitalisierung auch über Möglichkeiten von Teleseelsorge<br />
nach, denn die Verweildauer der Schiffe in<br />
den modernen Häfen wird immer kürzer. Außerdem<br />
gehört es zu den wichtigen Aufgaben des Generalsekretärs,<br />
gemeinsam mit dem Vorstand die Seemannsmission<br />
in der Öffentlichkeit zu repräsentieren.<br />
Das ist auch insofern wichtig, als wir in Zukunft noch<br />
stärker als bisher auf außerkirchliche Unter stützung<br />
angewiesen sein werden.<br />
Der Vorstand der Deutschen Seemanns mission<br />
hat im vergangenen Jahr beschlossen, die<br />
Geschäftsstelle von Bremen nach Hamburg<br />
zu verlegen. Wann wird es soweit sein?<br />
Zunächst einmal: Die Entscheidung ist das richtige<br />
Signal, denn Hamburg ist die deutsche Hafenstadt<br />
par excellence, in der es gleich drei Stationen der<br />
Seemannsmission gibt und in der auch viele unserer<br />
Partner aus Reedereien und Politik ansässig sind. Ein<br />
neuer Standort ist auch deshalb nötig, weil das Gebäude<br />
in Bremen, in dem unsere Geschäftsstelle viele<br />
Jahre zu Hause war, verkauft und abgerissen worden<br />
ist und wir zurzeit nur zur Untermiete in den Räumen<br />
des Diakonischen Werkes in Bremen untergebracht<br />
sind. Ich hoffe, dass der Umzug im kommenden Jahr<br />
stattfinden kann, dafür suchen wir gerade geeignete<br />
Räumlichkeiten. Aber ich bin da zuversichtlich und<br />
habe auch schon Ideen, die allerdings noch nicht ganz<br />
spruchreif sind. Interview: Reinhard Mawick<br />
16 LASS FALLEN ANKER<br />
LASS FALLEN ANKER<br />
17
SEERECHT<br />
SEERECHT<br />
„Es gibt<br />
kein Recht<br />
der Natur“<br />
Wo treffen sich See- und Völkerrecht? Welche Risiken birgt die unbemannte<br />
Schifffahrt? Andrew Serdy lehrt Seerecht in Southampton. Ihn fasziniert an<br />
seinem Fachbereich die Kombination mit Politik und Wirtschaft<br />
Professor Andrew Serdy lehrt an<br />
der Universität von Southampton<br />
Internationales Recht und<br />
„Ocean Governance“.<br />
Professor Serdy, was bedeutet „Law of the<br />
Sea“? Haben die See, das Meer, die Ozeane,<br />
wirklich ein eigenes Recht?<br />
Andrew Serdy: Den Gedanken des freien Meeres (mare<br />
liberum), das Zugang für alle bietet, vertrat 1609 erstmals<br />
der niederländische Jurist und Theologe Hugo<br />
Grotius. Doch gerade da, wo die Hoheitsgewalt<br />
fehlt und alle sich noch immer mehr oder weniger<br />
frei bewegen dürfen, braucht es einen Rahmen zur<br />
Verhütung des juristischen Vakuums. Dazu sind die<br />
Weltmeere immerhin in acht Zonen eingeteilt. Das<br />
Seerecht behandelt in diesem Umfeld die Balance von<br />
Rechten und Pflichten im Miteinander der Staaten.<br />
Sind alle Länder betroffen oder nur die mit<br />
direktem Zugang zum Meer?<br />
Zwischen den Küstenstaaten und den Flaggenstaaten<br />
der Schiffe ergibt sich natürlich eine besondere Spannung.<br />
Manchmal findet sich sogar der gleiche Staat in<br />
anderer Umgebung selbst in der entgegengesetzten<br />
Rolle wieder. Die Antwort auf die Frage „Wer setzt die<br />
Regeln?” hängt darum davon ab, wie weit entfernt man<br />
sich von einer Küste aufhält und was man dort anstellt.<br />
Es geht hier auch um die Klärung der exakten Ausdehnung<br />
der genannten Zonen. Dieser Klärungsprozess<br />
schafft Sicherheit, wenn die Grenzen zur Trennung<br />
der Zonen auf Seekarten richtig eingezeichnet sind.<br />
Für die Seemannsmission steht Beachtung der<br />
Menschenrechte auf See, an Bord und im Hafen<br />
im Mittelpunkt. Könnten wir gemeinsame<br />
Sache machen? Oder gibt es auch Widersprüche<br />
zwischen diesen beiden Rechtsfeldern?<br />
Zunächst einmal gibt es kein Recht in der Natur. Im<br />
Laufe der Jahrhunderte haben Menschen es für Menschen<br />
konstruiert. So auch das Völkerrecht, das sich<br />
Fotos: Martina Platte<br />
um das Verhältnis von Staaten zueinander bemüht.<br />
Die allerdings sind abstrakte Gebilde, was allzu oft<br />
vergessen wird.<br />
See- und Völkerrecht gehören also zusammen?<br />
Glücklicherweise gehört es zu den Grundprinzipien des<br />
Völkerrechts, Verträge zur Behandlung eines Problems<br />
von internationalem Interesse möglichst komplementär<br />
und kumulativ zu behandeln. Vertragswerke setzen<br />
also aufeinander auf. Daher dürfen wir erst mal voraussetzen,<br />
dass die Menschenrechte und das Seerecht<br />
komplett miteinander vereinbar sind. Wenn es dann<br />
doch zu Unklarheiten kommt, wird nach einem Konsens<br />
gesucht. Das Problem ist also eine Frage der Einstellung:<br />
Wer das, was das eine Feld vorsieht, als unerwünschten<br />
Eingriff in das andere Feld betrachtet, hat<br />
in der Regel eine zu enge Sicht auf ein einzelnes Thema.<br />
Dabei ist es immer besser – wie auf der Brücke eines<br />
Schiffes – den Blick auf den ganzen Horizont zu richten.<br />
Über zehn Jahre haben wir Erfahrungen mit<br />
der „Maritime Labour Convention“ gesammelt,<br />
die aus unserer Sicht ein wichtiger Meilenstein<br />
für die Rechte der Seeleute ist. Wie schätzen<br />
Sie die künftigen Perspektiven der darin<br />
getroffenen Vereinbarungen inzwischen ein?<br />
Keine internationale Konvention dürfte für alle Zeiten<br />
perfekt sein. Gerade in einem dynamischen Umfeld<br />
wie dem der Beschäftigungsbedingungen an Bord<br />
müssen wir immer neue Entwicklungen berücksichtigen,<br />
wenn die Konvention als Instrument nicht veralten<br />
soll.<br />
Ein Beispiel?<br />
Seit 2006 wurden drei Änderungen der MLC vereinbart,<br />
von denen die ersten beiden bereits in Kraft sind.<br />
Die dritte zu den arbeitsrechtlichen Konsequenzen<br />
von Piraterie hat die besten Chancen, bald zu folgen.<br />
Das heißt, diese Konvention ist flexibel genug?<br />
Ja, ich finde die Verfasser weise, weil das Änderungsverfahren<br />
so konzipiert ist, dass es recht schnell über<br />
die Bühne geht. In anderen Feldern des Völkerrechts<br />
ist solch ein Prozess oft mühsamer. Viele Änderungsanträge<br />
ziehen sich vor Inkrafttreten ein Jahr zehnt<br />
oder mehr in die Länge, bevor bestimmte Be dingungen<br />
zum Inkrafttreten erfüllt sind – und manchmal werden<br />
sie niemals erfüllt.<br />
Einen nächsten Schritt bildeten die „Rotterdam<br />
Rules“ von 2008 – welche Bedeutung haben<br />
diese Regeln, auf die sich die Generalversammlung<br />
der UN schon geeinigt hat, und warum<br />
sind sie noch nicht von ausreichend Staaten<br />
unterzeichnet oder gar ratifiziert worden?<br />
Ziel der Rotterdamer Regeln war die weltweite Einigung<br />
über ein einheitliches Regelwerk, das alle Schritte<br />
der Beförderung von Waren via Seeschifffahrt abdeckt,<br />
sogar einschließlich der ersten und der letzten Etappe<br />
an Land. Die drei vorangegangenen Regelwerke – die<br />
ursprüngliche Haager Regelung 1924, ihre Aktualisierung<br />
1968 (Haag-Visby) und das Hamburger Übereinkommen<br />
1978 – wendeten sich jeweils an eine<br />
andere unter den Interessengruppen der Schifffahrtsindustrie.<br />
Die Rotterdamer Regeln waren ein Versuch,<br />
einen für alle akzeptablen Kompromiss zu finden, der<br />
sogar das Internet einbezieht.<br />
Eigentlich sollten auch die USA beitreten, aber<br />
das ist bis jetzt nicht geschehen.<br />
Ja, es war die Hoffnung, dass dann viele andere nachziehen<br />
würden. Möglicherweise ist dies der nun noch<br />
fehlende, jedoch not wendige<br />
Anreiz. Andererseits wird das<br />
„Arbeitsplätze<br />
an Bord gibt es<br />
vielleicht bald<br />
nicht mehr“<br />
bloße Erreichen der Zahl von<br />
20 Vertragsstaaten, die für<br />
das Inkrafttreten erforderlich<br />
sind, nur noch eine vierte<br />
Option zu den bestehenden<br />
drei hinzufügen. Dann würde<br />
das Ziel der Einigung nicht erreicht<br />
werden – es sei denn,<br />
es würde noch viel mehr Beitrittsstaaten anziehen.<br />
Sie sind in Australien geboren, haben ungarische<br />
Vorfahren, in Deutschland studiert und<br />
forschen und lehren jetzt in Großbritannien.<br />
Ich bekam mit Anfang 30 die Chance, in das Seerecht<br />
zu wechseln. Mich fasziniert die Kombination<br />
aus rechtlichen, wissenschaftlichen, wirtschaft lichen<br />
und politischen Fragen. Und so habe ich mich darauf<br />
spezialisiert.<br />
Was bewegt Sie persönlich mit Blick auf die<br />
aktuelle Lage der Weltmeere, der Schifffahrt<br />
und der Seeleute?<br />
Meiner Ansicht nach besteht das größte Risiko für<br />
