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Al Ard Magazin Ausgabe 3

Titelthema : Frauen und Freiheit

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Kultur - Feiern im Lichtermeer ثقافة ‏-االحتفاالت يف البحر امليضء<br />

Kultur - Feiern im Lichtermeer ثقافة ‏-االحتفاالت يف البحر امليضء<br />

33<br />

W<br />

Feiern im<br />

Lichtermeer<br />

enn es im Dezember früh dunkel wird in Deutschland,<br />

zünden die Menschen Kerzen an, hängen Lichterketten<br />

in Bäume und schmücken ihre Zimmer festlich mit<br />

Sternen und Engeln. Der Grund dafür: Es ist Weihnachtszeit!<br />

Aber was bedeutet dieses Fest mit seinen Symbolen<br />

eigentlich?<br />

Wenn ich als Kind gefragt worden wäre, welcher Tag im Jahr der<br />

wichtigste und schönste sei – ich hätte keine Sekunde mit meiner<br />

Antwort gezögert: Weihnachten! Denn Weihnachten heißt:<br />

Duft nach Tannenbaum und Lebkuchen. Geheimnisvolle Päckchen,<br />

die sich auf dem Kleiderschrank im Elternzimmer stapeln.<br />

Heißt: Die Familie feiert zusammen. Und alle Jahre wieder stellt<br />

sich rund um Weihnachten auch immer die große Frage, ob es<br />

denn rechtzeitig schneien wird oder nicht, ob wir also „weiße<br />

Weihnachten“ haben werden (meistens nicht).<br />

Fast alle Kinder in Deutschland würden auch heute noch so<br />

ähnlich antworten. Weihnachten hat eine überragende Bedeutung<br />

in diesem Land. Nicht nur für die Kleinen. „Wo wirst Du<br />

Weihnachten feiern?“ ist die Standardfrage in den Wochen davor.<br />

<strong>Al</strong>leinsein möchte in diesen Tagen niemand. Natürlich, es<br />

gibt auch die Weihnachten-Verächter. Viele davon finden sich jedoch<br />

nicht. Daher kommt man in Deutschland am Weihnachtsfest<br />

nur schwer vorbei: In vielen Gärten sieht man Lichterketten<br />

an Tannenbäumen und Leuchtsterne grüßen aus den Fenstern.<br />

In den Wochen davor ziehen die Städte ihr schönstes Kleid an, es<br />

glänzt, leuchtet und blinkt, wohin man auch blickt.<br />

Das Licht ist ein wichtiges Symbol an diesem Fest. Die Bedeutung<br />

des Lichterglanzes zu verstehen, heißt, sich daran zu erinnern,<br />

dass Christen etwa fünf Wochen vor dem Weihnachtsfest<br />

ihrer Toten gedenken. Am sogenannten „Totensonntag“ werden<br />

in den Kirchen die Namen der Verstorbenen des letzten Jahres<br />

verlesen, an diesem Tag besuchen viele Angehörige die Grabstätten<br />

ihrer Lieben auf den Friedhöfen. Eine Woche später beginnt<br />

die „Adventszeit“, also die Vorbereitung auf Weihnachten.<br />

An vielen Orten sind dann Tannenkränze zu sehen, auf die vier<br />

Kerzen gesteckt sind. Am ersten Sonntag der Adventszeit wird<br />

die erste Kerze entzündet, am zweiten die zweite und so weiter.<br />

Dieser Brauch geht auf Johann Hinrich Wichern (1808-1881) zurück,<br />

einen christlichen Theologen aus Hamburg.<br />

Er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, verwahrloste und verwaiste<br />

Kinder und Jugendliche aus den Hamburger Elendsvierteln<br />

zu betreuen. Wie alle Kinder freuten sie sich auf das Weihnachtsfest<br />

und haben ihn immer wieder gefragt, wann es denn<br />

endlich soweit sei. <strong>Al</strong>so erfand Wichern den Adventskranz: Ein<br />

