Begegnung in Beinwil - Kloster Beinwil
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<strong>Begegnung</strong> <strong>in</strong> Be<strong>in</strong>wil 2 • 2010<br />
gerichtet se<strong>in</strong>, sonst beschweren sich die<br />
prom<strong>in</strong>enten E<strong>in</strong>geladenen.“ Sche<strong>in</strong>bar<br />
mitfühlend nickte das Ehepaar, das K<strong>in</strong>d<br />
war <strong>in</strong>zwischen auf der Bank e<strong>in</strong>geschlafen.<br />
„Sie sehen aber blass aus“ me<strong>in</strong>te der<br />
gute Mensch, der sie aufgenommen hatte.<br />
„Eigentlich dürfte ich es nicht, aber ich mache<br />
Ihnen e<strong>in</strong>en Tee, me<strong>in</strong> Chef wird es ja<br />
nicht erfahren. Rühren sie bitte nur nichts<br />
an im Saal.“ Dankbare Blicke beantworteten<br />
diese Frage von selbst. Der E<strong>in</strong>ladende<br />
fuhr fort, „Auch ich b<strong>in</strong> fremd <strong>in</strong><br />
dieser Stadt. Ich habe hier e<strong>in</strong>e Arbeit als<br />
Oberkellner gefunden, ich arbeite Tag und<br />
Nacht.“ Dann kramte er se<strong>in</strong>e Geldtasche<br />
hervor und klaubte e<strong>in</strong> Foto heraus. Stolz<br />
zeigte er se<strong>in</strong>e Familie mit Söhnen und<br />
Töchtern. Wie gerne hätte er das Fest mit<br />
ihnen verbracht. Aber jemand müsse nun<br />
mal den Lebensunterhalt verdienen. Bei<br />
ihm daheim gebe es viel Arbeitslosigkeit<br />
und deshalb wäre er froh hier etwas bekommen<br />
zu haben. Und er erzählte weiter<br />
von se<strong>in</strong>er Arbeit.<br />
Er sei für alles zuständig. Auch die richtige<br />
Wahl des We<strong>in</strong>s obliege se<strong>in</strong>er Verantwortung.<br />
Guter We<strong>in</strong> müsse manchmal<br />
lange vorher geöffnet werden, sonst könne<br />
er sich nicht entfalten. Dabei schaute<br />
sich die Familie stumm <strong>in</strong> die Augen. Denn<br />
das K<strong>in</strong>d war <strong>in</strong>zwischen aufgewacht und<br />
lauschte den Stimmen, die aus dem grossen<br />
Saal kamen. Erstaunt sah es all die<br />
Festlichkeiten und den geschmückten<br />
Baum mit dem vielen Dekor und Kerzen.<br />
Servietten standen millimetergenau auf<br />
den e<strong>in</strong>zelnen Plätzen, dazu funkelnde<br />
Gläser und fe<strong>in</strong>stes Porzellan. „Vater,<br />
Mutter“ rief es begeistert, „hier möchte<br />
ich bleiben!“ Die Eltern und der Oberkellner<br />
wussten e<strong>in</strong>en Augenblick nicht, was<br />
sie sagen sollten. Alle ihre abweisenden<br />
Argumente wirkten für das K<strong>in</strong>d nicht<br />
überzeugend. Selbst die E<strong>in</strong>rede, alle Plätze<br />
seien schon vergeben, überzeugte nicht<br />
- denn auf e<strong>in</strong>igen fehlte das Namensschildchen.<br />
„Ne<strong>in</strong>“ me<strong>in</strong>te der Oberkellner<br />
verzweifelt, „das ist für Prom<strong>in</strong>enz und<br />
den Bürgermeister reserviert, falls diese<br />
kommen. Denn für alle Eventualitäten<br />
muss vorgesehen werden, sagt me<strong>in</strong> Chef<br />
immer“. Aber das K<strong>in</strong>d freute sich immer<br />
mehr. Denn es sagte sich: wenn es für alles<br />
e<strong>in</strong>e Vorhersehung gibt, dann gerade<br />
auch für me<strong>in</strong>e Eltern und mich. Und es<br />
sagte laut: „Es ist für uns K<strong>in</strong>der alles viel<br />
zu hoch und unerreichbar. Könnte man<br />
nicht e<strong>in</strong>ige kle<strong>in</strong>e Tischle<strong>in</strong> neben den<br />
Baum stellen?“ Der Oberkellner rollte die<br />
Augen und stammelte verlegen, dass se<strong>in</strong><br />
Chef noch nie K<strong>in</strong>der zu diesem Fest geladen<br />
habe. Denn die würden sich nur langweilen<br />
und dann die anderen Geladenen<br />
stören. Aber das K<strong>in</strong>d war schon dabei,<br />
e<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>derecke e<strong>in</strong>zurichten. Still lies es<br />
der Oberkellner gewähren, denn dies alles<br />
konnte sowieso mit wenigen Handgriffen<br />
wieder weggeräumt werden.<br />
Plötzlich wurde es laut aus den unteren<br />
Etagen. Verzweiflungsrufe und Schimpftiraden<br />
wechselten sich munter ab. E<strong>in</strong><br />
st<strong>in</strong>kender Rauch schlich sich unter den<br />
nervös zuknallenden Türen durch und<br />
verbreitete sich im ganzen Haus: der<br />
Kochlehrl<strong>in</strong>g war e<strong>in</strong>geschlafen und das<br />
ganze Festessen war nun schwarz wie<br />
Kohle. Auch der Oberkellner war ausser<br />
sich: was sollte er jetzt se<strong>in</strong>en Gästen servieren?<br />
Dazu war nun der teure We<strong>in</strong>, der<br />
genau zu diesem Essen passen sollte, wie<br />
auch die andere Vorbereitung völlig umsonst!<br />
Sie würden alle mit Schmach entlassen,<br />
und er könnte se<strong>in</strong>e Familie nicht<br />
mehr unterstützen. Helle Aufregung