die Seefahrt in der Entwicklung der unbemannten<br />
Schifffahrt. Der Seehandel wird weiterhin be stehen,<br />
da dies die effizienteste Art ist, Güter und Waren über<br />
die ganze Welt hinweg zu transportieren. Aber wahrscheinlich<br />
werden Arbeitsplätze an Bord von Schiffen<br />
durch Kontrollzentren an Land ersetzt werden. Es<br />
gibt zwar immer noch „Besatzungen“, die aber werden<br />
sich an Land aufhalten. Die damit verbundenen<br />
Beschäftigungs probleme werden ganz anderer Art sein<br />
als die bisher bekannten – im Moment ist dies aber<br />
noch nicht vorhersehbar. Interview: Jan Janssen<br />
18 LASS FALLEN ANKER<br />
LASS FALLEN ANKER<br />
19
KIRCHENTAG<br />
MELDUNGEN<br />
Auch bei<br />
schwerer See<br />
„Was für ein Vertrauen“ ist das Motto<br />
des Evangelischen Kirchentags.<br />
Und Vertrauen ist etwas, was wir<br />
von den Seeleuten lernen können.<br />
Auch im Ruhrpott<br />
Der Evangelische Kirchentag findet<br />
dieses Jahr in Dortmund<br />
statt. Für einen Münchner beispielsweise<br />
ist das schon Norddeutschland.<br />
Andere würden eher sagen: „Das<br />
liegt doch mitten in Deutschland.“ Und<br />
tatsächlich, die Verbindung Dortmund<br />
und Seefahrt springt einem nicht auf<br />
den ersten Blick ins Auge. Doch Dortmund<br />
ist eine alte Hansestadt, hier ist<br />
der größte Kanalhafen Europas, und eine<br />
halbe Stunde entfernt liegt mit Duisburg<br />
ein Standort der Seemannsmission.<br />
Auch Dortmund lebt also am Puls<br />
des weltweiten Handels, der über<br />
Schiffe abgewickelt wird, selbst wenn<br />
Hans Leyen decker,<br />
70, vielfach<br />
preisgekrönter<br />
investigativer<br />
Journalist,<br />
ist Präsident des<br />
37. Deutschen<br />
Evangelischen<br />
Kirchentags<br />
in Dortmund<br />
die Container riesen hier nicht anlegen.<br />
Im Grunde genommen muss man aber<br />
sagen – egal ob Hafenstadt oder Alpendorf:<br />
Wir leben alle von dem, was die<br />
großen Schiffe bringen.<br />
AUF DEN SCHIFFEN arbeiten<br />
weltweit gesehen unzählige Menschen,<br />
tagein tagaus, über viele Monate oft in<br />
großer Einsamkeit, damit wir um die<br />
Ecke kaufen können, wonach uns ist –<br />
und die meisten wissen noch nicht mal<br />
davon.<br />
Das ist nicht nur eine harte Arbeit,<br />
sondern auch eine von vielen nicht gesehene<br />
Arbeit.<br />
Mit harter Arbeit kennt man sich in<br />
Dortmund aus. Hier kann man mit dem<br />
Wort „malochen“ etwas anfangen, und<br />
hier wurde im Strukturwandel vieles<br />
nicht gesehen, viel Arbeit nicht anerkannt.<br />
Aber heute sieht Dortmund anders<br />
aus und steckt voller Aufbrüche.<br />
Das ist einer der Gründe, wieso wir<br />
den Kirchentag in Dortmund unter<br />
die Losung „Was für ein Vertrauen“<br />
(2. Könige 18,19) gestellt haben.<br />
Das Zitat stammt aus einer Geschichte,<br />
in der Jerusalem von einer<br />
großen Armee belagert wird. In dieser<br />
Situation gibt König Hiskia nicht auf,<br />
sondern vertraut auf Gott. Was Hiskia<br />
da tut, ist nicht einfach. Vertrauen auf<br />
Menschen und auf Gott ist immer<br />
ein Wagnis, denn nur dann wirklich<br />
wichtig, wenn ich mir selbst nicht sicher<br />
bin. Wenn ich alles sicher im Griff hätte,<br />
müsste ich niemandem vertrauen. Aber<br />
Hiskia vertraut Gott in aussichtsloser<br />
Lage – es ist ein Trotzdem-Vertrauen.<br />
Am Ende wird er recht behalten, die<br />
Stadt fällt nicht.<br />
ICH BEWUNDERE dieses Vertrauen<br />
und finde es unheimlich wichtig,<br />
für mich persönlich, aber auch für<br />
die Gesellschaft. Das ist, glaube ich,<br />
etwas, was ich und viele, die nicht zur<br />
See fahren, von den Seeleuten lernen<br />
können. Dieses Trotzdem-Vertrauen.<br />
Im Angesicht der Naturgewalten, der<br />
harten Arbeit und der Trennung von<br />
Familie und Freunden. Vertrauen, dass<br />
sie behütet bleiben, dass sie durchhalten<br />
und dass ihre Lieben sie im Herzen<br />
haben.<br />
Ich wünsche mir, dass der Kirchentag<br />
in Dortmund, zu dem wir über<br />
100 000 Teilnehmer erwarten, auch<br />
ein Ort sein wird, an dem wir gegenseitig<br />
unser Vertrauen stärken, auch unser<br />
Trotzdem-Vertrauen in schwierigen<br />
Zeiten. Und es dann exportieren, in die<br />
Stadt, in unser Land und vielleicht ja<br />
auch auf See. Einen Hafen dafür gäbe es<br />
in Dortmund zumindest schon mal.<br />
Fotos: Robert Gross, privat (2)<br />
Das Havariekommando und die Deutsche<br />
Seemannsmission Hannover haben ihre<br />
Zusammenarbeit auf eine neue Ebene<br />
gehoben und arbeiten bei der maritimen<br />
Notfallvorsorge noch enger zusammen.<br />
Das Havariekommando ist eine gemeinsame<br />
Einrichtung des Bundes und der<br />
Küstenländer zum Unfallmanagement auf<br />
Nord- und Ostsee. Durch neue vertragliche<br />
Bindungen können die Mitglieder der<br />
Seemannsmission nun noch tiefer in die<br />
Struktur der Vorsorge integriert werden.<br />
Drei Fachberater der Seemannsmissionen<br />
Bremerhaven und Cuxhaven werden das<br />
Havariekommando unterstützen und<br />
die Betreuung von Betroffenen und<br />
Einsatzkräften während einer komplexen<br />
Schadenslage koordinieren.<br />
Die Nordsee-Bibel ist in der zweiten Auflage.<br />
Am Anfang waren Bilder vom Meer: keine<br />
kitschigen Postkartenansichten, sondern<br />
lebensnahe, aufwühlende Bilder des Malers<br />
Hermann Buß. Dann kamen kurze, biblische<br />
Texte dazu – und schließlich persönliche<br />
Betrachtungen von Theologinnen und<br />
Theologen. So entstand ein ungewöhn liches<br />
Projekt: die Nordsee-Bibel, kraftvolles<br />
Zeugnis des Ringens um einen Glauben,<br />
der sich den großen Fragen des Lebens stellt.<br />
Das Buch ist überall im Buchhandel und<br />
direkt beim Verlag Agentur Altepost 2015 erhältlich;<br />
29,95 Euro, ISBN 3-978-98175-28-5-4.<br />
Die Baltic Breeze lag<br />
wegen eines Brandes im<br />
Maschinenraum für drei<br />
Monate an der Seebäderbrücke<br />
in Cuxhaven. Für die<br />
Seemannsmission viel Zeit,<br />
um mit der Besatzung im<br />
Kontakt zu sein, sowohl an<br />
Bord des Autotransporters<br />
als auch im Seemannsclub.<br />
Bevor das Schiff zum<br />
Abwracken in die Türkei<br />
geschleppt wurde, gab’s<br />
von der Crew eine „ runde<br />
Erinnerung“ als Dank.<br />
Seeleute in Cuxhaven<br />
können übrigens neuerdings<br />
kostenlos ins Fitnessstudio!<br />
Lars Schabrau,<br />
Inhaber der Fitness Factory,<br />
machte das möglich.<br />
20 LASS FALLEN ANKER<br />
LASS FALLEN ANKER<br />
21
FREIWILLIGE<br />
Stolzer Bufdi im größten<br />
Hafen an der deutschen<br />
Westküste: Niklas Kölln.<br />
Den Weihnachtsschmuck<br />
haben Seeleute aus Bordabfällen<br />
gebastelt<br />
Hannah (links)<br />
und Ina besuchen<br />
Seeleute in einem<br />
Hafen nahe der<br />
Stadt<br />
So übers<br />
Leben reden<br />
FREIWILLIGE<br />
Hannah Fritz und Ina Meyer<br />
unterstützen die Seemannsmission<br />
in Antwerpen<br />
Begeistert wegen meiner Oma<br />
Niklas Kölln ist Freiwilliger in Brunsbüttel. Und bekommt im Hafen<br />
eine exklusive Führung auf einem ukrainischen Schiff<br />
Fremde Kulturen und Menschen aus anderen Ländern<br />
fand ich eigentlich schon immer spannend. Nur: Wo<br />
kann man solchen Leuten begegnen? Das ländlich geprägte<br />
Dithmarschen an der Westküste Schleswig-Holsteins,<br />
wo ich wohne, bietet da nur wenige Möglichkeiten – und<br />
trotzdem gibt es eine: die Seemannsmission in Brunsbüttel.<br />
Durch Zufall erfuhr ich, dass es dort eine Stelle im Bundesfreiwilligendienst<br />
(Bufdi) gab. Und wie es manchmal so ist im<br />
Leben: Die schönsten Dinge passieren unerwartet! So bin ich<br />
also seit August 2018 stolzer Bufdi und darf an jedem Arbeitstag<br />
Schiffe im Brunsbütteler Hafen – übrigens der größte<br />
Hafen an der deutschen Westküste – besuchen.<br />
AUCH NACH SECHS MONATEN und einer gewissen<br />
Routine ist es jedes Mal aufs Neue spannend: Welche Menschen<br />
erwarten mich an Bord? Jeder Seefahrer ist anders.<br />
Viele sind zunächst etwas verschlossen. Dann ist es unsere<br />
Aufgabe, erst mal ein lockeres Gespräch anzufangen und uns<br />
zu erkundigen, womit wir der Crew etwas Gutes tun können.<br />
Andere Seeleute sind sofort Feuer und Flamme, wenn sie<br />
unsere Begrüßung „Good afternoon, we’re from Seamen’s<br />
Club!“ hören. Sie fragen uns, wann und wie sie am besten<br />
zu unserem Seemannsclub kommen können. Der bietet Seeleuten<br />