hölzernes Wagenrad, auf dem vier dicke weiße Kerzen für die<br />

Sonntage und kleine roten Kerzen dazwischen für die Werktage<br />

angebracht waren. An jedem Tag wurde eine Kerze entzündet<br />

und so konnten die Kinder die Tage mitzählen - die Wochen vor<br />

Weihnachten (Advent) wurden zu einem Weg des Lichts: Von<br />

der Dunkelheit des Totensonntags nimmt das Licht zu, bis die<br />

Kinder am Heiligen Abend vor dem hell erleuchteten Tannenbaum<br />

stehen. Später wurde der hölzerne Kranz mit Tannengrün<br />

geschmückt. Wiederum ein Symbol: Tannen bleiben auch im<br />

Winter grün, sie symbolisieren die Hoffnung und das Leben.<br />

Der volle Lichterglanz am Ende ist das Ziel, denn an Weihnachten<br />

feiern Christen die Geburt Jesu Christi. Die Bibel erzählt, dass<br />

Jesus in einem einfachen Stall in Bethlehem zur Welt kam, weil<br />

seine Eltern Maria und Joseph auf Reisen waren und keinen Platz<br />

in einer Herberge fanden. Daran erinnern sogenannte „Krippen“<br />

an vielen Orten in Deutschland: Kleine Holzfiguren zeigen den<br />

Stall, Maria und Joseph betrachten das neu geborene Kind in der<br />

Krippe, Ochsen und Esel als Stallbewohner dürfen nicht fehlen<br />

und auch nicht die Hirten. Es heißt, dass sie in dieser Nacht nahe<br />

beim Stall ihre Herden gehütet haben und die ersten Zeugen der „Heiligen<br />

Nacht“ waren.<br />

Man muss wissen: Wer Hirte war, galt nicht viel in der Gesellschaft damals.<br />

Hier deutet sich also schon etwas an, was später das ganze Leben<br />

Jesu kennzeichnen sollte: Er fand Gehör nicht bei den Reichen, Mächtigen<br />

und Klugen, sondern bei denen, die am Rand der Gesellschaft<br />

standen. Das Christentum war anfangs eine Bewegung der Armen<br />

und Ausgeschlossenen – bis heute kümmern sich christliche Gemeinden<br />

und die Diakonie um Menschen, die am Rande stehen.<br />

Auch Engel dürfen in der Krippe nicht fehlen. Denn in der Heiligen<br />

Nacht erzählt die Bibel von dem Engel, der den Hirten auf dem Feld<br />

mitteilte, dass in dieser Nacht ihr Heiland Jesus geboren wurde. Auch<br />

die „Heiligen drei Könige“ sind in der Krippe zu sehen: An einer anderen<br />

Stelle erzählt die Bibel nämlich, dass sie einem hell leuchtenden<br />

Stern zu dem Stall gefolgt waren, das neu geborene Kind besuchten<br />

und ihm Geschenke brachten. Auch mit dieser Erzählung nimmt die<br />

Bibel etwas vorweg, was sich später in der Geschichte zeigen sollte:<br />

Was da ganz klein begann in einem kümmerlichen Stall in Bethlehem,<br />

würde später auch eine große Bedeutung für Menschen anderer Länder<br />

und Völker haben.<br />

Der Weg des Lichts, das immergrün der Tannen, der Stall, das Kind,<br />

die Hirten und Engel, auch der Stern und die Heiligen drei Könige -<br />

das Weihnachtsfest ist voller Symbolik. Zugegeben: Längst nicht allen<br />

Deutschen ist mehr bewusst, welche Tradition was genau bedeutet.<br />

Und gerade Kinder werden die Geschenke für das eigentlich Bedeutsame<br />

halten. Aber letztlich ist auch das Schenken am Heiligen Abend<br />

nur ein Symbol: Wie Gott uns das Kind in der Krippe geschenkt hat, so<br />

beschenken wir einander. Am Heiligen Abend soll Freude sein.<br />

Wie die meisten Kinder hätte ich damals nicht gezögert zu sagen,<br />

welcher Tag im Jahr der wichtigste und schönste sei. Ehrlich gesagt,<br />

das hat sich bis heute kaum geändert. Immer noch ist es für mich<br />

Weihnachten.<br />

DR. JOHANNES KRUG I SUPERINTENDENT<br />

DER EVANGELISCHEN KIRCHE STEGLITZ-ZEHLENDORF<br />

<strong>Al</strong> <strong>Ard</strong> - 03/2016<br />

03/2016 - <strong>Al</strong> <strong>Ard</strong>

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