in gemütlicher Atmosphäre ein Stück Zuflucht vom<br />
harten Arbeitsalltag an Bord – mit Snacks, Getränken, Billard<br />
und freiem Internetzugang. Der Transfer zum Club und die<br />
Betreuung des Clubs gehört neben den Schiffsbesuchen auch<br />
zu meinen Aufgaben als Bufdi.<br />
Eigentlich gleicht kein Arbeitstag dem anderen; schon deshalb,<br />
weil fast jeden Tag neue Schiffe den Hafen ansteuern und selten<br />
eins länger bleibt als drei Tage. Man lernt Un mengen an<br />
Menschen kennen, doch weiß man nie, ob man sich wiedersieht.<br />
Ein Schiff bleibt mir besonders in Erinnerung: die „TR<br />
Niklas“. Nicht, weil ich mit ihr namensverwandt bin, sondern<br />
aufgrund eines schönen Erlebnisses: Der ukrainischen Besatzung<br />
erzählte ich, dass meine Oma in der Ukraine geboren<br />
wurde. Das sorgte wohl für Begeisterung: Ein Seemann bot<br />
mir daraufhin einen exklusiven Schiffsrundgang an mit Blick<br />
in den Motorenraum und auf die Brücke. Ein Privileg!<br />
SOLCHE BESONDEREN MOMENTE gibt es immer<br />
wieder. Etwa vor kurzem, als mich eine komplette philippinische<br />
Besatzung nach SIM-Karten fragte. Nachdem ich mit<br />
viel Zeitaufwand jedem eine verschafft hatte, wusste ich, dass<br />
ich etwas Gutes getan hatte: Die Männer konnten das erste<br />
Mal seit acht Wochen Kontakt zu ihren Familien aufnehmen.<br />
In der Weihnachtszeit war ich auf einem Schiff, dessen Crew-<br />
Aufenthaltsraum besonders weihnachtlich geschmückt war;<br />
aus recycelten Bordabfällen, von den Seeleuten mit viel Liebe<br />
zum Detail gebastelt (siehe Foto). Unter den ebenfalls selbst<br />
gebauten Weihnachtsbaum legte ich dann Geschenke, die die<br />
Seemannsmission für die Seeleute gepackt hatte. Denn: Viele<br />
von ihnen feiern Weihnachten an Bord, fern von zu Hause.<br />
Ich bin gespannt, was ich als Bufdi noch alles erleben<br />
werde. Eins steht aber jetzt schon fest: Die Erfahrungen, die<br />
ich hier sammle, sind für mich unglaublich wertvoll. <br />
Fotos: privat<br />
Foto: privat<br />
Hallo! Wir zwei Mädels sind im Zuge des Internationalen<br />
Jugendfreiwilligendiensts (IJFD) bei<br />
der Deutschen Seemannsmission in Antwerpen.<br />
Antwerpen ist der zweitgrößte Hafen Europas. Ein paar<br />
Zahlen gefällig? 2018 wurden auf einer Fläche von 152,57 qkm –<br />
die übrigens größer ist als die von Rotterdam – 235,2 Millionen<br />
Tonnen Güter umgeschlagen, die durch 14 595 Schiffe in<br />
unseren Hafen gebracht wurden. Und irgendwo mittendrin<br />
wir zwei, die zusammen mit unserem Stationsleiter versuchen,<br />
so viele Schiffe zu besuchen wie möglich.<br />
Hier in Antwerpen arbeiten die Seemannsmissionen aus<br />
verschiedenen Ländern und Kirchen sehr eng zusammen, so<br />
können wir den kompletten Hafen mit Besuchen abdecken.<br />
Jeder Kollege, jede Kollegin hat einen Teil des Hafens zugeteilt<br />
bekommen, in dem er oder sie die jeweiligen Schiffe besucht.<br />
In unserem Fall ist das ein kleines Hafengebiet, nicht weit<br />
entfernt von der Stadt. Dort legen vor allem Tanker an, ein<br />
paar Stückgutschiffe, Bulkcarrier und kleine Containerschiffe.<br />
Bis auf ein paar Liner kommen die Schiffe in dem von uns<br />
betreuten Hafengebiet eher unregelmäßig. Viele Crews wissen<br />
nur, welches ihr nächster Hafen ist, und nicht unbedingt,<br />
wo sie in einem Monat sein werden. Wenn sie dann durch<br />
Zufall wieder bei uns landen, ist die Wiedersehensfreude<br />
umso größer.<br />
SCHON DER BESUCH ist also wichtig. Außerdem<br />
bringen wir immer die Informationen zum kostenlosen Bus-<br />
Service des Seemannsclubs mit an Bord, Zeitungen in einigen<br />
Muttersprachen der Seeleute, und wir bieten SIM-Karten zum<br />
Verkauf an. Wie so ein Schiffsbesuch verläuft, ist auch von der<br />
Crew abhängig. Neben der Crew Mess, dem Aufenthaltsraum<br />
für die Besatzung, liegt in der Regel die Küche. Ist die Crew<br />
also gerade beschäftigt, sind wenigstens der Koch oder sein<br />
Gehilfe, der „Galiboy“, nebenan, und wir können ihnen kurz<br />
DEIN „AUSLANDSJAHR“<br />
IN DEUTSCHLAND<br />
Der Freiwilligendienst mit Seeleuten aus aller Welt ist<br />
wohl mit Abstand der internationalste Dienst, den man<br />
sich im Inland vorstellen kann. Im Laufe eines Jahres<br />
begegnen uns Menschen aus über 180 Nationen, die<br />
mit ihren Schiffen über die sieben Weltmeere in unsere<br />
Hafenstädte kommen. Egal ob im Bundesfreiwilligendienst<br />
oder als Freiwilliges Soziales Jahr, bei uns gibt es<br />
für jede und jeden die passende Stelle.<br />
Du möchtest mehr erfahren? Die Inlandstationen der<br />
Deutschen Seemannsmission informieren ausführlich<br />
über den Freiwilligendienst auf www.bufdimare.de<br />
die mitgebrachten Informationen erklären. Ansonsten unterhalten<br />
wir uns mit den Crew-Mitgliedern, die einen Moment<br />
Zeit haben und den kleinen Talk dann genießen.<br />
Mal hören wir etwas über die Heimatländer, mal über<br />
Haustiere, Kinder, Träume, Essen, Kulturunterschiede, mal<br />
reden wir einfach über das Leben. Wir haben auch schon mal<br />
eine Führung durch den Maschinenraum bekommen. Manchmal<br />
zeigt uns ein stolzer Koch die riesigen Kühlschränke.<br />
Im Seemannsclub findet der andere Teil unserer Arbeit<br />
statt. „Wo bekommt man die beste Pizza her?“ – „Wo ist der<br />
nächste Starbucks?“ – „Was kann ich meiner Freundin mitbringen,<br />
wenn ich nach Hause komme?“ – ganz gleich, welche<br />
Frage oder welches Problem, wir haben immer ein offenes<br />
Ohr und helfen gerne weiter. Genau darum geht es uns. Für<br />
ein bisschen Ablenkung sorgen. Zeigen, dass sich jemand<br />
kümmert und sorgt. Eine Verbindung zwischen Schiff und<br />
Land schaffen. Ein offenes Ohr haben. Uns geht das manchmal<br />
richtig ans Herz. Und es macht riesige Freude. <br />
22 LASS FALLEN ANKER<br />
LASS FALLEN ANKER<br />
23
SEELSORGE<br />
SEELSORGE<br />
Das darf<br />
keine Option sein<br />
Von Clara Schlaich<br />
Niemand weiß, ob Suizide auf hoher See häufiger<br />
passieren als an Land. Tatsache ist: Seeleute leiden oft<br />
unter Einsamkeit und unter der langen Trennung<br />
von der Familie<br />
PROFESSIONELLE PSYCHOSOZIALE HILFE:<br />
GUT FÜR SEELEUTE UND REEDER<br />
Wer über belastende Erlebnisse sprechen will, braucht Vertrauen<br />
und Vertraulichkeit. Die Deutsche Seemannsmission<br />
ist eng mit der Welt der Seeleute verbunden und zugleich<br />
unabhängig von Firmen und Behörden.<br />
Die Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) in der<br />
Deutschen Seemannsmission wurde professionalisiert, wir<br />
haben ausgebildet und Strukturen geschaffen. Damit kann<br />
die Deutsche Seemannsmission Reedereien und Agenturen<br />
unterstützen:<br />
Schulung von Seeleuten und Landpersonal<br />
Vorbereitung auf belastende Ereignisse<br />
Professionelle Betreuung und Beratung von Seeleuten<br />
während belastender Ereignisse und danach<br />
Immer wieder sind die Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter der Deutschen<br />
Seemannsmission mit Fällen<br />
von Suizid unter Seeleuten und Kreuzfahrtpassagieren<br />
konfrontiert. Sie treffen<br />
dann auf eine verstörte Crew, denn<br />
oft sind die Umstände des Todesfalls<br />
unklar. Ein Selbstmord hinterlässt bei<br />
Kollegen und Familien Schuldgefühle<br />
und Traumatisierung. Durch persönliche<br />
Gespräche und E-Mail- Kommunikation<br />
versuchen die Mitarbeiter der Seemannsmissionen<br />
die seelischen Nöte<br />
für die Zurückgebliebenen an Bord zu<br />
lindern.<br />
Suizid ist eine der häufigsten Todesursachen<br />
bei jungen Männern. Es ist unklar,<br />
ob Selbstmorde unter Seeleuten<br />
häufiger sind als bei der Landbevölkerung.<br />
Die wissenschaftlichen Studien zu<br />
Suizid bei Seeleuten zeigen ein uneinheitliches<br />
Bild: Einerseits ist es so, dass<br />
bei Seeleuten psychische Erkrankungen<br />
seltener sind als in der Normalbevölkerung.<br />
Andererseits ergab ein Survey der<br />
International Transport Workers’ Federation<br />
(ITF) im Jahr 2015, dass sechs bis<br />
35 Prozent der befragten Seeleute einen<br />
Kollegen kannten, der schon mal über<br />
Suizid nachgedacht hatte. Auch wird<br />
davon ausgegangen, dass die meisten<br />
Fälle von „unklarem Über-Bord-Gehen“<br />
mit einem Suizid zusammenhängen.<br />
DIE RISIKOFAKTOREN für Suizide<br />
sind bekannt und lassen sich auf die<br />
besondere Situation von See leuten übertragen:<br />
Isolation, die lange Trennung<br />
von der Familie und Freunden, fehlende<br />
Möglichkeiten zum Gespräch, Schlafmangel,<br />
finanzielle Sorgen, Mangel<br />
an Sport- und Freizeitmöglichkeiten,<br />
Alkohol, Spannungen in der Crew, traumatische<br />
Erlebnisse durch Verletzungen,<br />
Erlebnisse bei der Flüchtlingsrettung,<br />
Piraterie, Havarie, familiäre Krisen. Besteht<br />
dann noch eine seelische Labilität<br />
oder entwickelt sich eine psychische<br />
Erkrankung, kommt es zu Depressionen<br />
oder zu Angst, wird die Hoffnungslosigkeit<br />
zu groß, und die Lebensprobleme<br />
erscheinen unlösbar. Dann sehen die<br />
Betroffenen oft keinen Ausweg mehr.<br />
In einer englischen Studie aus dem<br />
Jahr 2009 wurden die folgenden Ursachen<br />
des Selbstmords bei See leuten<br />
Die Deutsche Seemannsmission ist offen für Gespräche<br />
zu Partnerschaften im Bereich der Psychosozialen Notfallversorgung.<br />
Foto: Martina Platte<br />
Schraubenwasser<br />
nennen Seeleute<br />
diesen Anblick. Gut<br />
gestimmten, starken<br />
Menschen sagt das<br />
schäumende Element:<br />
Wir kommen voran,<br />
wir kommen<br />
dem Ziel näher<br />
24 LASS FALLEN ANKER<br />
LASS FALLEN ANKER<br />
25
SEELSORGE<br />
SEELSORGE<br />
Rate volor aspiend itiaturem. Namus aut<br />
lab invel esequam solore, qui omnim duciae<br />
vendit volupta exceruptatum il inum rem is<br />
aruptatum solum, evento et, qui nonsequ<br />
Beim Blick<br />
übers weite<br />
Wasser mag<br />
manchem,<br />
der auf See<br />
arbeitet,<br />
die eigene<br />
Verzweiflung<br />
immer größer<br />
vorkommen<br />
ETHIK IN DER SCHIFFFAHRTSMEDIZIN<br />
Im Juni findet das 15. „International Symposium on<br />
Maritime Health“ statt. Schifffahrtsmediziner aus aller<br />
Welt treffen sich, um über gesundheitliche Themen<br />
für Beschäftigte und Passagiere rund um Schiff, Hafen,<br />
Offshore und Tauchen zu sprechen.<br />
Erstmals findet dabei ein gemeinsames Symposium<br />
der Deutschen Seemannsmission und der International<br />
Maritime Health Association zu ethischen Themen in der<br />
Schifffahrtsmedizin statt. Unter anderem werden Fragen<br />
zur psychosozialen Notfallversorgung, Tauglichkeitsuntersuchungen,<br />
der ärztlichen Schweigepflicht, Folgen der<br />
Traumatisierung durch die Flüchtlingsrettung diskutiert.<br />
Information zum Thema erhalten Sie bei Matthias Ristau,<br />
Seemannspastor der Nordkirche:<br />
nordkirche@seemannsmission.org<br />
Dr. med. Clara Schlaich, MPH, Präsidentin der Deutschen<br />
Seemannsmission e.V. clara.schlaich@jhu.edu<br />
genannt: Arbeitsplatzkonflikte (30 Prozent),<br />
familiäre Probleme (20 Prozent),<br />
psychische Erkrankungen und Alkoholismus<br />
(20 Prozent). Achtzig Prozent der<br />
Suizide an Bord wurden durch Ertrinken<br />
vollzogen.<br />
SOZIALE UNTERSTÜTZUNG<br />
und Gespräche mit Angehörigen,<br />
medizinische Hilfe oder Angebote wie<br />
die Telefonseelsorge stehen an Bord<br />
nicht zur Verfügung: Die Seeleute sind<br />
an Bord mit ihrer Verzweiflung oft alleine<br />
gelassen. Hinzu kommt das Stigma, das<br />
Suizide in vielen kulturellen und religiösen<br />
Kontexten umgibt.<br />
Zieht sich ein Seemann an Bord zunehmend<br />
zurück, ist er niedergeschlagen<br />
oder aggressiv oder berichtet von<br />
belastenden familiären oder finanziellen<br />
Problemen, trinkt er zu viel Alkohol<br />
und äußert lebensmüde Gedanken: „I<br />
wish I were dead“ oder „I wish I hadn’t<br />
been born“, ist es schwer für die Kollegen,<br />
darauf einzugehen und die richtigen<br />
Fragen zu stellen: „Do you ever<br />
feel like just giving up? Are you thinking<br />
about dying? Have you ever thought<br />
about suicide before or tried to harm<br />
yourself before? Do you need help?”<br />
Nachfragen, zuhören und einfach für<br />
ihn da sein – das sind wirksame Hilfen,<br />
um Verzweiflungstaten zu verhindern.<br />
Die Weltgesundheits organisation<br />
fordert die Staaten auf, wirksame<br />
Präventionsprogramme einzuführen.<br />
Auf See geht es darum, die Seeleute zu<br />
schulen, Suizidalität zu erkennen und<br />
auch konkret anzusprechen. Hier gibt<br />
es noch viel Nachholbedarf.<br />
Die Deutsche Seemannsmission und<br />
ihre Mitarbeiterinnen und Mit arbeiter<br />
leisten einen wichtigen Beitrag zur seelischen<br />
Gesundheit von Seeleuten. Sie<br />
helfen, die soziale Isolation zu vermindern,<br />
schaffen Freizeitmöglich keiten,<br />
bieten Kommunikationsmittel. Ge schulte<br />
Seelsorger in den Einrichtungen haben<br />
ein offenes Ohr und können auch<br />
schwierige Gespräche aushalten.<br />
Fotos: Martina Platte<br />
„Das kann doch einen<br />
Seemann nicht erschüttern.“<br />
Doch. Kann es<br />
Ein Sturm ist überstanden, ein Brand gelöscht –<br />
da wäre es gut, auch mal über die Angst zu sprechen<br />
Es sind Menschen, die da auf den Schiffen leben<br />
und arbeiten, Menschen wie du und ich. Sie<br />
haben sich für den Seemannsberuf entschieden<br />
und nehmen damit einiges auf sich, sind Schweres<br />
gewöhnt. Aber trotzdem stimmt der Schlagertext oft<br />
nicht: Vieles kann einen Seemann erschüttern. Auch gerade<br />
deshalb, weil die normale psychische Belastung an<br />
Bord schon hoch ist. Einige Gründe sind: wenig Schlaf,<br />
ständig Lärm, viel Druck – und die Familie ist weit weg.<br />
BESONDERS BELASTEND kann es sein, wenn<br />
ein schwerer Unfall passiert, wenn es durch Piratengebiet<br />
geht, wenn einer über Bord geht, nach dem<br />
Selbstmord eines Kollegen oder auch erlebter Lebensgefahr,<br />
zum Beispiel in schweren Stürmen oder bei<br />
einem Brand auf dem Schiff.<br />
Immer wieder kommt dann von Leuten in Schifffahrtsfirmen,<br />
aber auch von Seeleuten selbst die<br />
Reaktion: „Das sind doch harte Seebären, die können<br />
das ab.“ Doch das ist längst nicht immer so. Das zeigt<br />
schon der über 2000 Jahre alte Seefahrerpsalm aus<br />
der Bibel (Ps 107,23–32) wenn er über Seeleute in einem<br />
Sturm so spricht, dass<br />
„sie gen Himmel fuhren und in den Abgrund<br />
sanken,<br />
dass ihre Seele vor Angst verzagte,<br />
dass sie taumelten und wankten wie ein Trunkener<br />
und wussten keinen Rat mehr“.<br />
Damals waren das bestimmt ganz harte See männer,<br />
aber auch sie nahm der Sturm so mit, dass ihre „ Seele<br />
Das Leben<br />
an Bord ist<br />
oft trist und<br />
gleichförmig,<br />
an anderen<br />
Tagen rauh<br />
und gefährlich.<br />
Kein Thema für<br />
harte Jungs?<br />
vor Angst verzagte“, das heißt, es war eine hohe psychische<br />
Belastung mit Folgen. Bis heute ist es immer<br />
noch ein Tabu, darüber zu reden. Das haben mir<br />
gestandene Seemänner nach einem Gottesdienst<br />
bestätigt, in dem ich über den Psalm predigte und<br />
darüber, dass in der Seefahrt alle sagen: „Das macht<br />
denen doch nichts aus.“ Deshalb dauert es in der<br />
Seefahrt wahrscheinlich länger, bis die Beteiligten<br />
erkennen, wie wichtig Notfall seelsorge<br />
für die Seeleute ist. Auch bei den Feuerwehren<br />
an Land hat es gedauert, aber<br />
in zwischen werden psychische Belastungen<br />
stärker wahrgenommen und<br />
es wird darauf reagiert.<br />
Für die Deutsche Seemanns mission<br />
ist es von Anfang an selbstverständlich,<br />
gerade für solche Seeleute da zu sein,<br />
die Schweres durchgemacht haben.<br />
Jetzt wird dieser Einsatz professionalisiert.<br />
Es werden größere Gruppen von<br />
Mitarbeitenden ausgebildet, damit wir qualifizierte<br />
Hilfe in der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV)<br />
für Seeleute leisten können – als Menschen, die sich<br />
in der Welt der Seeleute auskennen, aber nicht Teil der<br />
Hierarchie des Schiffes und der Firma sind.<br />
Ziel ist es, dass wir als Seemannsmission ein qualifiziertes<br />
Netzwerk der Notfallversorgung anbieten<br />
können. Damit werden wir unserem Motto gerecht:<br />
„support of sea farers’ dignity“, denn so unterstützen wir<br />
die Seeleute in ihrer Würde, wenn „ihre Seele vor Angst<br />
verzagt“. Matthias Ristau<br />
Wir sind für<br />
Seeleute da,<br />
gerade dann,<br />
wenn „ihre<br />
Seele vor<br />
Angst verzagt“<br />
26 LASS FALLEN ANKER<br />
LASS FALLEN ANKER<br />
27
MISSIONEN<br />
MISSIONEN<br />
Gregory und seine<br />
Kollegen in der<br />
Seemannsmission<br />
Douala halten ein<br />
Restaurant mit 300<br />
Plätzen am Laufen<br />
Mit Mimik, Gestik und Empathie<br />
Die Mission in<br />
Douala ist ein<br />
Treffpunkt für<br />
Expats und Seeleute<br />
und viele<br />
kamerunische<br />
Vereine. Hier und<br />
auf den folgenden<br />
Seiten erzählen<br />
Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter<br />
der Deutschen<br />
Seemannsmission<br />
von ihrer Arbeit<br />
Mitten im Herzen Doualas, der größten<br />
Stadt Kameruns, liegt seit<br />
1966 das Seemannsheim, manche<br />
nennen es liebevoll Foyer du Marin. Wir<br />
arbeiten in Partnerschaft mit der evangelischen<br />
Gemeinde, die nur einen Fußmarsch<br />
entfernt ihre Hauptkirche hat. In 25 Zimmern<br />
und Wohnungen können wir bis zu 60 Gäste<br />
unterbringen. Von unserer Terrasse blickt<br />
man direkt auf den Hafen. Die Lage unseres<br />
Hauses ist einmalig und wird auch von vielen<br />
kamerunischen Vereinen und Expats geschätzt.<br />
Eine große amerikanische Offshore<br />
Petroleumfirma hat zwei Wohnungen für ihre<br />
internationalen Ingenieure und Techniker gemietet<br />
und nutzt täglich mit ihrem Management<br />
unsere Restauration. Außerdem hat sich<br />
ein Restaurant für bis zu 300 Gäste etabliert.<br />
Gregory, Teamleiter und Kassierer im Service,<br />
ist seit 1986 bei uns. „Damals“, erzählt<br />
er, „waren wir ein sehr kleines Team, um den<br />
Pool herum saßen die Gäste, das war eher<br />
eine Imbissatmosphäre. Wir verkauften auch<br />
nur Brochettes (Fleischspieße). Inzwischen<br />
sind wir ein richtiges Restaurant geworden<br />
mit einer abwechslungsreichen Karte. Unser<br />
Team ist sehr gewachsen, heute arbeiten fast<br />
50 Kameruner hier. Die Seefahrer fühlen sich<br />
hier wohl, und wir heißen sie willkommen<br />
in möglichst allen Sprachen und zur Not mit<br />
Mimik und Gestik.“<br />
Wir bieten zwei Konferenzräume zur Vermietung<br />
an, der große Saal dient auch<br />
als Kapelle, in der Andachten und Gottesdienste<br />
zu den großen christlichen Festen<br />
abge halten werden, immer dreisprachig. Zu<br />
diesen Gottes diensten laden wir natürlich<br />
besonders die internationalen Seeleute ein,<br />
die einen längeren Aufenthalt im Hafen haben.<br />
Wie in vielen anderen Seemannsheimen<br />
weltweit gibt es bei uns auch Billard, Tischtennis,<br />
einen Basketballplatz, Wi-Fi und bald<br />
auch ein Karaoke gerät. Was uns besonders<br />
macht, sind die kulturellen Angebote: Konzerte,<br />
Aus stellungen – und den saubersten<br />
Swimmingpool der Stadt, umgeben von<br />
einem tropischen Paradiesgarten.<br />
Montags bis samstags fahren wir in<br />
den Hafen. Immer wieder berichten uns die<br />
Gangway- Aufsichten, aber auch Kapitäne<br />
und Offiziere, wie schwierig es ist, Shore-<br />
Pässe zu erhalten. Sie klagen über das lange<br />
Immigrations prozedere und berichten von<br />
permanenten Nachfragen nach Geschenken<br />
und vom herausfordernden Umgang<br />
mit Hafen autoritäten, unter denen sie sehr<br />
leiden. Sie sind dankbar für den Austausch<br />
über Themen, den sie untereinander vielleicht<br />
nicht haben können: über die Entwicklungen<br />
im eigenen Land, zum Beispiel der Ukraine,<br />
in Europa – oder über die deutsche Kolonialgeschichte<br />
in Afrika. Manchmal sind sie aber<br />
Fotos:Silvie Boyd<br />
auch einfach nur dankbar für eine Karaokestunde<br />
an Bord ihres Schiffes, weil sie an der<br />
westafrikanischen Küste zwischen Lomé und<br />
Douala pendeln und die Aufenthalte so kurz<br />
sind, dass sie keine Shore-Pässe erhalten. Eine<br />
der häufigsten gestellten Fragen ist: „Mam,<br />
is it a safe place? Do you really live here with<br />
your family?“ Ob es wirklich sicher ist, in<br />
Douala von Bord zu gehen . . . Ihre Bilder im<br />
Kopf, produziert und verschärft durch Verbote<br />
von Reedereien, in afrikanischen Häfen<br />
oder sogar speziell in Douala an Land zu gehen,<br />
forciert von „Ratschlägen“ der lokalen<br />
Agenten und Chartergesellschaften, sind<br />
durchweg negativ und betonen die aktuelle<br />
Konfliktsituation im Lande.<br />
Es gibt noch zwei weitere bedeutende<br />
Häfen in Kamerun außer dem in Douala: In<br />
Kribi ist ein neuer, von der Regierung realisierter<br />
Deep Sea Port entstanden, mit noch<br />
sehr geringer Auslastung, auch weil die<br />
Infra struktur nicht angemessen mitgeplant<br />
wurde. Ein anderer Hafen ist in Limbé, wo es<br />
den Seeleuten aktuell aufgrund der politischen<br />
Lage verboten wird, von Bord zu gehen.<br />
Und dann gibt es noch einen kleineren Hafen<br />
namens Tiko, ebenfalls in South West Region,<br />
der wie eine Armeebasis total abgeschottet<br />
und vom Militär bewacht wird.<br />
Dort befand sich mehr als neun Monate<br />
lang ein Stückgutfrachter mit – unter anderen<br />
– indischen Seeleuten an Bord, der aufgrund<br />
eines irreparablen technischen Schadens<br />
und mangelnder Auftragslage vom libanesischen<br />
Schiffseigner verlassen wurde.<br />
Was diese Crew in insgesamt anderthalb<br />
Jahren zwischen Luanda, Douala und Tiko<br />
er dulden musste, ist schockierend und dennoch<br />
kein Einzelfall an unseren Küsten und<br />
in den Häfen. Unglücklicherweise informierte<br />
uns die hiesige Gewerkschaft für Seeleute<br />
sehr spät, so dass wir erst im Dezember<br />
von der Notfallsituation dieser Seeleute erfuhren.<br />
Nachdem der libanesische Kapitän<br />
das Schiff Ende Dezember 2018 verlassen<br />
hatte, ver blieben fünf indische Seemänner<br />
und zwei kamerunische Wächter an Bord.<br />
Nach einigen Besuchen und Gesprächen<br />
an Bord stellten wir fest, dass der mentale,<br />
gesundheit liche und moralische Zustand der<br />
„Schockierend,<br />
was diese<br />
Crew erdulden<br />
musste –<br />
und das ist<br />
kein Einzelfall“<br />
Diese indische Crew<br />
hat die Seemannsmission<br />
Douala<br />
aufgepäppelt und<br />
ihnen geholfen,<br />
zurück in die Heimat<br />
zu fliegen. Der<br />
indische Honorarkonsul<br />
(Mitte) hat<br />
vermittelt<br />
Inder sich drastisch verschlechterte. Wir gaben<br />
der Crew die Chance, sich zu überlegen<br />
und zu diskutieren, ob sie das Schiff verlassen<br />
oder ob sie bleiben will. Allmählich wurde ihnen<br />
klar, dass ihnen der Glaube und die Kraft<br />
fehlten, dieser Situation standzuhalten. Die<br />
Männer wollten nicht mehr in dem verlassenen<br />
Hafen bleiben, mit einem Kapitän, der<br />
alle seine Versprechen per WhatsApp immer<br />
weiter aufschob. Also schlugen wir dem lokalen<br />
Agenten vor, dass wir die indische Crew<br />
ins Seemannsheim nach Douala bringen<br />
würden. Hier konnten sie sich in einem<br />
Krankenhaus adäquat behandeln lassen,<br />
auf die Tickets für ihre Heimreise warten und<br />
eine offizielle Reise erlaubnis der indischen<br />
Botschaft in Nigeria erhalten, weil der Reisepass<br />
eines Seefahrers<br />
seit fast einem Jahr abgelaufen<br />
war.<br />
Happy End: Vier der<br />
fünf konnten am 26. Januar<br />
2019, dem Indian<br />
Republic Day, nach Mumbai<br />
fliegen. Der letzte, der<br />
sich außer Malaria auch<br />
noch Typhus eingefangen<br />
und einen un gültigen<br />
Pass hatte, musste sich<br />
weiterhin, völlig traumatisiert,<br />
gedulden. Dank<br />
der Unterstützung des<br />
Vertreters der internationalen<br />
Transportarbeitergewerkschaft (ITF) in<br />
Mumbai, der Druck auf den indischen Agenten<br />
ausübte, damit auch das letzte Ticket endlich<br />
ausgestellt würde, konnte auch dieser<br />
Mann eine gute Woche später endlich heimfliegen.<br />
In diesen Tagen vertraute er mir an,<br />
dass er und seine Kollegen bereits auf der<br />
Reise von Luanda nach Douala den Regen auffangen<br />
mussten, um Trinkwasser zu haben.<br />
Das sind Erlebnisse, die mich bewegen.<br />
Und hier ist unsere Aufgabe: Mut machen,<br />
die Seeleute über ihre Rechte aufklären, ihnen<br />
Notfallnummern für Seeleute mitgeben, sie<br />
darin bestärken, dass sie nicht Monate ohne<br />
Bezahlung ausharren, sondern sich an ITF und<br />
Missionen in Europa wenden, über Helplines<br />
und Netzwerke. Silvie Boyd<br />
28 LASS FALLEN ANKER<br />
LASS FALLEN ANKER<br />
29
MISSIONEN<br />
MISSIONEN<br />
Die Autobahnbrücke,<br />
die den Hafen und<br />
die Stadt verbindet,<br />
ist eingestürzt<br />
und unbenutzbar.<br />
Seit Monaten<br />
müssen die Genueser<br />
improvisieren<br />
Was bedeutet eine Brücke?<br />
Der Ponte Morandi in Genua,<br />
den es nicht mehr<br />
gibt, bedeutete viel für die Stadt und<br />
den größten Hafen Italiens, in dem ich<br />
für die Seemannsmission tätig bin.<br />
Die Brücke war die Hauptverkehrsader<br />
für den Transport in die Stadt und zu<br />
den Häfen im Zentrum. Sie war eine<br />
schnelle Verbindung für die Seemannsmissionen<br />
und für alle Genueser. Über<br />
den Ponte kamen die Waren, konnten<br />
Fähren und Kreuzfahrtschiffe erreicht<br />
werden. Viele fuhren mehrmals am Tag<br />
hinüber. Es gibt ansonsten nur noch die<br />
alte Römerstraße „Via Aurelia“, die sich<br />
direkt am Meer entlangschlängelt –<br />
romantisch und schön, aber wenig geeignet<br />
für den Verkehr einer Stadt mit<br />
gut einer halben Million Einwohner.<br />
Diese herrliche Stadt am Wasser, la<br />
Superba, die Stolze, genannt, mit ihrem<br />
einmaligen Standort zwischen Meer<br />
und Bergen, hat seit letztem August,<br />
als die Stadtautobahnbrücke zusammenbrach,<br />
viele Probleme zu lösen. Zum<br />
einen gab es 43 Tote und viele Ver letzte.<br />
Kein Weg zum Hafen<br />
Die Morandi-Brücke in Genua ist im August 2018<br />
zusammengebrochen. Eine Katastrophe für die Stadt,<br />
die Schifffahrt – und die Seeleute<br />
500 Menschen, deren Häuser unter der<br />
Brücke standen, mussten evakuiert werden.<br />
Jetzt brauchen sie neue Wohnungen,<br />
finanzielle und psychologische Hilfe.<br />
Denn ihre Häuser werden abgerissen,<br />
wie auch die gesamte Brücke. Eine neue<br />
„Wir versuchen,<br />
die Folgen zu<br />
lindern, besonders<br />
für die Seeleute“<br />
wird gebaut, nach Plänen des Architekten<br />
Renzo Piano, eines Sohnes dieser<br />
Stadt. Nach den Schuldigen an diesem<br />
Unglück wird noch gesucht. Es ist aber<br />
davon auszugehen, dass die privaten Betreiber<br />
der Autobahnbrücke einen großen<br />
Anteil daran haben. Daher müssen<br />
sie für die Kosten der neuen Brücke aufkommen.<br />
Aber was ist mit dem Leid der<br />
vielen Menschen, die betroffen sind?<br />
Die Bevölkerung der Stadt, der<br />
gesamte Verkehr, eingeschlossen die<br />
Häfen, und unsere Seeleute leiden an<br />
diesem menschengemachten Unglück.<br />
Es war ja keine Naturkatastrophe, kein<br />
Tsunami oder Erdbeben.<br />
Wir versuchen, die Folgen zu lindern,<br />
vor allem für die Seeleute. Um ihnen<br />
einen möglichst angenehmen Aufenthalt<br />
in Genua zu ermöglichen, renovieren<br />
wir, Stella Maris und die deutsche Seemannsmission<br />
in Genua, in diesem Jahr<br />
den Club in Voltri, am Container hafen<br />
außerhalb des Zentrums. Ausflüge in die<br />
Stadt oder Einkaufsfahrten sind zurzeit<br />
aufgrund der Verkehrslage schwierig geworden.<br />
Viele Seeleute haben nicht mehr<br />
die Möglichkeit, an Land zu gehen und<br />
die Stadt zu besuchen, deshalb erhöhen<br />
wir die Zahl der Schiffsbesuche.<br />
Mir persönlich ist deutlich gewor den,<br />
wie abhängig ich von einem Transportsystem<br />
bin, das im Sinne der Menschen<br />
und auch der Umwelt funktioniert.<br />
Das gilt sowohl für die Schifffahrt,<br />
die fair für die Umwelt und den Menschen,<br />
der dort arbeitet, sein sollte, wie<br />
auch für das Transportsystem an<br />
Land. Barbara Panzlau<br />
Fotos: Barbara Panzlau, Port of Genoa, Frank Wessel<br />
Ist das schon der Klimawandel?<br />
Keine Seeschiffe – und die Binnenschiffe nur zu einem Drittel beladen:<br />
Als der Rhein ein halbes Jahr Niedrigwasser führte<br />
So habe ich den Rhein in all den<br />
Jahren als Schifferseelsorger<br />
noch nie erlebt: ein halbes Jahr<br />
lang Niedrigwasser! Manchmal sah es<br />
so aus, als könnte ich zu Fuß auf die andere<br />
Seite gehen.<br />
Natürlich hat sich der Wasserstand<br />
auf die Schifffahrt hier in Duisburg und<br />
am Niederrhein ausgewirkt: ein halbes<br />
Jahr lang keine Seeschiffe – und Binnenschiffe,<br />
die maximal zu einem Drittel<br />
beladen waren. Die also öfter fahren<br />
mussten, um die gleiche Ladungsmenge<br />
zu befördern.<br />
Die „Johann Hinrich Wichern“<br />
ist das Kirchenboot des<br />
evangelischen Binnenschifferdienstes<br />
in Duisburg<br />
„Umso<br />
wichtiger,<br />
dass wir<br />
diesen<br />
Verkehrsträger<br />
umweltverträglich<br />
machen“<br />
Unser Kirchenboot war in dieser Zeit<br />
aufgrund eines Motorschadens nicht<br />
einsatzfähig. Nicht weiter schlimm,<br />
wenn sowieso keine Schiffe im Hafen<br />
liegen.<br />
Bis Weihnachten war alles wieder<br />
gut: Motor repariert, Wasserstand gestiegen.<br />
So konnten wir unser Weihnachtsprogramm<br />
wie gewohnt abarbeiten:<br />
Posaunenfahrten an den<br />
Adventssonntagen, Weihnachtsgeschenke<br />
verteilen in der Woche vor<br />
Weihnachten. So soll es sein.<br />
Aber was, wenn der Rhein jetzt häufiger<br />
Niedrigwasser hat?<br />
Rund 70 Prozent aller<br />
Transporte auf Binnenwasserstraßen<br />
in Europa<br />
werden zwischen Rotterdam<br />
und Duisburg bewältigt.<br />
Werden wir künftig<br />
nur noch auf Lkw und<br />
Schiene setzen?<br />
Das wäre eine logistische<br />
und ökologische<br />
Katastrophe.<br />
Ich denke, das lang<br />
anhaltende Niedrigwasser<br />
war ein Vorbote<br />
des Klimawandels. Wir<br />
haben gemerkt, wie dringend<br />
wir auf Binnen- und<br />
Seeschiffe angewiesen<br />
sind. Umso wichtiger ist<br />
es, diesen Verkehrsträger<br />
weniger umweltschädlich<br />
zu machen.<br />
Für das Wohlergehen<br />
der Menschen an Bord können und<br />
wollen wir uns gerne weiter ein setzen.<br />
Und der Klimaschutz geht uns alle<br />
an. Frank Wessel<br />
30 LASS FALLEN ANKER<br />
LASS FALLEN ANKER<br />
31
MISSIONEN<br />
IMPRESSUM<br />
Der JadeWeserPort in<br />
Wilhelmshaven:<br />
Die Seemanns mission<br />
muss flexibel sein<br />
Spenden Seeleute sind viele<br />
Monate von ihren Familien<br />
getrennt. An Bord arbeiten sie<br />
sieben Tage die Woche. In Häfen<br />
bleibt ihnen kaum Zeit, etwas<br />
zu unternehmen. Die Seemannsmission<br />
setzt sich für bessere<br />
Lebens- und Arbeits bedingungen<br />
ein. Unterstützen Sie uns!<br />
www.seemannsmission.org<br />
Drei Fragen an<br />
Kirsten Fehrs<br />
Immer mehr los<br />
am Terminal<br />
In Wilhelmshaven legen die<br />
größten Containerschiffe der Welt an –<br />
oft am Wochenende<br />
Kein Einsatz ist wie der andere.<br />
Wer in der Seemannsmission<br />
arbeitet, muss jederzeit bereit<br />
und in der Lage sein, sich auf Veränderungen<br />
einzustellen. So planen unsere<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der<br />
Seemannsmission zwar ihre Einsätze.<br />
Aber wenn sie dann in einem der vielen<br />
Wilhelmshavener Häfen sind, dann<br />
entscheidet sich erst an Bord, wie sie<br />
die Seeleute begleiten können und was<br />
diese brauchen. Flexibel sein ist wichtig.<br />
Gleiches gilt auch für unsere Seemannsmission.<br />
Als sie 1959 gegründet<br />
wurde, geschah das als Reaktion auf<br />
den neu geschaffenen Ölhafen und die<br />
Gründung der Nord-West- Ölleitung<br />
GmbH. In den 60 Jahren ihres Bestehens<br />
ist es der Seemannsmission gelungen,<br />
sich auf alle Veränderungen einzustellen.<br />
So auch auf den JadeWeserPort,<br />
der 2012 seinen Betrieb aufnahm.<br />
Mag der Start des Container-Terminals<br />
Wilhelmshaven (CTW) zu Beginn<br />
auch schleppend gewesen sein, nimmt<br />
er doch in den letzten Jahren Fahrt auf.<br />
So fährt die Reederei-Allianz OCEAN<br />
Alliance und der Reedereien-Verbund<br />
2M Wilhelmshaven im Liniendienst an.<br />
Komplettiert wird das Netz der Dienste,<br />
die Wilhelmshaven eingebunden haben,<br />
mit verschiedenen Feederlinien. Dazu<br />
passt, dass immer mehr Firmen sich am<br />
Güterverkehrszentrum des JadeWeser-<br />
Ports in direkter Nachbarschaft zum<br />
CTW ansiedeln.<br />
Wir als Seemannsmission reagieren auf<br />
jede Veränderung und schaffen es, die<br />
steigende Zahl der Schiffe am CTW zu<br />
besuchen. Auch am Wochenende gehen<br />
unsere ehrenamtlichen Schiffsbesucherinnen<br />
und -besucher an Bord, und damit<br />
an den Tagen, an denen nicht selten<br />
die größten Containerschiffe der Welt<br />
Wilhelmshaven ansteuern.<br />
Diese wichtige Arbeit wird auch von<br />
außen wahrgenommen und gewürdigt.<br />
Zum Beispiel bei der Feier zum 60-jährigen<br />
Bestehen der Deutschen Seemannsmission<br />
in Wilhelmshaven vom 23. bis<br />
25. August 2019. Dann wird Elke Büdenbender,<br />
die Frau des Bundespräsidenten,<br />
als Schirmherrin das Fest eröffnen und<br />
begleiten. Peter Sicking<br />
Fotos: JadeWeserPort, privat, Marcelo Hernandez<br />
KIRSTEN FEHRS IST BISCHÖFIN IM SPRENGEL<br />
HAMBURG UND LÜBECK IN DER NORDKIRCHE.<br />
AUSSERDEM GEHÖRT SIE DEM RAT DER EKD AN<br />
Sie sind in diesem Jahr „Stimme der Seeleute“ für die<br />
Deutsche Seemannsmission. Wie kam es dazu?<br />
Kirsten Fehrs: Als Bischöfin in Hamburg und Lübeck bin ich ja gleich<br />
für zwei Hafenstädte zuständig. Viele Kontakte ergeben sich da von<br />
selbst – ob beim Reederessen, bei Bordbesuchen oder beim Ge denken<br />
für ertrunkene Seeleute. So habe ich gerne zugesagt, mich in diesem<br />
Jahr besonders der Seemannsmission zu widmen.<br />
Wie erleben Sie die Arbeit der Seemannsmission?<br />
Unglaublich interessant! Ich war schon mit bei Bordbesuchen – nicht<br />
als Bischöfin, sondern als Praktikantin des Seemannsdiakons. Wir<br />
wurden so dankbar aufgenommen! Klar, auch wegen der Telefonkarten,<br />
aber vor allem auch wegen des Gesprächsangebots. Und so<br />
habe ich viel gehört: über die schwere Arbeit an Bord, die Sehnsucht<br />
nach der Familie, den Schlafmangel – aber auch über Zusammenhalt<br />
und Solidarität unter den Seeleuten. Dann sehe ich natürlich<br />
die tolle Arbeit, die in den Seemannsheimen und im Seemannsclub<br />
„Duckdalben“ geleistet wird – die kannte ich zwar schon vorher, sehe<br />
sie aber jetzt noch mal mit geschärftem Blick. Hier wird das Evangelium<br />
wirklich gelebt – handfest, praktisch.<br />
Was können Sie den ahnungslosen Landratten weitersagen?<br />
„Ahnungslos“ stimmt – ich musste mir ja selbst erst mal klar machen,<br />
wie wichtig die Arbeit der Seeleute für unseren Alltag ist. Inzwischen<br />
habe ich schon oft erzählt, dass bis zu 90 Prozent unserer Waren<br />
per Schiff ins Land kommen. Und wie hart die Männer und Frauen<br />
an Bord dafür arbeiten müssen. Wir hatten sogar einen Fernsehgottesdienst<br />
dazu. Danach bekam ich zahlreiche Zuschriften, mit<br />
dem Tenor: „Vielen Dank für diese Infos, das haben wir alles gar nicht<br />
gewusst.“<br />
IMPRESSUM „LASS FALLEN<br />
ANKER – Sonderheft 2019 der<br />
Deutschen Seemannsmission“.<br />
Hervorgegangen aus:<br />
„Blätter für Seemannsmission“<br />
(Erstausgabe 1892), begründet<br />
von Pastor Julius Jungclaussen,<br />
Hamburg, und Pastor Friedrich M.<br />
Harms, Sunderland, „Organ der<br />
Deutschen Seemannsmission“ und<br />
„LASS FALLEN ANKER“, Freundesbriefe,<br />
herausgegeben von Seemannspastor<br />
Harald Kieseritzky.<br />
Herausgeber<br />
Deutsche Seemannsmission e. V.,<br />
Contrescarpe 101, 28195 Bremen,<br />
+49 421/1638452, E-Mail:<br />
headoffice@ seemannsmi ss ion.org<br />
V.i.S.d.P. Christoph Ernst<br />
(Generalsekretär)<br />
Redaktion<br />
Martina Platte, Jan Janssen<br />
Realisierung<br />
Gemeinschaftswerk der<br />
Evangelischen Publizistik gGmbH,<br />
Emil-von Behring-Straße 3,<br />
60439 Frankfurt/Main,<br />
kontakt@chrismon.de.<br />
Projektkoordination:<br />
Anne Buhrfeind, Andreas Fritzsche<br />
Gestaltung und Satz: Lisa Fernges.<br />
Druck<br />
Strube Druck & Medien OHG,<br />
Stimmerswiesen 3, 34587 Felsberg.<br />
32 LASS FALLEN ANKER<br />
LASS FALLEN ANKER<br />
33
ADRESSEN SEEMANNSMISSION WELTWEIT SEEMANNSMISSION WELTWEIT ADRESSEN<br />
Kontakte und Ansprechpersonen<br />
A<br />
ALEXANDRIA (ÄGYPTEN)<br />
Markus Schildhauer<br />
Mobil: +20 12 23 44 27 50<br />
E-Mail: alexandria@seemannsmission.org<br />
Adresse: P.O. Box 603, Mansheya oder<br />
19 Mohamed Masseoud, 21111 Alexandria<br />
AMSTERDAM (NIEDERLANDE)<br />
Hans-Gerhard Rohde<br />
Fon: +31 20 622 08 42, Mobil: +31 65 331 06 93<br />
E-Mail: amsterdam@seemannsmission.org<br />
Adresse: Keizersgracht 733,<br />
NL-1017 DZ Amsterdam<br />
ANTWERPEN (BELGIEN)<br />
Jörg Pfautsch<br />
Mobil: +32 478 29 24 69<br />
E-Mail: antwerpen@seemannsmission.org<br />
Adresse: Antwerp Seafarers’ Centre<br />
(Seemannsheim), Italielei 72,<br />
B-2000 Antwerpen<br />
Fon: +32 3 233 34 75 (9.00 bis 9.45 Uhr)<br />
Fax: + 32 3 232 29 10<br />
B<br />
BRAKE (DEUTSCHLAND)<br />
Dirk Jährig, Marco Folchnandt<br />
Fon: +49 4401 810 04<br />
E-Mail: brake@seemannsmission.org<br />
Adresse: Seamen’s Club, Ecumenical<br />
Seafarers’ Centre, Zum Pier 1, 26919 Brake<br />
Fon: +49 4401 85 54 25<br />
Fax: +49 4401 85 54 26<br />
BREMEN (DEUTSCHLAND)<br />
Magnus Deppe<br />
E-Mail: magnus.deppe@seemannsmission.org<br />
Michael Klee<br />
E-Mail: michael.klee@seemannsmission.org<br />
Adresse: Seemannsheim,<br />
Hermann-Prüser-Str. 4, 28237 Bremen<br />
Fon: +49 421 69 69 62 35<br />
BREMERHAVEN (DEUTSCHLAND)<br />
Int. Seemannsclub „Welcome“<br />
Thomas Reinold, Antje Zeller<br />
Fon: +49 471 424 44<br />
E-Mail: welcome@seemannsmission.org<br />
Adresse: An der Nordschleuse 1,<br />
27568 Bremerhaven-Container-Terminal<br />
Bremerhaven-Mitte, Seemannsheim<br />
Andreas Latz<br />
Fon: +49 471 902 63 07, Mobil: +49 151 67 80 94 60<br />
E-Mail: andreas.latz@seemannsmission.org<br />
Dirk Obermann<br />
Fon: +49 471 430 13, Mobil: +49 151 52 48 30 39<br />
E-Mail: dirk.obermann@seemannsmission.org<br />
Christine Freytag<br />
Mobil: +49 176 84 02 43 50<br />
E-Mail: christine.freytag@seemannsmission.org<br />
Adresse: Schifferstr. 51–55,<br />
27568 Bremerhaven<br />
BRUNSBÜTTEL (DEUTSCHLAND)<br />
Leon Meier, Anja Brandenburger-Meier<br />
Fon: +49 4852 872 52<br />
E-Mail: brunsbuettel@seemannsmission.org<br />
Adresse: Kanalstr. 8, 25541 Brunsbüttel<br />
C<br />
CUXHAVEN (DEUTSCHLAND)<br />
Martin Struwe, Sarah Herzog<br />
Fon: +49 4721 56 12-0,<br />
Fax: +49 4721-56 12-30<br />
Mobil: +49 160 95 07 58 42<br />
E-Mail: cuxhaven@seemannsmission.org<br />
Adresse: Grüner Weg 25, 27472 Cuxhaven<br />
D<br />
DOUALA (KAMERUN)<br />
Silvie Boyd<br />
Fon Reception: +237 233 42 27 94<br />
Mobil S. Boyd: +237 69 99 154 52<br />
E-Mail: douala@seemannsmission.org<br />
Adresse: Foyer du Marin, B.P. 5194, Douala-<br />
Akwa (Cameroun)<br />
DUISBURG (DEUTSCHLAND)<br />
Gitta Samko<br />
Fon: +49 203 29 51 39 91, Fax: +49 20 66 99 18 14<br />
E-Mail: duisburg@seemannsmission.org<br />
Adresse: Ev. Binnenschifferdienst und<br />
Deutsche Seemannsmission,<br />
Dr.-Hammacher-Str. 10, 47119 Duisburg<br />
DURBAN (REPUBLIK SÜDAFRIKA)<br />
Ron Küsel<br />
E-Mail: durban@seemannsmission.org<br />
Fon: +27 826 54 40 09, Fax: +27 864 00 42 03<br />
Adresse: P.O. Box 112, New Germany 3620,<br />
South Africa<br />
E<br />
EMDEN (DEUTSCHLAND)<br />
Meenke Sandersfeld<br />
Fon: +49 4921 920 80<br />
E-Mail: emden@seemannsmission.org<br />
Adresse: Am Seemannsheim 1, 26723 Emden<br />
G<br />
GENUA (ITALIEN)<br />
Barbara Panzlau, Mobil: +39 342 326 15 91<br />
E-Mail: genua@seemannsmission.org<br />
Adresse: Missione Marittima Germanica<br />
presso Stella Maris Genova,<br />
Piazzetta Don Bruno Venturelli 9,<br />
16126 Genova<br />
H<br />
HAMBURG<br />
Diakonisch: Fiete Sturm<br />
Kaufmännisch: Martin Behrens<br />
Fon: +49 40 306 22-0<br />
Fax: +49 40 306 22-18<br />
E-Mail: altona@seemannsmission.org<br />
Adresse: Seemannsheim, Große Elbstr. 132,<br />
22767 Hamburg-Altona<br />
Seemannspfarramt der Nordkirche<br />
Matthias Ristau<br />
Fon: +49 40 32 87 19 92<br />
June Yanez<br />
Mobil: +49 151 18 86 84 40<br />
E-Mail: nordkirche@seemannsmission.org<br />
Adresse: Große Elbstr. 132,<br />
22767 Hamburg-Altona<br />
Krayenkamp<br />
Susanne Hergoss, Felix Tolle<br />
Fon: +49 40 370 96-0<br />
Fax: +49 40 370 96-100<br />
E-Mail: krayenkamp@seemannsmission.org<br />
Adresse: Seemannsheim, Krayenkamp 5,<br />
20459 Hamburg<br />
Duckdalben<br />
Jan Oltmanns, Anke Wibel, Adelar Schünke,<br />
Martina Schindler, Nonilon Olmedo,<br />
Abigail Fortich-Täubner, Olaf Schröder,<br />
Katrin Kanisch, Sören Wichmann<br />
Fon: +49 40 740 16 61, Fax: +49 40 740 16 60<br />
E-Mail: duckdalben@seemannsmission.org<br />
Adresse: international seamen’s club,<br />
Zellmannstr. 16,<br />
21129 Hamburg-Waltershof<br />
Bordbetreuung<br />
Jörn Hille<br />
Fon: +49 40 740 16 61, Fax: +49 40 740 16 60,<br />
Mobil: +49 170 308 35 00<br />
E-Mail: jorn@dsm-harburg.de<br />
Seafarers’ Lounge<br />
Markus Wichmann, Mobil: +49 151 18 86 84 38<br />
Olaf Schröder, Katrin Kanisch<br />
Fon: +49 40 236 48 38 70<br />
E-Mail: cu@seafarers-lounge.de<br />
HONGKONG (CHINA)<br />
Martina Platte<br />
Fon: +852 24 10 86 15, Fax: +852 24 10 86 17<br />
E-Mail: hongkong@seemannsmission.org<br />
Adresse: Hongkong, Mariners’ Club, 2<br />
Containerport Road, Kwai Chung, NT<br />
K<br />
KIEL (DEUTSCHLAND)<br />
Geschäftsstelle DSM-Kiel<br />
Seemannsheim „Haus auf der Schleuse“<br />
Stefanie Zernikow<br />
Fon: +49 431 33 14 92, Mobil: +49 152 29 22 73 49<br />
E-Mail: dsm-kiel@seemannsmission.org<br />
Adresse: Maklerstr. 9, 24159 Kiel<br />
Seafarer’s Lounge<br />
Fon: +49 431 90 89 45 97<br />
E-Mail: seafarers-lounge-kiel@<br />
seemannsmission.org<br />
Adresse: Ostseekai 1, 24103 Kiel<br />
Internationaler Seamen’s Club Baltic Poller<br />
Fon: +49 152 29 22 73 49<br />
Adresse: Ostuferhafen 15, 24148 Kiel<br />
Seemannsheim Holtenau<br />
Ewa Hellmann<br />
Fon: +49 431 36 12 06, Fax: +49 431 36 37 07<br />
E-Mail: kiel-holtenau@seemannsmission.org<br />
Adresse: Kanalstr. 64, 24159 Kiel-Holtenau<br />
L<br />
LE HAVRE (FRANKREICH)<br />
Michael Ludwig<br />
Fon/Fax: +33 235 49 58 30<br />
Mobil: +33 623 10 56 75<br />
E-Mail: lehavre@seemannsmission.org<br />
Adresse Büro: 32, Rue de Trouville,<br />
76610 Le Havre<br />
LOMÉ (TOGO)<br />
(Zurzeit nicht besetzt)<br />
Fon: +228 22 27 53 51<br />
Fax: +228 22 27 77 62<br />
E-Mail: lome@seemannsmission.org<br />
Adresse: Seemannsheim Foyer des Marins,<br />
Lomé/Togo<br />
LONDON (GROSSBRITANNIEN)<br />
Mark Möller<br />
Fon: +44 1375 37 82 95<br />
Mobil: +44 7958 00 51 24<br />
E-Mail: london@seemannsmission.org<br />
Adresse: German Seamen’s Mission,<br />
16, Advice Avenue, Chafford Hundred,<br />
GB-Grays, Essex RM 16 6QN<br />
LÜBECK (DEUTSCHLAND)<br />
Bärbel Reichelt<br />
Fon: +49 451 729 91, Fax: +49 451 889 05 05<br />
Mobil: +49 172 308 05 60<br />
E-Mail: b.reichelt@seemannsmissionluebeck.de<br />
Adresse: Seelandstr. 15 / Lehmannkai 2,<br />
23569 Lübeck<br />
Internationaler Seemannsclub<br />
„Sweder Hoyer“<br />
Geöffnet: So., Mo., Di., Do. 17–21.30 Uhr<br />
Fon: +49 451 399 91 06 (Call for transport)<br />
M<br />
MÄNTYLUOTO (FINNLAND)<br />
Wolfgang Pautz-Wilhelm<br />
Mobil: +358 400 74 05 94<br />
E-Mail: mantyluoto@seemannsmission.org<br />
Adresse: Seemannsheim, Uniluodonkatu 23,<br />
28880 Mäntyluoto<br />
MIDDLESBROUGH / TEES-HARTLEPOOL<br />
(GROSSBRITANNIEN)<br />
Irmgard Ratzke-Schulte<br />
Fon: +44 16 42 82 50 84, Mobil: +44 79 13 67 51 32<br />
E-Mail: middlesbrough@seemannsmission.org<br />
Adresse: 67, The Avenue, Linthorpe,<br />
Middlesbrough TS5 6QU<br />
N<br />
NEW YORK (USA)<br />
Arnd Braun-Storck<br />
Fon: +1 212 677 4800-0 (Rezeption)<br />
E-Mail: port-mission@sihnyc.org<br />
Adresse: Seafarers’ International House &<br />
Deutsche Seemannsmission,<br />
123 E., 15th Street, New York, N. Y. 10003<br />
Reservierung: www.sihnyc.org<br />
NORDENHAM (DEUTSCHLAND)<br />
Bordbesuche<br />
Rolf Kühn<br />
Fon: +49 4731 41 42, Mobil: +49 174 768 42 93<br />
E-Mail: nordenham@seemannsmission.org<br />
Fon: +49 4401 85 54 25, Fax: +49 4401 85 54 26<br />
Adresse: Deutsche Seemannsmission,<br />
Unterweser e. V., Zum Pier 1, 26919 Brake<br />
P<br />
PIRÄUS (GRIECHENLAND)<br />
Reinhild Dehning<br />
Fon: +30 210 428 75 66, Mobil: +30 69 44 34 61 19<br />
E-Mail: piraeus@seemannsmission.org<br />
Adresse: P.O. Box 80 303, 18510 Piräus -<br />
Botasi 60/62, 18537 Piräus<br />
R<br />
ROSTOCK (DEUTSCHLAND)<br />
Folkert Janssen, Mobil: +49 160 233 78 66<br />
Regina Qualmann, Mobil: +49 151 10 94 26 21<br />
Dorothea Flake, Mobil: + 49 151 10 94 26 21<br />
E-Mail: rostock@seemannsmission.org<br />
Adresse: Seemannsclub „Hollfast“,<br />
Überseehafen, Am Hansakai, 18147 Rostock<br />
Postfach 481028, 18132 Rostock<br />
Fon: +49 381 67 00 431,<br />
Fax: +49 381 67 00 432<br />
Geöffnet: täglich 17–22 Uhr<br />
ROTTERDAM (NIEDERLANDE)<br />
Jan Janssen<br />
Mobil 1: +31 653 88 06 66<br />
Mobil 2: +31 612 24 55 80<br />
Mobil 3: +31 620 49 53 77<br />
E-Mail: rotterdam@seemannsmission.org<br />
Adresse: Deutsche Seemannsmission<br />
Rotterdam, Nachtegaal 40, NL - 3191 DP<br />
Hoogvliet / Rotterdam<br />
Seamen’s Centre Rotterdam, Schiedam<br />
Fon: +31 1 04 26 09 33<br />
S<br />
SANTOS (BRASILIEN)<br />
Felipi S. Bennert<br />
Mobil: +55 47 99 11 23 70<br />
Office Fon: +55 13 32 24 28 80<br />
E-Mail: santos@seemannsmission.org<br />
Adresse: Seamen’s Centre,<br />
Av. Washington Luiz, 361,<br />
Santos - SP - Brasil, CEP 11055-001<br />
SASSNITZ (DEUTSCHLAND)<br />
Mobil: 0152 56 44 84 41<br />
E-Mail: sassnitz@seemannsmission.org<br />
Postanschrift: Grundtvig-Haus,<br />
Seestr. 3, 18546 Sassnitz<br />
Seemannsclub „Rügen-<strong>Anker</strong>“ im Mukran<br />
Port, Im Fährhafen 20, 18546 Neu Mukran<br />
Geöffnet: So.–Fr. 19–22 Uhr<br />
SINGAPUR (SINGAPUR))<br />
Mike Hofmann<br />
International Lutheran Seafarers’ Mission<br />
Mobil: +65 65 89 83 28<br />
E-Mail: mikehofmann@lutheran.org.sg<br />
STADE-BÜTZFLETH (DEUTSCHLAND)<br />
Kerstin Schefe<br />
Fon: +49 41 46 12 33, Fax: +49 41 46 12 68<br />
E-Mail: stade@seemannsmission.org<br />
Adresse: Seemannsclub „Oase“,<br />
Hafen Bützfleth, Postfach 5154,<br />
21669 Stade-Bützfleth<br />
Geöffnet: Mo.–Fr. 16–22 Uhr,<br />
So. 16–22 Uhr, Sa. geschlossen<br />
T<br />
TEES-HARTLEPOOL (S. MIDDLESBROUGH)<br />
TRAVEMÜNDE (SIEHE LÜBECK)<br />
V<br />
VALPARAISO (CHILE)<br />
Beratung<br />
Fon: +56 32 212 83 01<br />
E-Mail: valparaiso@seemannsmission.org<br />
W<br />
WILHELMSHAVEN ( DEUTSCHLAND)<br />
Tanja und Rainer Baumann, Simone Sarow<br />
Fon: +49 44 21 99 34 50,<br />
Fax: +49 44 21 99 34 51<br />
E-Mail: wilhelmshaven@seemannsmission.org<br />
Adresse: Hegelstr. 11, 26384 Wilhelmshaven<br />
Peter Sicking<br />
Fon: +49 44 21 50 29 96<br />
34 LASS FALLEN ANKER<br />
LASS FALLEN ANKER<br />
35
Für menschenwürdige Arbeitsbedingungen und mehr Umweltschutz im Seeverkehr<br />
Die Seemannsmission setzt sich<br />
für Seeleute ein – und für ein Siegel<br />
„Fair Trade“ kennt jeder. Zum fairen<br />
Handel gehört aber auch der faire<br />
Transport. Für die Seemanns mission<br />
(DSM) heißt deshalb das Schwerpunktthema<br />
in diesem Jahr: Fair<br />
übers Meer.<br />
„Konkret bedeutet das vor allem,<br />
dass die Besatzungen auf den<br />
Schiffen unter fairen Bedingungen<br />
beschäftigt werden müssen“,<br />
sagt Folkert Janssen, Leiter der DSM<br />
Rostock. Er war maßgeblich an der<br />
Erarbeitung des Jahres mottos „Fair<br />
übers Meer“ beteiligt.<br />
An diesem Ziel wird allerdings<br />
schon seit Jahren gearbeitet. 2006<br />
hatte die UNO-Unterorganisation<br />
für Arbeit, ILO (Internationale Arbeitsorganisation),<br />
das Seearbeitsübereinkommen<br />
„Maritime Labours Convention“<br />
auf den Weg gebracht.<br />
Sieben Jahre dauerte es, bis die<br />
Konvention ratifiziert war. Nun gibt<br />
es also einen Grundrechtekatalog für<br />
alle Besatzungen, egal, unter welcher<br />
Flagge sie beschäftigt sind. Viele<br />
Para meter werden da als Mindeststandards<br />
für die Menschen an Bord<br />
verbindlich geregelt.<br />
Anforderungen für<br />
- die Arbeit auf Schiffen,<br />
- Unterkunft, Freizeiteinrichtungen,<br />
und Verpflegung,<br />
- Gesundheitsschutz, medizinische<br />
und soziale Betreuung und soziale<br />
Sicherheit.<br />
Die Einhaltung dieser Konvention<br />
wird von den Hafenstaatskontrollen<br />
geprüft – doch die sind längst nicht<br />
ausreichend. So sind auch im Jahr<br />
2019 noch viele Missstände zu beklagen.<br />
Manchen Seeleuten werden nicht<br />
einmal die Heimatheuern bezahlt. Die<br />
Einkommen des Servicepersonals auf<br />
Kreuzfahrtschiffen sind vielfach so<br />
niedrig, dass es auf die Trinkgelder<br />
angewiesen ist.<br />
Hier gilt es zu Tarifvereinbarungen<br />
zu kommen, die ein Einkommen<br />
über die Heimatheuern hinaus<br />
festschreiben und die Trinkgelder<br />
als Faktor für ein Grundeinkommen<br />
ausschließen.<br />
Janssen: „Wir müssen die Internationale<br />
Transportarbeiter-Föderation<br />
(ITF) in ihrem Ringen um eine Verbesserung<br />
der Heuersituation nachhaltig<br />
unterstützen.“<br />
Was könnte dabei helfen? Die<br />
DSM schlägt vor, über ein neues<br />
Siegel „Fair übers Meer“ nachzudenken.<br />
Unser Vorschlag: Standards festlegen.<br />
Schiffseignern oder Betreibergesellschaften,<br />
die diese Standards<br />
erfüllen, dann als Anreiz das Siegel<br />
verleihen. Unabhängige Jurys<br />
sollten darüber entscheiden, wer es<br />
bekommt. Christiane Sengebusch